Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 460



93 I 460

58. Auszug aus dem Urteil vom 27. Oktober 1967 i.S. De Gasperi und
Mitbeteiligte gegen Eidg. Oberzolldirektion. Regeste

    Ordnungsverletzung, Busse (Art. 104 ff. ZG).

    1.  Zuständigkeit des Bundesgerichts (Art. 99 Ziff. VIII OG): Eine
Verfügung, mit welcher ein Täter zu mehreren Ordnungsbussen in einem
Fr. 100 übersteigenden Gesamtbetrage verurteilt wird, unterliegt der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht übernimmt auch die
Beurteilung einer konnexen Beschwerde gegen eine Verfügung, die einem
anderen Täter eine einzige, Fr. 100 nicht übersteigende Busse auferlegt
(Erw. 2).

    2.  Ordnungsverletzung bei der Ausfuhr von Waren im
schweizerischitalienischen Zwischenauslandsverkehr (Erw. 3).

    3.  Der Täter kann auch dann gebüsst werden, wenn ihn kein Verschulden
trifft (Erw. 4).

    4.  Ist die Schuldlosigkeit oder die Schwere des Verschuldens bei
der Bemessung der Ordnungsbusse zu berücksichtigen? (Erw. 5).

    5.  Gefährdung der schweizerischen Zollinteressen. Bemessung der
Busse nach dem Grad dieser Gefährdung. Überschreitung des der Verwaltung
eingeräumten Ermessens? (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Kollektivgesellschaft Hermann Unternährers Erben (Firma
Unternährer) stellt in Viganello im Kanton Tessin Speiseeis-Spezialitäten
her, die sie auch in andere Kantone liefert. Mit ihren Kühllastwagen
führt sie Transporte in die Ost- und Westschweiz aus, welche auf den
Strecken zwischen Gandria und Castasegna oder zwischen Ponte Tresa und
Gondo oder dem Tunnel unter dem Grossen St. Bernhard über italienisches
Gebiet führen. Hiefür verwendet sie Spezial-Passierscheine ("Lasciapassare
speciale per il transito diretto", Formular D. IV. 69) entsprechend
einem Protokoll vom 2. Juli 1953 zum schweizerisch-italienischen
Abkommen vom gleichen Datum betreffend den Grenz- und Weideverkehr
(AS 1956 S. 553). Es handelt sich um eine staatsvertragliche Ausweitung
und Vereinfachung des in Art. 15 Ziff. 5 ZG und Art. 35 VVZ geregelten,
aber dort nur für kurze Strecken vorgesehenen Zwischenauslandsverkehrs,
der eine Unterart des Freipassverkehrs bildet, wobei anstelle der
sonst für Freipasswaren vorgeschriebenen Identitätsfeststellung der
Zollverschluss gemäss Art. 74-76 VVZ Anwendung finden kann (Art. 107
Abs. 3 VVZ). Demgemäss wurden bei den genannten Transporten der Firma
Unternährer vom schweizerischen Austrittszollamt die Türen des Kühlraums
plombiert und das von der Firma mit der Deklaration von Inhalt, Gewicht
und Wert der Sendung ausgefüllte Formular D. IV. 69 abgestempelt; das
schweizerische Eintrittszollamt nahm die Plomben wieder ab und löschte
den Passierschein. Die Angaben der Firma auf dem Formular wurden vom
schweizerischen (und anscheinend auch vom italienischen) Zolldienst nicht
überprüft. Die schweizerischen Zollämter wogen bei einem Teil der Fahrten
das Gesamtgewicht des Wagens; in den Fällen, wo dies sowohl beim Ausgang
als auch beim Wiedereingang geschah, stimmten die Gewichte überein.

