Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 I 194



93 I 194

24. Urteil vom 26. Mai 1967 i.S. Rubinfeld gegen Eidg. Steuerverwaltung.
Regeste

    Warenumsatzsteuer: Handelt ein Warenempfänger als Vertreter eines
Dritten, so ist dieser Dritte (und nicht der Vertreter) lediglich dann
Abnehmer im warenumsatzsteuerrechtlichen Sinne, wenn sein Name dem Lieferer
zu der Zeit bekannt war, da dieser dem Vertreter die wirtschaftliche
Verfügungsmacht über die Ware verschaffte.

Sachverhalt

    A.- Gestützt auf einen Vertrag vom 15. September 1964 erwarb die
TABOR Treuhand- und Verwaltungs AG, Zürich (im folgenden Tabor genannt)
von der Boutique Lido AG käuflich deren gesamte Einrichtungen und das
Warenlager. Die Tabor trat dabei "als Treuhänderin für eine private
oder juristische Person" auf. Die Ware ging in der Folge an die ROBAT
Damenmoden AG (Robat) über, wobei nicht feststellbar ist, auf Grund welchen
Rechtsgeschäftes dies geschah. Die Robat hatte sich ihre Statuten am 1.
September 1964 gegeben und war am 15. September des selben Jahres in das
Handelsregister eingetragen worden. Weder die Tabor noch die Robat waren
je als Warenumsatzsteuer-Grossisten registriert, wohl aber die Boutique
Lido AG.

    Gemäss Quittung vom 25. März 1965 kaufte der
warenumsatzsteuerpflichtige Moses Rubinfeld, welcher in Zürich dem
Engros- und Detailhandel mit Textilien obliegt, von der durch die Tabor
vertretenen Robat Waren zumPreisevon Fr. 167'500.--. Nachdem die Robat
schon am 8. April 1965 schriftlich erklärt hatte, im Kaufpreis sei die
Warenumsatzsteuer eingeschlossen gewesen, stellte M. Rubinfeld bei der
Eidg. Steuerverwaltung (EStV) den Antrag auf Steueranrechnung im Sinne
von Art. 23 Abs. 1 lit c WUB.

    B.- Mit Entscheid vom 1. Februar 1966 wies die EStV den Antrag des
Moses Rubinfeld vollumfänglich ab. Sie begründete ihren Standpunkt im
wesentlichen damit, die Tabor sei gegenüber der Boutique Lido AG im eigenen
Namen aufgetreten und habe die ihr dergestalt eingeräumte wirtschaftliche
Verfügungsmacht nur auf dem Wege einer erneuten umsatzsteuerlichen
Warenlieferung auf die Robat übertragen können. Aus diesem Grunde fehle
es an den Voraussetzungen für eine Steueranrechnung. Für allfällige
Bezüge der Robat bei andern Lieferanten habe M. Rubinfeld den Nachweis
der tatsächlichen Steuerzahlung nicht erbracht.

    Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Einsprache hiess die EStV in der
Folge teilweise gut. Sie war nach Einsichtnahme in Lieferantenrechnungen
zum Schluss gekommen, die Robat habe einen Teil der M. Rubinfeld
gelieferten Waren bei Grossisten bezogen und habe diesen die Steuer
auf dem Überwälzungswege vergütet. Der entsprechende Anteil an dem von
Rubinfeld bezahlten Gesamtkaufpreis wurde annäherungsweise auf einen
Achtel geschätzt, was zu einer Gutschrift von Fr. 1072.20 führte. Mit
Bezug auf die aus einstigen Beständen der Boutique Lido AG stammenden
Waren hielt die EStV an ihrer bisherigen Auffassung fest und verweigerte
die Steueranrechnung.

    C.- Moses Rubinfeld führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde.  Er beantragt,
es sei ihm nicht nur für Fr. 1072.20, sondern für Fr. 8581.60 Gutschrift
zu erteilen.

    Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, es ergebe sich aus dem Vertrag
vom 15. September 1964 eindeutig und werde in der Parteibezeichnung
auch festgehalten, dass die Tabor nicht in eigenem Namen und für eigene
Rechnung, sondern als Treuhänderin der in Gründung begriffenen Robat
gehandelt habe. Es liege deshalb eine direkte Lieferung der Boutique Lido
AG an die Robat vor, womit die von Art. 23 Abs. 1 lit. c WUB verlangten
Bedingungen erfüllt seien.

    D.- Die eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. c WUB kann der Grossist für Waren, die
er nach Beginn der Steuerpflicht für den Wiederverkauf oder als Werkstoff
für die gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken verwendet hat,
von der nach Art. 19 bis 22 WUB geschuldeten Steuer in Abzug bringen:
die Steuer, die sein nicht als Grossist registrierter Lieferer auf der
Einfuhr der Ware entrichtet oder auf dem Bezug der Ware einem Grossisten
vergütet hat, sofern die Ware vom Nichtgrossisten ohne vorherige andere
Verwendung weitergeliefert worden ist und die Vorbelastung der einzelnen
Lieferung des Nichtgrossisten mindestens 10 Franken ausmacht.

