Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 495



92 I 495

82. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1966 i.S. Besemer gegen
Basel-Landschaft, Regierungsrat. Regeste

    Verwaltungsgerichtliche Beschwerde.

    Begriff des beschwerdefähigen Entscheides, insbesondere in
Handelsregistersachen, Art. 991 lit. b OG (Erw. 2).

    Nicht beschwerdefähig ist ein Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister, den diese kraft der ihr
über den Handelsregisterführer als kantonalen Beamten zustehenden
Disziplinarbefugnis gefällt hat (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 6. Oktober 1961 wurde die neugegründete Einzelfirma
"Besemer-Baumaschinen, Grosshandel mit Baumaschinen. Walter
Besemer-Kubelik, deutscher Staatsangehöriger in Hauingen/Rechberg" in
das Handelsregister des Kantons Basel-Landschaft eingetragen. Vor der
Eintragung war von Besemer als Ausweis nur die Vorlegung seines Passes
verlangt worden. Die Firma nahm nach der Eintragung den Geschäftsbetrieb
in Binningen auf.

    Im Februar 1964 ersuchte Besemer das kantonale Arbeitsamt von
Basel-Land um die Arbeitsbewilligung für zwei deutsche Facharbeiter,
die er für sein Unternehmen anstellen wollte. Bei diesem Anlass ergab
sich, dass er selber keine Arbeitsbewilligung besass. Sein nachträgliches
Gesuch um Erteilung einer solchen wurde abgewiesen. Da die eidgenössische
Fremdenpolizei am 6. März 1965 über ihn zudem eine Einreisesperre für die
Dauer von zwei Jahren verhängte, musste er sein Unternehmen liquidieren.

    B.- Am 14. April 1966 liess Besemer dem Handelsregisterführer des
Kantons Basel-Landschaft mitteilen, er mache ihn gestützt auf Art. 928
OR für den erlittenen Schaden haftbar. Der Handelsregisterführer lehnte
mit Schreiben vom 19. und 29. April 1966 jede Haftung ab, da er nach
Art. 940 OR und Art. 21 HRegV nur das Vorliegen der im OR und in der
HRegV aufgestellten Voraussetzungen für eine Eintragung zu prüfen habe;
ob gewerbe- oder fremdenpolizeiliche Bewilligungen nötig seien, habe er
dagegen nicht zu untersuchen.

    C.- Am 1. Juni 1966 erhob Besemer bei der kantonalen Aufsichtsbehörde
gegen das Handelsregisteramt von Basel-Land unter Hinweis auf Art. 21 HRegV
Beschwerde. Er beantragte, es sei festzustellen, dass die Prüfungspflicht
des Handelsregisterführers sich auf alle Bestimmungen des zivilen
und öffentlichen Rechts beziehe, und dass das Handelsregisteramt von
Basel-Land bei der Eintragung vom 6. Oktober 1961 dieser Prüfungspflicht
nicht genügt habe.

    D.- Der Regierungsrat von Basel-Land wies diese Beschwerde mit
Entscheid vom 19. Juli 1966 ab.

    E.- Gegen diesen Entscheid hat Besemer am 17. August 1966 beim
Bundesgericht verwaltungsgerichtliche Beschwerde gemäss Art. 99 I lit. b
OG eingereicht. Er beantragt:

    "1.  Es sei der Entscheid des Regierungsrates Basel-Landschaft vom
19. Juli 1966 aufzuheben;

    2.  es sei festzustellen, dass die Prüfungspflicht des
Handelsregisterführers sich auf die Erfüllung aller Bestimmungen des
zivilen und öffentlichen Rechtes bezieht, insbesondere auf die Erfüllung
der fremdenpolizeilichen Vorschriften;

    3. es  sei festzustellen, dass das Handelsregisteramt Basel-Land in
Liestal bei der Eintragung der Einzelfirma "Besemer-Baumaschinen...",
vom 6. Oktober 1961, dieser Prüfungspflicht nicht entsprochen hat."

    Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt, die
Beschwerde abzuweisen.

    Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement nimmt in
seiner Vernehmlassung den Standpunkt ein, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, weil der angefochtene Entscheid nicht im Sinne von Art. 99
I lit. b OG beschwerdefähig sei.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung seiner Beschwerde
vor, mit der vorbehaltlosen Eintragung seiner Firma habe der
Handelsregisterführer die ihm nach Art. 940 OR und Art. 21 HRegV
obliegende Prüfungspflicht verletzt. Nach diesen Vorschriften hätte
er sich darüber vergewissern müssen, ob der Gesuchsteller die für jeden
Ausländer erforderliche Arbeitsbewilligung besitze. Wenn er die Erfüllung
dieser Bedingung verlangt hätte, statt sich mit der blossen Vorlegung des
Passes zu begnügen, hätte der Gesuchsteller erkannt, dass seine Auffassung,
nur die Erwerbstätigkeit in unselbständiger Stellung bedürfe einer
Arbeitsbewilligung, nicht zutreffe. Infolge des fehlerhaften Verhaltens
des Handelsregisterführers sei ihm ein Schaden erwachsen, da er nach 3
1/2 Jahren sein Unternehmen mit Verlust habe liquidieren müssen, wozu
noch die rufschädigende Einreisesperre für zwei Jahre gekommen sei. Die
Auffassung des Regierungsrates, der Handelsregisterführer habe sich um die
Frage der Arbeitsbewilligung nicht zu kümmern gehabt, verletze Art. 940 OR.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 99 I lit. b OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht zulässig gegen "Entscheide der kantonalen
Aufsichtsbehörden in Handelsregistersachen". Als "Entscheide" im
Sinne der allgemeinen Vorschriften über die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde gelten nach Lehre und Rechtsprechung Verwaltungsakte,
die kraft behördlicher Autorität vorgenommen werden und auf einen
gesetzlich vorgeschriebenen Erfolg abzielen, sowie Verfügungen, mit
denen eine Behörde einen bei ihr erhobenen Anspruch auf Vornahme eines
derartigen Verwaltungsaktes verneint (BGE 64 I 60, 66 I 90, 72 I 416;
GEERING, Das Verfahren vor Bundesgericht in verwaltungsrechtlichen
Streitigkeiten, S. 5; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 418; PANCHAUD,
Légalité et révocabilité de la décision administrative, JdT 1963 I 67;
IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl. S. 162). Um
beschwerdefähig zu sein, muss der Entscheid somit hoheitlichen und
für den Betroffenen verbindlichen Charakter haben; dieser kommt einer
blossen Meinungsäusserung der Behörde nicht zu, selbst wenn sie im
Zusammenhang mit einem konkreten Fall erfolgt (BGE 64 I 60, 72 I 416). Der
Entscheid muss ferner einen bestimmten Einzelfall betreffen und für diesen
unmittelbare Rechtswirkungen zur Folge haben, indem er für den Betroffenen
eine neue Rechtslage herbeiführt oder die Herbeiführung einer solchen
ablehnt. Erlasse allgemeiner Natur, die abstrakte Rechtsregeln aufstellen,
sind dagegen nicht beschwerdefähig (BGE 64 I 60, 61 I 90, 72 I 416).

    Für die Beschwerdefähigkeit der Entscheide der kantonalen
Aufsichtsbehörden in Handelsregistersachen gelten die gleichen
Erfordernisse; jedoch können unter Umständen auch grundsätzliche
Weisungen der Aufsichtsbehörden an die Handelsregisterämter mit
verwaltungsgerichtlicher Beschwerde angefochten werden (BGE 59 I 40,
60 I 28, 65 I 139 und 152, 91 I 361 Erw. 1). Wie aus der Rechtsprechung
ersichtlich ist, kommen aber nur Weisungen der Aufsichtsbehörden in
Betracht, mit denen im Zusammenhang mit einem konkreten, eine Eintragung,
Löschung oder Eintragsänderung betreffenden Fall dem Registerführer
verbindlich vorgeschrieben wurde, wie er vorzugehen habe.

Erwägung 3

    3.- a) Nach den dargelegten Grundsätzen ist der Beschwerdeantrag 2
unzulässig. Er ist auf eine Feststellung allgemeiner Natur gerichtet,
die über den vorliegenden Fall hinaus für alle schweizerischen
Handelsregisterführer Geltung beansprucht. Zudem hat er keine selbständige
Bedeutung; er betrifft eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht
vorfrageweise zu entscheiden hätte, um über das mit Beschwerdeantrag 3
gestellte Begehren entscheiden zu können, und bildet lediglich das Motiv
für dieses. Es fehlt somit ein selbständiges Feststellungsinteresse.

    b) Mit seinen Eingaben an die Handelsregisterbehörden bezweckte
der Beschwerdeführer nicht, einen die Registerführung betreffenden
Verwaltungsentscheid über eine Neueintragung, eine Löschung oder eine
Eintragsänderung herbeizuführen.

    Was er anstrebte, war vielmehr das Zugeständnis des
Handelsregisterführers, bei der Eintragung vom 6. Oktober 1961 eine
Pflichtverletzung begangen zu haben, um dann gestützt auf diese
grundsätzliche Haftungsanerkennung eine Schadenersatzklage gemäss
Art. 928 OR einreichen zu können. Indem der Handelsregisterführer mit
seinen Schreiben vom 19. und 29. April 1966 eine solche Haftung ablehnte,
fällte er keinen für den Betreffenden verbindlichen Entscheid; er bestritt
damit nur das Bestehen der behaupteten Schadenersatzpflicht. Wollte der
Ansprecher an seinem auf Art. 928 OR gestützten Schadenersatzanspruch
festhalten, so hatte er diesen durch Zivilklage nach den Vorschriften
des kantonalen Zivilprozessrechts beim zuständigen Richter geltend zu
machen. Auf dem Wege des Verwaltungsverfahrens vor der Aufsichtsbehörde
oder einer andern Beschwerdeinstanz konnte er ihn dagegen nicht
weiterverfolgen (HIS, OR Art. 928 N. 16 f.).

