Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 109



95 II 109

16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Februar 1969 i.S. Schweizerische
Bankgesellschaft gegen Poljak. Regeste

    Internationales Privatrecht, Kauf, Abtretung.

    Anwendbares Recht beim Kauf (Erw. 2 a).

    Übervorteilung. Nichtigkeit des Vertrages wegen tatsächlicher
Unmöglichkeit der Anfechtung; Frage offen gelassen (Erw. 2 b).

    Abstrakter oder kausaler Charakter der Abtretung; Frage offen gelassen
(Erw. 2 b).

    Materielle Gültigkeit der Abtretung; anwendbares Recht (Erw. 3 a).
Devisenrechtliches Abtretungsverbot. Verstoss gegen die schweizerische
öffentliche Ordnung (Erw. 3 c).

    Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Forderung, deren Erwerb
dem Schuldner nicht innert der Verjährungsfrist angezeigt wird (Erw. 4).

    Befreiende Wirkung einer Zahlung, die der Schuldner auf Grund eines
ausländischen Erbscheines vornimmt (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Der jüdische Bankdirektor Leo Keppich besass seit 1927 bei
der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) ein Konto, das 1932 in
ein Nummernkonto umgewandelt wurde. Die SBG bezahlte daraus die
Prämien einer Lebensversicherung, die Keppich im Jahre 1928 mit der
Basler-Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen hatte, und nahm im
Jahre 1947 die zur Zahlung fällig gewordene Versicherungssumme entgegen.

    Im Juli 1948 gelangte Elemer Fogel, der Bruder der Ehefrau Keppichs, im
Namen seiner Eltern Lajos und Matild Fogel-Fried, an die SBG und verlangte
die Auszahlung des Kontos. Auf Grund beigebrachter Urkunden soll Keppich
im Jahre 1943 in Auschwitz umgekommen, seine Ehefrau am 18. Juni 1944 in
Bacsalmas gestorben und ihre Eltern die alleinigen Erben sein. Gestützt
darauf zahlte die SBG das Guthaben Keppichs am 27. Oktober 1949 mit
Fr. 33 481.-- und - nach ihrer Darstellung - am 23. November 1949 mit
Fr. 15 057.-- an Fogel aus.

    Im April 1958 teilte Dezsö Poljak der SBG mit, Keppich habe ihm das
Guthaben in den Jahren 1943/44 abgetreten. Als die SBG erklärte, sie
habe es bereits ausbezahlt, und weitere Verhandlungen erfolglos blieben,
erstattete Poljak am 11. Februar 1959 Strafanzeige gegen Unbekannt.

    B.- Am 19. September 1961 klagte Poljak gegen die SBG auf Zahlung von
Fr. 33 481.-- nebst Zins zu 5% seit 27. Oktober 1949 und Fr. 15 507.--
nebst 5% Zins seit 23. November 1949.

    Das Bezirksgericht Zürich wies die Klage am 3. Dezember 1963 ab,
weil die Beklagte in Unkenntnis der vom Kläger behaupteten Abtretung
verpflichtet gewesen sei, das Guthaben an Elemer Fogel auszuzahlen.

    Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 15. Mai 1964 dieses Urteil
auf und wies das Bezirksgericht an, die bestrittene Sachlegitimation
des Klägers zu beurteilen. Das Bezirksgericht Zürich holte hierauf ein
Gutachten ein über die Echtheit der Urkunden, auf die der Kläger seinen
Anspruch stützte, und wies die Klage am 28. Juni 1966 erneut ab.

    Das Obergericht verpflichtete am 25. Juni 1968 die Beklagte, dem
Kläger Fr. 48 538.-- nebst 5% Zins seit 30. Dezember 1958 zu bezahlen.

    C.- Die Beklagte beantragt mit der Berufung, das vorinstanzliche Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei die Klage im Umfange von
Fr. 10 348.30 (einkassierte Versicherungssumme) abzuweisen; subeventuell
sei die Sache zur Aktenergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In der "Vereinbarung" vom 18. Mai 1932 haben Keppich und die
Beklagte ausdrücklich schweizerisches Recht als anwendbar erklärt. Da
durch die Abtretung die Rechtslage der Beklagten als Schuldnerin nicht
erschwert werden durfte (vgl. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Das Obligationenrecht -
Einleitung, internationales Privatrecht - N. 379; VISCHER, Internationales
Vertragsrecht, Bern 1962, S. 238), bindet die getroffene Rechtswahl auch
den Kläger.