    Der Beschwerdeführer hat die aus dem ehemaligen Lager der Boutique Lido
AG stammende Ware unbestrittenermassen von der nicht steuerpflichtigen
Robat bezogen. Die EStV behauptet auch nicht, die Robat habe die
Ware vor der Lieferung an den Beschwerdeführer anders verwendet,
d.h. selber gebraucht oder einem Dritten zum Gebrauch überlassen
(vgl. WELLAUER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, N. 645). Die geltend
gemachte Steuervorbelastung übersteigt sodann offensichtlich die vom Gesetz
geforderte Grenze von 10 Franken. Einigkeit herrscht schliesslich darüber,
dass eine Steueranrechnung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. c W UB nur
zulässig ist, wenn sich zwischen die beiden an der Umsatzkette beteiligten
Grossisten (vorliegend die Boutique Lido AG und M. Rubinfeld) nicht mehr
als ein Nichtgrossist eingeschaltet hat. Während aber der Beschwerdeführer
auch diese Voraussetzung als erfüllt erachtet, hält die EStV dafür,
dass Warenabnehmerin der Boutique Lido AG nicht die Robat, sondern die
Tabor gewesen sei. Erst diese habe dann, in einer erneuten Lieferung,
die Verfügungsmacht über die Ware weiter auf die Robat übertragen.

    Der Ausgang des vorliegenden Streites hängt also davon ab, ob
zwischen der Boutique Lido AG und der Tabor eine Lieferung im Sinne des
WUB zustandekam oder nicht.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 15 Abs. 1 WUB liegt eine Lieferung im Inland vor,
wenn der Abnehmer oder an seiner Stelle ein Dritter in den Stand
gesetzt wird, im eigenen Namen über eine Ware zu verfügen, die sich im
Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht im Inland befindet. Bei
Veräusserungsgeschäften wird, wie sich aus der erwähnten Bestimmung ergibt,
die Lieferung somit dadurch vollzogen, dass der eine Vertragspartner den
andern instand setzt, über die Ware in eigenem Namen zu verfügen. Daher
gilt jeder, der im eigenen Namen Waren veräussert oder bezieht, als
Lieferer oder Abnehmer einer Lieferung, gleichgültig, ob er für eigene
oder fremde Rechnung tätig ist (BGE 82 I 186).

    Handelt demnach ein Warenempfänger als Vertreter eines Dritten, so
ist dieser Dritte (und nicht der Vertreter) lediglich dann Abnehmer im
warenumsatzsteuerrechtlichen Sinne, wenn sein Name dem Lieferer zu der Zeit
bekannt war, da dieser dem Vertreter die wirtschaftliche Verfügungsmacht
über die Ware verschaffte. Einmal gestattet nur eine solche Ordnung dem
liefernden Grossisten, in allen Fällen den richtigen Steuersatz anzuwenden,
den entsprechenden Steuerbetrag auf den Abnehmer zu überwälzen und die
der EStV vierteljährlich einzureichenden Abrechnungen vorschriftsgemäss zu
erstellen. Die Annahme einer Lieferung zwischen dem Lieferer und dem für
fremde Rechnung, jedoch in eigenem Namen handelnden Vertreter ist sodann
auch deshalb notwendig, damit die Verwaltung die ihr von Gesetzes wegen
zukommende Überwachungsaufgabe erfüllen kann und die Möglichkeit erhält,
in sämtliche Geschäfte Einblick zu nehmen, durch welche eine Ware dem
Verbraucher näher gebracht wird. Nur so ist Gewähr dafür geboten, dass
das mit der Warenumsatzsteuer verfolgte Ziel erreicht wird, nämlich den
für den Warenverbrauch getätigten geldwerten Aufwand über den gesamten
Warenverkehr steuerlich zu erfassen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom
19. Januar 1940, BBl 1940, S. 60).

Erwägung 3

    3.- Die Tabor schloss den Vertrag mit der Boutique Lido AG "als
Treuhänderin für eine private oder juristische Person". Damit sollte,
wie die EStV zutreffend ausführt, offenbar zum Ausdruck gebracht werden,
dass die Tabor für fremde Rechnung handelte. In wessen Namen dies geschah,
ist jedoch weder der erwähnten Formulierung noch dem Text des Vertrages
zu entnehmen. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers findet sich
im Vertragswerk schon gar kein Hinweis auf die "in Gründung begriffene"
Robat. Ob und allenfalls aus welchen Gründen der Name der Robat nicht
genannt werden konnte oder durfte, braucht hier nicht erörtert zu
werden. Entscheidend ist einzig, dass die Boutique Lido AG nur der Tabor
gegenüberstand und sie deshalb auch nur dieser die Fähigkeit verschaffen
konnte, umsatzsteuerrechtlich über die Ware zu verfügen, d.h. sie entweder
dem eigenen Konsum zuzuführen oder aber im eigenen Namen auf eine andere
Wirtschaftsstufe zu übertragen.

