Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 5



92 I 5

2. Auszug aus dem Urteil vom 9. März 1966 i.S. Scheller AG gegen Kanton
Zürich und Obergericht des Kantons Zürich. Regeste

    Grundbuchgebühren. Rechtsungleiche Behandlung. Art. 4 BV.

    Eine Ordnung, wonach die Grundbuchgebühr für die Vormerkung der
Miete und Pacht 1 bis 2,5é der Summe der während der Vormerkungsdauer
zu bezahlenden Miet- oder Pachtzinse beträgt, während die Gebühr für
die Vormerkung aller übrigen persönlichen Rechte Fr. 3.- bis Fr. 50.-
ausmacht, ist mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit unvereinbar.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Das Zürcher Notariatsgesetz (NotG) vom 28. Juli 1907 setzt in § 18
für die Eintragung von Eigentumsänderungen und Grundversicherungen ins
Grundbuch eine progressive, von 1 auf 2,5é der Verkehrs- bzw. Schuldsumme
ansteigende Gebühr (sog. "Normaltaxe") fest und bestimmt in § 23,
im übrigen seien die Gebühren durch eine Verordnung des Kantonsrats
festzusetzen, wobei sie dem Zeitaufwand und der Bedeutung des Geschäfts
anzupassen seien. Die vom Kantonsrat am 12. April 1920 erlassene
Verordnung betreffend die Notariats- und Grundbuchgebühren (GebV) bestimmt
in § 2, die Grundbuchgebühr betrage:

    "10. Für die Eintragung einer Dienstbarkeit: die Normaltaxe, berechnet
nach der ausbedungenen Gegenleistung, wenn diese in einer bestimmten Summe
ausgedrückt ist, im Minimum Fr. 5.-; in Ermangelung einer solchen Fr. 5.-
bis Fr. 100.--.

    11. Für die Vormerkung persönlicher Rechte:

    bei Miete und Pacht: die Normaltaxe von der Summe der während der
Zeitdauer des Bestandes der Vormerkung zu bezahlenden Mietoder Pachtzinse,
in der Meinung, dass die Gesamtsumme den Verkehrswert der Liegenschaft
nicht übersteigen darf; in Ermangelung einer Angabe des Zinses: vom Werte
der Miet- oder Pachtobjekte; in jedem Falle im Minimum Fr. 10.-;

    bei Vorkaufsrecht, Kaufsrecht, Rückkaufsrecht, Vereinbarung über das
Nachrücken von Grundpfandgläubigern, Rückfall bei Schenkungen, Anteil
der Miterben am Gewinn: Fr. 3.- bis Fr. 50.-."

    Mit Vertrag vom 18. Juni 1963 vermietete Chr. Jenni der Firma
Scheller AG ein Grundstück in Dietikon zum Betrieb einer Tankstelle gegen
einenjährlichen Mietzins von Fr. 7.920.--. Der Vertrag ist frühestens auf
31. März 1990 kündbar und wurde gemäss Art. 260 OR/959 ZGB im Grundbuch
vorgemerkt.

    Für die Eintragung dieser Vormerkung berechnete das Grundbuchamt
Schlieren eine Gebühr von Fr. 500.10 gemäss § 2 Ziff. 11 GebV auf Grund
des für die feste Vertragsdauer von 27 Jahren zusammen Fr. 213'840.--
betragenden Mietzinses.

    Hiegegen rekurrierte die Firma Scheller AG an das Bezirksgericht Zürich
als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Notariatskanzleien mit dem
Antrag, die Vormerkungsgebühr von Fr. 500.10 sei auf höchstens Fr. 100.--,
eventuell nach pflichtgemässem Ermessen herabzusetzen.

    Während das Bezirksgericht die Gebühr als unzulässig betrachtete und
den Rekurs grundsätzlich guthiess, hat das hierauf von der Finanzdirektion
angerufene Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale
Aufsichtsbehörde die Gebührenberechnung des Grundbuchamts bestätigt.

    Hiegegen führt die Firma Scheller AG staatsrechtliche Beschwerde. Sie
macht geltend, dass § 2 Ziff. 11 Abs. 1 GebV weder in Art. 954 ZGB
noch in § 23 NotG eine gesetzliche Grundlage habe und dass die dort
festgesetzte Gebühr für die Vormerkung der Miete, verglichen mit andern
Grundbuchgebühren, gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstosse.

