Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 490



92 I 490

81. Auszug aus dem Urteil vom 4. November 1966 i.S.

    Ruf und Marias gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.  Regeste

    Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung, BG vom 16. März 1955.

    1.  Art. 14 GSchG; Art. 104 Abs. 1 OG: Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht; Beschwerdegründe (Erw. 1).

    2.

    3.  rt. 3 GSchG: Rechtsnatur einer Bewilligung, vorgeklärte häusliche
Abwässer einem öffentlichen Gewässer zuzuführen; Befristung einer solchen
Bewilligung (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Franz Ruf und Saul Marias erhielten am 17. Januar 1962 vom
Gemeinderat Stallikon die Bewilligung, am Mösliweg in Hinter-Buchenegg zwei
Einfamilienhäuser zu bauen. Die Baubewilligung enthielt die Auflage, das
Abwasser müsse in eine geschlossene Schmutzwassergrube, welche regelmässig
zu entleeren sei, eingeleitet werden. Die Häuser wurden Ende Oktober 1962
bezogen. Am 25. August 1962 - also knapp zwei Monate vor dem Bezug der
Häuser - schlossen Ruf und Marias mit Landwirt Mosimann einen Vertrag
ab. Darnach hätte dieser die Abwasser übernehmen und in eine Jauchegrube
auf seiner Liegenschaft einleiten sollen. Am 9. Oktober 1962 erteilte
der Gemeinderat Stallikon dem Mosimann eine Bewilligung zum Bau einer
überdeckten Jauchegrube. Doch wurde die Jauchegrube in jenem Winter nicht
mehr erstellt. Die Abwasser der beiden Häuser ergossen sich auf das offene
Feld und verschmutzten das Ried im Tobel südlich der Bucheneggstrasse.

    Am 20. März 1963 griff die Baukommission der Gemeinde ein. Sie
verlangte eine Verschiebung der Jauchegrube um 2 m, da sie nach
dem ursprünglichen Projekt auf die Hauptleitung der gemeindeeigenen
Wasserversorgung zu liegen gekommen wäre. Mosimann weigerte sich. Am 6. Mai
1963 wurde die Bewilligung für den Bau der Jauchegrube vom Gemeinderat
widerrufen und die Auflage an Ruf und Marias zum Bau der "Jauchegrube
Mosimann" "zurückgestellt", bis die Gemeinde über die Erstellung einer
biologischen Kläranlage entschieden habe.>

    Der Gemeinderat kam am 31. Oktober 1963 auf die Sache zurück und
beschloss eine "provisorische Verfügung". Darin wurde eine vorläufige
Bewilligung zum Bau einer Kläranlage nach den Plänen der Pro Technik
erteilt. Gestützt auf diese Bewilligung liessen die beiden Hauseigentümer
einen ungedeckten 3-kammerigen Abwasserfaulraum von etwa 60 m3 erstellen
sowie eine Leitung, durch welche die vorgeklärten Wasser in einen
eingedolten Zufluss des Lettenbaches geleitet werden.

    Am 14. November 1963 ersuchte die Gemeinde Stallikon namens der beiden
Hauseigentümer die Baudirektion des Kantons Zürich, diese Ableitung in den
Lettenbach dauernd zu bewilligen. Die Direktion der öffentlichen Bauten
erteilte am 10. April 1964 aber nur eine bis 30. April 1966 befristete
Bewilligung. Sie forderte die beiden Hauseigentümer auf, bis zu diesem
Zeitpunkt eine geschlossene wasserdichte Jauchegrube ohne Wasserüberlauf
zu erstellen und einen Leerungsdienst einzurichten.

    B.- Gegen diese Verfügung rekurrierten Ruf und Marias an den
Regierungsrat des Kantons Zürich, wurden aber mit Entscheid vom 24. März
1966 abgewiesen; dagegen erstreckte der Regierungsrat die Frist für den
Bau der geschlossenen, wasserdichten Jauchegrube bis zum 31. Oktober
1966. Der Begründung ist zu entnehmen, der Regierungsrat müsse auf
Grund der technischen Richtlinien zum Gewässerschutzgesetz auf einer
geschlossenen Grube von 120 m3 beharren. Die Gemeinde Stallikon habe
zwar am 28. Mai 1964 einen umfassenden Kanalisationsplan eingereicht,
der aber vorläufig nicht genehmigt werden könne. In Frage stehe jetzt ein
herabgesetztes Projekt, bei dem das Gebiet der Buchenegg abwassertechnisch
nicht erschlossen werde. Es werde längere Zeit nicht möglich sein,
die Liegenschaften in der Hinter-Buchenegg an das Kanalisationsnetz der
Gemeinde anzuschliessen.

    C.- Ruf und Marias fochten diesen Entscheid sowohl beim Bundesgericht
als beim Zürcher Verwaltungsgericht an. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich ist auf die Beschwerde nicht eingetreten, da die strittigen Fragen
ausschliesslich nach Bundesrecht (hier des Gewässerschutzgesetzes) zu
beurteilen seien (Entscheid vom 16. Juni 1966).

    Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen
die Beschwerdeführer, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und
ihnen - zeitlich unbefristet - zu erlauben, die vorgeklärten Abwasser
in den Lettenbach einzuleiten. Allenfalls sei ihnen zu bewilligen, die
bisherige Grube von 60 m3 zu belassen.

