Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 306



95 II 306

41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. April 1969
i.S. Basler -Unfall gegen Graf. Regeste

    Genugtuung (Art. 47 OR). Alter und Mitverschulden des Verunfallten
bei der Bemessung des Anspruchs der Hinterbliebenen (Erw. 4).

    Art. 45 Abs. 1 OR. Kein Anspruch auf Ersatz der Kosten des
Grabunterhaltes (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 5).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Der 68-jährige Otto Graf fuhr am 2. September 1966 mit seinem
Personenwagen Fiat 1100 ausserorts auf der geteerten 5,5 m breiten Strasse
durch den Wangenerwald Richtung Kindhausen. Aus der entgegengesetzten
Richtung fuhr Ernst Maurer mit dem Kastenwagen Ford-Transit der Firma
Meierhans. Beim Kreuzen streiften sich die beiden Fahrzeuge. Sie wurden
seitlich abgetrieben und gerieten, in ihrer Fahrrichtung gesehen, über
den rechten Strassenrand hinaus. Graf prallte mit seinem Wagen frontal
gegen eine am Strassenrand stehende Tanne und wurde auf der Stelle getötet.

    B.- Die Ehefrau (Klägerin 1) und die im Jahre 1950 geborene
Tochter (Klägerin 2) des Verunfallten belangten die Basler-Unfall als
Haftpflichtversicherung des Halters Meierhans beim Bezirksgericht Uster auf
Zahlungvon Schadenersatz (Klägerin 1) und Genugtuung (Klägerin 1 und 2).

    C.- Das Obergericht des Kantons Zürich hiess in zweiter Instanz die
Klagen teilweise gut.

    Indem es in bezug auf die Fahrweise Maurers und die Bestimmung des
massgebenden Ortes des Zusammenstosses zu einem andern Schluss gelangte
als das Bezirksgericht, sprach es - mit Ausnahme der ebenfalls abgelehnten
Forderung für Grabunterhalt- der Klägerin 165% der Schadenersatzforderung
zu und setzte ihren Genugtuungsanspruch auf Fr. 5000.--, denjenigen der
Klägerin 2 auf Fr. 2000.-- fest.

    D.- Das Bundesgericht bestätigte auf Berufung der Beklagten und
Anschlussberufung der Klägerinnen das Urteil des Obergerichts.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 47 OR, auf den Art. 62 SVG verweist, kann der Richter
bei Tötung eines Menschen unter Würdigung der besonderen Umstände den
Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung
zusprechen. Die Bestimmung der Summe richtet sich nach richterlichem
Ermessen. Dabei fällt, obwohl das Gesetz es nicht ausdrücklich sagt,
das Verschulden erheblich ins Gewicht (vgl. BGE 90 II 83 Erw. 2 und 190,
91 II 225).

    Die Beklagte behauptet, das Obergericht habe den Klägerinnen zu
Unrecht eine Genugtuungssumme zugesprochen, weil Graf den Zusammenstoss
selbst verschuldet habe. Die Beklagte geht auch hier von falschen
Voraussetzungen aus. Massgebend für die Beurteilung des Verschuldens
ist nicht die Beweiswürdigung der Beklagten, sondern die verbindliche
Feststellung der Vorinstanz (vgl. dazu Erw. 2). Dass diese mit Rücksicht
auf das Verschulden Grafs (35%) den Anspruch der Klägerinnen auf
Genugtuung nicht ausgeschlossen, sondern bloss herabgesetzt hat, ist
nicht zu beanstanden. Sie weist mit Recht auf die schwere Unbill hin,
welche die Klägerinnen durch den plötzlichen Tod ihres Ehemannes und
Vaters erlitten haben. Wenn sie in Anbetracht des Alters des Verunfallten
und seines Mitverschuldens am Zusammenstoss der Klägerin 1 Fr. 5000.--
(statt Fr. 12'000.--) und der Klägerin 2 Fr. 2000.-- (statt Fr. 5000.--)
zugesprochen hat, kann von einer Ermessensüberschreitung nicht die
Rede sein.

Erwägung 5

    5.- Das Obergericht hat die Forderung von Fr. 468.-- für Grabunterhalt
abgelehnt, weil es sich dabei um eine Pietätspflicht handle. Diese
Auffassung verstösst nach Ansicht der Klägerinnen gegen Art. 45 Abs. 1 OR.

    Nach der Rechtsprechung gehören zu den Bestattungskosten im
Sinne von Art. 45 Abs. 1 OR nur solche Aufwendungen, die mit dem Tod
unmittelbar zusammenhangen. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang
ist bei den Kosten des Grabunterhaltes, die erst später, im Verlaufe
der Zeit entstehen, offenbar nicht gegeben. Der Grabunterhalt ist in
erster Linie eine Pietätspflicht der Angehörigen, so dass damit ein
Ersatzanspruch gegen einen Dritten, der den Tod des Verstorbenen zu
verantworten hat, unvereinbar ist (BGE 65 II 254 und die dort erwähnten
Entscheide). Der Einwand der Klägerinnen, mit der gleichen Begründung
könnten Ersatzansprüche für Todesanzeigen, Beerdigungskosten, Grabmal
usw. abgewiesen werden, trifft nicht zu. Gewiss spielen auch bei diesen
Auslagen die Pietätsgefühle der Angehörigen eine Rolle. Sie hangen aber
mit dem Tod unmittelbar zusammen und entstehen nicht erst später.