Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 265



93 I 265

33. Urteil vom 3. Mai 1967 i.S. Billerbeck & Cie gegen Bergbau-Handel
G.m.b.H. und Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedsprüche.

    Anwendbarkeit des Abkommens im Verhältnis zur Deutschen Demokratischen
Republik (Erw. 1).

    Gültigkeit der in einem Kaufvertrag zwischen einer schweizerischen
und einer ostdeutschen Firma enthaltenen Schiedsklausel nach dem Rechte
der DDR (Erw. 3).

    Vorbehalt der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates:

    -  Der Vorbehalt bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der
Entscheidung, sondern auf das Verfahren sowie auf die Zusammensetzung
des Schiedsgerichts (Erw. 4a).

    - Ein Schiedsspruch, den das Schiedsgericht der Kammer für Aussenhandel
der DDR in einem Rechtsstreit zwischen einem dieser Kammer angeschlossenen
staatlichen Aussenhandelsunternehmen und einer schweizerischen Firma
gefällt hat, ist inder Schweiz vollstreckbar. Bestätigung der in BGE 84
I 46 Erw. 5 und 6 enthaltenen Grundsätze (Erw. 4b-d).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Billerbeck & Cie. in Basel, die mit
Isolierungsmaterialien der Baubranche handelt, bezog wiederholt
solche von der Bergbau-Handel Gesellschaft für Ausfuhr und Einfuhr von
Bergbauerzeugnissen m. b. H. in Berlin-Ost. Die Kaufverträge wurden
jeweils abgeschlossen durch Ausfüllung und Unterzeichnung vorgedruckter
Formulare der Verkäuferin, worin auf die "Allgemeinen Lieferbedingungen"
auf der Rückseite verwiesen wird. Diese enthalten (als drittletzte von
18 Ziffern) folgende Schiedsklausel:

    "16. a) Alle Streitigkeiten aus einem Vertrag werden unter Ausschluss
des ordentlichen Rechtsweges in Arbitrage durch das Schiedsgericht bei
der Kammer für Aussenhandel der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin
NW 7, Unter den Linden 40, nach dessen Schiedsgerichtsordnung für beide
Teile verbindlich entschieden.

    b) Der Ort des Zusammentritts des Schiedsgerichts ist Berlin-Mitte."

    Der letzte Kaufvertrag datiert vom 31. Juli 1961 und betraf Radeborger
Backofenplatten, die Ende Oktober 1961 zum Preis von Fr. 3277.26
geliefert wurden. Die Käuferin beanstandete diese Lieferung, doch trat
die Verkäuferin auf die Mängelrüge nicht ein, verlangte Bezahlung des
Kaufpreises und klagte diesen in der Folge beim Schiedsgericht der Kammer
für Aussenhandel der DDR ein. Dessen Sekretär sandte der Billerbeck &
Cie. am 17. Juli 1962 die Klageschrift sowie die Schiedsgerichtsordnung
und die 31 Mitglieder umfassende Schiedsrichterliste zu und lud sie zur
Klageerwiderung ein. Die Billerbeck & Cie. bestritt die Zuständigkeit
des Schiedsgerichts und gab der Vorladung zur Güteverhandlung und der
Aufforderung zur Ernennung eines Schiedsrichters keine Folge. Darauf
wurde das Schiedsgericht gemäss der Schiedsgerichtsordnung in der
Weise gebildet, dass die Klägerin einen Schiedsrichter, der Präsident
des Schiedsgerichts einen solchen für die Beklagte und die beiden
Schiedsrichter einen Obmann ernannten, alle drei aus der Liste der 31
Schiedsrichter. Dieses Schiedsgericht lud die Beklagte auf den 9. April
1963 erfolglos zur Streitverhandlung vor und verpflichtete sie hierauf
mit Schiedsspruch vom 10. Mai 1963, der Klägerin Fr. 3277.26 nebst 5%
Zins seit 25. November 1961 sowie DM 400. - Verfahrenskosten zu bezahlen.

