Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 345



93 II 345

46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. November 1967
i.S. Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft gegen Basler
Transport-Versicherungs-Gesellschaft (AG) Regeste

    Art. 25 des Warschauer Abkommens vom 12. Oktober 1929.

    Auslegung dieser Vorschrift nach schweizerischem Recht.  Absicht und
grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzungen für die unbeschränkte Haftung
des Luftfrachtführers (Erw. 1).

    Beweislast. Der Geschädigte hat die Voraussetzungen für die
unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers zu beweisen. Art. 447 Abs. 1
OR ist nicht anwendbar (Erw. 3).

    Unterlassungen des Luftfrachtführers als grobe Fahrlässigkeit (Erw. 4
und 5).

    Rückgriffsrecht des Versicherers gegen den aus Vertragsverletzung
für den Schaden Haftbaren (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Der Schweizerische Bankverein Basel beauftragte am 22. Januar
1964 durch die Mat Transport AG, Basel, die Zweigniederlassung Zürich
der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft Köln, fünf versiegelte
Briefumschläge mit je US $ 20'000 in Banknoten und einem Gesamtgewicht
von 1'146 kg an die Casa Piano SA in Buenos Aires zu befördern. Die
Absenderin bezeichnete im Frachtbrief das Frachtgut als ausländische
kursfähige Banknoten und gab den Wert der Sendung für ZOIlzwecke mit
Fr. 435'000.-- und für die Beförderung mit SFR 72.50 für jedes Kilogramm
an. Die Frachtführerin erhob den für Wertsendungen üblichen Zuschlag
von 100%. Sie liess das Frachtgut zusammen mit anderen nach Buenos Aires
zu befördernden Wertsendungen in einen Jutesack aus netzartigem Gewebe
legen, dessen Faserbündel mehrere Millimeter weit auseinander lagen,
den Blick auf den Inhalt des Sackes frei liessen und leicht zerrissen
werden konnten. Den Sack lud sie in das Kursflugzeug 500 (Typ Boeing
720 B) ein, und zwar in dessen Frachtabteil 4, in dem sich Gepäck für
Montevideo und Postsendungen für Buenos Aires befanden und das vom Innern
der Maschine aus nicht betreten werden konnte. Die Frachtführerin teilte
den Flugplätzen Dakar, Rio de Janeiro, Sao Paulo und Montevideo, auf denen
das Flugzeug Zwischenlandungen vorzunehmen hatte, fernschriftlich mit,
es führe Wertsendungen mit sich. Dass diese kontrolliert werden müssten
und das Ergebnis zurückzumelden sei, verlangte sie nicht.

    Das Flugzeug verliess Zürich-Kloten am 22. Januar 1964 und traf nach
ordnungsgemässer Vornahme der vier Zwischenlandungen am folgenden Tage in
Buenos Aires ein. Beim Ausladen des Frachtabteils 4 wurde festgestellt,
dass der Jutesack einen etwa 10 cm langen Riss aufwies. Die etwas
später auf dem Zollbüro vorgenommene Kontrolle ergab, dass vier der fünf
Briefumschläge fehlten. Die Nachforschungen der Lufthansa und der Polizei
in Buenos Aires, Montevideo und Zürich blieben erfolglos.

    B.- Die Basler Transport-Versicherungs-Gesellschaft deckte
auf Grund des mit dem Schweizerischen Bankverein abgeschlossenen
Versicherungsvertrages den ganzen Schaden im Betrage von Fr. 347'055.85 und
klagte darauf beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Lufthansa
auf Zahlung dieses Betrages nebst 5% Zins seit 5. März 1964.

    Das Handelsgericht verpflichtete am 2. März 1966 die Beklagte,
der Klägerin - ausser dem anerkannten Betrag von Fr. 66.41 nebst Zins -
weitere Fr. 346'989.44 nebst 5% Zins seit 5. März 1964 zu bezahlen.

    C.- Die Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit
dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie
Fr. 66.41 nebst Zins übersteigt, eventuell die Akten zur Feststellung
der im Luftverkehr üblich gewesenen Art der Beförderung von Wertsachen
an das Handelsgericht zurückzuweisen.

    Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Rechtsbeziehungen des Schweizerischen Bankvereins als
Verfrachter und der Beklagten als Luftfrachtführerin richten sich vorab
nach den Bestimmungen des Warschauer Abkommens vom 12. Oktober 1929
zur Vereinheitlichung von Regeln für die Beförderung im internationalen
Luftverkehr und nach den Vorschriften des in Ausführung von Art. 75 des
Bundesgesetzes über die Luftfahrt erlassenen Lufttransportreglementes
vom 3. Oktober 1952 (Art. 3 LTR).