    Am 17. April 1967 fiel dem diensttuenden schweizerischen Zollbeamten
in Castasegna auf, dass sich nach Abzug des im Triptyk angegebenen
Gewichts des vorgeführten Fahrzeugs von dem von ihm gewogenen Gewicht
des beladenen Camions ein bedeutend grösseres Gewicht der Ladung als das
deklarierte ergab. Darauf liess die Zollkreisdirektion IV den Kühlraum
wieder plombieren und den Auslad in Zürich überwachen. Dabei wurde ein
Nettogewicht der beförderten Ware von 5360 kg festgestellt, während
es mit 2810 kg deklariert worden war. Als der Chauffeur De Gasperi am
19. April 1967 auf der Rückfahrt in Chur einvernommen wurde, erklärte
er, er habe die vom Angestellten Rudin ausgefüllten Deklarationen jeweils
unterzeichnet, ohne ihnen Beachtung zu schenken; es sei möglich, dass schon
bei früheren Fahrten die Gewichte und Werte zu tief eingesetzt worden
seien. Die weitere Untersuchung ergab, dass tatsächlich bei 32 Fahrten
durch italienisches Gebiet das Gewicht und der Wert der Ware zu niedrig
deklariert worden waren. Der Angestellte Rudin sagte in seiner Einvernahme
vom 23. Mai 1967 aus, weil es sich um Transitsendungen handelte, habe er
geglaubt, es sei unwichtig, ob die angegebenen Nettogewichte und Werte der
Wirklichkeit entsprächen; im Einverständnis seines Vorgesetzten habe er
sie eher zu niedrig eingesetzt. Der Grund hiefür sei gewesen, dass die der
italienischen Zollverwaltung zu leistende Sicherheit nach dem Wert der Ware
bemessen werde; wäre dieser richtig angegeben worden, so wäre die ganze von
der Firma geleistete Sicherheit für eine einzige Wagenladung beansprucht
worden, während manchmal eine Sendung 2-3 Wagenladungen umfasst habe.

    B.- Die Eidg. Oberzolldirektion erblickte in der unrichtigen
Deklaration bei der Ausfuhr eine Ordnungsverletzung im Sinne des Art. 104
ZG. Soweit die Verjährungsfrist von einem Jahr gemäss Art. 105 Abs.
2 ZG noch nicht abgelaufen war, auferlegte sie den vier beteiligten
Chauffeuren für jede Fahrt eine Ordnungsbusse von Fr. 100.-- und einen
Teil der Untersuchungskosten, nämlich:

    Guido De Gasperi      14 Bussen       Fr. 1400.-- und Fr. 42.- Kosten

    Alfonso Ruess 3  " "  300.--  "       " 18.-  "

    Emilio Tanner 2  " "  200.--  "       " 18.-  "

    Erminio Beroggi       1 Busse "       100.--  "       " 18.-  "

    Für Bussen und Kosten erklärte sie die Firma Unternährer solidarisch
haftbar.

    C.- Die Firma Unternährer erhebt für sich und im Namen der gebüssten
Chauffeure Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Bussverfügungen mit
dem Begehren, es sei von Bussen Umgang zu nehmen.

    Es wird geltend gemacht, Art. 6 ZG sei nicht verletzt worden; denn die
Waren seien immer der zuständigen Zollstelle zugeführt, unter Zollkontrolle
gestellt und zur Abfertigung angemeldet worden. Die Camions seien mit
wenigen Ausnahmen beim Verlassen der Schweiz und beim Wiedereintritt
gewogen worden, ohne dass sich je eine Differenz ergeben habe. Die
ungenauen Gewichtsangaben in den Deklarationen hätten auf Schätzungen
beruht und seien nie beanstandet worden. Das effektive Gewicht sei ja von
den Zollstellen jeweils festgestellt und im Formular eingesetzt worden. Die
Beschwerdeführerin habe nur diesen Angaben Bedeutung beigemessen, zumal
es sich um reine Transitsendungen gehandelt habe, die nach Art. 35
VVZ von Zoll- und Monopolgebühren befreit seien. Die Feststellung der
Identität sei durch die Plombierung gesichert worden, und tatsächlich
seien Gewicht und Wert bei jedem Transport gleich geblieben. In keinem Fall
liege ein Zollvergehen oder eine Umgehung von Zollgebühren vor. Auch eine
Gefährdung von Zollinteressen sei ausgeschlossen, so dass nach Art. 105
ZG von Ordnungsbussen abzusehen sei.

