Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 345



93 I 345

43. Entscheid des Präsidenten des Bundesgerichts vom 12. September 1967
i.S. Motoren-, Turbinen- und Pumpen AG MTP gegen Ministry of War der
V.A.R. und Egyptian General Aero Organisation. Regeste

    Bezeichnung eines Schiedsrichters durch den Präsidenten des
Bundesgerichts.

    Internationaler Schiedsvertrag, wonach bei fehlender Einigung der
Parteien über die Bezeichnung eines dritten Schiedsrichters dieser durch
den Präsidenten des Bundesgerichts zu ernennen ist.

    -  Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung (Erw. 1, 2).

    - Bedeutung des Umstandes, dass die Gegenpartei sich dem Gesuch um
Ernennung des dritten Schiedsrichters widersetzt (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 3. Juli 1960 schloss die Motoren-, Turbinen- und Pumpen-AG
Zürich (MTP) mit der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) einen Vertrag
über die Gewährung technischer Hilfe. Dieser Vertrag enthält eine
Schiedsklausel folgenden Wortlauts:

    "Art. 13 Applicable Law and Court of Arbitration Any dispute or
difference arising from this contract shall be referred to and decided
by a court of arbitration. The court of arbitration shall be composed of
three arbitrators, one to be appointed by the Ministry, one by MTP and
a third one by the two parties jointly, or in case no agreement between
them could be reached upon the nomination within sixty days after the
appointment of the two arbitrators, the third will be appointed by the
President of the Swiss Federal Court.

    The third arbitrator shall be neither of U.A.R. nationality nor of
the nationality of any member country of the Arab League, nor of Swiss,
German or Austrian nationality. ..

    It is furthermore understood that both parties have irrevocably agreed
to apply Swiss laws and to choose Zurich, Switzerland, as seat of the
court of arbitration. ..

    Nach der Darstellung der Gesuchstellerin kam es Ende 1964 zu
Streitigkeiten zwischen den Parteien.

    B.- Am 11. März 1966 wurde zwischen dem General direktor der Egyptian
General Aero Organisation (EGAO), in Vertretung der Regierung der VAR,
und H. S. Kamil für sich persönlich und als Vertreter der MTP die folgende,
als "Agreement" bezeichnete Vereinbarung getroffen:

    "The two parties have agreed upon the following procedure to settle
all the difficulties which raised regarding the contract M.T.P. 500.

    M.T.P. reconfirms herewith that the present balance of the amount
due to E.G.A.O. in approximately S/FR 8'000,000 according to the accounts.

    M.T.P. declares that this amount is already secured to compensate
every eventual claims against the company.

    Article I

    As the ministry declares and accepts to bear all the responsibilities
resulting of any claims of the experts against M.T.P. and as M.T.P. is
not entitled for the time being before the settlement of the major claims
to release these secured amounts.

    Mr. Kamil agrees herewith and guarantees that the foresaid amounts
will be paid either by himself personally or through M.T.P. as a sign of
his good will and in view of a further good cooperation. Mr. Kamil will
pay these amounts as follows:

    1.  S/FR 2'000,000 will be paid latest April 1966.

    2.  S/FR 2'000,000 will be paid latest May 1966.

    3.  The balance of approximately S/FR 4'000,000 will be paid latest
June 1966.

    Article II

    The ministry guarantees to pay in favour of M.T.P. in Switzerland
and in Swiss francs the counter value of all the final court decisions
or any settlement approved by the Ministry & the experts concerning all
their claims."

    C.- Gestützt auf die Vereinbarung vom 11. März 1966 betrieb die
EGAO mit Zahlungsbefehl Nr. 3758 des Betreibungsamtes Zürich 3 vom
15. Mai 1966 die MTP auf Bezahlung von Fr. 2'000,000 nebst Zins. Die MTP
erhob Rechtsvorschlag. Der Einzelrichter im summarischen Verfahren am
Bezirksgericht Zürich erteilte der EGAO mit Verfügung vom 9. September
1966 provisorische Rechtsöffnung. Das Obergericht des Kantons Zürich hob
auf Nichtigkeitsbeschwerde der MTP hin am 17. Dezember 1966 die Verfügung
des Einzelrichters auf.

