Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 409



92 I 409

69. Auszug aus dem Urteil vom 18. November 1966 i.S. Bucher gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich. Regeste

    Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung. BG vom 16. März
1955. Verweigerung einer Baubewilligung wegen der Gefahr, dass infolge
der vorgesehenen Beseitigung des Abwassers (Sammlung in einerGrube und
landwirtschaftliche Verwertung) Quellen verschmutzt würden, die der
Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser dienen.

Sachverhalt

    A.- Karl Bucher, Generalagent in Kilchberg (Zürich), kaufte durch
Vertrag vom 10. November 1960 vom Landwirt Werner Bär in Hausen am Albis
1200 m2 Boden im Gebiet der "Wässermatte". Das Grundstück liegt 1,4 km
südlich des Albishorns und rund 150 m unterhalb des Strässchens, das die
Weiler Mittler Albis und Ober Albis verbindet, am Rand einer natürlichen
Hangterrasse. Karl Bucher will dort ein Einfamilienhaus bauen, um es für
den Aufenthalt über das Wochenende und während der Ferien zu benützen.
Er reichte dem Gemeinderat Hausen im Jahre 1961 das Projekt ein und
ersuchte um die baupolizeiliche Bewilligung. Sie wurde ihm verweigert. Er
focht diesen Entscheid zunächst beim Bezirksrat Affoltern und nachher -
gemeinsam mit Werner Bär - beim Regierungsrat des Kantons Zürich an, bei
beiden Instanzen erfolglos. Der Regierungsrat stützte seinen Beschluss
vom 4. April 1963 u.a. auf allgemeine gesundheitspolizeiliche Bedenken
wegen der Abwasserbeseitigung.

    Auf Beschwerde Buchers hob das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich diesen Entscheid am 29. August 1963 auf und wies die Sache
an den Regierungsrat zurück, wobei es ihm vorschrieb, die Frage der
Abwasserbeseitigung nach dem Bundesgesetz vom 16. März 1955 über den
Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG) zu beurteilen.

    Der Regierungsat wies in seinem neuen Entscheid vom 24. September 1964
den Rekurs Buchers und Bärs neuerdings ab. Er nahm an, die vorgesehene
Beseitigung des Abwassers - Sammlung in einer geschlossenen Grube
und landwirtschaftliche Verwertung durch Werner Bär - sei quantitativ
ungenügend; sie wäre für viele kleinere Wasservorkommen im Quellgebiet
der Jonen gefährlich.

    B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Karl Bucher,
dieser Entscheid sei aufzuheben, soweit er in Anwendung des Bundesgesetzes
über den Gewässerschutz ergangen ist.

    Es wird geltend gemacht, dieses Gesetz biete keine Stütze für das
beanstandete Bauverbot. Quellfassungen würden durch das Bauvorhaben des
Beschwerdeführers so wenig gefährdet wie durch die in der Nähe seines
Bauplatzes bereits bestehenden beiden Wohnhäuser, deren Abwasser stets ohne
Schwierigkeiten hätten beseitigt werden können. Die vom Beschwerdeführer
vorgesehene Grube sei gross genug, und für die Verwertung des darin
gesammelten Abwassers reiche die zur Verfügung stehende Fläche des vom
früheren Eigentümer Bär am 1. Juli 1964 der Stadt Zürich verkauften und
nun verpachteten landwirtschaftlichen Heimwesens aus. Es bestehe keine
Gefahr, dass die Grube überlaufe. Auf jeden Fall sei das angefochtene
Bauverbot unverhältnismässig, da eine Gefährdung von Quellfassungen,
wenn sie wirklich bestände, sich durch weniger weitgehende Massnahmen -
Vergrösserung der Grube, periodische Leerung durch ein Spezialunternehmen
und Zuführung direkt in die Kläranlage Adliswil - beheben liesse.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg.  Departement des
Innern schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

    D.- Die Instruktionskommission des Bundesgerichts hat in Hausen einen
Augenschein vorgenommen. Dr. Karl Wuhrmann, Leiter der biologischen
Abteilung der Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung
und Gewässerschutz und Professor an der ETH, ist als Experte beigezogen
worden. Er hat seinen Bericht am 2. September 1966 abgegeben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales.)