    D. - Die Oberzolldirektion beantragt Abweisung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Die Beschwerde richtet sich gegen die den Chauffeuren auferlegten
Bussen und gegen die Feststellung der solidarischen Haftung der Firma.)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 99 Ziff. VIII OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig gegen Entscheide der Oberzolldirektion, durch welche
Ordnungsbussen von über Fr. 100.-- verhängt werden. Hier belaufen sich
die ausgefällten Ordnungsbussen auf je Fr. 100.--; doch liegt gegenüber
den Beschwerdeführern De Gasperi, Ruess und Tanner je eine Häufung
von mehreren solchen Bussen vor. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts (BGE 82 I 307, nicht publizierte Urteile vom 2. Oktober
1956 i.S. Cadoppi und vom 15. Mai 1959 i.S. Lexington, je Erw. 2)
sind auf Ordnungsverletzungen im Sinne des Zollgesetzes die allgemeinen
Bestimmungen und Begriffe des StGB nicht anwendbar; das gilt insbesondere
für den Begriff des fortgesetzten Deliktes und für die Gesamtbusse gemäss
Art. 68 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Doch ist, wenn in der gleichen Verfügung
demselben Betroffenen mehrere Ordnungsbussen auferlegt werden, für
die Bestimmung der Zuständigkeit zur Beurteilung der dagegen erhobenen
Beschwerde der Gesamtbetrag massgebend (BGE 92 I 141, zitiertes Urteil
Cadoppi Erw. 1). Somit ist hier für die Beschwerdeführer De Gasperi,
Ruess und Tanner die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, wie in den
Rechtsmittelbelehrungen angegeben ist.

    Dagegen ist dem Beschwerdeführer Beroggi nur eine einzige Busse
von Fr. 100.-- auferlegt worden, so dass an sich dagegen nicht
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die Beschwerde an das
Eidg. Finanz- und Zolldepartement gegeben wäre, auf die denn auch in der
Rechtsmittelbelehrung verwiesen wird. Da indessen das Bundesgericht die
konnexen, genau gleiche Tatbestände betreffenden Beschwerden der Chauffeure
De Gasperi, Ruess und Tanner zu beurteilen hat und sich auch mit dem Falle
Beroggi wegen der solidarischen Haftbarkeit der Firma ohnehin befassen
muss, drängt sich eine Zusammenlegung aller Beschwerden zu gemeinsamer
Beurteilung durch das Bundesgericht geradezu auf - nicht nur aus Gründen
der Prozessökonomie, sondern vor allem auch, weil es stossend wäre, wenn
eine Beschwerde anders als die übrigen beurteilt würde. Es verhält sich
hier ähnlich wie im Falle Tuor (BGE 92 I 427 ff.), wo die Oberzolldirektion
zwar demselben Betroffenen und wegen gleicher Tatbestände, aber in zwei
verschiedenen Verfügungen eine Ordnungsbusse von Fr. 100.-- und eine
von Fr. 1000.-- (wegen Widerhandlungen gegen die Tabaksteuerverordnung
vom 30. Dezember 1947) auferlegt hatte. Damals hat das Bundesgericht nach
einem Meinungsaustausch mit dem Bundesrat die Beurteilung der Busse von
Fr. 100.-- aus den soeben genannten Gründen mit übernommen. Im vorliegenden
Fall ist aus den gleichen Gründen die Beschwerde Beroggis zusammen mit
den anderen vom Bundesgericht zu beurteilen.

Erwägung 3

    3.- Eine Ordnungsverletzung ist nach Art. 104 ZG eine
Widerhandlung gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder der gestützt
darauf erlassenen Verordnungen und zolldienstlichen Anordnungen, die
kein Zollvergehen darstellt. Den vier Chauffeuren (und Rudin) werden
zwar auch Zollvergehen vorgeworfen, die sie durch Angabe zu niedriger
Gewichte bei der Wiedereinfuhr der Waren in die Schweiz begangen
haben sollen (Zollübertretungen gemäss Art. 74 Ziff. 7 ZG); doch wird
hierüber in einem besonderen (noch nicht abgeschlossenen) Strafverfahren
entschieden. Gegenstand der hier angefochtenen Verfügungen bilden nur die
Ordnungsverletzungen, die in der unrichtigen Deklaration der Gewichte und
Werte bei der Ausfuhr erblickt werden. Wie die Oberzolldirektion anerkennt,
wurde dabei kein Zoll umgangen, weil die Waren stets ohne Verletzung des
Zollverschlusses wieder in das schweizerische Zollgebiet zurück gelangten,
so dass weder Zollbeträge noch Monopolgebühren zu bezahlen waren (Art. 15
Ziff. 5 ZG, Art. 35 VVZ). Die Ausführungen der Beschwerdeführer darüber,
dass sie keinen Zoll umgangen hätten, stossen deshalb ins Leere.