    B.- Gestützt auf diesen Schiedsspruch leitete die Bergbau-Handel
G.m.b.H. am 11. November 1965 gegen die Firma Billerbeck & Cie. in Basel
Betreibung ein für die ihr zugesprochenen Beträge von zusammen Fr. 3709.26
und verlangte auf Rechtsvorschlag hin definitive Rechtsöffnung. Diese
wurde vom Dreiergericht des Kantons Basel-Stadt durch Entscheid vom 11.
November 1966 verweigert, vom Appellationsgericht (Ausschuss) dagegen in
Gutheissung einer Beschwerde der Bergbau-Handel G.m.b.H. mit Urteil vom 25.
Januar 1967 bewilligt. In den Erwägungen dieses Entscheids wird ausgeführt,
dass die Art der Zusammensetzung des Schiedsgerichts nach BGE 84 I 39 ff.
nicht gegen den ordre public der Schweiz verstosse und dass die DDR
sich als Nachfolgerin des Deutschen Reichs auch gegenüber der Schweiz
auf das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche
berufen könne, obwohl die Schweiz mit ihr keine politischen Beziehungen
unterhalte. Die Schiedsklausel sei zwar in dem zwischen den Parteien
abgeschlossenen Kaufvertrag klein gedruckt; doch habe die Beklagte
mehrere solche Verträge mit der Klägerin abgeschlossen und könne daher
nicht behaupten, sie habe die Klausel übersehen oder nicht verstanden.
Sie hätte sich auch über die darin erwähnte Schiedsordnung erkundigen und
dann erfahren können, dass die Schiedsrichterwahl auf die in einer Liste
aufgeführten Personen beschränkt sei. Es gehe nicht an, sich auf derartige
Verträge mehrfach einzulassen und dann im praktischen Fall Einreden zu
erheben, zumal im Handel mit ausländischen Lieferanten besondere Vorsicht
üblich sei.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Firma Billerbeck
& Cie., den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 25. Januar 1967 aufzuheben und das Rechtsöffnungsbegehren der
Bergbau-Handel G.m.b.H. abzuweisen, eventuell die Sache zur Beurteilung
nach der Basler ZPO zurückzuweisen. Sie macht Verletzung der Art. 59
und 4 BV sowie Verletzung bzw. falsche Anwendung staatsvertraglicher
Bestimmungen geltend und erhebt folgende Rügen:

    a) Die Beschwerdeführerin habe auf den Gerichtsstand des Art. 59 BV
nicht gültig verzichtet, da die Schiedsklausel auf der Rückseite des
Kaufvertrags derart unauffällig sei, dass sie in ihrer Bedeutung vom
Nichtjuristen nicht habe erfasst werden können.

    b) Das Genfer Abkommen sei nicht anwendbar, da der Schweiz nie
mitgeteilt worden sei, dass die DDR sich im Jahre 1959 dem Abkommen
unterstellt habe. Sei aber das Abkommen nicht anwendbar, so liege darin,
dass das Vollstreckungsgesuch im Rechtsöffnungsverfahren nach Art. 81
Abs. 3 SchKG und nicht im ordentlichen Zivilprozessverfahren gemäss § 258
ZPO beurteilt worden sei, eine Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 4 BV.

    c) Der Schiedsspruch verstosse gegen den ordre public der Schweiz
und zwar

    aa) materiell-rechtlich durch die Lieferbedingungen im Kaufvertrag,
auf die sich der Schiedsspruch stütze und nach denen der Käufer trotz
mangelhafter Lieferung den Kaufpreis bezahlen müsse;

    bb) formell-rechtlich, weil

    - alle Mitteilungen des Schiedsgerichts der Beschwerdeführerin durch
die Post zugestellt worden seien, was nach Art. 4 letzter Absatz des
schweizerisch-deutschen Vollstreckungsabkommens ungenügend sei,

    - jede Garantie für eine ungefährdete persönliche Mitwirkung der
Beschwerdeführerin am Schiedsverfahren gefehlt habe, - das Schiedsgericht
nach seiner Zusammensetzung nicht als unabhängiges und unparteiisches
Gericht gelten könne.

    Die nähere Begründung dieser Rügen ist, soweit wesentlich, aus den
nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

    D.- Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung
der Beschwerde und verzichtet im übrigen, unter Hinweis auf die Motive
des angefochtenen Urteils, auf Gegenbemerkungen.

