Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 73



92 I 73

14. Urteil vom 25. Mai 1966 i.S. Renold gegen Einwolmergemeinde Baden
sowie Regierungsrat und Obergericht des Kantons Aargau. Regeste

    Art. 4 BV; rechtliches Gehör.

    1.  Eine irrtümliche Rechtsmittelbelehrung gibt keinen Anspruch darauf,
dass auf ein vom kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehenes Rechtsmittel
eingetreten werde (Erw. 2a).

    2.  Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch eine entgegen dem
klaren Gesetzeswortlaut erfolgende Einschränkung der Überprüfungsbefugnis
(Erw. 3c).

Sachverhalt

    A.- Das am 25. Juni 1963 von der Einwohnergemeindeversammlung der
Stadt Baden beschlossene Kanalisationsreglement (KRB) enthält u.a. die
folgenden Bestimmungen:

    "Art. 12 bis (Marginale "Anschlussgebühr für Altbauten").

    Im Hinblick auf die neue Kläranlage erhebt die Gemeinde für bestehende
Liegenschaften eine Anschlussgebühr in der halben Höhe der Regelung
von Art. 13.

    Art. 13 (Marginale "Anschlussgebühr").

    Für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation erhebt die Gemeinde
von den Eigentümern der anzuschliessenden Grundstücke eine einmalige
Anschlussgebühr. Sie beträgt

    a) für Ein- und Zweifamilienhäuser 1,5 Prozent

    b) für Mehrfamilienhäuser 2 Prozent

    des ordentlichen Brandversicherungswertes mit der gesetzlichen
Zusatzversicherung.

    Art. 17 (Marginale "Sonderfälle").

    Bei nicht reinen Wohnbauten sowie für Fabriken und gewerbliche Betriebe
ist der Gemeinderat berechtigt, die Anschlussgebühr, den Baubeitrag und
die Benützungsgebühr von Fall zu Fall festzusetzen."

    B.- Dr. Pierre Renold reichte am 1. Juli 1963 beim Bezirksamt
Baden zuhanden der Direktion des Innern und des Regierungsrats
gegen den erwähnten Beschluss der Einwohnergemeindeversammlung eine
Beschwerde ein. Er stellte darin die Begehren, dem KRB sei die in
§ 37 des aargauischen Gesetzes über die Nutzung und den Schutz der
öffentlichen Gewässer vom 22. März 1954 (GSG) vorbehaltene Genehmigung des
Regierungsrats nicht zu erteilen und die Vorlage sei an den Gemeinderat
von Baden zurückzuweisen, damit dieser die Art. 13 und 17 KRB neu
fasse. Zur Begründung machte Dr. Renold geltend, es sei unzulässig,
eine Anschlussgebühr auch für bereits an die Kanalisation angeschlossene
Grundstücke zu erheben. Es gehe sodann nicht an, dem Gemeinderat für
nicht reine Wohnbauten sowie für Fabriken und gewerbliche Betriebe
eine "rahmenlose Blankovollmacht" zur Festsetzung der Anschlussgebühr
zu erteilen. Die Art und Weise, wie die Einwohnergemeindeversammlung
mit der zusätzlichen Fiskalbelastung bereits an die Kanalisation
angeschlossener Grundstücke "überrumpelt" worden sei, verletze § 22 Abs. 2
des Gemeindeorganisationsgesetzes.

    Mit Entscheid vom 2. November 1964 trat die Direktion des Innern
insoweit, als Bestimmungen des KRB beanstandet worden waren, auf
die Beschwerde wegen Unzuständigkeit nicht ein, da diese Frage im
Genehmigungsverfahren nach § 37 GSG vom Regierungsrat zu beurteilen
sei. Dagegen wies sie die Beschwerde ab, soweit sich diese auf die Rüge
der Verletzung von § 22 Abs. 2 des Gemeindeorganisationsgesetzes bezog.