    Das Bundesgericht betrachtet diese letztere Rüge als begründet aus
folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

    Das Bundesgericht hat in BGE 82 I 284 Erw. 3 für die (freilich
erheblich höheren) Tessiner Grundbuchgebühren entschieden, dass es mit
Art. 4 BV unvereinbar sei, für die Eintragung eines Grundpfandrechts
die gleiche Gebühr, berechnet von der Pfandsumme, zu erheben wie beim
Eigentumsübergang, berechnet vom Wert des Grundstücks, da sich das
Interesse des Pfandgläubigers an der Eintragung des Grundpfandrechts
nicht mit demjenigen des Käufers an der Eigentumsübertragung vergleichen
lasse. Ob diese auch in § 18 NotG zu findende Gleichbehandlung, wie im
angefochtenen Entscheid angenommen wird, deshalb gerechtfertigt sei, weil
im Kanton Zürich im Falle der Handänderung noch eine besondere, bis auf 2%
gehende Handänderungssteuer von den Gemeinden erhoben werden dürfe (§§
178 ff. des zürch. StG vom 8. Juli 1951) und von manchen Gemeinden auch
erhoben werde, ist nicht zu prüfen. Streitig ist nicht die Gebühr für die
Eintragung von Grundpfandrechten, sondern einzig, ob es zulässig ist, die
für die Eintragung von Handänderungen und Grundpfandrechten vorgesehene,
dort auf dem Verkehrswert bzw. der Pfandsumme zu berechnende Gebühr bei der
Vormerkung der Miete von der Gesamtsumme der während der Vormerkungsdauer
zu bezahlenden Mietzinse zu erheben. Der angefochtene Entscheid bejaht
dies mit der Begründung, dass die Vormerkung wie das Grundpfandrecht
der Sicherung diene und die Durchsetzung des gesicherten Rechtes gegen
den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks gestatte. Diese Überlegung
leuchtet nicht recht ein. Die Schuldsumme steht zu dem sie sichernden
Grundpfandrecht in einem andern Verhältnis als die Summe der während der
Vormerkungsdauer zu bezahlenden Mietzinse zur Vormerkung der Miete. Wie
zwischen der Handänderung und der Eintragung eines Grundpfandrechts (BGE
82 I 285 Erw. 3), so bestehen auch zwischen dieser und der Vormerkung
der Miete wesentliche Unterschiede, welche die Gleichbehandlung inbezug
auf die Grundbuchgebühren als fragwürdig erscheinen lassen. Ob sie
geradezu willkürlich sei, kann dahingestellt bleiben, da die Gebühr
für die Vormerkung der Miete jedenfalls im Vergleich zur Gebühr für die
Vormerkung anderer persönlicher Rechte, aber auch zu derjenigen für die
Eintragung einer Dienstbarkeit, vor Art. 4 BV nicht standhält.

