Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 230



93 II 230

32. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung als Staatsrechtlicher
Kammer vom 12. Mai 1967 i.S. Tarasp-Schulser-Gesellschaft AG gegen
Politische Gemeinde Tarasp und Kantonsgericht von Graubünden. Regeste

    Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 OG). Erfordernis
eines aktuellen und praktischen Interesses. Prüfung einer zivilrechtlichen
Vorfrage, von deren Lösung abhängt, ob ein solches Interesse bestehe
(Erw. 3 a).

    Verantwortlichkeit des Grundeigentümers.

    Begriff der Überschreitung des Eigentumsrechts im Sinne von Art. 679
ZGB. Eine solche liegt nicht schon im Bestehenlassen eines für die
Nachbarn gefährlichen Zustands des Grundstücks, wenn dieser Zustand nicht
infolge der gegenwärtigen oder frühern Bewirtschaftung oder Benützung
des Grundstücks, sondern ausschliesslich infolge von Naturereignissen
eingetreten ist. Fall eines Grundstücks, von dem verwittertes Gestein
abzustürzen droht (Erw. 3 b).

    Ist der Grundeigentümer kraft eines ungeschriebenen Rechtssatzes
verpflichtet, einen ausschliesslich durch Naturereignisse geschaffenen
Gefahrzustand zu beseitigen? (Erw. 3 c).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Die Tarasp-Schulser-Gesellschaft AG (TSG) nutzt auf Grund einer
ihr von der Gemeinde Tarasp erteilten, letztmals im April 1933 erneuerten
Konzession die in der Innschlucht auf dem rechten (südlichen) Ufer des
Flusses entspringenden Mineralquellen. Ein ihr von der Gemeinde Tarasp
eingeräumtes selbständiges und dauerndes Baurecht erlaubt ihr, auf dem
in einem Plan umschriebenen, im Gelände vermarkten Boden die nötigen
Bauten zu errichten oder beizubehalten. Auf diesem Boden stehen u.a. ein
Kuppelbau und eine Trinkhalle.

    Unmittelbar südlich dieser Gebäude erhebt sich eine ungefähr 10 m
hohe, fast senkrechte Felswand, über der ein steiler Wald liegt. Das
Gestein dieser Wand besteht aus basalen Bündnerschiefern, die infolge
ihres Tongehalts zu Rutschungen neigen. Felsstürze vom 10. April 1947 und
26. April 1948 sowie ein Erdrutsch vom 24. April 1951 verursachten an den
Gebäuden der TSG Schäden von insgesamt rund Fr. 17'000.--, die zum grössten
Teil die kantonale Brandversicherungsanstalt deckte. Am 8. Dezember 1962
teilte diese Anstalt der TSG mit, sie lehne die Deckung weiterer solcher
Schäden ab, bis ein loser Felskopf oberhalb der Trinkhalle, der später
auf 35-40 m3 geschätzt wurde, entfernt sei.

    Die TSG und die Gemeinde Tarasp stritten hierauf darüber, wer
die Kosten dieser Sicherungsarbeit zu zahlen habe. Schliesslich
vereinbarten sie, die Arbeit durch die TSG ausführen zu lassen
und die Auseinandersetzung über die endgültige Tragung der Kosten
zu verschieben. Die TSG zahlte für die Entfernung des Felskopfes
Fr. 18'886.40.

    B.- Die Klage, mit welcher die TSG von der Gemeinde Tarasp den Ersatz
dieser Kosten verlangte, wurde vom Kantonsgericht Graubünden durch Urteil
vom 15. Dezember 1966 zur Hälfte geschützt mit der Begründung, die beklagte
politische Gemeinde sei, soweit sie auf Grund von Art. 679 ZGB belangt
werde, nicht passivlegitimiert, weil das Waldgrundstück über der Felswand
im Eigentum der Bürgergemeinde stehe und dieses Eigentum auch den Felsen
erfasse. Gemäss Art. 40 Abs. 2 der Bündner Kantonsverfassung stehe jedoch
der Beklagten als Territorialgemeinde die sog. niedere Polizei zu. Sie
wäre deshalb verpflichtet gewesen, die durch den Felskopf geschaffene
Gefahr auf ihre Kosten zu beseitigen. Die Klägerin treffe indessen ein
Selbstverschulden, weil sie es unterlassen habe, vor dem Bau der Trinkhalle
ein Gutachten über die Festigkeit des Felsens einzuholen und gegebenenfalls
die absturzbereiten Teile absprengen zu lassen. Es rechtfertige sich daher,
die Beklagte nur für die Hälfte der Kosten der Abtragung des Felskopfes
haften zu lassen.