    Eine gegen den genannten Abweisungsentscheid gerichtete Beschwerde Dr.
Renolds wies der Regierungsrat mit Beschluss 3441 vom 17. Dezember
1964 ab. Mit dem am gleichen Tage gefassten Beschluss 3469 wies er
"im Rahmen des Genehmigungsverfahrens" sodann auch die Beschwerde,
die Dr. Renold gegen die genannten Bestimmungen des KRB geführt hatte,
materiell ab. Er erteilte dabei die Rechtsmittelbelehrung, dass gemäss §
50 GSG gegen diesen Entscheid innert 20 Tagen, von der Zustellung an
gerechnet, wegen Rechtsverletzung, Rechtsverweigerung oder Willkür
beim Obergericht als Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden
könne. Dr. Renold zog den Beschluss 3469 des Regierungsrats gemäss der
erhaltenen Rechtsmittelbelehrung an das Obergericht weiter. Abs. 1 des §
50 GSG lautet:

    "Gegen Beschlüsse über Entschädigungs-, Ausgleichs- und
Enteignungsansprüche der Schätzungsbehörde und über letztinstanzliche
Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden, ausgenommen solche
über Staatsbeiträge, steht den Beteiligten wegen Rechtsverletzung,
Rechtsverweigerung oder Willkür innert 20 Tagen seit der Zustellung die
Beschwerde beim Verwaltungsgericht offen."

    Gleichzeitig focht Dr. Renold den Beschluss 3441, "eventuell
auch 3469" mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. In
ihrem Urteil vom 26. Mai 1965 trat die staatsrechtliche Kammer auf den
Antrag, "eventuell" auch den Beschluss 3469 aufzuheben, nicht ein mit der
Begründung, dieser Entscheid könne mit den selben Rügen an das Obergericht
als Verwaltungsgericht weitergezogen werden; der Beschwerdeführer habe
dies denn auch getan, und das entsprechende Verfahren sei noch hängig,
weshalb der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei. Den Antrag,
den Beschluss 3441 aufzuheben, wies das Bundesgericht ab.

