Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 577



93 I 577

73. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1967 i.S. J. Hummel
Kommanditgesellschaft gegen Eidgen. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international
hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Beschaffenheit
der Ware. Madrider Abkommen (Fassung von Nizza 1957) Art. 5 Abs. 1;
Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1,
6 quinquies lit. B Ziff. 3 (Erw. 1).

    Kombinierte Wort/Bild-Marke, die neben dem Firmanamen HUM-MEL das Bild
eines Insekts enthält, das als Biene angesehen werden kann. Unzulässigkeit
dieser Marke für Kerzen, die nicht aus Bienenwachs hergestellt sind. MSchG
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 (Erw. 2, 3 a).

    Ausschluss der Täuschungsgefahr mit Rücksicht auf den Wortbestandteil
HUMMEL? (Erw. 3 b).

Sachverhalt

    A.- Die Firma J. Hummel Kommanditgesellschaft, in Massing
(Bundesrepublik Deutschland), ist Inhaberin einer in der deutschen
Warenzeichenrolle unter der Nr. 824 567 eingetragenen kombinierten
Wort/Bild-Marke. Am 1. November 1966 liess sie diese gestützt auf das
Madrider Abkommen von 1891 betreffend die internationale Eintragung der
Fabrik- oder Handelsmarken im internationalen Register unter der Nr. 324
710 eintragen.

    Die Marke ist für "Bougies (éclairage)", also für Kerzen zu
Beleuchtungszwecken, bestimmt. Sie enthält das stilisierte Bild eines
Insektes, unter dem der Firmanamen "J. Hummel KG" angebracht ist.

    B.- Das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum teilte am 22. Mai
1967 dem internationalen Büro mit, der Marke werde in der Schweiz der
Schutz nur für Kerzen gewährt, die aus Bienenwachs hergestellt seien.

    C.- Gegen diese teilweise Schutzverweigerung hat die Markeninhaberin
verwaltungsgerichtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, die
Verfügung des Amtes vom 22. Mai 1967 sei aufzuheben und ihrer Marke den
Schutz für "Bougies (éclairage)" uneingeschränkt zu gewähren.

    Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist das Madrider
Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder
Handelsmarken (MMA) in seiner am 15. Juni 1957 in Nizza revidierten
Fassung massgebend, die sowohl von der Schweiz als auch von der
Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist. Gemäss Art. 5 Abs. 1
MMA darf die Schweiz einer international registrierten Marke den Schutz
nur unter den Bedingungen verweigern, unter denen sie nach der Pariser
Verbandsübereinkunft (PVU) zum Schutze des gewerblichen Eigentums eine zur
Eintragung in das schweizerische Register hinterlegte Marke zurückweisen
dürfte. Massgebend ist die 1958 in Lissabon revidierte Fassung der PVU,
die in Art. 6 Abs. 1 vorsieht, dass die Bedingungen für die Hinterlegung
und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Lande durch die
Landesgesetzgebung bestimmt werden. Nach Art. 6 quinquies, lit. B Ziff. 3
PVU sodann darf eine Eintragung verweigert werden, wenn die Marke gegen
die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, insbesondere,
wenn sie geeignet ist, das Publikum zu täuschen.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG, der kraft der Verweisung in
Art. 6 Abs. 1 PVU auf das Landesrecht anwendbar ist, hat das eidgenössische
Amt für geistiges Eigentum die Eintragung einer gegen die guten Sitten
verstossenden Marke zu verweigern. Sittenwidrigkeit im Sinne dieser
Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung unter anderem vor, wenn die
Marke geeignet ist, den Käufer in irgendeiner Hinsicht irrezuführen,
insbesondere ihn über die Beschaffenheit der Ware zu täuschen (BGE 91
I 52 Erw. 2, 89 I 51 Erw. 4, 293 Erw. 2, 301 Erw. 2 und dort erwähnte
Entscheide). Das schweizerische Recht stimmt also in diesem Punkte
mit der in Art. 6 quinquies PVU getroffenen Regelung überein. Nach
ständiger Rechtsprechung ist Sittenwidrigkeit schon dann zu bejahen,
wenn eine objektive Täuschungsgefahr besteht; einer Täuschungsabsicht
des Markeninhabers bedarf es nicht (BGE 78 I 280).