    Zur Begründung wird geltend gemacht, der Entscheid des Regierungsrates
sei gesetzwidrig und unangemessen; es wäre eine nicht zu verantwortende
Härte, wenn die Familien der Beschwerdeführer ihre Häuser verlassen
müssten. Die Hauseigentümer könnten nicht dafür verantwortlich gemacht
werden, dass die Jauchegrube auf dem Grundstück des Mosimann nicht
zustande kam. Ein Bauherr müsse sich darauf verlassen können, dass die
ursprüngliche Baubewilligung rechtsbeständig bleibe. Die Beschwerdeführer
hätten die Vorklärungsanlage in der Erwartung erstellt, dass eine
Gemeindekanalisation mit zentraler Kläranlage verwirklicht werde, in die
auch ihre Häuser einbezogen worden wären. Ohne ihr Zutun werde dieses
Gemeindewerk vorläufig nicht errichtet. Zudem verstosse der Regierungsrat
gegen die Rechtsgleichheit; denn Dr. Dinkelacker sei eine Klärgrube von
nur 20 m3 bewilligt worden. Hinsichtlich des Eventualantrages erklären
die Beschwerdeführer, angesichts der bescheidenen Benützung der beiden
Häuser dürften die schon bestehenden Gruben genügen.

    D.- Der Regierungsrat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sollten
in der Gemeinde Stallikon noch Klärgruben bestehen, die nicht den
Vorschriften des Kantons entsprechen, so werde die Regierung dafür sorgen,
dass die Misstände beseitigt werden. Das Bundesgericht folgt diesem Antrag
und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 14 GSchG kann gegen Entscheide der letzten
kantonalen Instanz, die in Anwendung dieses Gesetzes ergehen, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht eingereicht werden. Ein
solcher Entscheid ist der hier angefochtene. Der Regierungsrat hat
die bis zum 31. Oktober 1966 befristete Bewilligung, die mechanisch
vorgeklärten Abwasser dem Lettenbach zuzuführen, gestützt auf Art. 3
GSchG nicht verlängert.

    b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann geltend gemacht werden,
der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht oder sei nicht angemessen
(Art. 104 Abs. 1 OG, Art. 14 GSchG). Der Gerichtshof hat auf entsprechende
Rüge - wie sie hier erhoben wird - frei zu prüfen, ob die kantonale Behörde
das Bundesgesetz zutreffend angewendet und von dem ihr zustehenden Ermessen
einen richtigen Gebrauch gemacht habe (BGE 84 I 154, 86 I 193, 91 I 147
b). Das Bundesgericht könnte deshalb, sofern die Rüge materiell begründet
ist, die Befristung einer Bewilligung aufheben oder die Bedingungen für
die Einleitung von Abwassern in ein öffentliches Gewässer abändern. Auf
die Beschwerde, die innert Frist erhoben worden ist, ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 3 Abs. 1 GSchG dürfen Abwässer und andere flüssige oder
gasförmige Abgänge jeder Art - u.a. aus Wohn- und Unterkunftsstätten
- nur mit Bewilligung des Kantons mittelbar oder unmittelbar in
Gewässer eingebracht werden. Diese Bestimmung enthält ein Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines
Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 9.
Februar 1954; BBl 1954 I S. 338). Nach dem Sinn des Gesetzes soll die
Erlaubnis nur zurückhaltend und unter sichernden Bedingungen erteilt
werden. Bei bestehenden Ableitungen sind Massnahmen zu treffen, um
Gewässerverunreinigungen zu beheben (Art. 3 Abs. 3 GSchG). Für das
Einleiten von verunreinigtem Abwasser in die öffentlichen Gewässer
und in die Kanäle ist im Kanton Zürich ausser der Bewilligung der
Gesundheitsbehörden diejenige der Direktion der öffentlichen Bauten
erforderlich (§ 65 des Wasserbaugesetzes vom 15. Dezember 1901, Zürcher
Gesetzessammlung Bd. 5 S. 257 ff.).

    Geht man hievon aus, so verletzt die Befristung der Bewilligung,
die Abwässer in den Lettenbach einzuleiten, das eidgenössische Recht
nicht; im Gegenteil, sie entspricht dem vom Gewässerschutzgesetz
gewünschten Ausnahmecharakter einer solchen Erlaubnis. Den Akten ist zu
entnehmen, dass die kantonalen Behörden die unbefristete Bewilligung
aus der Sorge abgelehnt haben, die Zuflüsse der Reppisch möglichst
rein zu halten. Richtig ist allerdings, dass die Gemeinde Stallikon am
31. Oktober 1963 der Erstellung eines 60 m3 fassenden Abwasserfaulraumes
zustimmte und die Zuführung der vorgeklärten Abwasser in den I-ettenbach
erlaubte. Die Bewilligung wurde vom Gemeinderat aber ausdrücklich
als vorläufig bezeichnet und konnte dem Entscheid der kantonalen
Behörden nicht vorgreifen. Die Erwartung der Beschwerdeführer, dass
Gemeindekanalisationen mit einer zentralen Kläranlage errichtet würden und
ihre Häuser angeschlossen werden könnten, war durch keine Zusicherung der
allein zuständigen Baudirektion untermauert. Wenn die Baudirektion sich
hinterher damit einverstanden erklärte, dass die Abwasser bis zum Bau
einer geschlossenen, 120 m3 fassenden Schmutzwassergrube dem Lettenbach
zugeführt werden dürfen, hat sie der besonderen Lage der Beschwerdeführer
genügend Rechnung getragen.