    In seinem Urteil vom 8. Oktober 1965 trat das Obergericht des
Kantons Aargau auf die Beschwerde von Dr. Renold gegen den Beschluss
3469 des Regierungsrates nicht ein und auferlegte dem Beschwerdeführer
eine Staatsgebühr von Fr. 300.--, die Auslagen von Fr. 50.- sowie die
Parteikosten der Gemeinde Baden im Betrage von Fr. 967.--. Das Obergericht
begründete seinen Entscheid im wesentlichen wie folgt: Der Beschwerdeführer
fechte allgemein zwei Artikel des KRB an und verlange dem Sinne nach, dass
die im Beschwerdeentscheid des Regierungrates stillschweigend enthaltene
Genehmigung dieser Artikel wieder aufzuheben sei. Das aargauische Recht
kenne aber keine Bestimmung, wonach beim Obergericht generelle Erlasse
wegen Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit angefochten werden könnten. Auch
§ 50 Abs. 1 GSG räume dem Obergericht keine solche Überprüfungsbefugnis
ein. Die Ordnung des Kanalisationswesens sei im Kanton Aargau eine eigene
Angelegenheit der Gemeinden. Die in § 37 GSG vorgesehene Genehmigung der
Kanalisationsreglemente der Gemeinden durch den Regierungsrat sei ein
formeller Hoheitsakt, der sich auf das Aufsichtsrecht des Regierungsrates
stütze und nicht einmal mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten
werden könne. Der Beschluss 3469 des Regierungsrats sei ausdrücklich "im
Rahmen des Genehmigungsverfahrens" gefasst worden. Er beziehe sich auf
generelle Bestimmungen des Kanalisationsreglements. Unter "Verfügungen
und Entscheide" gemäss § 50 GSG müssten indessen Rechtsanwendungsakte
im Sinne von Entscheidungen im Einzelfall verstanden werden, nicht aber
Beschlüsse im Genehmigungsverfahren. An diesem seien denn auch nur die
betreffende Gemeinde und der Regierungsrat "Beteiligte" im Sinne von §
50 GSG. Auf die Beschwerde könnte übrigens auch dann nicht eingetreten
werden, wenn der Regierungsrat seinen Entscheid nicht im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens gefällt hätte. Verwaltungsrechtssätze könnten nach
der geltenden Ordnung nicht vor dem Obergericht als Verwaltungsgericht
angefochten werden. § 50 Abs. 1 GSG habe in dieser Beziehung keine
Änderung des bisherigen Rechtszustandes gebracht. "Verfügungen" seien
erstinstanzliche Verwaltungsakte in einem konkreten Fall, und unter
"Entscheiden" müssten oberinstanzliche, einen Einzelfall betreffende
Verwaltungsakte (besonders Rekursentscheide) verstanden werden. Die
richterliche Überprüfung von Gemeindesatzungen auf ihre Gesetz- und
Verfassungsmässigkeit sei nur im konkreten Fall zulässig. Bei Bejahung der
Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit dürfe der Richter die angefochtenen
Normen jedoch nicht generell aufheben, sondern ihnen nur im Einzelfall
die Anwendung versagen. Der Beschwerdeführer könne daher die Art. 12bis
und 17 des KRB erst dann beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gestützt
darauf eine Gebühr oder ein Beitrag von ihm verlangt worden sei. Die
Rechtsmittelbelehrung im Entscheid des Regierungsrates und die Auffassung
des Bundesgerichts im Urteil vom 26. Mai 1965 über die Möglichkeit des
Weiterzugs an das Obergericht seien mithin unzutreffend und für das
Obergericht nicht verbindlich, da es allein zur Auslegung zuständig sei.

    C.- Dr. P. Renold führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
der Art. 4 und 24quater BV sowie des Grundsatzes der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb. Best. BV). Er beantragt Aufhebung des
angefochtenen Entscheids eventuell Aufhebung der Art. 12bis und 17 KRB.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass das
Obergericht selbst dann, wenn dessen einschränkender Auslegung
von § 50 GSG gefolgt werden könnte, nach Treu und Glauben auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde hätte eintreten müssen, da er sie auf Grund
der im Beschluss 3469 des Regierungsrates enthaltenen Rechtsmittelbelehrung
eingereicht habe. Es sei eine formelle Rechtsverweigerung, ihn im Vertrauen
auf die Richtigkeit dieser Rechtsmittelbelehrung nicht zu schützen.

    Die Urteile 76 I 189 und 77 I 274, welche der Beschwerdeführer zur
Begründung seines Standpunktes anruft, betreffen indessen (wie auch BGE
78 I 297) die Versäumnis der Rechtsmittelfrist infolge unrichtiger bzw.
missverständlicher Rechtsmittelbelehrung. Im vorliegenden Fall aber geht
es darum, ob entgegen der Belehrung überhaupt ein Rechtsmittel gegeben
sei. Muss diese Frage verneint werden, so vermag die irrtümliche
Rechtsmittelbelehrung dem Beschwerdeführer nicht zu einem in der
Rechtsordnung nicht vorgesehenen Rechtsmittel zu verhelfen. Die sachliche
Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz wird durch das Gesetz festgelegt;
behördliche Erklärungen, wie Rechtsmittelbelehrungen, Rechtsauskünfte
und dergleichen können an der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung
nichts ändern. Der Rechtsmittelrichter ist daher nicht verpflichtet, ein
Rechtsmittel, für das die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind,
entgegenzunehmen und materiell zu behandeln, bloss weil die Vorinstanz
eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (nicht veröffentlichte
Urteile vom 30. Oktober 1963 i.S. Consorzio Acquedotto di Camou, E. 3
c und vom 18. März 1964 i.S. Jaggi, E. 2). Umsoweniger ist er gehalten,
auf Grund einer irrtümlichen Rechtsmittelbelehrung der unteren Instanz auf
ein Rechtsmittel einzutreten, das es nach dem Gesetz überhaupt nicht gibt.