Erwägung 2

    2.- Nach dem Bericht des Experten muss damit gerechnet werden, dass aus
einer mit modernem Komfort ausgestatteten Wohnung, wie sie im projektierten
Haus des Beschwerdeführers vorgesehen ist, eine Abwassermenge von 150 bis
2001 je Person und Tag anfällt. Für 5 Personen, die in diesem Haus nach den
Plänen untergebracht werden können, ergibt sich also ein Tagesquantum von
750 bis 1000 l. Der Beschwerdeführer gedenkt das Haus nur während etwa 150
Tagen im Jahr als Wochenend- und Ferienhaus zu benützen. Indessen könnte
die Baute nach der geplanten Einrichtung ganzjährig bewohnt werden. Es ist
damit zu rechnen, dass diese Möglichkeit früher oder später - wenn nicht
vom Beschwerdeführer, so doch von einem allfälligen Eigentumsnachfolger -
auch ausgenützt werden wird. Bei der vom Beschwerdeführer in Aussicht
genommenen Benützung ist der Abwasseranfall mit 112 bis 150 m3, bei
durchgehender Bewohnung mit 273 bis 365 m3 im Jahr in Rechnung zu stellen.

    Auf Grund dieser Abwassermengen kann - unter der Annahme, dass die
Abwässer landwirtschaftlich verwertbar seien - das Fassungsvermögen der
Grube bestimmt werden. Dabei muss beachtet werden, dass die Jauche nicht
jederzeit ausgeführt werden darf, wenn die Grube voll ist. Nach Art. 6
Abs. 1 des Schweizerischen Milchlieferungsregulativs in der Fassung
vom 26. Februar 1963 (AS 1963, 381) ist "jede übertriebene, einseitige
oder zur unrichtigen Zeit ausgeführte Düngung" verboten. "Während
der Vegetationszeit" ist insbesondere untersagt "das Begüllen von
nachgeschossenem Gras" (lit. a) und "das Ausbringen von Gülle,
welcher Stoffe irgendwelcher Art (ausser Wasser) zugesetzt wurden"
(lit. b). Nach der letztgenannten Bestimmung dürfen häusliche Abwässer,
in denen sich neben Fäkalstoffen Detergentien aller Art vorfinden, nur
im Winter ausgebracht werden. Der Experte schätzt unter Beachtung aller
Umstände den erforderlichen Kubikinhalt der Grube auf 30 bis 40 m3, wenn
sich die vom Beschwerdeführer in Aussicht genommenen 150 Benützungstage
gleichmässig auf das ganze Jahr verteilen, sonst aber (unter Einschluss
einer Raumreserve) auf 60 m3. Bei dauernder Bewohnung des Hauses müsste
der Stapelraum 88 bis 120 m3 umfassen.

    Die vom Beschwerdeführer vorgesehene Grube enthält 30 m3
Rauminhalt. Weil er aber bereit ist, die Grube so zu dimensionieren, wie
es nach fachmännischem Befund nötig ist, würde es gegen den Grundsatz der
Verhältnismässigkeit verstossen, wollte man sein Projekt wegen ungenügender
Grösse der projektierten Grube ablehnen (BGE 90 I 343).