    c) Die Beschwerde, die Besemer am 1. Juni 1966 bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister eingereicht hat, richtete
sich nicht gegen den ablehnenden Bescheid des Handelsregisteramts.
Der Beschwerdeführer bemühte sich darin, unabhängig von diesem Bescheid
nachzuweisen, dass der Handelsregisterführer bei der Eintragung vom 6.
Oktober 1961 die ihm nach Art. 21 HRegV obliegende Prüfungspflicht
verletzt habe. Auch diese Beschwerde zielte somit lediglich darauf ab,
durch die Verwaltungsbehörden eine angebliche Pflichtverletzung des
Handelsregisterführers feststellen zu lassen und damit auf dem Wege des
Administrativverfahrens den Entscheid des Richters zu präjudizieren.

    Der Regierungsrat hat deshalb mit Recht der Eingabe des
Beschwerdeführers die Eigenschaft eines förmlichen administrativen
Rechtsmittels im Sinne der eidgenössischen Vorschriften über das
Handelsregister abgesprochen. Als solches wäre es übrigens verspätet
gewesen, da die in Art. 3 Abs. 4 HRegV dafür vorgeschriebene Frist von
14 Tagen nicht eingehalten wurde.

    d) Wie im angefochtenen Entscheid ausdrücklich festgestellt
wird, hat der Regierungsrat die Beschwerde als sogenannte
Aufsichtsbeschwerde entgegengenommen und behandelt, weil die Abklärung
der Überprüfungsbefugnisse des Handelsregisterführers im öffentlichen
Interesse liege. Er hat sich mit der Angelegenheit ausschliesslich kraft
der Disziplinargewalt befasst, die ihm als vorgesetzter Behörde über
die kantonalen Beamten zusteht. Gegen einen solchen Disziplinarentscheid
ist wiederum nur eine Aufsichtsbeschwerde an die verwaltungshierarchisch
übergeordnete Behörde zulässig. Der Regierungsrat ist aber die oberste
Aufsichtsbehörde über die kantonalen Beamten. Eine Beschwerde an
eine eidgenössische Instanz, sei es das eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement oder an das Bundesgericht, ist gegen einen solchen
Entscheid nicht gegeben. Daran ändert auch nichts, dass Art. 4 HRegV
die Oberaufsicht über die Handelsregisterführung in den Kantonen dem
eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement zuweist und ihm die Befugnis
gibt, allgemeine Weisungen zu erlassen, Inspektionen vorzunehmen, ja sogar
von den Kantonen zu verlangen, dass sie fehlbare Handelsregisterführer
zur Verantwortung ziehen und sie ihres Amtes entheben (HRegV Art. 4, 17
Abs. 2, 18 Abs. 2 usw.). Ebensowenig kommt eine verwaltungsgerichtliche
Disziplinarbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 117 OG) in Betracht;
denn diese setzt ein bundesrechtliches Beamtenverhältnis voraus, während
der Handelsregisterführer kantonaler Beamter ist. Zudem steht sie nur dem
Beamten zu, gegen den eine Disziplinarmassnahme angeordnet worden ist,
nicht auch einem Dritten gegenüber der Weigerung der Behörde, über einen
Beamten eine solche zu verhängen.

    e) Die Führung des Handelsregisters obliegt den Kantonen; diese
bezeichnen die dafür zuständigen Beamten und Behörden (Art. 1 HRegV).
Die Registerführer sind somit kantonale Beamte und unterstehen als
solche den für diese aufgestellten kantonalen Vorschriften über
die zivilrechtliche und disziplinarische Verantwortlichkeit. Der
in Art. 928 OR ausgesprochene Grundsatz der persönlichen Haftung der
Handelsregisterbehörden umschreibt bloss die Mindestanforderungen, die der
Kanton im Interesse ordnungsgemässer Registerführung und zum Schutze der
Privaten kraft Bundesrechts zu beachten hat (HIS, Art. 928 OR N. 2). Eine
Haftung des Handelsregisterführers unmittelbar aus Art. 41 in Verbindung
mit Art. 61 OR kommt erst in Betracht, wenn kantonale Haftungsnormen
überhaupt fehlen oder den Mindestanforderungen des Art. 928 OR nicht
genügen (HIS, Art. 928 OR N. 5-8). Der Kanton Basel-Landschaft hat jedoch
die Verantwortlichkeit seiner Beamten im Gesetz vom 25. November 1851
geordnet; dessen § 9 schreibt für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs
für den Schaden, der durch die Verletzung einer Amtspflicht entstanden sein
soll, den Weg der Zivilklage vor. Auch hieraus ist ersichtlich, dass der
angefochtene Entscheid auf der Disziplinarbefugnis des Regierungsrates
beruht und darum nicht mit verwaltungsgerichtlicher Beschwerde an das
Bundesgericht weitergezogen werden kann.

    Die vorliegende Beschwerde verkennt die Rechtsnatur der
verwaltungsgerichtlichen Beschwerde; es ist daher auf sie nicht
einzutreten.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.