Erwägung 3

    3.- Das Amt erachtet die streitige Marke als irreführend, weil
die Kaufsinteressenten das darin abgebildete Insekt als Biene ansehen
und daher annehmen könnten, die so gekennzeichneten Kerzen seien aus
Bienenwachs hergestellt. Der Käufer bringe das Bienenmotiv in unmittelbaren
Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Kerze. Bienenwachskerzen würden
aber ihres Wohlgeruches wegen von gewissen Käuferschichten den aus andern
Stoffen (Stearin oder Paraffin) hergestellten Kerzen vorgezogen, obwohl
sie qualitativ nicht besser, aber teurer seien als diese.

    Diese Ausführungen treffen in jeder Hinsicht zu und sind
überzeugend. Was die Beschwerdeführerin demgegenüber vorbringt, hält der
Prüfung nicht stand.

    a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, das in der Marke abgebildete
Insekt sei für jedermann als Hummel erkenntlich, da es keine Bienen
mit ausgeprägten Querstreifen und einem durch einen dicken Querstreifen
abgesetzten Kopf gebe; ebenso sei allgemein bekannt, dass die Hummel für
die Herstellung von Bienenwachs nicht in Betracht komme.

    Die Beschwerdeführerin verkennt jedoch, dass die Ware, für welche
die Marke bestimmt ist, dem breiten Publikum angeboten wird und der
Durchschnittskäufer im allgemeinen ein oberflächlicher Beobachter ist
(BGE 84 II 581; vgl. ferner 90 II 50 lit. c, 264 und dort erwähnte
Entscheide). Vor allem aber verfügt die grosse Mehrheit des angesprochenen
Publikums nicht über die von der Beschwerdeführerin vorausgesetzten
zoologischen Kenntnisse und ist daher nicht befähigt, beim Kaufe von
Kerzen derartige naturwissenschaftliche Überlegungen anzustellen. Zudem
liegt die Gefahr einer Irreführung um so näher, als in der Werbung
und der Ausgestaltung von Bildmarken häufig stilisierte Darstellungen
verwendet werden.

    b) Die Beschwerdeführerin glaubt, eine Irreführung des Publikums
sei nicht zu befürchten, weil unterhalb des dargestellten Insekts
das Wort "HUMMEL", d.h. der Name der Herstellerfirma, stehe; das
rufe selbstverständlich sofort einer Gedankenverbindung zwischen dem
dargestellten Insekt und dem Namen.

    Selbst wenn man das für den deutschsprachigen Teil der Bevölkerung
gelten lassen müsste, versagt dieses Argument jedoch für die französisch
oder italienisch sprechende Bevölkerung; für diese bleibt die Gefahr einer
Irreführung unvermindert bestehen. Täuschungsgefahr auch nur für eines
der verschiedenen Sprachgebiete der Schweiz genügt aber, um eine Marke
unzulässig zu machen (BGE 91 I 53, 82 I 51 und dort erwähnte Entscheide).

    c) Die Beschwerdeführerin befürchtet, in der angefochtenen Verfügung
des Amtes zeichne sich eine Praxis ab, die "ein ausserordentliches Hemmnis
für die Neueintragung von Warenzeichen darstellen würde". Es gehe nicht an,
"aus einer bildlichen Darstellung irgendeine vollkommen abwegige Auffassung
herauszulesen und diese dann zu ungunsten des Markeninhabers anzuwenden".

    Diese Rüge ist unbegründet. Die rechtliche Bewertung des Bildteils
der streitigen Marke durch das Amt steht im Einklang mit Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG und ist daher keineswegs "völlig abwegig". Dass sich
hieraus möglicherweise gewisse Erschwerungen für die Neueintragung von
Warenzeichen ergeben, ist kein Grund, über die geltende gesetzliche
Ordnung hinwegzugehen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.