    Die Bergbau-Handel G.m.b.H. beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die kantonalen Instanzen haben die Frage, ob der in der Deutschen
Demokratischen Republik (DDR) gefällte Schiedsspruch in der Schweiz
vollstreckbar sei, nach dem Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer
Schiedssprüche vom 26. September 1927 (BS 12, S. 392) beurteilt, dem
sowohl die Schweiz als auch das Deutsche Reich beigetreten sind. Die DDR,
die sich mit Bezug auf ihr Gebiet als Nachfolgerin des Deutschen Reiches
betrachtet, wendet gemäss Bekanntmachung ihres Ministers für Auswärtige
Angelegenheiten vom 16. April 1959 (Gesetzblatt der DDR vom 16. Mai 1959)
eine Anzahl von jenem abgeschlossener multilateraler internationaler
Übereinkommen wieder an, darunter auch das Genfer Protokoll über die
Schiedsklauseln vom 24. September 1923 (BS 13, S. 387) und das genannte
Genfer Abkommen. Daher haben diese Abkommen im Verhältnis zur DDR wieder
Geltung und ist insbesondere die Voraussetzung des Gegenrechts erfüllt;
denn der Beitritt zu diesen Abkommen steht allen Staaten frei (Ziff. 5
des Protokolls und Art. 7 des Abkommens). Dass die Schweiz die DDR nicht
als Staat anerkannt hat und mit ihr keine diplomatischen Beziehungen
unterhält, steht der Anwendung des Abkommens nicht entgegen. Die DDR
ist jedenfalls ein selbständiges Rechtsgebiet und ist daher, wie in
international- privatrechtlicher Hinsicht (BGE 91 II 126 Erw. 4), so auch
in international-prozessrechtlicher Hinsicht wie ein Staat zu behandeln.

Erwägung 2

    2.- Mit der Feststellung, dass das Genfer Abkommen anwendbar und die
Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs danach zu beurteilen ist, erweist
sich die Beschwerde insoweit, als sie Verletzung anderer Bestimmungen
geltend macht, als unbegründet.

    a) Nach § 258 Abs. 1 der basel-städt. ZPO werden Streitigkeiten
über die Vollstreckbarkeit von Schiedsgerichtsurteilen nur dann auf
dem ordentlichen Prozessweg entschieden, wenn das Bundesrecht oder
Staatsverträge nichts anderes vorschreiben. Nun sind Urteile, welche zu
einer Geldzahlung verpflichten, gemäss Art. 38 Abs. 1 SchKG auf dem Wege
der Schuldbetreibung zu vollziehen und ist daher bei solchen Urteilen
von Bundesrechts wegen im Rechtsöffnungsverfahren über das Vorliegen
staatsvertraglicher Voraussetzungen der Vollstreckung zu entscheiden
(BGE 87 I 76 mit Verweisungen). Das ergibt sich aus Art. 81 Abs. 3 SchKG
und gilt auch für Schiedssprüche, da sie ebenfalls unter den Begriff
des Urteils im Sinne dieser Bestimmung fallen (BGE 61 I 277 Erw. 3, 76
I 126/7). Von einer Rechtsverweigerung durch willkürliche Nichtanwendung
von § 258 ZPO kann daher keine Rede sein.

    b) Die Beschwerdeführerin bestreitet, auf ihren verfassungsmässigen
Richter verzichtet zu haben und behauptet, die im Kaufvertrag vom 31. Juli
1961 enthaltene Schiedsklausel "genüge Art. 59 BV nicht". Diese Bestimmung
und die Rechtsprechung dazu kann jedoch für die Auslegung des Genfer
Protokolls und Abkommens nicht herangezogen werden, da beim Abschluss
dieser multilateralen Abkommen, anders als bei gewissen zweiseitigen
Vollstreckungsabkommen (vgl. BGE 57 I 23 Erw. 1, 68 I 126 Erw, 1, 81 I
57 Erw. 2), auf sie nicht Rücksicht genommen worden ist.

    c) Die Beschwerdeführerin erblickt darin, dass ihr die Mitteilungen
und Vorladungen des Schiedsgerichts nicht auf dem Wege der Rechtshilfe,
sondern durch die Post zugestellt worden sind, eine Verletzung von Art. 4
letzter Absatz des schweizerisch-deutschen Vollstreckungsabkommens vom
2. November 1929 (BS 12, S. 359). Diese erst vor Bundesgericht erhobene
Rüge ist entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin noch zulässig
(BGE 85 I 44 Erw. 1). Sie ist jedoch unbegründet, da die angerufene
Bestimmung nur für das Verfahren vor staatlichen Gerichten gilt und
Art. 9 des Abkommens hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von
Schiedssprüchen auf das Genfer Abkommen verweist. Zudem bestreitet die
Beschwerdeführerin nicht, dass sie die ihr (eingeschrieben) zugestellten
Mitteilungen und Vorladungen erhalten und nie beanstandet hat.