    Doch schreibt Art. 35 Abs. 3 VVZ für den Zwischenauslandsverkehr vor,
dass die Waren beim Grenzübertritt in der Regel der Zwischenabfertigung
zu unterstellen sind - sei es mit Freipass, sei es im Vormerkverfahren
oder auch in dem für den Verkehr zwischen der Schweiz und Italien durch
das Protokoll vom 2. Juli 1953 geschaffenen besonderen Verfahren. Auch
für die Zwischenabfertigung gilt Art. 6 ZG, wonach alle eingeführten
und ausgeführten Waren zur Abfertigung angemeldet werden müssen. Dass
die Zollmeldepflicht insbesondere für die Zwischenabfertigung auch
beim Austritt besteht, wird bestätigt durch Art. 35 Abs. 4 VVZ, der die
zollamtliche Anmeldung beim Austrittszollamt ausdrücklich erwähnt und die
Folgen ihrer Unterlassung ordnet. Inhalt und Umfang der Zollmeldepflicht
im erwähnten besonderen Verfahren ergeben sich aus dem dafür aufgestellten
Formular D. IV. 69, das u.a. die Angabe des Nettogewichtes und des Wertes
der Ware verlangt. Im vorliegenden Fall haben die Chauffeure, welche die
Ware über die Grenze brachten und somit zollmeldepflichtig waren (Art. 9
Abs. 1 ZG), bei der Ausfuhr aus der Schweiz durch Deklaration zu niedriger
Nettogewichte und Werte nur einen Teil der Waren zur Abfertigung angemeldet
und mit Bezug auf den Rest die Zollmeldepflicht verletzt. Darin liegt eine
- nicht ein Zollvergehen darstellende - Widerhandlung gegen Vorschriften
der Zollgesetzgebung und gegen darauf beruhende zolldienstliche
Anordnungen, also eine Ordnungsverletzung gemäss Art. 104 ZG.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer wenden ein, sie hätten der Angabe von
Wert und Gewicht der Ware auf den von Rudin ausgefüllten und von den
vier Chauffeuren unterschriebenen Formularen D. IV. 69 keine Bedeutung
beigemessen, weil das tatsächliche Gewicht von den schweizerischen
Zollstellen kontrolliert worden sei. Damit wollen sie anscheinend ein
Verschulden, auf jeden Fall einen Vorsatz bestreiten.

    Indessen nimmt die Verwaltung in ständiger Praxis an, dass die
Ordnungsverletzung im Sinne des Zollgesetzes auch dann strafbar ist,
wenn dem Täter ein Verschulden - Vorsatz oder auch nur Fahrlässigkeit -
nicht zur Last gelegt werden kann. Das Bundesgericht hat schon bisher
die gleiche Auffassung vertreten (Urteil vom 3. April 1963 i.S. Locher,
nicht publiziert). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

