Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 213



93 II 213

30. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juli 1967 i.S. Brandenberger
gesch. Steinegger gegen Steinegger. Regeste

    1.  Berufungsschrift, Reihenfolge der Anträge. Art. 55 Abs. 1
lit. b OG. (Erw. 1).

    2.  Als Endentscheide im Sinne des Art. 48 OG sind neben materiellen
Urteilen auch solche Entscheide zu betrachten, welche die Beurteilung der
Hauptstreitfrage wegen einer zerstörlichen Einrede ablehnen, jedoch nicht
prozessuale Entscheide, die sich mit dem streitigen Anspruch, seinen
Voraussetzungen und allfälligen seine Geltendmachung ausschliessenden
Einreden (Klageverwirkung und dergleichen) nicht befassen. (Erw. 2).

    3.  Nichtigkeitsbeschwerde aus einem der in Art. 68 OG genannten
Gründe kann in Zivilsachen gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide
jeder Art, nicht bloss gegen Endentscheide, geführt werden. (Erw. 3).

    4.  Ob nach Fällung eines erstinstanzlichen Urteils (auch wenn
dieses auf Scheidung der Ehe lautet, und auch, soweit es sich auf
die Kinderzuteilung nach Art. 156 ZGB bezieht) schon vor Ablauf der
Weiterziehungsfrist auf die Anrufung der obern kantonalen Instanz
verzichtet werden könne, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts. Das
Bundesrecht (insbesondere Art. 158 ZGB) schliesst einen solchen Verzicht
für den kantonalen Instanzenzug nicht aus. (Erw. 4 und 5).

    5.  Wurde die hinsichtlich der Kindeszuteilung unterlegene Mutter
durch drängende Fragen des Richters veranlasst, in unüberlegter Weise
auf Weiterziehung zu verzichten, und lehnte das obere kantonale Gericht
die Abnahme der dafür angebotenen Beweise ohne Grund ab? Dieser Vorwurf
hätte vor Bundesgericht nur mit staatsrechtlicher Beschwerde erhoben
werden können. (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Durch Urteil vom 22. Dezember 1965 schied das Kantonsgericht Zug
(als Gericht erster Instanz) die Ehe der Parteien, wies den am 18. August
1961 geborenen Knaben Hanspeter dem Vater zu (mit der Auflage, ihn bei
den Grosseltern väterlicherseits zu belassen), regelte das Besuchsrecht
der Mutter und genehmigte die Vereinbarung der Parteien über die andern
Nebenfolgen der Ehescheidung.

    Die Vereinbarung der Parteien hatte die Zuweisung des Knaben an die
Mutter vorgesehen, welche auch in der Hauptverhandlung in diesem Sinne
Antrag stellte, während der Kläger nunmehr die elterliche Gewalt für
sich beanspruchte. Das Gericht hielt beide Parteien für fähig, den Knaben
zu erziehen. Indessen entsprach es dem Begehren des Klägers, weil diese
Lösung die beste Gewähr für eine ungestörte Erziehung des Knaben biete.

    Nach der mündlichen Eröffnung und Begründung des Urteils erklärten
beide (in erster Instanz nicht durch Anwälte vertretenen) Parteien
auf Frage des Vorsitzenden, dieses Urteil annehmen zu wollen. Darauf
beschloss das Gericht: "a) Das Urteil ist rechtskräftig. b) Mitteilung
an die Zivilstandsämter...".