    Die Beschwerde ist somit ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des
Genfer Abkommens zu beurteilen.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 1 dieses Abkommens sind Schiedssprüche auf Grund
von Schiedsklauseln, wie sie im Genfer Protokoll vorgesehen sind,
unter den in Art. 1 des Abkommens genannten Voraussetzungen zur
Vollstreckung zuzulassen. Dass die Schiedsklausel im Kaufvertrag vom
31. Juli 1961 der Ziff. 1 des erwähnten Protokolls entspricht, wird von
der Beschwerdeführerin mit Recht nicht bestritten. Was sie, unter Berufung
auf Art. 59 BV, gegen die Gültigkeit der Schiedsklausel vorbringt, ist auch
abgesehen davon, dass diese Bestimmung nach dem in Erw. 2 b Gesagten nicht
anwendbar ist, unbehelflich. Die Gültigkeit der Schiedsklausel beurteilt
sich nach dem Recht des Staates, in dem sich der Sitz des vereinbarten
Schiedsgerichts befindet (BGE 57 I 302 ff., 76 I 349 Erw. 3, 93 I 54 Erw. 3
a), hier also nach demjenigen der DDR. Dass sie nach diesem Recht ungültig
sei, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Insbesondere bestreitet
sie nicht, dass sie beim Abschluss des Kaufvertrages die auf der Rückseite
als Ziff. 16 der "Allgemeinen Lieferbedingungen" gedruckte Schiedsklausel
zur Kenntnis genommen hat, und behauptet nur, deren Bedeutung habe
von einem Nichtjuristen nicht erfasst werden können. Indes sagt die
Klausel klar, dass alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluss
des ordentlichen Rechtswegs durch das Schiedsgericht bei der Kammer für
Aussenhandel der DDR in Berlin nach dessen Schiedsgerichtsordnung für beide
Teile verbindlich entschieden werden. Damit ist auch für den Nichtjuristen
und namentlich für jeden Kaufmann verständlich, dass er sich durch Annahme
dieser Klausel der Schiedsgerichtsbarkeit unter Ausschluss der ordentlichen
Gerichte unterwirft und damit auch auf den Gerichtsstand des Wohnsitzes
verzichtet. Ganz abwegig ist die Behauptung, die Klausel sei offenbar
für den innerdeutschen Geschäftsverkehr und nicht für denjenigen mit dem
Ausland bestimmt, ist doch der ganze Vertragstext auf Geschäfte über Ein-
und Ausfuhr zugeschnitten und daher klar, dass das Schiedsgericht der
Kammer für Aussenhandel über Geschäfte mit dem Ausland zu urteilen hat.

    Es kann sich nur fragen, ob die Vollstreckung des Schiedsspruchs in der
Schweiz zu verweigern ist, weil seine Anerkennung gegen die schweizerische
öffentliche Ordnung verstossen würde (Art. 1 lit. e des Genfer Abkommens).

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Schiedsspruch
vom 10. Mai 1963 sowohl durch seinen Inhalt als auch durch die Art
seines Zustandekommens und die Zusammensetzung des Schiedsgerichts den
schweizerischen ordre public verletze. Das Hauptgewicht legt sie auf
die Rüge, die Schiedsrichterliste sei von der Kammer für Aussenhandel
der DDR, einer staatlichen Organisation, bei welcher die Bergbau-Handel
G.m.b.H. Mitglied sei, aufgestellt worden; das Schiedsgericht übe eine
Kontrollfunktion im Bereich des staatlich gelenkten Aussenhandels der DDR
aus, sei dabei an die Interessen dieses Landes gebunden und könne daher
in einem Streit zwischen einer staatlich dirigierten Handelsorganisation
und einer ausländischen Gegenpartei nicht unparteiisch sein.