    C.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin neben einer Berufung
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 88 OG ist zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde
nur berechtigt, wer durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt
ist. Durch einen Erlass oder Entscheid verletzt ist jemand nach der
Rechtsprechung zu dieser Bestimmung nur dann, wenn er ein aktuelles und
praktisches Interesse rechtlicher Art an der Gutheissung der Beschwerde
hat (BGE 86 I 225 mit Hinweisen, 89 I 238/239).

    Von diesem Erfordernis wird abgesehen bei Beschwerden wegen
Verweigerung des rechtlichen Gehörs (BGE 92 I 264 oben mit Hinweisen),
sowie dann, wenn sich die Beschwerde gegen ein Verhalten der
Behörden richtet, das sonst überhaupt nie vom Bundesgericht auf seine
Verfassungsmässigkeit überprüft werden und sich anderseits jederzeit in
gleicher Weise wiederholen könnte (BGE 87 I 245 mit Hinweisen, 89 I 264
oben). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Die Zulässigkeit der
vorliegenden Beschwerde hängt also davon ab, ob die Beschwerdeführerin ein
aktuelles und praktisches rechtliches Interesse an der Beschwerdeführung
habe.

    a) Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, das Kantonsgericht
habe Art. 4 BV verletzt, indem es die Beschwerdegegnerin auf Grund
des kantonalen öffentlichen Rechts, aus dem es die Pflicht der
Beschwerdegegnerin zur Beseitigung des losen Felskopfs ableitete, nur
zum Ersatz der halben Kosten dieser Arbeit verpflichtete.

    Sie begründet die Beschwerde auch nicht damit, das Kantonsgericht hätte
die Beschwerdegegnerin auf Grund der Konzession von 1933 zur Übernahme
der vollen Kosten der Abtragung des Felskopfs verurteilen sollen. Es kann
daher offen bleiben, ob die erwähnte Konzession dem Bundesprivatrecht
oder dem kantonalen öffentlichen Recht unterliege und ob eine Verletzung
der Konzessionsbestimmungen folglich mit der Berufung zu rügen wäre oder
(nur) mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV
gerügt werden könnte.

    Die Beschwerde richtet sich nur gegen die auf der Anwendung
kantonalen Rechts beruhende Annahme des Kantonsgerichtes, die Felswand
hinter der Trinkhalle gehöre nicht der Beschwerdegegnerin, sondern der
Bürgergemeinde Tarasp. Die Beschwerdeführerin ficht diese Annahme an,
um darzutun, dass ihre Klage, soweit sie sich auf die Verantwortlichkeit
der Beschwerdegegnerin als Grundeigentümerin stützt, nicht mangels
Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin abgewiesen werden dürfe. An der
Widerlegung der Annahme, die Beschwerdegegnerin sei nicht Eigentümerin
und daher hinsichtlich der ihr Eigentum voraussetzenden Ansprüche nicht
passivlegitimiert, hat die Beschwerdeführerin kein aktuelles praktisches
Interesse, wenn sich diese Ansprüche auch im Falle, dass die Felswand
der Beschwerdegegnerin gehören sollte, als unbegründet erweisen. Diese
bundesrechtliche Frage, von deren Beantwortung die Beschwerdelegitimation
der Beschwerdeführerin abhängt, ist im vorliegenden Verfahren als Vorfrage
zu prüfen. Es ist nicht möglich, sie durch eine vorweggenommene Beratung
über die Berufung abzuklären, wie es in den Fällen BGE 85 II 580 ff. (585
Erw. 2) und 86 I 224 ff. mit Bezug auf die Frage der Erheblichkeit
einer bestimmten Tatsache für die Sachentscheidung geschehen ist;
denn im hängigen Berufungsverfahren ist, da das Bundesgericht als
Berufungsinstanz die Anwendung des kantonalen Rechts nicht überprüfen
kann, davon auszugehen, dass die Felswand hinter der Trinkhalle der
Bürgergemeinde gehöre.

    b) Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht
überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er nach
Art. 679 ZGB auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden
Schaden und auf Schadenersatz klagen.