    B.- Die Beklagte wollte sich beim Verzicht auf Weiterziehung nicht
behaften lassen. Binnen der von der Zustellung der mit Begründung
versehenen Urteilsausfertigung an laufenden Frist von 20 Tagen (nach §
201 der kantonalen Zivilprozessordnung laut Gesetzesnovelle vom 13.
Juni 1964) legte sie Berufung an das Obergericht des Kantons Zug ein,
mit dem erneuten Antrag auf Zuweisung des Knaben Hanspeter an sie, unter
Regelung des Besuchsrechtes und der Unterhaltspflicht des Vaters. Sie
liess vortragen, der Vorsitzende des Kantonsgerichts habe nach der
Urteilseröffnung zuerst den Kläger und nach dessen bejahender Erklärung
auch sie gefragt, ob sie das Urteil annehme. Sie habe darauf ihrerseits
gefragt, was sie denn machen solle. Darauf habe ihr der Vorsitzende
gesagt, sie solle mit ja oder nein antworten. Sie habe dann wiederum
geschluchzt und sei darum vom Vorsitzenden ermahnt worden, nunmehr Antwort
zu geben. Darauf habe sie den Vorsitzenden gefragt, was passiere, wenn
sie nein sage. Der Vorsitzende habe darauf geantwortet, es bleibe ihr
nichts anderes übrig als ja zu sagen, das Kind werde ihr sowieso nicht
zugesprochen, auch wenn sie nein sage, worauf sie erklärt habe, wenn das
so sei, bleibe ihr nichts anderes übrig, als ja zu sagen.

    C.- Mit Urteil vom 27. Juni 1966 trat das Obergericht des Kantons
Zug auf die Berufung der Beklagten nicht ein. Es erachtete den durch
"Annahme" des erstinstanzlichen Urteils erklärten Verzicht beider Parteien
auf Weiterziehung als gültig. Es sei üblich, dass der Vorsitzende
des erstinstanzlichen Gerichtes erst nach deutlicher Belehrung der
Parteien über die Möglichkeit der Weiterziehung die Frage stelle,
ob sie das soeben eröffnete Urteil annehmen wollen. So sei zweifellos
auch im vorliegenden Falle vorgegangen worden, und es erscheine als
sinnlos, die beteiligten Richter und den Gerichtsschreiber hierüber
als Zeugen einzuvernehmen; auf mündliche Anfrage hätten sie erklärt, die
Beklagte sei bestimmt nicht unter Druck gesetzt worden. - Ein Verzicht auf
Weiterziehung des erstinstanzlichen Urteils sei auch in Ehescheidungssachen
zuzulassen. Die für die Weiterziehung an das Bundesgericht aufgestellten
besonderen Grundsätze (BGE 79 II 238) seien nicht auf das kantonale
Berufungsverfahren zu übertragen. Denn hiebei komme der Kenntnis der
schriftlichen Urteilsbegründung keine entscheidende Bedeutung für die
Beurteilung der Aussichten der Weiterziehung zu, da das Obergericht den
Sachverhalt frei überprüfen könne.

    D.- Gegen diesen Nichteintretensentscheid richtet sich die vorliegende
Berufung der Beklagten an das Bundesgericht. Sie beantragt in erster Linie
Aufhebung des kantonalen Entscheides und Rückweisung der Sache an das
Obergericht zu materieller Beurteilung. Eventuell habe das Bundesgericht
ihr die elterliche Gewalt über den Knaben Hanspeter zuzuerkennen, mit
entsprechender Regelung des Besuchsrechtes und der Unterhaltspflicht
des Klägers.

    Der Kläger beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell
sei sie abzuweisen, subeventuell sei die Angelegenheit zur Aktenergänzung
und materiellen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ein materieller Antrag im Sinne des Art. 55 Abs. 1 lit. b OG ist
grundsätzlich als Hauptantrag zu stellen, während eine Rückweisung der
Sache an die Vorinstanz nach Art. 64 oder 65 OG nur in eventuellem Sinne
zu beantragen ist (und gar nicht ausdrücklich beantragt zu werden braucht;
vgl. BIRCHMEIER, N 1, f, zu Art. 64 und N 4 und 5 zu Art. 65 OG). Die
umgekehrte Reihenfolge, wie sie die vorliegende Berufungsschrift aufweist,
ist jedoch zulässig, wenn der Berufungskläger verständlicherweise annahm,
der Erfolg der Berufung könne wohl nur in der Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und in der Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung
bestehen, und wenn er daher einen Sachantrag nur anhangsweise beifügte,
um jedenfalls nichts zu versäumen (vgl. das Urteil der II. Zivilabteilung
vom 27. April 1967 i.S. Reimann c. Erben Kälin; BIRCHMEIER, N 4, c zu
Art. 55 OG). So verhält es sich hier. Da das Obergericht nicht über die
Kindeszuteilung entschieden und über die hiefür massgebenden Tatsachen
keine Feststellungen getroffen hat, ist ein Sachurteil des Bundesgerichts
im vorliegenden Berufungsverfahren ausgeschlossen.