    a) Das Bundesgericht hat früher die ordre public-Klausel, die in
allen von der Schweiz abgeschlossenen Vollstreckungsabkommen enthalten
ist, nur auf den Inhalt der Entscheidung angewandt und es als fraglich
bezeichnet oder offen gelassen, ob sie darüber hinaus auch angerufen
werden könne bei Mängeln, die dem Verfahren vor dem ausländischen Gericht,
gemessen an der inländischen Rechtsordnung, anhaften (BGE 84 I 46 Erw. 4
und dort angeführte frühere Urteile). In der Folge hat es sie aber auch
auf Verfahrensmängel angewandt, die das schweizerische Rechtsempfinden in
unerträglicher Weise verletzen (BGE 85 I 47 Erw. 4, 87 I 78 Erw. 6, 90 I
118). Das gleiche muss auch, ja erst recht gelten für die Zusammensetzung
eines Schiedsgerichts, bei welcher die Parteien ungleich behandelt
werden und die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht garantiert ist,
denn die richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört nach
dem schweizerischen Rechtsgefühl zu den fundamentalen Erfordernissen
der Rechtspflege. Die Frage, ob sich die ordre public-Klausel auch auf
die Zusammensetzung des Schiedsgerichts beziehe, ist daher unbedenklich
zu bejahen. Das Bundesgericht hat dies übrigens bereits in BGE 93 I 57
Erw. 4 a stillschweigend getan, indem es die Frage nicht mehr, wie bisher,
offen liess, sondern vorbehaltlos prüfte, ob der Schiedsspruch wegen der
Zusammensetzung des Schiedsgerichts gegen die schweizerische öffentliche
Ordnung verstosse.

    b) Die Gründe, aus denen das Appellationsgericht die Einwendungen der
Beschwerdeführerin gegen die Zusammensetzung des Schiedsgerichts der Kammer
für Aussenhandel der DDR zurückgewiesen hat, bestehen zur Hauptsache in
einer Verweisung auf BGE 84 I 46 Erw. 5 und 6, wo sich die gleichen Fragen
mit Bezug auf das Schiedsgericht der Tschechoslowakischen Handelskammer
stellten. Demgegenüber wird in der Beschwerde behauptet, der vorliegende
Fall unterscheide sich wesentlich von dem damals beurteilten. Worin der
Unterschied bestehe, wird jedoch in der Beschwerde nicht ausgeführt und
ist auch nicht ersichtlich. In der Tschechoslowakei wie in der DDR ist
die Handelskammer Organ eines Staates, der den Aussenhandel verstaatlicht
hat, und können als Schiedsrichter nur Personen ernannt werden, die
in der vom Präsidenten der Handelskammer bzw. in dessen Auftrag vom
ständigen Schiedsgericht gebildeten Liste eingetragen sind und alle dem
betreffenden Staate angehören. Hier wie dort war die Klägerin Mitglied der
Handelskammer und wirkte bei der Wahl ihres Präsidenten mit, wodurch sie
einen indirekten Einfluss auf die Bildung der Schiedsrichterliste hatte,
der der Beklagten abging. Auch die Bestellung des konkreten Schiedsgerichts
erfolgte in beiden Fällen gleich, indem ein Schiedsrichter vom Kläger,
der andere infolge Weigerung des Beklagten vom Präsidenten des ständigen
Schiedsgerichts und der Obmann von diesen beiden Schiedsrichtern bezeichnet
wurde. Die Beschwerdeführerin verlangt in Wirklichkeit eine Änderung
der durch jenes Urteil begründeten Praxis und stützt sich dabei auf die
daran geübte Kritik (HANS HUBER, ZBJV 95/1959, S. 342/5 und KONRAD BLOCH,
SJZ 56/1960, S. 337/42). Es ist daher zu prüfen, ob an dieser Praxis
festzuhalten ist.