    § 2 Ziff. 11 GebV enthält die Grundbuchgebühren für die Vormerkung
allervormerkbaren persönlichen Rechte(mit Ausnahme der in Art. 850
Abs. 3 revoR vorgesehenen Vormerkung). Während jedoch die Gebühr für die
Vormerkung der übrigen persönlichen Rechte höchstens Fr. 50.- beträgt,
ist für die Vormerkung der Miete und Pacht eine Gebühr festgesetzt, die
im Falle der Beschwerdeführerin Fr. 500.10 und in dem in der Beschwerde
erwähnten Beispiel einer 20jährigen Geschäftsmiete zum Jahreszins
von Fr. 50.000.-- unbestrittenermassen Fr. 2'460.50 ausmacht. Diese
verschiedene Behandlung der Miete und Pacht einerseits und der übrigen
persönlichen Rechte anderseits dürfte darauf zurückzuführen sein, dass
eine grundbuchliche Sicherung der Miete und Pacht, die schon vor Erlass des
ZGB bekannt war (Art. 281 Abs. 3 des OR von 1881), in Zürich mangels einer
besonderen Vorschrift des NotG von 1873 von der Praxis offenbar wie eine
Dienstbarkeit behandelt wurde, wobei die Summe der während der dinglichen
Sicherheit zu bezahlenden Mietzinsen als die für die Gebührenberechnung
massgebende Gegenleistung betrachtet wurde (vgl. LEEMANN, Das Notariats-
und Katasterwesen des Kantons Zürich, 1901, S. 39/40). Die erste vom
Kantonsrat auf Grund des NotG von 1907 erlassene GebV von 1907 hat diese
Praxis in einer ausdrücklichen Bestimmung festgehalten, welche dann von
den GebV von 1911 und 1920 übernommen wurde, während für die erst auf Grund
des ZGB mögliche Vormerkung weiterer persönlicher Rechte eine Höchstgebühr
von Fr. 50.- festgesetzt wurde. Diese Ordnung, bei welcher die Gebühr
für die Vormerkung der Miete und Pacht ein Vielfaches von derjenigen für
die Vormerkung anderer persönlicher Rechte betragen kann, entbehrt einer
sachlichen Rechtfertigung aus dem Gesichtspunkt der nach § 23 NotG für die
Gebührenbemessung massgebenden "Bedeutung des Geschäfts". Die Begründung
und Vormerkung persönlicher Rechte wie namentlich eines Vorkaufs-
oder Kaufsrechts kann eine sehr grosse rechtliche und wirtschaftliche
Tragweite haben. Insbesondere erhält derjenige, dem ein frei übertragbares
Kaufsrecht eingeräumt wird, eine Verfügungsmacht über das Grundstück, die
derjenigen des Eigentümers nahe kommt, weshalb verschiedene Steuerbehörden,
darunter auch die zürcherischen, die Veräusserung, ja zum Teil schon die
Einräumung eines solchen Kaufsrechts inbezug auf die Handänderungs- oder
Grundstückgewinnsteuer wie eine zivilrechtliche Handänderung behandeln (BGE
83 I 332 und bundesgerichtliche Urteile in ASA 30 S. 50 ff., 31 S. 217 ff.,
34 S. 182 ff.; vgl. auch BGE 79 I 22). Nach § 2 Ziff. 11 GebV wird aber für
die Vormerkung eines solchen Kaufsrechts, die für die Dauer von 10 Jahren
erfolgen kann (Art. 683 Abs. 2 ZGB), eine Gebühr von höchstens Fr. 50.-
erhoben, während die Gebühr für die Vormerkung der Miete im vorliegenden
Falle Fr. 500.10, in dem von der Beschwerdeführerin erwähnten, durchaus
möglichen Beispiel Fr. 2.460,50 beträgt und unter Umständen noch höher
sein kann. Dieser grosse Unterschied in der Gebührenbelastung, für
den kein vernünftiger Grund zu finden ist, stellt eine rechtsungleiche
Behandlung dar.

    Dass die in § 2 Ziff. 11 GebV vorgeschriebene Gebühr für die Vormerkung
der Miete und Pacht übersetzt ist, zeigt auch der Vergleich mit der Gebühr
für die Eintragung einer Dienstbarkeit. Diese Gebühr ist zwar gemäss § 2
Ziff. 10 GebV auf der ausbedungenen Gegenleistung nach dem gleichen Satz zu
berechnen, der nach § 18 NotG für die Eintragung der Eigentumsänderungen
und nach § 2 Ziff. 11 GebV für die Vormerkung der Miete gilt und dort
auf dem Kaufpreis bzw. auf der Gesamtsumme der Mietzinse zu berechnen
ist. Indes erscheint die Gleichbehandlung von Eigentumsübertragung und
Dienstbarkeitsbestellung gerechtfertigt, weil die Dienstbarkeit wie das
Eigentum ein dingliches, in der Regel zeitlich unbefristetes Recht ist.
Sodann wird die Gegenleistung für die Einräumung einer Dienstbarkeit
nur in seltenen Fällen so hoch sein, dass sie die mangels Bezifferung
der Gegenleistung geltende Höchstgebühr von Fr. 100. - übersteigt, und
kaum je Beträge erreichen, die zu Gebühren von mehreren Hundert oder gar
Tausend Franken führen, wie sie nach der geltenden Ordnung im Falle der
Vormerkung einer langjährigen Miete die Regel sind.