    Das Zollgesetz unterscheidet in seinem 3. Abschnitt deutlich
zwischen den Zollvergehen (Unterabschnitt I, Art. 73-103) und den
Ordnungsverletzungen (Unterabschnitt II, Art. 104-108); insbesondere
regelt es die Frage, ob der Täter auch dann bestraft werden könne,
wenn ihm ein Verschulden nicht vorgeworfen werden kann, für die
beiden Kategorien verschieden. Die Tatbestände der Zollhehlerei und der
Zollpfandunterschlagung (Art. 78, 79) sind so gefasst, dass ihre Begehung
sich stets als eine schuldhafte darstellt. Die Zollübertretung und der
Bannbruch (Art. 74, 76) sind zwar grundsätzlich auch dann strafbar, wenn
ein Verschulden nicht nachgewiesen ist; doch wird nach Art. 75 Abs. 3
und Art. 77 Abs. 4 der Angeschuldigte "von der Strafe befreit, wenn er
nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft und namentlich dass er alle
Sorgfalt angewendet hat, um die Vorschriften zu befolgen" (E. BLUMENSTEIN,
Grundzüge des schweizerischen Zollrechts, S. 62/3). Dagegen spielt
für die Strafbarkeit der Ordnungsverletzung (Art. 104) das Verschulden
überhaupt keine Rolle. Weder ist der Tatbestand der Ordnungsverletzung so
gefasst, dass eine Strafe beim Fehlen eines Verschuldens ausgeschlossen
wäre, noch wird eine Befreiung von der Ordnungsbusse für den Fall des
Nachweises der Schuldlosigkeit vorgesehen. Zwar heisst es in Art. 104:
"Einer Ordnungsverletzung macht sich schuldig..."; doch kann daraus
nicht abgeleitet werden, dass eine Ordnungsbusse nur beim Vorliegen eines
Verschuldens verhängt werden kann. Die Wendung "macht sich schuldig" hat
hier wie in Art. 76 (Bannbruch) keinen anderen Sinn als das Wort "begeht"
in Art. 74 (Zollübertretungen). Wie erwähnt, kann der Bannbruch wie die
Zollübertretung auch dann, wenn ein Verschulden nicht nachgewiesen ist,
bestraft werden, es sei denn, der Angeschuldigte weise seinerseits
nach, dass ihn kein Verschulden trifft (Art. 75 Abs. 3 und Art. 77
Abs. 4). Dieser Exkulpationsbeweis ist aber im Unterabschnitt über die
Ordnungsverletzungen gerade nicht vorgesehen. Dass er hier ausgeschlossen
ist, bestätigt der Schlussatz in Art. 75 Abs. 3 und Art. 77 Abs. 4:
"Vorbehalten bleibt Art. 104." Dieser Vorbehalt kann nicht anders als
so verstanden werden, dass der Nachweis, den der vorhergehende Satz
von Art. 75 Abs. 3 und Art. 77 Abs. 4 dem der Zollübertretung oder des
Bannbruches Beschuldigten einräumt, bei den Ordnungsverletzungen nicht
zugelassen wird.

    Wohl gilt im gewöhnlichen Strafrecht ausnahmslos der Grundsatz, dass
der Täter nur bestraft werden kann, wenn ihm ein Verschulden vorzuwerfen
ist; er ist in Art. 18 (und Art. 102) StGB anerkannt, ferner in Art. 333
Abs. 3 daselbst, wonach die in anderen Bundesgesetzen unter Strafe
gestellten Übertretungen strafbar sind, auch wenn sie fahrlässig begangen
werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche
Begehung mit Strafe bedroht ist. Doch sind, wie ausgeführt, die allgemeinen
Bestimmungen und Begriffe des StGB auf die Ordnungsverletzungen im Sinne
des Zollgesetzes nicht anwendbar. Insbesondere betrifft Art. 333 StGB
nur solche Widerhandlungen -mit Einschluss der Übertretungen -, welche
im Hinblick aufihre moralische Verwerflichkeit mit einer eigentlichen
Strafe bedroht sind, dagegen nicht auch blosse Ordnungsverletzungen,
die nur mit einer Ordnungsbusse geahndet werden können (BGE 82 I 307).

    Das ZOIlgesetz regelt auch die Zuständigkeit zur Beurteilung der
Widerhandlungen verschieden für die Zollvergehen einerseits und die
Ordnungsverletzungen anderseits. Die Zollvergehen, welche mit hoher Busse,
in schweren Fällen auch mit Gefängnisstrafe bedroht sind, werden vom
Strafrichter beurteilt, wenn eine Gefängnisstrafe in Betracht kommt oder
wenn der Angeschuldigte Einsprache gegen die administrative Bussverfügung
erhebt (Art. 96); dagegen fällt die Ahndung der Ordnungsverletzungen,
auf welche bloss Ordnungsbusse bis zu Fr. 300.-- angedroht ist, in die
Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden, sei es der Oberzolldirektion,
sei es der Zollkreisdirektionen oder - in geringfügigen Fällen - sogar
bestimmter Zollämter (Art. 106). Diese Regelung wäre nicht verständlich,
wenn anzunehmen wäre, dass die Ordnungsverletzungen beim Fehlen eines
Verschuldens nicht strafbar sind; denn es ist klar, dass die Zollorgane
überfordert würden, wenn sie immer wieder, auch in Fällen von geringer
Bedeutung, die Frage des Verschuldens prüfen müssten, bevor sie eine
Ordnungsbusse verhängen dürften.