    Hatte die Beschwerdeführerin nach dieser Bestimmung gegenüber der
Beschwerdegegnerin Anspruch auf Schutz gegen den Schaden, der ihr infolge
des Vorhandenseins eines losen Felskopfs an der Felswand hinter der
Trinkhalle drohte, so ist die Beschwerdegegnerin verpflichtet, ihr die
Kosten zu ersetzen, die ihr aus der mit Zustimmung der Beschwerdegegnerin
von ihr besorgten Abtragung des Felskopfs entstanden sind.

    Auf Schutz gegen den vom Felskopf her drohenden Schaden hatte die
Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin, deren Eigentum an
der Felswand vorausgesetzt, nach Art. 679 ZGB nur dann Anspruch, wenn
die Beschwerdegegnerin dadurch, dass sie den Felskopf bestehen liess,
ihr Eigentumsrecht überschritt.

    Eine Überschreitung des Eigentumsrechts kann nur in einem menschlichen
Verhalten liegen, das mit der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über
das Grundstück, d.h. mit dessen Bewirtschaftung oder sonstigen Benützung
zusammenhängt (BGE 73 II 154, 88 II 264; HAAB N. 5 und 6, MEIER-HAYOZ
N. 78, 79 und 90 zu Art. 679 ZBG; STARK, Das Wesen der Haftpflicht
des Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB, 1952, S. 200 f.; L'HUILLIER, La
responsabilité du propriétaire foncier selon l'art. 679 du CCS, ZSR 1952 S.
17 a; KOLB ebenda S. 135 a ff.; WALDIS, Das Nachbarrecht, 4. Aufl. 1953, S.
22; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1958 ff., II/1 S. 15).
Einwirkungen, die ausschliesslich durch Naturereignisse verursacht werden,
fallen daher nicht unter den Begriff der Eigentumsüberschreitung (BGE 91
II 484 Erw. 6 und das dort angeführte Urteil der II. Zivilabteilung des
Bundesgerichtes vom 4. Februar 1965 i.S. Commune de Fribourg gegen Cuennet
und Mitbeteiligte, Erw. 2). Ebenso vermag ein rein passives Verhalten
die Verantwortlichkeit aus Art. 679 ZGB mangels eines Zusammenhanges mit
der Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks in der Regel nicht zu
begründen. Ein Unterlassen kann unter dem Gesichtspunkte von Art. 679 ZGB
nur erheblich sein, wenn ein Grundeigentümer die Vorkehren nicht trifft,
die nötig sind, um zu verhindern, dass infolge von gegenwärtigen oder
frühern Bewirtschaftungs- oder Benützungshandlungen Gefahren für die
Nachbarn entstehen (vgl. den von STARK auf S. 83 in Fussnote 172 und von
L'HUILLIER auf S. 20 a in Fussnote 52 angeführten, vom zuletzt genannten
Autor aber nicht richtig wiedergegebenen Entscheid der I. Zivilabteilung
des Bundesgerichts vom 16. Dezember 1941 i.S. Genossenschaft Friedheim
gegen Beckermuss und Glass, wo eine Eigentumsüberschreitung darin erblickt
wurde, dass die Beklagte den durch ungenügende Fundierung ihres Hauses
geschaffenen, das Nachbargrundstück gefährdenden Zustand duldete und
es unterliess, die Sicherheitsmassnahmen zu treffen, die notwendig
waren, um die auf das Nachbargrundstück übergreifende Bewegung ihres
Hauses zu verhindern; vgl. auch die von STARK auf S. 292 erwähnten
Beispiele: jemand lässt sein Haus "verlottern" und gefährdet damit seine
Nachbarn, oder unterhält einen störenden Betrieb, ohne die möglichen
und nötigen Schutzmassnahmen zugunsten der Nachbarn zu ergreifen). Das
blosse Bestehenlassen des ausschliesslich durch die Natur geschaffenen
Zustandes einer Liegenschaft fällt dagegen nicht unter Art. 679 ZGB,
weil eben ein Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und der Benützung
oder Bewirtschaftung des Grundstücks fehlt (anderer Meinung scheinbar
MEIER-HAYOZ N. 91 und 101 zu Art. 679 ZGB).