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren die Echtheit der
Abtretungserklärungen nicht mehr. Sie hält aber am Einwand fest, die
Abtretung sei wegen Ungültigkeit des Grundgeschäftes unwirksam.

    a) Wie die Vorinstanz feststellt, liegt der Abtretung ein Kaufvertrag
zu Grunde. Dieser untersteht nicht dem Recht des abzutretenden Anspruchs,
sondern seinem eigenen Statut (BGE 61 II 245, 62 II 110, 74 II 87, 78 II
392, 79 II 165/66, 297/98).

    Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz wohnte Keppich im
Zeitpunkt der Abtretung in Subotica, einer etwa 170 km südlich von Budapest
gelegenen Stadt, die bis 1941 zu Jugoslawien und dann bis 1945 infolge
völkerrechtlicher Annektion unter dem Namen Szabadka zu Ungarn gehörte und
seither wieder jugoslawisch ist; dort fand auch die Zession statt. Der
1943/44 abgeschlossene Kaufvertrag unterstand daher dem ungarischen
Recht. Dieses wurde allerdings im kantonalen Verfahren nicht nachgewiesen,
weshalb die Vorinstanz ersatzweise schweizerisches Recht anwendete. Es
ist daher in diesem Punkt auf die Berufung einzutreten (BGE 92 II 118 ff.).

    b) Die Beklagte hält in der Berufung daran fest, dass zwischen dem Wert
der abgetretenen Forderung und dem dafür bezahlten Preis ein offenbares
Missverhältnis bestanden habe. Sie ist der Auffassung, der Vertrag sei
auf dem Wege der Lückenfüllung als nichtig zu erklären, weil weder Keppich
noch seine Erben zur Anfechtung in der Lage gewesen seien.

    Nach Art. 21 OR ist der Vertrag bei Übervorteilung einer Partei bloss
anfechtbar (vgl. BGE 84 II 112/13, 90 II 179). Die Anfechtung steht nur
dem "Verletzten", d.h. dem Vertragspartner zu. Die Beklagte nahm aber
am Vertrag nicht teil und ist daher zur Anfechtung nicht legitimiert. Ob
der Vertrag ausnahmsweise nichtig ist, wenn der Verletzte verhindert war,
ihn rechtzeitig anzufechten, kann dahingestellt bleiben, weil es an den
Voraussetzungen der Übervorteilung fehlt.

    Die Übervorteilung setzt nach Art. 21 OR unter anderem ein offenbares
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Das Obergericht
stellt in dieser Beziehung fest, Keppich habe sein Guthaben zum amtlichen
Wechselkurs von Fr. 1.- zu 1 pengö statt zum freien Kurs von Fr. 1.-
zu 6,5 pengö verkauft. Es vertritt die Auffassung, dem Kläger habe die
Zahlung des freien Kurses nicht zugemutet werden können, weil damals
durchaus ungewiss gewesen sei, ob er dieses Guthaben in der Schweiz je
werde einlösen können. Unter diesen Umständen kann von einem offenbaren
Missverhältnis nicht die Rede sein.

    Zudem stellt die Vorinstanz fest, die Beklagte habe die angebliche
Übervorteilung nicht in einer für die Durchführung eines Beweisverfahrens
tauglichen Art substanziert. Es ist somit nicht nachgewiesen, dass der
Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages die Notlage, Unerfahrenheit oder
den Leichtsinn Keppichs gekannt, also die Möglichkeit der Übervorteilung
bewusst zu seinen Gunsten ausgenützt hat. Unter diesen Umständen kann
wie in BGE 84 II 363/64 offen bleiben, ob die Abtretung einen gültigen
Rechtsgrund voraussetzt.