    Das Argument, mit dem die Beschwerdeführer offenbar ein Verschulden
oder zum mindesten einen Vorsatz bestreiten wollen, schliesst somit die
Ordnungsbussen nicht aus.

Erwägung 5

    5.- Dieses Argument könnte höchstens für die Bemessung der Bussen von
Bedeutung sein. Allerdings stellt Art. 105 Abs. 1 ZG für die Festsetzung
der Ordnungsbusse nur die Regel auf, dass auf den Grad der Gefährdung
der Zollinteressen Rücksicht zu nehmen ist; das Verschulden wird auch
hier nicht erwähnt, woraus geschlossen werden könnte, dass es bei der
Bemessung der Busse nicht zu berücksichtigen sei, zumal es nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht einmal bei der Zumessung der
Strafe für ein Zollvergehen in Betracht zu ziehen ist (BGE 81 IV 188
f., 83 IV 178). Die Frage nach der Bedeutung des Verschuldens für die
Bemessung der Ordnungsbusse kann jedoch hier offen gelassen werden, da
die Darstellung, mit der die Beschwerdeführer dartun wollen, dass ein
Verschulden oder wenigstens ein Vorsatz fehle, nicht zutrifft.

    In der Tat wurde vom schweizerischen Zolldienst lediglich - und
zudem nur bei einem Teil der Transporte - gemäss dem Vordruck auf dem
Formular D. IV. 69 das Gesamtgewicht (peso complessivo) von Fahrzeug
und Ladung gewogen; es kann keine Rede davon sein, dass die Angaben der
Warenführer über Nettogewicht und Wert der Ware kontrolliert worden
seien. Aber auch abgesehen hievon ist es durchaus unglaubhaft, dass
die Chauffeure und namentlich der verantwortliche Angestellte Rudin
gemeint hätten, diesen Angaben komme keine Bedeutung zu. Die Aussage
Rudins, er habe Gewicht und Wert der Ware "eher zu niedrig eingesetzt",
beschönigt den wirklichen Sachverhalt; erklärt er doch selbst, man habe
vermeiden wollen, dass die nach dem Wert bemessene Sicherheit schon für
eine einzige Wagenladung beansprucht werde, da manchmal eine Sendung 2-3
Wagenladungen umfasst habe; er musste also, um seine Zwecke zu erreichen,
mindestens den Wert auf einen Bruchteil reduzieren. Das hat er denn auch
getan, wie aus einer Aufstellung hervorgeht, worin die angegebenen und
wirklichen Nettogewichte und Werte der 20 Sendungen, auf welche sich die
angefochtenen Verfügungen beziehen, sowie von 12 Sendungen, welche wegen
Verjährung ausgeschieden worden sind, zusammengestellt sind: Das Total
beläuft sich für die angegebenen Nettogewichte auf 94'060 kg und für die
wirklichen auf 142'960 kg, für die angegebenen Werte auf Fr. 132'230.--
und für die wirklichen auf Fr. 617'336.--. Da gerade die Wertangaben im
Hinblick auf den verfolgten Zweck besonders wichtig waren, ist es klar,
dass mindestens Rudin, der im Einverständnis mit seinem Vorgesetzten
die zu niedrigen Zahlen in die Formulare eingesetzt hat, sich der
Bedeutung der falschen Angaben bewusst gewesen sein muss. Aber auch die
vier Chauffeure haben zweifellos nicht nur gewusst, dass die angegebenen
Zahlen zu niedrig waren, sondern auch den Zweck der Machenschaft gekannt;
hat doch De Gasperi schon in seiner Einvernahme in Chur erklärt, er nehme
an, Rudin habe damit die zu leistende Zollgarantie niedrig halten wollen.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die Plombierung der in
Frage stehenden Sendungen sei unverletzt geblieben; sie leiten daraus ab,
dass eine Gefährdung des Zollinteresses ausgeschlossen und daher nach Art.
105 Abs. 1 ZG von der Verhängung von Ordnungsbussen Umgang zu nehmen sei.