    b) Der Beschwerdeführer hat aber auch nicht direkt von Bundesrechts
wegen einen Anspruch darauf, dass das Obergericht ein in der kantonalen
Gesetzgebung nicht vorgesehenes Rechtsmittel entgegennehme. Wie das
Bundesgericht in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 20. Oktober 1965
i.S. Rheinpark A.-G. (E. 3 b) festgestellt hat, besteht unmittelbar auf
Grund der Bundesverfassung kein Rechtsanspruch auf einen ungeschmälerten
Instanzenzug.

    Zwar macht der Beschwerdeführer unter Berufung auf BGE 85
I 202, IMBODEN (Schweiz. Verwaltungsrechtssprechung, 2. Aufl.,
Nr. 95, S. 342) und GIACOMETTI (Die Verfassungsgerichtsbarkeit des
Schweiz. Bundesgerichts, S. 99) geltend, das Obergericht verkenne, dass
er für den formellen Schutz seiner verfassungsmässigen Rechte nicht auf
das noch weitgehend "embryonale" aargauische Verwaltungsgerichtsverfahren
angewiesen sei, er vielmehr unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV einen
Anspruch auf rechtliches Gehör habe und verlangen könne, "dass nicht nur
Einzelverfügungen der Rechtsanwendung, sondern auch generelle, abstrakte
Normen auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit
überprüft werden". Allein auch aus den zitierten Stellen lässt sich eine
Pflicht des Richters, auf ein vom Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel
einzutreten, nicht herauslesen. GIACOMETTI befasst sich am angeführten
Orte überhaupt nicht mit dem kantonalen Verfahren, sondern mit demjenigen
der staatsrechtlichen Beschwerde. IMBODEN behandelt die Obliegenheit des
kantonalen Richters, das kantonale Recht auf seine Übereinstimmung mit
dem Bundesrecht hin zu überprüfen. BGE 85 I 202 schliesslich bezieht
sich auf den aus Art. 4 BV fliessenden Anspruch einer Partei, von den
Behörden angehört zu werden, bevor ihre durch einen Entscheid bestimmte
Rechtsstellung zu ihrem Nachteil abgeändert wird.

    c) Sollte sich demnach die Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrates
und die Annahme des Bundesgerichts im Urteil vom 26. Mai 1965,
wonach der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei, als irrtümlich
herausstellen, so wäre die Folge lediglich die, dass das Bundesgericht
auf seinen Nichteintretensentscheid zurückkommen und gemäss Art. 35
OG Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung der inzwischen
abgelaufenen Frist für die Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen
den Beschluss 3469 des Regierungsrates erteilen müsste (BGE 85 II 147/8).

Erwägung 3

    3.- a) Bei § 50 GSG - einzig die Interpretation dieser Vorschrift
durch das Obergericht steht vorliegend in Frage - handelt es sich um
einfaches kantonales Gesetzesrecht. Der Staatsgerichtshof kann daher die
Auslegung und Anwendung der genannten Bestimmung nur unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen Behandlung prüfen (BGE
91 I 253/4). Der Beschwerdeführer macht keine rechtsungleiche Behandlung
geltend. Es bleibt daher einzig zu prüfen, ob die Auslegung des § 50
Abs. 1 GSG durch das Obergericht der Rüge der Willkür standhalte.