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte macht unter Berufung auf GULDENER (Zession,
Legalzession und Subrogation im internationalen Privatrecht, Diss. Zürich
1929, S. 41 f. und 63 N. 3) geltend, die Gültigkeit der Abtretung
beurteile sich grundsätzlich nach eigenem Recht, d.h. nach dem Recht
des engsten räumlichen Zusammenhanges und unterstehe nur soweit dem
Recht der abzutretenden Forderung, als es der Schutz des Schuldners
gebiete. Im vorliegenden Fall liege der Schwerpunkt der Abtretung und
des ihr zugrunde liegenden Kaufvertrages (Verpflichtungsgeschäftes) im
ungarischen Rechtsraum. Die Abtretung sei nach dem massgebenden ungarischen
Devisenrecht ungültig, weil die Verfügung über das Konto ohne Erlaubnis
der ungarischen Nationalbank erfolgt sei.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes beurteilt sich die
Gültigkeit der Abtretung nach dem Recht der zu übertragenden Forderung
(vgl. BGE 23 I 143, 39 II 76 f., 41 II 134 Erw. 1, 61 II 245, 62 II 110,
74 II 87, 78 II 392). Auf dem gleichen Boden steht auch die herrschende
Lehre (vgl. BECKER, N. 13 zu den Vorbemerkungen zu Art. 164 - 174
OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, aaO N. 377; VISCHER, aaO S. 238; SCHNITZER,
Internationales Privatrecht II, 4. Aufl. 1958, S. 657; LEWALD, Das deutsche
internationale Privatrecht, S. 274; KEGEL, Internationales Privatrecht, 2.
Aufl. 1964, S. 247). Zu einer neuen Überprüfung der Frage besteht kein
Anlass, weil die Vorinstanz auch hier ersatzweise schweizerisches Recht
angewendet hat.

    b) Die Vorinstanz stellt fest, die Beklagte habe das der Abtretung
angeblich entgegenstehende ungarische Devisenrecht nicht nachgewiesen. Sie
weist darauf hin, dass auf ein Schreiben, welches das Gericht in einer
andern Frage des Prozesses an das Eidg. Politische Departement gerichtet
habe, ein Bericht des Vertrauensanwaltes der schweizerischen Botschaft
in Budapest eingetroffen sei, welcher unter anderem wie folgt laute:

    "Als Ergebnis teile ich mit, dass im Sinne der vor dem Krieg gültigen
Rechtsvorschriften die aus Subotica stammende Person jüdischer Abstammung
die fraglichen Werte aller Wahrscheinlichkeit nach unter Hintergehung
der ungarischen Rechtsvorschriften in die Schweiz brachte oder bringen
liess, was eine verbotene Handlung war, die strafrechtliche Folgen hatte,
ja sogar die Konfiszierung der ausgeführten Werte nach sich gezogen
hätte. Der jugoslavische Flüchtling, der 1943-44 diese Vermögenswerte
kaufte, hätte dieses Geschäft nur mit der Erlaubnis der Ungarischen
Nationalbank abwickeln dürfen, mangels deren er auf dem Deliktwege in
den Besitz der Werte gelangte."

    Dieser Bericht beruht nach Auffassung des Obergerichtes auf unrichtigen
tatsächlichen Voraussetzungen, weil Keppich das Guthaben nicht unter
Umgehung ungarischer Devisenbestimmungen in die Schweiz gebracht,
sondern es in einer Zeit begründet habe, als Subotica unter jugoslawischer
Herrschaft stand. Die Beklagte behaupte denn auch nicht, dass Keppich bei
der Eröffnung des Kontos im Jahre 1927 jugoslawische Bestimmungen verletzt
habe. Ob jene ungarischen Bestimmungen auch auf solche befugtermassen
im Ausland begründete Guthaben anwendbar seien, gehe aus jener Auskunft
nicht hervor. Die Frage könne aber offen gelassen werden.

    Diese Feststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich, wenn
sie nicht unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande
gekommen sind oder offensichtlich auf Versehen beruhen (Art. 63 Abs. 2 OG).

    Die Beklagte behauptet, die Vorinstanz habe den zweiten Absatz
des Berichtes übergangen, in welchem der Vertrauensanwalt erkläre,
der jugoslawische Flüchtling könne seines Erachtens den Anspruch nicht
durchsetzen, wenn er nicht beweise, dass die ungarische Nationalbank
sowohl die Zustimmung zur Einfuhr der fraglichen Vermögenswerte in die
Schweiz als auch zu deren Übereignung erteilt habe. Das ändert aber an der
Feststellung der Vorinstanz nichts. Von einem offensichtlichen Versehen,
wie die Beklagte es anscheinend dartun will, kann somit keine Rede sein.

    c) Die Vorinstanz hat die Anwendung des ungarischen Rechtes abgelehnt,
weil es gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstosse.