    Nach Art. 25 WA haftet die Beklagte für den während der Luftbeförderung
eingetretenen Schaden nur dann über den von ihr anerkannten und auf
Grund des Art. 22 Abs. 2 WA und Art. 9 lit. b LTR unbestrittenermassen
zutreffend errechneten Betrag von Fr. 66.41 hinaus, wenn sie oder eine
ihrer Hilfspersonen in Ausführung ihrer Verrichtungen "den Schaden
vorsätzlich oder durch eine Fahrlässigkeit, die nach dem Recht des
angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht", herbeigeführt hat. In
dieser Haftungsfrage kam somit eine internationale Rechtsvereinheitlichung
nicht zustande, und zwar wegen der Besonderheit des angelsächsischen
Rechts, das den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht kennt, sondern ihn
mit dem Vorsatz unter den Begriff des "wilful misconduct" zusammenfasst
(vgl. RIESE, Luftrecht, 1949, S. 466 mit Literaturhinweisen; RIESE/LACOUR,
Précis de droit aérien, 1951, N. 332, S. 276; GULDIMANN, Zur Auslegung
von Art. 25 WA, Zeitschrift für Luftrecht 4/1955, S. 166 f.; derselbe,
SJZ 1960, S. 20 f.).

    Die für die Auslegung von Art. 25 WA nach schweizerischem Recht
massgebende Sachnorm ist in Art. 10 LTR niedergelegt. Diese Bestimmung
setzt die grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleich. Wie das Zürcher
Obergericht in einem Entscheid vom 4. März 1966 (veröffentlicht in
Bulletin No. 42 der Schweiz. Vereinigung für Luft- und Raumrecht (SVLR),
S. 8 f.) unter Hinweis auf die herrschende Literatur mit Recht bemerkt,
geht es nicht an, aus dem Bedürfnis, die Rechtseinheit doch herzustellen,
diesen Fahrlässigkeitsbegriff, wie etwa SCHWEICKHARDT (Schweizerisches
Lufttransportrecht, 1954, S. 53 f.) befürwortet, nach dem strengeren
Begriff des "wilful misconduct" auszurichten.

    Der neue Wortlaut des Art. 25 WA, der am 28. September 1955 in den
Haag vereinbart wurde, und Art. 10 LTR in der neuen Fassung vom 1. Juni
1962 sind nicht anwendbar, weil Argentinien nur dem Abkommen in der
ursprünglichen Fassung beigetreten ist (Art. 23 Abs. 1 rev. LTR).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 18 Abs. 1 WA untersteht die Schadenersatzpflicht des
Luftfrachtführers nur insoweit dem Warschauer Abkommen, als der Schaden
während der Luftbeförderung eintritt.

    Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe den ihr obliegenden
Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem der Beklagten
vorgeworfenen Verhalten und dem Eintritt des Schadens nicht erbracht;
denn sie habe nicht dargetan, dass der argentinische Zollbeamte Ibanez
unmöglich der Dieb sein könne. Sie wirft dem Handelsgericht vor, es habe
Art. 25 WA verletzt, weil es der Meinung sei, die Klägerin brauche nur
zu beweisen, dass das Frachtgut nach der Lebenserfahrung während der
Luftbeförderung abhanden kam, nicht auch, in welcher Weise das geschah.

    Das Handelsgericht gelangt auf Grund der beigezogenen
Strafuntersuchungsakten zum Schluss, dass die Wertbriefe abhanden
gekommen sind, bevor der Jutesack im Zollgebäude eingelagert wurde,
und dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Ibanez den Diebstahl
begangen habe oder daran in irgendeiner Weise beteiligt gewesen sei. Ob auf
diese Feststellung abzustellen sei, ist eine Verfahrensfrage. Art. 25 WA
schweigt sich darüber aus. Dagegen bestimmt Art. 28 Abs. 2 WA, dass das
Verfahren sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichtes richte. Die
Feststellung der Vorinstanz beruht zum Teil auf einem Indizienbeweis,
d.h. auf der aus der Lebenserfahrung geschöpften Überzeugung des
Richters, dass die Sendungen vom gleichen Unbekannten gestohlen wurden,
der den Sack aufriss. Es besteht aber keine bundesrechtliche Regel,
wonach Indizienbeweise nicht zulässig seien (vgl. BGE 75 II 102, 76 II
193, 77 II 293/4). Die Feststellung der Vorinstanz ist daher für das
Bundesgericht verbindlich (Art. 43 Abs. 3, 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2
OG). Was die Beklagte vorbringt, um darzutun, Ibanez sei nicht entlastet,
ist unzulässige Beanstandung der Beweiswürdigung. Es bleibt daher dabei,
dass das Frachtgut vor dem Ausladen des Sackes gestohlen wurde. Solange
sich das Frachtgut im Flugzeug befand, war die Luftbeförderung auf alle
Fälle noch nicht beendet. Die Frage stellt sich daher nicht, welche
Partei die Last des Beweises der Täterschaft oder Nichttäterschaft des
Ibanez trage.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin hält in der Berufung an der Auffassung fest, dass
sich die Beklagte der unbeschränkten Haftung nur dann entziehen könne,
wenn ihr nach Art. 447 OR der Entlastungsbeweis gelinge. Diese Bestimmung
sei deshalb anwendbar, weil - im Gegensatz zu Art. 20 und 21 WA - weder
Art. 25 WA noch Art. 10 LTR eine Beweisregel enthalten. Diese Lücke müsse
daher durch Anwendung von Vorschriften des Obligationenrechts über den
Frachtvertrag geschlossen werden, die eine von Art. 8 ZGB abweichende
Beweisregel aufgestellt hätten.