    In BGE 73 II 155 wurde freilich erklärt, eine Unterlassung könne die
Verantwortlichkeit des Grundeigentümers begründen, wenn die unterlassene
Handlung zu den Vorkehren gehöre, die ein die Interessen der Nachbarn
bedenkender Eigentümer normalerweise treffe. Demzufolge wurde angenommen,
der Beklagte wäre für den dem Kläger infolge einer Rutschung entstandenen
Schaden u.a. dann haftbar, wenn ihm die Lage oder die Natur des Geländes
(also mit der Benützung und Bewirtschaftung des Grundstücks nicht
zusammenhängende Momente) den Bau einer Stützmauer geboten hätten. Damit
wurde jedoch der Begriff der Eigentumsüberschreitung überdehnt, was sich
indes auf den gefällten Entscheid nicht auswirkte. Anderseits wurden
Kriterien angewendet (Erkennbarkeit der Gefahr, Handlungsweise eines
sorgfältigen Eigentümers), die für die Verschuldenshaftung gelten (STARK
S. 82/83, MEIER-HAYOZ N. 104 am Ende zu Art. 679 ZGB; Urteil i.S. Commune
de Fribourg).

    Im vorliegenden Fall ist die Felswand hinter den Gebäuden der
Beschwerdeführerin ausschliesslich infolge von Naturereignissen
(Verwitterung des wenig festen Gesteins) in den Zustand geraten, der
diese Gebäude gefährdete. Die Entstehung dieser Gefahr hängt in keiner
Weise mit der Bewirtschaftung oder Benützung des betreffenden Grundstücks
zusammen. Die Beschwerdegegnerin war daher, auch wenn sie Eigentümerin
der Felswand sein sollte, auf Grund von Art. 679 ZGB nicht verpflichtet,
den absturzbereiten Felskopf auf ihre Kosten abzutragen.

    c) Im erwähnten Urteil i.S. Commune de Fribourg hat das Bundesgericht
die Haftung der Gemeinde für den durch einen Erdrutsch von ihrem Grundstück
aus verursachten Schaden im wesentlichen mit der Begründung bejaht, wer
einen Zustand schaffe, der einen andern schädigen könnte, sei nach einem
Grundsatz des ungeschriebenen Rechts verpflichtet, die zur Vermeidung eines
Schadens erforderlichen Vorsichtsmassnahmen zu treffen, soweit sie nicht
Kosten verursachen, die zum Umfang und zur Häufigkeit der Gefahr und zur
wirtschaftlichen Lage des Pflichtigen (vgl. BGE 90 II 231 lit. c) in einem
Missverhältnis stehen (BGE 79 II 69 Erw. 2, 82 II 28, je mit Hinweisen);
die Verletzung dieses Gebots bedeute eine unerlaubte Handlung im Sinne von
Art. 41 OR; im Falle eines Grundeigentümers sei die Verantwortlichkeit für
die geschaffene Gefahr auf das Bestehenlassen eines gefährlichen Zustandes
auszudehnen, selbst wenn dieser durch ein Naturereignis entstanden sei;
gleich wie ein Werkeigentümer, der für Schäden infolge fehlerhafter
Anlage oder mangelhafter Unterhaltung seines Werks hafte (Art. 58 OR),
sei auch der Grundeigentümer verpflichtet, einen gefahrdrohenden Zustand
zu beseitigen, wenn das ohne unverhältnismässige Kosten möglich sei; im
Unterschied zum Eigentümer eines vom Menschen geschaffenen Werks hafte
er jedoch nur bei schuldhafter Nichterfüllung der Sorgfaltspflicht, weil
nicht er oder sein Vorbesitzer, sondern ein Naturereignis den gefährlichen
Zustand geschaffen habe; der Gemeinde, die auf Verlangen der Kläger
gewisse Sicherungsmassnahmen getroffen habe, wäre zuzumuten gewesen,
die Arbeiten im Kostenbetrag von rund Fr. 20'000.--, durch welche die
Gefahr wenn nicht ganz beseitigt, so doch stark herabgesetzt worden wäre,
ausführen zu lassen.