    Oeffentliches Recht gilt nach einem allgemein anerkannten Grundsatz
des Völkerrechtes in der Regel nur in jenem Staat, der es erlassen hat
(Territorialitätsprinzip). Es kann daher in der Schweiz nicht angewendet
oder vollzogen werden, es wäre denn, die schweizerische Rechtsordnung
selbst verlange das, insbesondere weil die Schweiz sich hiezu durch
Staatsvertrag verpflichtet habe oder weil das ausländische öffentliche
Recht das von ihr als anwendbar anerkannte Privatrecht unterstütze,
z.B. in das Privatrecht oder in privatrechtliche Verhältnisse vorwiegend
oder ausschliesslich zum Schutze privater Interessen eingreife (vgl. BGE
82 I 197/98 und die dort erwähnten Entscheide).

    Das Bundesgericht hat Eingriffe in die Gläubigerrechte durch die
ausländische Gesetzgebung wegen Unvereinbarkeit mit der schweizerischen
öffentlichen Ordnung wiederholt als unzulässig erklärt (vgl. z.B. BGE 62
II 110, 61 II 246 Erw. 3, wo wie im vorliegenden Fall die Gültigkeit einer
Abtretung zu beurteilen war). Gegen die Anwendung der Vorbehaltsklausel
erheben sich umso weniger Bedenken, als nach dem Bericht des
Vertrauensanwaltes die angeblichen Devisenvorschriften offenbar nur Juden
betrafen und damit einen ausgesprochen rassenfeindlichen Einschlag hatten.

Erwägung 4

    4.- Die Beklagte folgert aus dem Umstand, dass der Kläger seit
der angeblich im Jahre 1946 erfolgten Anzeige der Abtretung während
12 Jahren mit der Geltendmachung des Anspruches zugewartet habe,
dürfe ihr der gute Glaube nicht mehr abgesprochen werden und habe sie
umso mehr auf die Berechtigung der durch die vorgelegte Bescheinigung
ausgewiesenen Erben vertrauen dürfen. Durch das lange Zuwarten dürfe
sich der Kläger nach Treu und Glauben ihr gegenüber überhaupt nicht auf
mangelnde Sorgfalt berufen und sei ihm auch nicht mehr gestattet, seinen
Anspruch geltend zu machen. Jedenfalls sei die Anzeige der Abtretung
und die Legitimationsführung später als 10 Jahre nach dem Abtretungsakt
nicht mehr zulässig; ansonst wäre - die abstrakte Natur der Abtretung
vorausgesetzt - die Bereicherungsklage wegen der absoluten Verjährungsfrist
von 10 Jahren nicht mehr durchsetzbar.

    Das Obergericht stellt - beweiswürdigend - für das Bundesgericht
verbindlich fest, der Kläger habe den Nachweis dafür, dass er der Beklagten
die Abtretung angezeigt habe, nicht erbracht.

    Die Abtretung ist jedoch auch gültig, wenn sie dem Schuldner nicht
angezeigt wird. Unterbleibt die Mitteilung, so läuft der Zessionar nur
Gefahr, dass sich der gutgläubige Schuldner durch Leistung an den früheren
Gläubiger befreit (Art. 167 Abs. 1 OR). Auch wird die Forderung in ihrem
Bestand nicht verändert, wenn die Mitteilung an den Schuldner unterbleibt.
Der Anspruch unterliegt nach wie vor der gleichen Verjährungsfrist. Die
Beklagte beruft sich nicht auf Verjährung, sondern auf Anspruchsverwirkung
infolge Rechtsverzögerung.