    Dass kein Zoll umgangen wurde, ist unbestritten; das schliesst
indessen, wie erwähnt, eine Ordnungsverletzung nicht aus. Die
teilweise Umgehung der Sicherheit für den Zwischenauslandsverkehr
richtet sich freilich nicht gegen die schweizerische, sondern gegen die
italienische Zollverwaltung, der die Sicherheit zu leisten ist. Doch
ist - auch abgesehen von dem allgemeinen Interesse an der Einhaltung
der Zollmeldepflicht - noch ein besonderes schweizerisches Zollinteresse
gefährdet worden, nämlich dasjenige an einer reibungslosen Durchführung
des Spezialverkehrs gemäss dem schweizerisch-italienischen Abkommen und
Protokoll vom 2. Juli 1953. Dieser Verkehr beruht auf einer Zusammenarbeit
der Zollinstanzen beider Länder, was besonders darin zum Ausdruck
kommt, dass die italienische Zollverwaltung die vom schweizerischen
Austrittszollamt nicht beanstandeten Gewichts- und Wertangaben in der
Regel anerkennt und sich mit der dem angegebenen Wert entsprechenden
Sicherheit begnügt. Wenn auch die schweizerische Zollverwaltung mit der
Annahme der Deklaration keine formelle Garantie für deren Richtigkeit
gegenüber der italienischen übernimmt, so verlässt sich diese doch
darauf. Es leuchtet ein, dass die Zusammenarbeit der beiden Länder leiden
müsste, wenn Vorkommnisse wie die hier zu beurteilenden sich häuften und
zur Kenntnis der italienischen Zollbehörden gelangten. Diese könnten sich
dann veranlasst sehen, ihrerseits zeitraubende und den Verkehr behindernde
Kontrollen vorzunehmen, ja sogar den Spezialverkehr überhaupt in Frage zu
stellen; auf jeden Fall könnte die bisherige einfache und reibungslose
Abwicklung dieses Verkehrs beeinträchtigt werden. Das zu vermeiden,
hat - neben den beteiligten Transporteuren - auch die schweizerische
Zollverwaltung ein erhebliches Interesse.

    Allerdings kann nach Art. 105 Abs. 1 Satz 3 ZG in leichten Fällen,
bei denen eine Gefährdung des Zollinteresses ausgeschlossen erscheint, von
einer Ordnungsbusse Umgang genommen werden. Die Anwendung dieser Bestimmung
ist indessen - in dem dort gezogenen Rahmen - dem Ermessen der Verwaltung
anheimgestellt. Das Bundesgericht kann nicht sein eigenes Ermessen an
die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es kann nur prüfen, ob die
Verwaltung die ihrem Ermessen gesetzten Grenzen überschritten und damit das
Bundesrecht verletzt habe (Art. 104 Abs. 1 OG; BGE 81 I 384 unten). Unter
diesem Gesichtspunkte kann jedoch die Annahme der Oberzolldirektion,
dass hier das Zollinteresse durch die begangenen Ordnungsverletzungen
ernstlich gefährdet worden sei und daher eine Bestrafung sich rechtfertige,
angesichts der festgestellten Tatsachen nicht beanstandet werden.

    Wird die Verhängung einer Ordnungsbusse als gerechtfertigt befunden,
so ist bei ihrer Festsetzung, wie erwähnt, auf den Grad der Gefährdung der
Zollinteressen Rücksicht zu nehmen (Art. 105 Abs. 1 Satz 2 ZG). Auch hier
räumt das Gesetz der Verwaltung einen Spielraum des Ermessens ein. Die
im vorliegenden Fall verhängten Bussen von Fr. 100.-- für jede Fahrt
mögen als hoch erscheinen. Aber auch in dieser Beziehung kann nicht
gesagt werden, dass die Oberzolldirektion das ihr zustehende Ermessen
überschritten habe. Ihre Auffassung, die schweizerischen Zollinteressen
seien in einem Grade gefährdet worden, dass Bussen von Fr. 100.-- (1/3
des Maximums) für jede Fahrt gerechtfertigt seien, kann nicht geradezu
als unhaltbar bezeichnet werden. Die ausgesprochenen Bussen sind nach
den gegebenen Umständen jedenfalls nicht offensichtlich über setzt.

Erwägung 7

    7.- (Solidarische Haftung der Firma.)