Erwägung 2

    2.- Indessen stellt das angefochtene Urteil überhaupt keinen der
Berufung nach Art. 48 OG unterliegenden Endentscheid dar. Freilich ist
der Begriff des Endentscheides weiter als derjenige des Haupturteils
im Sinne des Art. 58 des frühern OG vom 22. März 1893. Er umfasst neben
materiellen Urteilen auch solche Entscheide, welche die Beurteilung der
Hauptstreitfrage wegen einer zerstörlichen Einrede ablehnen und damit die
Geltendmachung des Anspruches endgültig ausschliessen (BGE 86 II 123,
84 II 230). Dazu gehören jedoch nicht prozessuale Entscheide, die sich
mit dem streitigen Anspruch, seinen Voraussetzungen und allfälligen seine
Geltendmachung ausschliessenden Einreden (Klageverwirkung und dergleichen)
in keiner Weise befassen, sondern das Eintreten aus Gründen ablehnen,
die mit der materiellen Sachlage und dem Klagerecht als solchem nichts
zu tun haben. Was in BGE 84 II 230 über die Rückweisung einer Klage aus
prozessualen Gründen ausgeführt wird, gilt ebenso für das Nichteintreten
auf ein Rechtsmittel aus solchen Gründen.

Erwägung 3

    3.- Die vorliegende Berufung erweist sich somit als unzulässig. Die
Eingabe kann jedoch als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne der Art. 68 ff. OG
an Hand genommen werden. Denn die darin erhobene Rüge, das Obergericht habe
die Eintretensfrage zu Unrecht ausschliesslich nach kantonalem Prozessrecht
beurteilt und die in Ehescheidungssachen geltenden bundesrechtlichen
Regeln missachtet, fällt unter den Beschwerdegrund des Art. 68 Abs. 1
lit. a OG. Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels schadet nicht, und
die formellen Erfordernisse einer Nichtigkeitsbeschwerde, nach Art. 69
und 71 OG, sind erfüllt. Dieses Rechtsmittel ist gegen letztinstanzliche
kantonale Entscheide jeder Art, nicht nur gegen Endentscheide gegeben.

Erwägung 4

    4.- Die Berufungsklägerin (und Beschwerdeführerin) will einen
bundesrechtlichen Grundsatz zur Geltung bringen, wonach ein auf Scheidung
der Ehe lautendes Urteil, und zwar auch inbezug auf die Gestaltung der
Elternrechte, keinesfalls vor Ablauf der zur Weiterziehung aufgestellten
Frist in Rechtskraft erwachsen könne, ein vorher erklärter Verzicht
auf Weiterziehung also ungültig sei. Ein solcher Grundsatz ist aber
weder in den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die Ehescheidung,
insbesondere in Art. 158, noch in einer andern bundesrechtlichen Norm
ausgesprochen. Jener Artikel befasst sich in keiner Weise mit dem
Instanzenzug. Insbesondere wird die Frage, ob ein erstinstanzliches
Urteil nicht vor Ablauf der Weiterziehungsfrist rechtskräftig werden
könne, ob also ein "vorzeitiger" Verzicht auf Weiterziehung nach Fällung
und Eröffnung des Urteils unzulässig sei, von jener Gesetzesnorm nicht
ins Auge gefasst. Die soeben umschriebene Frage ist daher im Bereich des
kantonalen Instanzenzuges nach dem kantonalen Prozessrechte zu entscheiden
(Art. 64 Abs. 3 BV; HUBER, N. 45 zu Art. 6 ZGB). Nichts Gegenteiliges
folgt aus der Bedeutung, die dem Bestehen einer ordentlichen kantonalen
Rechtsmittelinstanz zukommt, und wie sie bei der Revision des Gesetzes über
die Bundesrechtspflege gerade für Ehescheidungssachen hervorgehoben wurde
(vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1943 zum neuen OG, BBl
1943 I S. 121). Art. 48 OG setzt zwar das Bestehen einer solchen obern
Instanz in jedem Kanton voraus, schreibt aber nicht deren Anrufung vor
und enthält sich jeglicher Normierung der hier streitigen Verzichtsfrage
für den kantonalen Instanzenzug.