    Die Vorinstanz erklärt, die Beklagte habe die Einrede des
Rechtsmissbrauchs zu spät erhoben. Das schadet der Beklagten nicht. Art. 2
ZGB ist in jeder Instanz von Amtes wegen zu beachten. Die Anwendung
dieser Vorschrift setzt aber voraus, dass eine Partei im kantonalen
Verfahren Sachumstände behauptet hat, die geeignet sind, den geltend
gemachten Anspruch zu vernichten. Damit missbräuchliche Verzögerung in
der Rechtsausübung angenommen werden darf, genügt der blosse Zeitablauf
nicht, sondern müssen weitere Umstände hinzukommen. Das ist dann der Fall,
wenn die Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit des Berechtigten
in einem unvereinbaren Widerspruch steht oder wenn der Gläubiger mit
der Geltendmachung des Anspruchs in der Absicht zuwartet, eine für den
Schuldner nachteilige Beweisverdunkelung herbeizuführen (vgl. BGE 94 II
41/42). Auf solche Umstände beruft sich die Beklagte jedoch nicht. Wie
die Vorinstanz - im Zusammenhang mit der Frage nach der Echtheit der
Abtretungsurkunden - ausführt, hätte die Nachkriegs-Devisengesetzgebung
Jugoslawiens dem Kläger die freie Verwendung über sein Guthaben nicht
gestattet und wäre es schon aus diesen Gründen für den Kläger schwierig
gewesen, mit der Beklagten in Verbindung zu treten. Diese Tatsache ist
gerichtsnotorisch. Die Behauptung der Beklagten, die Vorinstanz habe in
Verletzung von Art. 8 ZGB auf eine unbewiesene Behauptung abgestellt,
ist daher unbegründet.

    Der Einwand der Beklagten, die Forderung hätte innert 10 Jahren seit
der Abtretung geltend gemacht werden müssen, nützt nichts; er scheitert
an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die Unterlassung
der Anzeige für die Auszahlung des Guthabens an Fogel nicht kausal war;
denn die Beklagte befände sich in der gleichen Lage, wenn der Kläger auch
nur einen Tag nach der im Jahre 1949 erfolgten Auszahlung des Guthabens -
also innerhalb der von ihr behaupteten Verwirkungsfrist - seine Forderung
gegen sie geltend gemacht hätte.

    Da der Kläger das Zuwarten mit der Geltendmachung der Forderung zu
rechtfertigen vermag, besteht für die ohnehin sonderbare Auffassung der
Beklagten, er dürfe sich ihr gegenüber nicht auf mangelnde Sorgfalt
berufen, kein Raum. Dasselbe gilt für die Ansicht der Beklagten, ihr
dürfe der gute Glaube im Zusammenhang mit der Auszahlung des Guthabens
überhaupt nicht abgesprochen werden. Im übrigen ist dieser Gesichtspunkt,
wie noch dargetan wird, nicht entscheidend (vgl. Erw. 5).

Erwägung 5

    5.- Das Obergericht stellt verbindlich fest, Keppich sei nicht im Jahre
1943, sondern im Jahre 1944 gestorben und habe seine Ehefrau überlebt. Die
Eltern der Ehefrau Keppichs, Lajos und Matild Fogel-Fried, fielen somit
als gesetzliche Erben Keppichs ausser Betracht, weshalb die Beklagte
durch Auszahlung des Kontos an Elemer Fogel nicht befreit worden sei.

    a) Die Beklagte macht geltend, sie habe die auftragsrechtliche
Ablieferungspflicht auf Grund der von Elemer Fogel vorgelegten
Erbenbescheinigung erfüllt, da sie - rückblickend - die nach den konkreten
Umständen von ihr zu erwartende Sorgfalt bei der Legitimationsprüfung der
Ansprecher beachtet habe. Sie beruft sich hiefür auf JÄGGI, N. 52 und 60
zu Art. 966 OR.

    b) Die Anerkennung eines ausländischen Erbscheines setzt voraus, dass
er nach dem Recht des betreffenden Staates entweder eine endgültige oder
entsprechend Art. 559 ZGB mindestens eine vorläufige Legitimationswirkung
hat und von der zuständigen Behörde ausgestellt worden ist (vgl. ESCHER,
N. 26 und TUOR/PICENONI, N. 27 zu Art. 559 ZGB). Dabei ist mit GULDENER
(Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz,
S. 196 und 99) als genügend zu erachten, wenn die Zuständigkeit der Behörde
des Staates feststeht, in welchem der Erbgang eröffnet werden durfte.
Ausserdem ist erforderlich, dass der Schuldner auf Grund der nach den
Umständen gebotenen Aufmerksamkeit nicht erkennen kann, dass die Urkunde
materiell unrichtig oder ungenügend sei.