    Am 12. April 1967 wurde der EGAO in der gleichen Betreibung erneut
provisorische Rechtsöffnung erteilt, worauf die MTP beim Bezirksgericht
Zürich Aberkennungsklage einreichte.

    D.- Schon mit Schreiben vom 10. Oktober 1966 hatte die MTP sodann
dem Kriegsministerium der VAR und der EGAO mitgeteilt, sie verlange
gestützt auf Art. 13 des Vertrags vom 3. Juli 1960 die Durchführung eines
Schiedsgerichtsverfahrens über die folgende Streitfrage:

    "Ist die Forderung der Aberkennungsbeklagten von Fr. 2 Millionen
nebst Zins zu 5 % seit 30. April 1966 sowie der Betreibungs-
und Rechtsöffnungskosten und Fr. 5000.-- Umtriebsentschädigung im
Rechtsöffnungsverfahren, wofür der Einzelrichter im summarischen Verfahren
des Bezirksgerichtes Zürich in der Betreibung Nr. 3758 des Betreibungsamtes
Zürich 3 vom 15. Mai 1966 am 9. September 1966 provisorische Rechtsöffnung
erteilt hat, unbegründet und daher abzuerkennen;

    alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der
Aberkennungsbeklagten?"

    Gleichzeitig bezeichnete sie als Schiedsrichter Herrn...

    Die EGAO antwortete der MTP am 8. November 1966:

    "Auf Ihr Schreiben vom 10. Oktober 1966 teile ich Ihnen mit, dass
die E.G.A.O. vorsorglich Herrn ...... zu ihrem Schiedsrichter ernannt
hat. Diese Ernennung erfolgt jedoch unter voller Bestreitung der
Zuständigkeit des von Ihrer Klientschaft angerufenen Schiedsgerichtes."

    Über die Bezeichnung des dritten Schiedsrichters konnten sich die
Parteien nicht einigen.

    E.- Mit Eingabe vom 27. Juni 1967 ersucht die MTP den Präsidenten
des Schweizerischen Bundesgerichts, gestützt auf Art. 13 des Vertrages
vom 3. Juli 1960 den Obmann des Schiedsgerichts zu bezeichnen.

    Die EGAO hat ihrerseits mit Schreiben vom 22. August 1967 erklärt, sie
widersetze sich der Bestellung des Obmanns des Schiedsgerichts durch den
Präsidenten des Bundesgerichts. Sie erhebt zwei Einwendungen. Die erste
leitet sie aus dem "agreement" vom 11. März 1966 ab und macht geltend,
bei diesem handle es sich um eine Vergleichsvereinbarung, durch die
alle zwischen den Parteien bestehenden Differenzen endgültig bereinigt
worden seien. Die zweite Einwendung geht dahin, die Gesuchstellerin
habe das Schiedsgerichtsverfahren nur gegen den heute dahingefallenen
Rechtsöffnungsentscheid vom 9. September 1966, nicht auch gegen den neuen
Rechtsöffnungsentscheid vom 12. April 1967 eingeleitet.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Zuständigkeit des Präsidenten des Bundesgerichts, über ein
Gesuch um Bezeichnung eines Schiedsrichters zu entscheiden, wird mit Recht
nicht bestritten. Es besteht zwar keine ausdrückliche Gesetzesvorschrift,
die dem Präsidenten des Schweizerischen Bundesgerichtes die Befugnis
zur Ernennung von Schiedsrichtern zuweist. Es ist jedoch heute gemäss
ständiger Praxis anerkannt, dass Parteien vereinbaren können, dem
Präsidenten des Bundesgerichts die Bezeichnung von Schiedsrichtern
zu übertragen und dass eine solche Vereinbarung die Zuständigkeit des
Inhabers des genannten Amtes begründet (BGE 88 I 100 ff. und weitere
nicht veröffentlichte Entscheide). Eine solche Vereinbarung kann, wie
hervorzuheben ist, vor oder nach dem Auftreten eines Streites getroffen
werden. Im weiteren ist die Zuständigkeit des schweizerischen Magistraten
ohne Rücksicht darauf gegeben, wo die Parteien ihren Wohnsitz haben und
wo sich der ordentliche Gerichtsstand des Streites, sei es in der Schweiz
oder im Ausland, befindet.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Falle haben die MTP und die VAR in ihren
Vertrag vom 3. Juli 1960 eine Schiedsgerichtsklausel aufgenommen. Diese
bestimmt ausdrücklich, dass der dritte Richter durch den Präsidenten des
Schweizerischen Bundesgerichtes zu bestimmen sei, wenn innerhalb von 60
Tagen nach der Ernennung der beiden andern Richter keine Einigung gefunden
werde. Das Bestehen und die Gültigkeit dieser Schiedsgerichtsklausel
ist an sich und für den Zeitpunkt ihrer Vereinbarung nicht streitig.