    Diese Erwägungen wecken bei erneuter Prüfung jedenfalls insofern
Bedenken, als sie darin, dass Art. 58 OR den Werkeigentümer für
Schaden infolge fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder mangelhafter
Unterhaltung des Werks ohne Verschulden haften lässt, ein Argument für
die Annahme sehen, der Grundeigentümer sei allgemein verpflichtet, einen
gefährlichen Zustand seines Grundstücks zu beseitigen, soweit das ohne
unverhältnismässig hohe Kosten möglich ist, selbst wenn dieser Zustand
ohne sein Zutun infolge von Naturereignissen eingetreten ist, und er hafte
nach Art. 41 OR für die Folgen einer schuldhaften Nichterfüllung dieser
Pflicht. Angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen den in Frage
stehenden Haftungsarten (Kausalhaftung einerseits, Verschuldenshaftung
anderseits) und zwischen den verglichenen Tatbeständen (Mängel
eines von Menschen geschaffenen Werks einerseits, auf Naturereignisse
zurückzuführender gefahrdrohender Zustand eines Grundstücks anderseits) ist
ein solcher Analogieschluss nicht zulässig. Es kann sich nur fragen, ob und
allenfalls unter welchen Voraussetzungen der Grundeigentümer unabhängig
von solchen Überlegungen kraft eines ungeschriebenen Rechtssatzes
zur Beseitigung eines die Nachbarn bedrohenden, ausschliesslich durch
Naturereignisse bewirkten Zustands seines Grundstücks verpflichtet sei.

    Diese Frage braucht hier nicht umfassend geprüft zu werden. Auch
wenn man nämlich das Bestehen einer solchen Pflicht und einer an ihre
schuldhafte Verletzung geknüpften Haftung nach Art. 41 OR nicht im
Gegensatz zum zitierten Entscheid schon grundsätzlich ausschliessen
wollte, kann doch im vorliegenden Falle nicht davon die Rede sein, dass
ein ungeschriebener Rechtssatz den Eigentümer der Felswand hinter der
Trinkhalle der Beschwerdeführerin zur Beseitigung des losen Felskopfs
verpflichtet habe.

    Im Falle Commune de Fribourg hatte die Beklagte auf Mahnungen der
Kläger hin gewisse Sicherungsarbeiten auf ihrem Grundstück ausgeführt,
was die Kläger davon abhalten konnte, ihrerseits rechtzeitig solche
Vorkehren zu treffen. Ein solcher besonderer Umstand ist im vorliegenden
Falle nicht gegeben; denn die Beschwerdegegnerin hat es stets abgelehnt,
Schutzmassnahmen gegen Felsabstürze zu ergreifen, weil das Sache der
Beschwerdeführerin sei.

    Wesentlich ist aber vor allem, dass der Felsabhang, von dem aus der
Felskopf abzustürzen drohte, in einer Gebirgsgegend liegt, wo ähnliche
Verhältnisse sehr häufig vorkommen. In den Alpen finden sich auch innerhalb
des kulturfähigen, im Privateigentum stehenden Landes zahllose brüchige
Felspartien und zum Abgleiten neigende Erdmassen, welche die darunter
liegenden Grundstücke mit Steinschlag und Rutschungen bedrohen. Den
Eigentümern der von solchen Stellen durchsetzten, im allgemeinen
geringwertigen Grundstücke ist nicht zuzumuten, die von diesen Stellen
her ohne ihr Zutun drohenden Gefahren zu beseitigen. Sie würden durch
eine solche Pflicht in untragbarer Weise belastet. Wer im Bereich
solcher naturbedingter Gefahren Bauten errichtet, muss grundsätzlich
selber für die nötigen Schutzvorkehren sorgen. Für die Sicherung von
Gebirgsstrassen und -bahnen gegen Steinschlag und ähnliche Naturgefahren
sorgen denn auch regelmässig nicht die Eigentümer der Grundstücke, von
denen aus diese Gefahren drohen, sondern die Strasseneigentümer bezw. die
Bahnunternehmungen. (Eine andere Frage ist es, ob die Grundeigentümer
nach Art. 41 OR haftbar werden, wenn sie wahrnehmen, dass sich infolge
von Naturereignissen auf ihren Grundstücken ein gefährlicher Zustand
entwickelt, es aber unterlassen, die bedrohten Nachbarn zu warnen.)

    War somit die Beschwerdegegnerin, auch wenn der Felsabhang hinter
der Trinkhalle der Beschwerdegegnerin in ihrem Eigentum stehen sollte,
weder auf Grund von Art. 679 ZGB noch auf Grund eines ungeschriebenen
Rechtssatzes verpflichtet, den an diesem Hang befindlichen losen
Felskopf zu beseitigen, so hat die Beschwerdeführerin kein aktuelles
praktisches Interesse daran, dass der das Eigentum der Beschwerdegegnerin
an diesem Felsabhang verneinende Entscheid des Kantonsgerichtes aufgehoben
werde. Auf die Beschwerde ist daher mangels Beschwerdelegitimation der
Beschwerdeführerin nicht einzutreten.