    c) In BGE 84 I 47 Erw. 5 wurde zunächst ausgeführt, dass die sich auf
schweizerische Verbandsschiedsgerichte beziehende Rechtsprechung zu Art. 61
BV nicht einfach auf die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche
übertragen werden kann und ein Unterschied zu machen ist zwischen
Verbandsschiedsgerichten, denen in erster Linie die Durchsetzung des
internen kartellmässigen Verbandsrechts obliegt, und den Schiedsgerichten
von Handelskammern, die keine solchen Zwecke verfolgen, sondern im
Interesse des gesamten Handels zur raschen und sachverständigen Erledigung
handelsrechtlicher Streitigkeiten zwischen Kaufleuten geschaffen sind,
denen es freisteht, sich dieser Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen
oder ihre Streitigkeiten vor staatlichen Gerichten auszutragen. An
dieser Unterscheidung ist festzuhalten, zumal sie vom Bundesgericht
erst kürzlich bestätigt worden ist (BGE 93 I 58 Erw. 4 a). In BGE 84 I
50 Erw. 5 a-c (und 84 I 59 Erw. 4 b) wurde weiter ausgeführt, dass das
Urteil des Schiedsgerichts einer Handelskammer nicht schon deshalb gegen
die schweizerische öffentliche Ordnung verstosse, weil die Schiedsrichter
einer vom Organ einer ausländischen Handelskammer aufgestellten Liste
entnommen werden müssen, und zwar auch dann nicht, wenn alle Personen
der Liste dem gleichen Staate wie die Gegenpartei angehören und wenn
diese als Mitglied der Handelskammer bei der Bestellung ihrer Organe
mitzuwirken hatte und dadurch, im Gegensatz zur schweizerischen Partei,
einen gewissen, wenn auch geringen und indirekten Einfluss auf die
Zusammensetzung des Schiedsgerichts ausübte. Auch an diesen in BGE 93
I 59 Erw. 4 c bestätigten Ausführungen kann unbedenklich festgehalten
werden. Dass im vorliegenden Fall der eine Schiedsrichter statt von der
Beschwerdeführerin vom Präsidenten des Schiedsgerichts ernannt worden ist,
beanstandet die Beschwerdeführerin mit Recht nicht, da sie durch ihre
Weigerung, einen Schiedsrichter zu ernennen, dazu Anlass gegeben hat
(vgl. BGE 84 I 49/50). Zu prüfen bleibt, ob dem Schiedsgericht die aus
dem Gesichtspunkt der schweizerischen öffentlichen Ordnung erforderliche
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit deshalb abzusprechen ist, weil
sowohl die Kammer für Aussenhandel samt dem Schiedsgericht als auch
die Gegenpartei im Schiedsverfahren der staatlichen Organisation der
DDR angehören.

    d) Auch diese Frage stellte sich schon in BGE 84 I 39 ff.  für das
Schiedsgericht der tschechoslowakischen Handelskammer und ist dort in
Erw. 6 d verneint worden. Eine nochmalige Ueberprüfung führt zu keinem
andern Ergebnis.