    b) § 50 Abs. 1 GSG lässt die Beschwerde wegen Rechtsverletzung,
Rechtsverweigerung und Willkür an das Verwaltungsgericht zu gegen
"letztinstanzliche Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden".
Eine Verfügung ist ein individueller, an den Einzelnen für einen
bestimmten Fall gerichteter Hoheitsakt, durch den die Behörde den
Betroffenen in definitiver, verbindlicher und erzwingbarer Weise zu
einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichtet (BGE 60 I 369, 72 I
280, 76 I 103 E. 6; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 314; vgl. auch
RUCK, Schweizerisches Verwaltungsrecht, I. Band, S. 82; GIACOMETTI,
Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweiz. Bundesgerichts, S. 97;
derselbe, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts,
S. 349). Entscheide fallen nach dem Wortlaut von Art. 84 OG, wo sie in
Klammer erwähnt sind, ebenfalls unter den Begriff der Verfügung, ebenso
nach Art. 4 Abs. 1 lit. c in Verb. mit Art. 4 Abs. 2 des bundesrätlichen
Entwurfs zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (BBl 1965,
S. 1377/8). Wenn § 50 Abs. 1 (wie auch § 49 Abs. 1) GSG von "Verfügungen
und Entscheiden" spricht, so soll damit offensichtlich ausgedrückt
werden, dass auch solche an den Einzelnen gerichtete Hoheitsakte mit der
Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden können, die in
Beurteilung einer Einsprache oder Beschwerde ergangen sind. Dem Obergericht
ist daher soweit zuzustimmen, dass sich die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde gemäss § 50 Abs. 1 GSG nicht unmittelbar gegen einen allgemein
verbindlichen Erlass, wie z.B. ein Kanalisationsreglement, richten kann,
da in diesem Fall das Angriffsobjekt weder eine Verfügung noch ein
Entscheid im dargelegten Sinne ist. Das Obergericht übersieht indes,
dass der Beschwerdeführer die Art. 12bis und 17 KRB beim Regierungsrat
angefochten, der Regierungsrat diese Beschwerde materiell geprüft und sie
mit Beschluss 3469 vom 17. Dezember 1964 abgewiesen hat. Wohl fällte die
kantonale Regierung ihren Beschluss "im Rahmen des Genehmigungsverfahrens",
was jedoch nichts daran ändert, dass sie sich in diesem Entscheid darauf
beschränkt hat, als Rechtsmittelinstanz die "Beschwerde" von Dr. Renold
gegen die beiden beanstandeten Bestimmungen des KRB zu prüfen und sie
abzuweisen, ohne sich zur Genehmigung des (ganzen) KRB auszusprechen. Die
Frage, ob gegen einen das KRB als ganzes betreffenden Genehmigungsbeschluss
die verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Obergericht gemäss § 50
Abs. 1 GSG unzulässig wäre und die Ordnung des Kanalisationswesens im
Kanton Aargau eine autonome Angelegenheit der Gemeinde sei, kann daher
offen bleiben. Es erübrigt sich mithin auch, auf die nur in diesem
Zusammenhang erhobenen Rügen der Missachtung des Art. 24quater BV und
des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts einzutreten.