    Die überwiegende schweizerische Lehrmeinung will es denn auch
dem kantonalen Prozessrecht anheimgestellt wissen, einen Verzicht auf
Weiterziehung eines erstinstanzlichen Urteils in Ehescheidungssachen
ganz allgemein sogleich nach Eröffnung des Urteils zuzulassen,
auch wenn das Urteil auf Scheidung lautet, und auch hinsichtlich der
Kinderzuteilung (sowie natürlich ebenso hinsichtlich anderer Nebenfolgen):
HINDERLING, Ehescheidungsrecht, 3. A., S. 178 mit Fussnote 10 (der
nur den Vorausverzicht auf Weiterziehung eines noch nicht eröffneten
Scheidungsurteils als gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossend betrachtet);
LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. A., N. 1 zu Art. 333, S. 314
(wonach Vereinbarungen vor dem Urteil auf Streitigkeiten beschränkt
sind, die dem freien Verfügungsrecht der Parteien unterstehen, nach
dem Urteil geschlossene Vereinbarungen dagegen nicht an diese Schranken
gebunden sind). Einen abweichenden Standpunkt nimmt freilich GULDENER
ein (Das schweizerische Zivilprozessrecht, 2. A., S. 514, mit Hinweis
auf abweichende kantonale Entscheidungen in Fussnote 92, und S. 515 mit
Fussnote 97). Diese Auffassung ist durchaus beachtlich, soweit sie als
Rechtspostulat vertreten wird (aaO S. 514: "Lautet z.B. die Entscheidung
auf Scheidung einer Ehe, so sollte einem Rechtsmittelverzicht keine Wirkung
zuerkannt werden"). Sie kann jedoch nach dem Gesagten weder als allgemeines
schweizerisches Gewohnheitsrecht gelten noch dem kantonalen Instanzenzug
als bundesrechtliches Gebot aufgeprägt werden. In dieser Hinsicht
lässt sich auch aus BGE 79 II 236 nichts herleiten, einer Entscheidung
betreffend die natürlich vom Bundesrecht beherrschten Voraussetzungen eines
Verzichtes auf die Berufung an das Bundesgericht. Die Argumentation des
erwähnten Autors (aaO, S. 514: "Sowenig die Parteien rechtsgeschäftlich
die Ehescheidung herbeiführen können, kann ihnen gestattet sein, sich
vor Ablauf der Rechtsmittelfrist dem Urteil endgültig zu unterwerfen")
ist nicht zwingend. Daraus, dass eine Ehe nur durch gerichtliches Urteil
geschieden werden kann, folgt nicht, dass die Parteien sich mit einem
dahin lautenden Urteil erster Instanz nicht sofort nach seiner Verkündung
rechtsgültig einverstanden erklären und dadurch unverzüglich dessen
Rechtskraft herbeiführen können. Die Zulassung eines solchen Verzichtes
auf Weiterziehung verstösst nicht gegen das bundesrechtliche Erfordernis
eines Urteils. Es ist eine durch Art. 158 ZGB nicht gelöste Frage für
sich, ob Gründe bestehen, dahingehende Parteierklärungen gegenüber einem
erstinstanzlichen Scheidungsurteil zu verpönen - eine Frage, deren sich
das Bundesrecht, wie dargetan, nicht angenommen hat. Nach alldem ist
es nicht zu beanstanden, dass das Obergericht sie nach den Regeln des
kantonalen Prozessrechtes beantwortet hat.