    Das Bundesgericht hat dort ausgeführt, die gegenteilige Auffassung
laufe darauf hinaus, die Anwendung der Vollstreckungsabkommen wegen der
politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Tschechoslowakei
einzuschränken, und hiezu seien die Gerichte nicht befugt; falls
wegen dieser Verhältnisse begründete Zweifel an der Unabhängigkeit der
staatlichen Gerichte oder der staatlich vorgesehenen Schiedsgerichte
bestehen sollten, wäre es Sache der politischen Behörden, eine Änderung
oder Auflösung der zur Vollstreckung tschechoslowakischer Urteile
und Schiedssprüche verpflichtenden Staatsverträge herbeizuführen. In
den seit Erlass jenes Urteils vergangenen neun Jahren haben indes die
politischen Behörden keine solchen Schritte unternommen. Im Gegenteil hat
die Bundesversammlung durch Beschluss vom 2. März 1965 den Beitritt der
Schweiz zu dem am 10. Juni 1958 abgeschlossenen New Yorker Abkommen über
die Anerkennung und VOIlstreckung ausländischer Schiedssprüche genehmigt,
das das Genfer Protokoll und Abkommen ersetzen soll und dem auch die
Tschechoslowakei und mehrere andere osteuropäische Staaten beigetreten
sind (AS 1965, S. 793 ff.). Dieses Abkommen bestimmt in Art. 1 Ziff. 2
ausdrücklich, dass unter Schiedssprüchen auch solche eines ständigen
Schiedsgerichts, dem sich die Parteien unterworfen haben, zu verstehen
sind, also, wie der Bundesrat in der Botschaft (BBl 1964 II 608) erläuternd
bemerkte, Schiedssprüche, wie sie von Wirtschafts- oder Berufsverbänden
oder von Handelskammern eingesetzt werden. Diese Bestimmung wurde dem
Abkommen auf Antrag des tschechoslowakischen Delegierten beigefügt, und
der schweizerische Delegierte hat ihm, unter Hinweis gerade auf den in
BGE 84 I 39 ff. beurteilten Fall, zugestimmt (BERTHEAU, Das New Yorker
Abkommen, Diss. Zürich 1965, S. 49; FOUCHARD, L'arbitrage commercial
international, Paris 1965, S. 206/7). Daraus, dass der Bundesrat der
Bundesversammlung den vorbehaltlosen Beitritt zum New Yorker Abkommen
beantragte und in der Botschaft die Frage, ob die Schiedsgerichte der
Handelskammern in den Oststaaten mit der schweizerischen öffentlichen
Ordnung vereinbar seien, nicht einmal aufwarf, muss geschlossen werden,
dass der Bundesrat, der durch seine diplomatischen Vertreter in den
Oststaaten sowie durch die Handelsabteilung des EVD über die Tätigkeit
dieser Schiedsgerichte unterrichtet ist, keine Gründe sah, ihnen zu
misstrauen und die Unparteilichkeit allgemein abzusprechen. Solche Gründe
bestehen auch nicht. Es ist freilich richtig und allgemein bekannt,
dass der Richter in den Oststaaten nicht die gleiche Unabhängigkeit
hat wie im Westen und nicht im gleichen Masse an das geschriebene Recht
gebunden ist, sondern politische Gesichtspunkte und staatliche Interessen
zu berücksichtigen hat (vgl. WALTER ROSENTHAL, Le pouvoir judicaire dans
la zone soviétique allemande, Revue de la Commission internationale de
juristes Bd. 4/1962-63, S. 143 ff. und EDUOARD ZELLWEGER, Le principe
de la légalité socialiste, ebenda Bd. 5/1964, S. 187 ff.). Selbst wenn
dies, was nicht feststeht, auch für die Schiedsgerichte der Handelskammern
gelten sollte, so würde dies die Vollstreckbarkeit ihrer Entscheide in der
Schweiz nicht ausschliessen. Die von den Handelskammern der Oststaaten
und ihren Schiedsgerichten allenfalls zu berücksichtigenden staatlichen
Interessen bestehen nämlich keineswegs darin, dass das am Streit beteiligte
Aussenhandelsunternehmen wenn immer möglich obsiege. Da die Oststaaten am
Ausbau ihres Handels mit dem Westen in hohem Masse interessiert sind, haben
die Handelskammern und ihre Schiedsgerichte vielmehr vor allem darüber
zu wachen, dass die Handelsgeschäfte mit dem Westen korrekt abgewickelt
werden und die westlichen Geschäftsleute hierauf vertrauen können, was
voraussetzt, dass die Schiedsgerichte der Handelskammern unparteilich sind.

    Dafür, dass dies jedenfalls im allgemeinen zutrifft, spricht
auch, dass die Gerichte der westlichen Staaten, soweit ersichtlich,
es ausnahmslos abgelehnt haben, mangels Unparteilichkeit dieser
Schiedsgerichte die auf sie lautenden Schiedsklauseln als ungültig
zu erklären oder die Vollstreckung ihrer Schiedssprüche zu verweigern
(Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 19. Mai 1959 in "Die Deutsche
Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts" 1958/59,
S. 607 ff.; Urteil der Cour d'Appel d'Orléans vom 27. Februar 1961 in
"Revue de l'Arbitrage" 1962 S. 111 ff.; ferner die von FOUCHARD aaO S. 194
Anm. 25 und 26 erwähnten westdeutschen, italienischen, englischen und
nordamerikanischen Urteile). Das Urteil BGE 84 I 39 ff. hat denn auch
bei westlichen Juristen, die sich besonders mit der internationalen
Handelsschiedsgerichtsbarkeit befassen, allgemein Zustimmung gefunden
(FOUCHARD a.a.O, S. 194/7 und der dort zit. Artikel von S. PISAR,
Harward Law Review 1959, S. 1409 ff.; ERNST MEZGER, Revue Critique de
droit international privé 1959, S. 336 ff.; CHARLES CARABIBER, Revue
de l'Arbitrage 1958, S. 108 ff.). Von diesem Urteil abzugehen, besteht
unter diesen Umständen kein Anlass. Es ist, wie dort (Erw. 6 d am Ende)
ausgeführt wurde, mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar, dass
ein Kaufmann, der mit dem Aussenhandelsunternehmen eines Oststaates in
Kenntnis der dortigen politischen Verhältnisse Geschäfte abschliesst und
sich dabei den Schiedsgerichten dieses Staates unterwirft, nachträglich
deren Unabhängigkeit unter Hinweis auf jene politischen Verhältnisse
bestreitet. Übrigens sind Kaufleute, die Osthandel treiben wollen,
keineswegs genötigt, sich für Streitigkeiten den Schiedsgerichten der
Handelskammern des betreffenden Staates zu unterwerfen, sind doch die
Aussenhandelsunternehmen, wie sich aus BGE 92 I 272 ff. ergibt, unter
Umständen bereit, auch Schiedsklauseln abzuschliessen, die paritätisch
zusammengesetzte Gelegenheitsschiedsgerichte vorsehen.