    Die Beklagte hat die Auszahlung des Guthabens auf Grund einer Kopie
des Nachlassprotokolls eines Budapester Notars vom 27. Juni 1949 sowie
eines darauf bezugnehmenden Beschlusses des Zentral-Bezirksgerichtes
Budapest vorgenommen, der nach dem Wortlaut mangels Anfechtung durch die
Berechtigten als rechtskräftig gilt. Der Gerichtsbeschluss bestätigt den
Inhalt des notariellen Protokolls und damit auch die darin enthaltene
Feststellung, die Eheleute Fogel-Fried seien die gesetzlichen Erben
Keppichs. Der Beschluss kann somit an sich als Legitimationsurkunde in
Betracht fallen.

    Die Vorinstanz stellt sodann auf Grund der unwiderlegten Behauptung
des Klägers fest, dass nach ungarischem wie nach jugoslawischem Recht
die Behörde am letzten Wohnsitz des Erblassers zur Ausstellung einer
Erbenbescheinigung sachlich zuständig sei. Diese in Auslegung prozessualer
Erklärungen getroffene Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich
(BGE 81 II 528 Erw. 5, 83 II 173). Ausserdem stellt das Obergericht
fest, Keppich sei, solange die Beklagte mit ihm verkehrte, in Subotica
wohnhaft gewesen. Diese Stadt gehörte, wie erwähnt (vgl. Erw. 2), im
Jahre 1949 wieder zu Jugoslawien. Die ungarischen Behörden waren daher
zur Ausstellung einer Erbenbescheinigung nicht zuständig.

    Im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 2366 und 2367 BGB) verurkundet
der Erbschein im schweizerischen Recht keine endgültige Entscheidung
über die Erbberechtigung (ESCHER, N. 8 und 9 a und TUOR/PICENONI,
N. 23 zu Art. 559 ZGB; TUOR/SCHNYDER, 8. Aufl. ZGB, S. 371). Umstritten
ist daher, ob der gutgläubige Schuldner durch Leistung an die durch
Erbenbescheinigung im Sinne von Art. 559 ZGB ausgewiesenen Erben befreit
wird. In BGE 41 II 213 wurde die Frage ohne nähere Begründung bejaht. In
der Lehre sind die Auffassungen geteilt (zustimmend JÄGGI, N. 52 und 60
zu Art. 966 OR; SOMMER, Die Erbbescheinigung nach schweizerischem Recht,
Diss. Zürich 1941 S. 84 und 88; ablehnend ESCHER, N. 8 zu Art. 559 ZGB
und VON TUHR/SIEGWART, OR II S. 459, vgl. aber auch S. 524 N. 76, wo die
gegenteilige Auffassung vertreten wird). Die Frage kann indessen offen
bleiben, weil die Auszahlung, wie erwähnt, auf Grund einer ausländischen
Erbenbescheinigung erfolgt ist.

    Im vorliegenden Fall kommt der Beklagten die Berufung auf JÄGGI
(aaO) schon deshalb nicht zustatten, weil dieser Autor das Vertrauen
des Schuldners nur unter der Voraussetzung geschützt wissen will, dass
die Erbenbescheinigung echt ist, d.h. von der (sachlich) zuständigen
Behörde stammt. JÄGGI erklärt denn auch ausdrücklich, dass der Schuldner
die Gefahr eines ungenügenden oder unechten Rechtsnachfolgeausweises
trage. Das stimmt mit dem Grundsatz überein, dass der Schuldner nur
durch Leistung an den Gläubiger oder an einen von ihm bezeichneten oder
bevollmächtigten Vertreter befreit wird (vgl. VON TUHR/SIEGWART, aaO
S. 458/59; GUHL, Das schweiz. Obligationenrecht, 5. Aufl. S. 185). Die
Beklagte kann sich weder auf eine gesetzliche oder vertragliche Ausnahme
noch auf ein Mitverschulden des Klägers berufen, um die Leistung an einen
Nichtberechtigten zu rechtfertigen. Da die Legitimationsurkunde von
der Behörde eines nicht zuständigen Staates stammte, kann offen bleiben,
ob sich die Beklagte in gutem Glauben befunden hat oder nicht.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 25. Juni 1968 bestätigt.