Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 93 II 189



93 II 189

27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. April 1967 in
Sachen Schönbächler gegen Lienhard Regeste

    Art. 20 OR.

    Verstoss einer Zinsabrede gegen die guten Sitten. Rechtsfolgen.

Sachverhalt

    A.- Am 25. oder 26. Januar 1965 nahm Alois Schönbächler in Winterthur
einen von Rolf Lienhard gezogenen Wechsel über Fr. 150'000.-- an, zahlbar
am 20. Juli 1965 an die Schweizerische Volksbank Thalwil. Am 22. Juli
und 9. August 1965 wurde der Wechsel mangels Zahlung protestiert. Der
Wechselforderung liegt ein Darlehen Lienhards zugrunde, das in Winterthur
vereinbart und ausgehändigt wurde. In der Folge setzte Lienhard die
Wechselforderung in Betreibung, wogegen Schönbächler Recht vorschlug. Der
Amtsgerichtspräsident II Luzern-Land erteilte Lienhard auf Grund des
Wechsels für einen Betrag von Fr. 151'343.50 nebst 6% Zins seit 5. August
1965 provisorische Rechtsöffnung.

    Am 24. oder 31. März 1965 nahm Schönbächler in Winterthur einen weitern
von Lienhard ausgestellten Wechsel über Fr. 150'000.-- an, zahlbar am 31.
August 1965 an die Schweizerische Volksbank Luzern beim Schweizerischen
Bankverein in Zürich. Dieser Wechsel, dem ebenfalls ein in Winterthur
vereinbartes Darlehen zugrunde lag, wurde von Schönbächler am 31. August
1965 eingelöst.

    B.- Am 3. Mai 1966 klagte Schönbächler beim Amtsgericht Luzern-Land
auf Aberkennung der Forderung vonFr. 151'343.50 nebst 6% Zins seit
5. August 1965.

    Das Amtsgericht Luzern-Land hiess die Aberkennungsklage am 18. Oktober
1966 insoweit gut, als die Forderung den Betrag von Fr. 110'000.-- nebst 6%
Zins seit 5. August 1965 überstieg.

    Gegen dieses Urteil appellierten beide Parteien an das Obergericht
des Kantons Luzern. Die I. Kammer des Obergerichts trat am 19. Dezember
1966 auf die Berufung des Klägers nicht ein, hiess jene des Beklagten
teilweise gut und aberkannte die Forderung insoweit, als sie den Betrag
von Fr. 144'042.-- nebst 6% Zins seit 5. August überstieg.

    C.- Der Kläger hat gegen dieses Urteil die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Aberkennungsklage in dem vom
Amtsgericht Luzern-Land festgestellten Umfange gutzuheissen.

    Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Der Kläger macht geltend, auf die "Gewinnvereinbarung und Risikoprämie"
der Darlehensgeschäfte sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz
nicht Art. 20 OR, sondern § 213 zürcherisches EG zum ZGB anwendbar,
weil die Darlehensgeschäfte in Zürich abgewickelt worden seien. Aus
dieser Bestimmung ergebe sich nicht bloss teilweise, sondern gänzliche
Nichtigkeit der streitigen Nebenabrede.

    a) Die Rüge des Klägers, die Vorinstanz habe eidgenössisches statt
kantonales Recht angewendet, ist ein zulässiger Berufungsgrund. Es
handelt sich, wie in BGE 83 II 348 ausgeführt wird, um einen besondern Fall
"unrichtiger" Anwendung von Bundesrecht im Sinne von Art. 43 Abs. 2 OG. Die
Vorinstanz hat den Geltungsbereich der auf Grund von Art. 73 Abs. 2 OR
erlassenen Vorschrift von § 213 zürcherisches EG zum ZGB geprüft und ist
zu Auffassung gelangt, das dort niedergelegte Überzinsverbot gelte nur im
Kanton Zürich und könne nur von zürcherischen Instanzen angewendet und
vollstreckt werden. Ob diese Auslegung kantonalen Rechts richtig sei,
hat aber das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen
(Art. 43, 55 Abs. 1 lit. c OG).

    b) Zu beurteilen ist nur, ob die Vorinstanz Art. 20 OR richtig
angewendet habe. Dabei fällt, wie in Erw. 1 dargelegt, das dem zweiten
Wechsel zugrundeliegende Darlehen ausser Betracht. Die Vorinstanz erachtet
den Unterschied von Fr. 20'000.-- zwischen dem Darlehensbetrag und
der Wechselforderung als Zins. Diese Annahme ist für das Bundesgericht
verbindlich, da sie wie die Feststellung dessen, was sich tatsächlich
ereignet hat, auf Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten beruht
(vgl. BGE 86 II 187 und dort zitierte Entscheide). Zu überprüfende
Rechtsfrage ist es dagegen, ob der mit 26% vereinbarte Zinssatz gegen
die guten Sitten verstosse und in einem 18% übersteigenden Umfange,
wie von der Vorinstanz festgestellt wird, als nichtig zu erklären sei.

    Ob ein Vertrag gegen die guten Sitten verstosse, ist nach seinem
Inhalt abzuwägen (BGE 84 II 27). Die Vereinbarung eines Zinses von 26% ist
aussergewöhnlich und widerspricht ganz krass der allgemeinen Übung und den
herkömmlichen Anschauungen über einen angemessenen Zins. Diese Auffassung
wird bestätigt durch das Interkantonale Konkordat über Massnahmen zur
Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen vom 8. Oktober 1957, welches
mit Bezug auf Darlehen und Kredite monatlich höchstens 1 Prozent für
Zinsen, Provisionen, Kommissionen und Gebühren und höchstens 0,5 Prozent
für die ausgewiesenen Auslagen und Kosten zulässt (Art. 1). Dieses
Konkordat darf, obwohl ihm der Kanton Luzern nicht beigetreten ist, zum
Vergleich herangezogen werden. Dass besondere Umstände vorlagen, welche
die Vereinbarung eines Zinssatzes von 26% zu rechtfertigen vermöchten,
wurde vom Beklagten nicht dargetan.

    Ist mit der Vorinstanz die Unsittlichkeit der Zinsabrede zu bejahen,
so fragt es sich, ob der ganze Darlehensvertrag, nur die Zinsabrede oder
letztere bloss teilweise als nichtig zu erklären sei. Wie das Bundesgericht
in BGE 80 II 334 ausführte, sind unvollkommen zweiseitige Verträge, wie
Darlehensverträge, der Teilnichtigkeit im Sinne von Art. 20 OR zugänglich.
Der Kläger macht keine Tatsachen namhaft, welche gänzliche Nichtigkeit
des Darlehensvertrages oder der Zinsabrede zu begründen vermögen. Er
behauptet überdies selber nicht, der Beklagte hätte ihm das Darlehen
unter Umständen auch zinslos gewährt. Es wäre daher ungerechtfertigt, auch
nur die Zinsabrede als nichtig zu erklären und dem Kläger dadurch einen
Vorteil zu verschaffen, den der Beklagte ihm vertraglich nie zugestanden
hätte. Den Interessen der Parteien wird genügend Rechnung getragen, wenn
im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR Teilnichtigkeit der Zinsabrede eintritt
und im übrigen der Vertrag bestehen bleibt. Indem die Vorinstanz den
zulässigen Höchstzinssatz auf 18% festlegte, bewegte sie sich im Rahmen
pflichtgemässen Ermessens.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts
(I. Kammer) des Kantons Luzern vom 19. Dezember 1966 bestätigt.