    Ist demnach an BGE 84 I 39 ff. in allen Teilen festzuhalten und
kann den Schiedsgerichten der Handelskammern der Oststaaten die nach
schweizerischer Rechtsauffassung erforderliche Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit nicht allgemein abgesprochen werden, so darf die
Vollstreckung ihrer Schiedssprüche in der Schweiz nur dann wegen der
Zusammensetzung des Schiedsgerichts verweigert werden, wenn im konkreten
Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Schiedsrichter, die
den Spruch gefällt haben, tatsächlich befangen waren, insbesondere die
prozessualen Rechte der ausländischen Partei in einem Masse verletzten,
die mit einem geordneten Schiedsverfahren nicht vereinbar ist. Solche
Anhaltspunkte ergeben sich jedoch im vorliegenden Falle weder aus
dem Schiedsspruch selber noch aus den sonstigen Akten. Der Einwand
der Beschwerdeführerin, dass sich das Schiedsverfahren hinter dem
"Eisernen Vorhang" ohne jeden Rechtsschutz für sie abgewickelt habe, ist
unbegründet. Dass sie daran weder persönlich noch durch einen Vertreter
teilgenommen hat, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Inwiefern sie
durch eine solche Teilnahme ihre persönliche Freiheit aufs Spiel gesetzt
hätte, sagt sie nicht und ist nicht ersichtlich. Zudem ist nach § 17 der
Schiedsgerichtsordnung die Vertretung der Parteien durch Bevollmächtigte,
und zwar auch durch Anwälte, zulässig.

    e) Die Beschwerdeführerin behauptet schliesslich, der Schiedsspruch
verletze auch materiell den schweizerischen ordre public, indem er sich
auf Ziff. 15 der Allgemeinen Lieferbedingungen stütze, der dem Käufer von
vornherein das Recht, mangelhafte Erfüllung des Verkäufers rechtswirksam
geltend zu machen, entziehe und damit gegen einen fundamentalen Grundsatz
unseres OR verstosse. Ziff. 15 schliesst Reklamationen des Käufers
nicht aus, sondern ordnet die Art ihrer Anbringung und Erledigung. Die
von der Beschwerdeführerin speziell beanstandeten lit. b und e, wonach
Reklamationen auf die Zahlungsverpflichtung des Käufers keine aufschiebende
Wirkung haben und keinen Anspruch auf Schadenersatz begründen, hängen
zusammen mit lit. d, wonach der Verkäufer sich verpflichtet, fristgemäss
angebrachte Reklamationen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu
prüfen und gegebenenfalls in dem von ihm anerkannten Ausmass nach seiner
Wahl Ersatz oder/und Gutschrift zu leisten. Daraus folgt, dass eine
begründete Reklamation nicht ohne weiteres einen Schadenersatzanspruch
begründet, sondern dem Verkäufer das Recht zu besserer Erfüllung gewahrt
bleibt. Freilich kann der Käufer seine Ansprüche erst durchsetzen, wenn
er den Kaufpreis bezahlt hat. Doch kann nicht gesagt werden, dass diese
Ordnung den Käufer schutzlos lasse und damit gegen den schweizerischen
ordre public verstosse.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.