    Obwohl im Vertrag vom 3. Juli 1960 als Vertragspartei das
Kriegsministerium der VAR aufgeführt ist, gehen beide Parteien des
vorliegenden Verfahrens stillschweigend davon aus, dass der Vertrag und
die darin enthaltene Schiedsgerichtsklausel für beide als Gesuchsgegner
ins Recht gefassten staatlichen Organismen, d.h. sowohl für das
Kriegsministerium der VAR als auch für die EGAO, verbindlich sind.

    Ausser Streit ist endlich auch, dass die Parteien innerhalb von
60 Tagen nach der Ernennung der beiden einseitig zu bezeichnenden
Schiedsrichter nicht gemeinsam einen dritten Schiedsrichter ernannt haben.

Erwägung 3

    3.- Die Gesuchsgegnerin EGAO glaubt zu Unrecht, sich der Bezeichnung
des dritten Schiedsrichters widersetzen zu können mit dem Hinweis auf
die Vereinbarung vom 11. März 1966, durch die nach ihrer Auffassung
sämtliche Differenzen zwischen den Parteien vergleichsweise beigelegt
worden sein sollen.

    Ob die erwähnte nachträgliche Vereinbarung gültig zustande gekommen
sei, ob sie die Parteien zur Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens
verpflichte und ob sie die Beilegung jeglichen Streites aus dem Vertrag
vom 3. Juli 1960 bewirkt habe, sind vielmehr ausnahmslos Fragen, welche die
Streitsache als solche betreffen und deshalb eben durch das Schiedsgericht
zu entscheiden sind.

Erwägung 4

    4.- Ebensowenig kann sich die Gesuchsgegnerin EGAO im vorliegenden
Verfahren darauf berufen, dass die Gesuchstellerin wohl die Durchführung
des Schiedsgerichtsverfahrens innert der Frist für die Aberkennungsklage
gegenüber dem ersten, in der Folge aufgehobenen Rechtsöffnungsentscheid
vom 9. September 1966 verlangt habe, dass sie dagegen unterlassen habe,
innert der durch den zweiten Rechtsöffnungsentscheid, d.h. denjenigen
vom 12. April 1967, ausgelösten Klagefrist erneut ein solches Begehren
zu stellen.

    Die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens stützt sich auf
den Vertrag vom 3. Juli 1960. Irgendwelche Betreibungshandlungen
brauchen ihr nicht vorauszugehen. Über die Frage, wie sich das
Schiedsgerichtsverfahren auf die hängige Betreibung und auf den in
dieser ergangenen Rechtsöffnungsentscheid auswirke, hat die lediglich
zur Bestellung eines Schiedsrichters berufene Instanz nicht zu befinden.

Erwägung 5

    5.- Der durch den vorliegenden Entscheid bestellte Schiedsrichter
genügt den in der Schiedsgerichtsklausel hinsichtlich der
Staatsangehörigkeit umschriebenen Voraussetzungen.

Entscheid:

    Demnach entscheidet der Präsident des Schweizerischen Bundesgerichts:

    1. Dem Begehren der Gesuchstellerin um Bezeichnung eines
Schiedsrichters wird entsprochen.

    2. Als dritter Schiedsrichter wird bezeichnet:...