    Nach Art. 4471 OR, letzter Satz, hat der Frachtführer den vollen Wert
zu ersetzen, wenn er nicht beweist, dass der Verlust oder Untergang des
Frachtgutes auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen
Frachtführers nicht abgewendet werden konnte. Art. 11 Abs. 3 LTR sieht aber
die ergänzende Anwendung der Bestimmungen des Obligationenrechts über den
Frachtvertrag nur "bei der Bemessung des Ersatzes für Sachschaden" vor.
Vorschriften über die Schadenersatzbemessung haben jedoch mit Regeln
über die Beweislastverteilung nichts gemeinsam. Art. 447 Abs. 1 OR ist
daher nicht anzuwenden. Der durch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises
gemilderten Kausalhaftung für den vollen Schaden in Art. 447 OR entspricht
im Lufttransportrecht die beschränkte Haftung mit Fr. 72.50 für jedes
Kilogramm (Art. 22 Abs. 2 WA und Art. 9 lit. b LTR). Der Luftfrachtführer
entgeht ihr, wenn er beweist, dass er und seine Leute alle erforderlichen
Massnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese
Massnahmen nicht treffen konnten. Die beschränkte Haftung gilt aber nicht,
wenn der Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt wurde. Diese
besondern, die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers begründenden
Voraussetzungen hat der Geschädigte zu beweisen. Das ergibt sich aus
Art. 8 ZGB. Wollten das Warschauer Abkommen und das Lufttransportreglement
die Beweislast in diesem Punkte dem Luftfrachtführer auferlegen, so
müssten sie die Haftung für den vollen Schaden als ordentliche Haftung
vorsehen und die beschränkte Haftung zur ausserordentlichen machen, die
eintrete, wenn der Luftfrachtführer das Fehlen von Vorsatz und grober
Fahrlässigkeit beweise. Die beiden Erlasse gehen anders vor. Sie sehen
in der beschränkten Haftung die ordentliche und in der Haftung für den
vollen Schaden die ausserordentliche Haftung. Diese tritt nicht schon
bei blosser Möglichkeit absichtlichen oder grobfahrlässigen Verhaltens
des Luftfrachtführers oder seiner Hilfspersonen ein, sondern nur dann,
wenn die Absicht oder grobe Fahrlässigkeit feststeht.

    Dass dem Geschädigten der Beweis oft schwer fällt, ändert nichts. Er
kann sich der Beweispflicht entziehen, indem er bei der Aufgabe des
Frachtgutes zum Versand das Interesse an der Lieferung besonders erklärt
und den Zuschlag entrichtet, von dem der Luftfrachtführer die Vereinbarung
der höhern Haftungssumme abhängig macht (Art. 22 Abs. 2 WA).

    Im vorliegenden Fall konnten die genauen Umstände, unter denen
die vier Wertsendungen gestohlen wurden, nicht ermittelt werden. Das
Handelsgericht hält die Täterschaft von Hilfspersonen der Beklagten
nicht für bewiesen. Das Scheitern dieses Beweises hat zur Folge, dass
die Haftung der Beklagten nur noch wegen grobfahrlässiger Schädigung in
Betracht kommen kann.