    Die Tabor war es denn auch, welche am Warenlager und den gesamten
Einrichtungen der Verkäuferin unbeschwertes Eigentum erwerben sollte,
wobei der Eigentumsübergang nach dem Willen der Parteien mit der
Unterzeichnung des Vertrages zu erfolgen hatte (Ziffer 3 und 4 des
Vertrages). Dass damit das Eigentum zivilrechtlich noch nicht auf
die Tabor überging, ist, wie das Bundesgericht wiederholt erkannt
hat, für die Annahme einer Lieferung im Sinne des WUB ohne Belang
(ASA Bd.34, 304; BGE 74 I 68/9). Die umsatzsteuerlich entscheidende
Verschaffungshandlung lag vorliegend vielmehr darin, dass die Boutique
Lido AG den Vertrag unterzeichnete. Dadurch gab sie ihren Willen, sich
der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugunsten der Tabor zu entäussern, in
ausreichend bestimmter Form kund. Die Warenempfängerin konnte danach von
der Verkäuferin aus dem Grundgeschäft nicht mehr daran gehindert werden,
wie ein Eigenhändler über die Ware zu verfügen.

    War somit die Tabor Abnehmerin der Boutique Lido AG, dann nahm die
EStV zu Recht an, es habe zwischen diesen beiden Beteiligten eine Lieferung
gemäss Art. 15 Abs. 1 WUB stattgefunden.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer beruft sich demgegenüber auf N 276 des
Handbuchs von WELLAUER. Daraus versucht er abzuleiten, die Tabor habe als
blosse Vermittlerin, d.h. sowohl für fremde Rechnung als auch in fremdem
Namen gehandelt. Der Einwand vermag jedoch nicht zu helfen.

    In N 276 wird u.a. ausgeführt, die Verwaltungspraxis verlange (für die
Annahme einer sog. Vermittlung) nicht, dass der Name des Geschäftsherrn zum
voraus, schon beim Vertragsschluss genannt werde. Das erwähnte Zugeständnis
bezieht sich, wie das angegebene Beispiel zeigt, in erster Linie auf den
Fall der Versteigerung von Kunstgegenständen. Um den Besonderheiten des
betreffenden Geschäftszweiges Rechnung zu tragen, nimmt die EStV dort
das Vorliegen einer Vermittlung schon an, wenn der Auktionator seinen
Auftraggeber dem Käufer lediglich mit einer Nummer (statt mit dem Namen)
bezeichnet. Dieses Vorgehen wird aber nur zugelassen, sofern die Verwaltung
jederzeit die Möglichkeit besitzt, die Namen der einzelnen Auftraggeber
anhand eines Verzeichnisses der verwendeten Nummern zu überprüfen. Schon
vor Beginn der Versteigerung hat deshalb der Auktionator der EStV die
entsprechenden Unterlagen einzureichen. Bereits zu jener Zeit also muss
die Identität der Auftraggeber feststehen.

    Selbst wenn man im vorliegenden Fall - was angesichts der
Verschiedenartigkeit der beiden Tatbestände ohnehin als fraglich
erschiene - das selbe Entgegenkommen gewähren wollte, so würde das dem
Beschwerdeführer nichts nützen. Ihm oblag nämlich nachzuweisen, dass
der Auftraggeber der Tabor schon bestimmt war, als die Boutique Lido
AG der Treuhänderin die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Ware
verschaffte. Diesen Beweis vermochte der Beschwerdeführer jedoch weder
auf Grund des Kaufvertrages noch der sonstigen eingereichten Unterlagen
zu erbringen.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die aus den einstigen
Beständen der Boutique Lido AG stammenden Waren von der Robat bezogen
zu haben. Er geht somit selber davon aus, dass seine Lieferantin in
ihrem eigenen Namen über die Ware verfügte. Ist aber nach dem Gesagten
eine Lieferung schon zwischen der Boutique Lido AG und der Tabor
zustandegekommen, dann konnte diese die wirtschaftliche Verfügungsmacht
einzig durch eine erneute Lieferung auf die Robat übertragen. Dass das
entsprechende Grundgeschäft heute nicht mehr feststellbar ist, vermag an
dieser steuerrechtlichen Folge nichts zu ändern.

    In die zwischen der Boutique Lido AG und dem Beschwerdeführer
bestehende Umsatzkette haben sich also zwei nicht steuerpflichtige
Warenabnehmer eingeschoben, weshalb die EStV die Anrechnung der
Steuervorbelastung gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. c WUB zu Recht verweigerte.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.