Erwägung 5

    5.- Es mag beigefügt werden, dass die Prozessordnungen der meisten
Nachbarstaaten und die sich darauf beziehende Praxis und Rechtslehre
es ebenfalls zulassen, dass die Parteien ein erstinstanzliches Urteil,
wie es hier in Frage steht, nach seiner Eröffnung, schon vor Ablauf
der Rechtsmittelfrist, als endgültig anerkennen. So wird ein Verzicht
auf Rechtsmittel nach dem Urteil in Deutschland stets als zulässig
betrachtet, und zwar auch in Ehesachen (ROSENBERG, Lehrbuch, 8. A., S. 819;
STEIN/JONAS/SCHÖNKE/POHLE, 17./18. A., Bem. II/2 zu § 617). Ebenso wird in
Österreich § 472 der Zivilprozessordnung dahin ausgelegt, es sei auf die
Berufung nicht mehr einzutreten, wenn darauf gültig verzichtet wurde; dabei
ist es ohne Belang, ob der Anspruch der Verfügung der Parteien unterstehe
oder entzogen sei (vgl. POLLAK, Zivilprozessrecht I und II S. 577). Gleich
verhält es sich in Italien, dessen Codice di procedura civile in Art. 329
die Gültigkeit eines Rechtsmittelverzichtes nach dem Urteil ausdrücklich
vorsieht. Vorbehalten bleiben nur Revisionsgründe (vgl. dazu SATTA,
Commentario II/2 S. 47 ff.). Nur in Frankreich findet sich, wenn auch nicht
einheitlich, inbezug auf die Weiterziehung von Ehescheidungsurteilen eine
gegenteilige Auffassung vertreten, dies nämlich auf Grund einer Bestimmung
des Code civil (Art. 249: "Le jugement ou l'arrêt qui prononce le divorce
n'est pas susceptible d'acquiescement, à moins qu'il n'ait été rendu sur
conversion de séparation de corps"; vgl. dazu Encyclopédie Dalloz, unter
"Appel" Nr. 29 und unter "Acquiescement" Nr. 44 und 45, mit Hinweis auf
abweichende Meinungen in der Lehre: PILON sowie CUCHE ET VINCENT, welche
nur das "acquiescement à la demande", nicht auch das "acquiescement au
jugement" als verboten erachten). In der Schweiz steht es, solange das
Bundesrecht hierüber keine Norm aufstellt, dem kantonalen Gesetzes-
und Gewohnheitsrecht anheim, die Frage im einen oder andern Sinne zu
entscheiden.

    Für die im vorliegenden Falle speziell streitige Kindeszuteilung gilt
in dieser Hinsicht nichts Abweichendes. Zwar hat das Scheidungsgericht in
jeder Instanz sowohl über die Gestaltung der Elternrechte im allgemeinen
wie auch insbesondere über die Unterhaltsbeiträge an die Kinder von Amtes
wegen zu befinden (vgl. BGE 85 II 231/32 und 82 II 470). Damit ist aber
weder die Weiterziehung erstinstanzlicher Urteile vorgeschrieben oder
der gesetzlichen Befristung entrückt noch ein Verzicht auf Weiterziehung
solcher Urteile kraft Bundesrechtes verboten.

    Dem Nichteintretensentscheid des Obergerichts lässt sich somit
keine dem kantonalen Prozessrechte derogierende Norm des Bundesrechtes
entgegenhalten.

Erwägung 6

    6.- Das Bundesgericht sieht sich immerhin veranlasst, sein Befremden
über das Vorgehen des erstinstanzlichen Gerichtes auszudrücken. Es
ist nicht Sache des Richters, die Parteien (wenn sie nicht von sich
aus den Willen bekunden, das Urteil sogleich anzuerkennen und dadurch
in Rechtskraft treten zu lassen) nach der Fällung und Eröffnung des
Urteils zu fragen, ob sie auf ein Rechtsmittel verzichten. Angesichts der
Schilderung der Beklagten über die Art dieser Fragestellung, die von ihr
hiebei bekundete Unsicherheit und die ihr dennoch nahegelegte unverzügliche
"Annahme" des Urteils hätte es sich gehört, dass das Zuger Obergericht die
Sache gründlich geprüft und die beantragten Beweise abgenommen hätte. (Der
Kläger selbst gibt in der Berufungsbeantwortung zu, dass die Beklagte eine
schriftliche Urteilsbegründung verlangte; sie habe das Urteil "jedoch"
angenommen). Der ohne nähere Abklärung gefällte Nichteintretensentscheid
hätte aber beim Bundesgericht nur durch staatsrechtliche Beschwerde
angefochten werden können.

Entscheid:

                 Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1.- Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

    2.- Soweit die Eingabe als Nichtigkeitsbeschwerde an Hand genommen
wird, wird diese Beschwerde abgewiesen.