Erwägung 4

    4.- Die Beklagte beruft sich, um dem Vorwurf ungenügender Sicherung
der Wertsendungen zu entgehen, auf Empfehlungen des Internationalen
Luftverkehrsverbandes, auf ihr eigenes angeblich auf diese Empfehlungen
ausgerichtetes Frachthandbuch aus dem Jahre 1959 und auf angebliche
Transportgewohnheiten im Luftverkehr. Diese Weisungen, Empfehlungen und
Gewohnheiten sind insofern von Bedeutung, als sie in der Regel bekunden,
welche Vorsichtsmassnahmen erfahrungsgemäss als unerlässlich gelten. Aber
schlechthin entscheidend sind sie nicht. Denn das Gesetz fordert nicht die
Aufwendung der üblichen, sondern aller erforder11chen Sorgfalt (vgl. BGE
17/640, 23/1746, 32 II 302, 34 II 294, 39 II 539 Erw. 3, 79 II 70). Die
Beklagte hatte daher dasjenige Mass an Sorgfalt anzuwenden, das nach den
konkreten Verhältnissen die sichere Beförderung des Frachtgutes und dessen
Übergabe an den Empfänger gewährleistete.

    Erfahrungsgemäss werden Wertsachen auf einem Transport umso
eher gestohlen, je leichter sie als solche erkannt werden. Dieser
Einsicht verschloss sich auch die Beklagte nicht, erteilte sie doch
in ihrem Frachthandbuch selber die Weisung, Wertsendungen müssten
so unauffällig wie möglich behandelt werden und Personen, die nicht
unmittelbar mit ihrer Abfertigung zu tun hätten, dürften vom Wert,
dem Inhalt, der Streckenführung und der Lagerung keine Kenntnis
erhalten. Diesem Gedanken entspricht auch die Empfehlung 04 (2) lit. b
des Internationalen Luftverkehrsverbandes vom 8. August 1960, die aus
der englischen Originalfassung übertragen wie folgt lautet: "Wertfracht
soll zusammen mit normaler Fracht geladen werden. Das gleiche gilt für
kleine in Kollektivnetzsäcke verladene Pakete mit Wertsachen". Damit
wird dem Luftfrachtführer nicht die Verwendung von Netzsäcken empfohlen,
sondern die unauffällige Vermischung von Wertsendungen mit gewöhnlicher
Fracht nahe gelegt.

    Im vorliegenden Fall war die Verwendung eines weitmaschigen
und durchsichtigen Netzsackes unverständlich. Der Sack enthielt
keine gewöhnliche Fracht, sondern ausschliesslich Wertsendungen,
darunter 19 Umschläge mit Banknoten. Die Verpackung war auffällig,
der Inhalt des Sackes daher leicht erkennbar. Die Beklagte wusste,
dass das Frachtabteil 4 auch Gepäck für Montevideo enthielt und
auf diesem Zwischenlandeplatz geöffnet werden musste. Damit wurde
der Sack notwendigerweise einem gewissen Personenkreis, insbesondere
Flughafenarbeitern, die im Gepäckraum den Güterumschlag zu bewerkstelligen
hatten, zugänglich gemacht. Unter diesen Umständen erwies sich die
Verladung und Kontrolle des Sackes unmittelbar vor dem Abflug in Zürich
als ungenügende Sicherheitsmassnahme. Der Gefahr eines Diebstahles auf
einem Zwischenlandeplatz wurde nicht vorgebeugt. Insbesondere genügte es
zur Sicherung des Transportes nicht, dass die Beklagte dem Personal der
Zwischenlandeplätze mitteilte, das Flugzeug führe Wertsachen mit sich,
sondern sie hatte dafür zu sorgen, dass es die hochwertige Fracht
kontrolliere und vor Diebstahl schütze. Dazu hätte die Beklagte
allenfalls auch eigenes Personal einsetzen müssen. In Montevideo
wurde festgestelltermassen keine Kontrolle durchgeführt. Das war
unverantwortlich. Wenn schon die Beklagte in einer allgemeinen Weisung
ihres Frachthandbuches die Überwachung von Wertsendungen ausserhalb
des Flugzeuges als notwendig erklärte, so lag es nahe, die hochwertige
Fracht auch auf den Zwischenlandestationen durch eine vertrauenswürdige
und verantwortliche Hilfsperson solange im Auge zu behalten, als der
Frachtraum für das Ein- und Ausladen von Gütern geöffnet war.