    c) Liegt aber nach dem Gesagten ein Entscheid des Regierungsrates über
die Frage der Rechtsgültigkeit der Art. 12bis und 17 KRB vor, der auf
Einsprache oder Beschwerde des Beschwerdeführers hin ergangen ist, so waren
an diesem Einsprache- oder Beschwerdeverfahren entgegen der Auffassung
des Obergerichts nicht bloss die Gemeinde Baden und der Regierungsrat,
sondern auch Dr. Renold "Beteiligte" im Sinne von § 50 Abs. 1 GSG. Für
diesen Fall will das Obergericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber nur
gegen Entscheide zulassen, die "Rechtsanwendungsakte" sind, nicht dagegen
auch gegen solche, welche die Überprüfung genereller Normen auf ihre
Rechtmässigkeit zum Gegenstand haben. Eine solche Einschränkung sieht §
50 Abs. 1 GSG indes nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht aus allgemeinen
Rechtsgrundsätzen. Der Hinweis des Obergerichts auf GIACOMETTI (Allgemeine
Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S.493/4) und GYGI/STUCKI
(Handkommentar zum bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege,
S. 74) hilft nicht. Der Beschwerdeführer hat beim Obergericht nicht
unmittelbar Verwaltungsrechtssätze angefochten. Angriffsobjekt seiner
Verwaltungsgerichtsbeschwerde war vielmehr ein einem Urteil vergleichbarer
Entscheid des Regierungsrates über eine Einsprache oder Beschwerde, also
ein Akt der Rechtspflege. Daran ändert nichts, dass der angefochtene
Entscheid die Frage der Rechtsgültigkeit von zwei Bestimmungen des KRB
beschlägt. § 50 Abs. 1 GSG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen derartige Entscheide nicht aus. Das Obergericht hat seine
Überprüfungsbefugnis somit entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes
eingeschränkt. Dadurch hat es dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör
verweigert und damit Art. 4 BV verletzt (BGE 84 I 227 ff.).

    d) Zwar will das Obergericht die Anfechtung von Art.  12bis und 17
KRB im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach § 50 Abs. 1 GSG
dann zulassen, wenn gestützt auf die beiden Bestimmungen eine Gebühr
oder ein Beitrag erhoben worden ist, wobei es im Falle der Gutheissung
der Beschwerde die angefochtenen Normen zwar nicht generell aufheben,
jedoch ihre Anwendung im konkreten Fall versagen dürfe. Erlaubt indessen,
wie ausgeführt, der Wortlaut von § 50 Abs. 1 GSG, bereits den Entscheid
des Regierungsrates über die Beschwerde betreffend die Rechtsgültigkeit
der streitigen Bestimmungen des KRB mit der verwaltungsgerichtlichen
Beschwerde an das Obergericht weiterzuziehen, dann läuft es auf einen
sachlich nicht begründeten, übertriebenen Formalismus hinaus, der einer
formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (vgl. BGE 81 I 118, 85 I 209, 86
I 10, 87 I 9), und widerspricht überdies dem Gebot der Prozessökonomie,
den Beschwerdeführer auf die Anfechtung künftiger Anwendungsverfügungen
zu verweisen. Dabei müsste nämlich zunächst wiederum Beschwerde beim
Regierungsrat geführt werden (obschon dieser bereits im jetzt angefochtenen
Entscheid Stellung genommen hat). Erst dann läge ein "letztinstanzlicher"
Entscheid im Sinne von § 50 Abs. 1 GSG vor, der beim Verwaltungsgericht
anfechtbar wäre. Auf diese Weise könnte der Beschwerdeführer zudem
die beanstandeten Bestimmungen des KRB als solche nicht mehr zu
Fall bringen, sondern sich höchstens gegen ihre weitere Anwendung
wehren. Demgegenüber hat das Obergericht im Rahmen seiner Überprüfung
des Beschlusses 3469 des Regierungsrats die Möglichkeit, generell über
die Rechtsbeständigkeit und künftige Anwendung der beiden angefochtenen
Vorschriften zu befinden. Im Falle der Rechtswidrigkeit könnten diese
ausgemerzt werden (wenn nicht durch das Obergericht selber, so doch
auf Grund des obergerichtlichen Urteils durch den Regierungsrat). Damit
wäre eine klare Rechtslage geschaffen, und es bliebe dem Beschwerdeführer
(sowie gegebenenfalls weiteren Benützern der Kanalisation) die Anfechtung
künftiger Anwendungsverfügungen erspart.

    e) Diese Erwägungen führen zur Gutheissung des Hauptantrages des
Beschwerdeführers in dem Sinne, dass der angefochtene Entscheid des
Obergerichtes vom 8. Oktober 1965 aufzuheben ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Entscheid des
Obergerichts des Kts. Aargau vom 8. Oktober 1965 aufgehoben wird.