    Wollte indessen die Beklagte der Mühe der Überwachung enthoben sein,
so war ihr zuzumuten, zum Transport von Wertsachen einen zusätzlichen
Sicherheitsschrank in das Flugzeug einbauen zu lassen. Nach der
verbindlichen Feststellung des Handelsgerichtes wäre das in einem
Flugzeug 720 B durchaus möglich gewesen. Die Fluggesellschaft EL-Al hat
ihre Maschinen dieser Art schon im Jahre 1960 oder 1961 mit einem der
Form des Rumpfes angepassten zusätzlichen Schliessfach von rund einem
Kubikmeter Fassungsvermögen versehen lassen, in dem Diplomatengepäck oder
Wertsendungen untergebracht werden können. Die gleiche Massnahme wurde
auch von der Swissair noch vor Ende 1963 getroffen. Die Auffassung
der Beklagten, dieses Vorgehen hätte von ihr nur erwartet werden
dürfen, wenn es bei mehreren Fluggesellschaften üblich gewesen wäre,
hält nicht stand. Was sich den Organen der EL-Al und der Swissair aus
eigener Erkenntnis aufdrängte, hätte auch die Beklagte ohne weiteres
als zweckmässig erkennen können. Zudem stellt das Handelsgericht fest,
die Konferenz der "International Union of Marine Insurance" habe schon
im Jahre 1963 erheblich verschärfte Sicherheitsmassnahmen, insbesondere
den Einbau von Stahlfächern in die Flugzeuge, gefordert.

Erwägung 5

    5.- Es stellt sich die Frage, ob die Fahrlässigkeit, die der Beklagten
zur Last fällt, als grob zu würdigen sei, d.h. ob die verletzten
Sorgfaltspflichten elementarer Natur waren, sich jedem verständigen
Menschen in der gleichen Lage aufdrängen mussten (BGE 64 II 241, 88 II 435,
92 II 253).

    Im Jahre 1964 war es angesichts der Häufung von Diebstählen aus
Flugzeugen allgemein bekannt, dass die Beförderung von Wertsachen auf
dem Luftweg, namentlich von Banknoten, mit besonderen Gefahren verbunden
war. Diese Erfahrungstatsache drängte den Luftverkehrsgesellschaften die
Verbesserung der bestehenden Sicherheitsvorkehren gebieterisch auf. Im
vorliegenden Fall waren die Massnahmen, welche die Beklagte zur Sicherung
des Wertsachentransportes hätte treffen sollen (unauffällige Verpackung,
Überwachung des Transportes, Einbau eines Stahlfaches) einfacher Natur,
weder kostspielig noch durch einen seit 1964 eingetretenen technischen
Fortschritt bedingt. Die Unterlassungen der Beklagten waren daher
unentschuldbar. Sie beruhten nicht etwa auf einem einmaligen Versagen,
das einer Hilfsperson im Drange der Geschäfte unterlaufen wäre,
sondern auf mangelnder Vorsorge für die Sicherheit des Transportes
von Wertsachen im allgemeinen, d.h. auf ungenügenden Weisungen an das
Personal und ungenügender Organisation. Das Verschulden der Beklagten
wird nicht dadurch gemildert, dass die Absenderin und deren Vertreterin,
die Mat Transport AG, weder die Unterbringung des Frachtgutes in einem
Sicherheitsfach, noch die Erhöhung der Haftungssumme über den gesetzlichen
Ansatz von Fr. 72.50 je Kilogramm verlangten. Denn die Beklagte wusste ja,
dass die versiegelten Briefumschläge kursfähige ausländische Banknoten
im Werte von rund Fr. 435'000.-- enthielten und dass sie weitere Mengen
von Banknoten im gleichen Sack beförderte. Dieser Umstand erheischte ganz
besondere Vorsicht.

    Die Fahrlässigkeit der Beklagten war daher grob.

Erwägung 6

    6.- Das Handelsgericht ist der Auffassung, der Schadenersatzanspruch
des Geschädigten gegen die Beklagte aus der Verletzung des
Luftfrachtvertrages sei zwar nicht gemäss Art. 72 VVG auf die Klägerin
übergegangen, doch könne diese gemäss Art. 51 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 50 Abs. 2 OR auf die Beklagte zurückgreifen. Dieser Rechtsstandpunkt
stimmt mit BGE 80 II 254 f. überein.

    Die Beklagte ficht diese Rechtsprechung nicht an, macht namentlich
nicht geltend, die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigten
den Rückgriff nicht oder nur teilweise. Da grobe Fahrlässigkeit der
Beklagten zu bejahen ist, besteht kein Grund, die Klage auch nur teilweise
abzuweisen. Das richterliche Ermessen aus Art. 50 Abs. 2 OR gebietet,
nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (Art. 4 ZGB). Es ist aber gerecht
und billig, dass letzten Endes nicht der Versicherer den Schaden trage,
sondern derjenige, der ihn durch grobe Verletzung vertraglicher Pflichten
verursacht hat.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.