Erwägung 3

    3.- Das Fassungsvermögen der Grube ist indessen von untergeordneter
Bedeutung. Wichtiger ist, ob die verfügbare Bodenfläche zur Aufnahme
des Abwassers ausreicht und, wenn ja, ob dabei keine Trink- und
Brauchwasserquellen geschädigt oder gefährdet werden.

    a) Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid angenommen, für
eine Person sei eine Verwertungsfläche von 80 bis 120 a erforderlich. Der
Beschwerdeführer hat dies nicht bestritten. Bei der Berechnung der
erforderlichen Bodenfläche ist der Regierungsrat von den 1176 a "Feld und
Wald" ausgegangen, deren Eigentümer Werner Bär war und die nunmehr der
Stadt Zürich gehören. Nun stellt aber der Experte - in Übereinstimmung mit
dem Pächter der Stadt - fest, dass die Abwässer des projektierten Hauses
des Beschwerdeführers, gleich wie jene der beiden in der "Wässermatte"
schon bestehenden Häuser Locher und Sidler, ausschliesslich auf dem
Wiesenhang direkt unter diesen Häusern ausgebracht werden könnten. Eine
Überführung der Abwässer auf weiter entferntes oder höher gelegenes
Gelände ist ausgeschlossen; der Pächter erklärt, dass er weder über
die dazu erforderliche Pumpe noch über das zugehörige Antriebsaggregat
verfüge. Der Beschwerdeführer hat den Bau einer Pumpe weder in seinem
Projekt vorgesehen noch nach Einsicht des Expertenberichts angeboten,
obwohl ihm das vom Experten (S. 12 des Gutachtens) nahegelegt worden
ist. Somit reduziert sich das Gelände, auf das die Abwässer ausgebracht
werden könnten, nach der Feststellung des Experten auf 110 a. Das heisst,
dass das Gelände bloss die Abwässer, die auf eine einzige Person entfallen,
aufzunehmen vermag; werden auf der Fläche von 110 a die Abwässer aus
den bestehenden Häusern Locher und Sidler verspritzt, so ist der Boden
bereits mehrfach überdüngt, und es erscheint als ausgeschlossen, dass
auf derselben Fläche auch noch die Abwässer aus dem projektierten Haus
des Beschwerdeführers verwertet werden könnten.

    b) Unter dem Gesichtspunkte des Gewässerschutzes wäre allerdings
die Überdüngung für sich allein belanglos. Nun kommt aber hinzu, dass
50 bis 80 m unterhalb des Terrassenrandes, auf dem die Häuser Locher und
Sidler und der Bauplatz des Beschwerdeführers liegen, ein Quellenhorizont
verläuft, der u.a. durch 5 Quellfassungen der Gemeinde Hausen genützt wird.
Diese Fassungen befinden sich nach der Feststellung des Experten "im
unmittelbaren Bereich der Wiesen, welche für die Abwasserverwertung in
Frage kämen". Pläne der Fassungsstränge sind nicht vorhanden, doch ergibt
sich nach dem Befund des Experten "aus der Situation, dass diese (die
Fassungsstränge) im Maximum bis 3 m unter Terrain von den Brunnenstuben aus
hangeinwärts verlegt worden sein müssen". Nach der Auffassung des Experten
"müsste der ganze Hang oberhalb der Quellen bis zum Terrassenrand als
Schutzzone erklärt werden". Selbst wenn die Verwertung der Abwässer aus den
Häusern Locher und Sidler bisher zu keiner Verunreinigung des Quellwassers
geführt haben sollte, liegt nach dem Urteil des Experten jedenfalls eine
"gröblichste Gefährdung" vor; sie würde durch die Verteilung der aus dem
Neubau des Beschwerdeführers anfallenden Abwässer noch erheblich verstärkt.

Erwägung 4

    4.- Angesichts dieses Befundes des Experten kann die Rechtslage
nicht mehr zweifelhaft sein. Art. 2 Abs. 1 GSchG erheischt, dass "gegen
die Verunreinigung oder andere schädliche Beeinträchtigung der ober-
und unterirdischen Gewässer" alles vorzukehren ist, was u.a. nötig ist
"zum Schutze der Gesundheit von Mensch und Tier" sowie "zur Verwendung
von Grund- und Quellwasser als Trinkwasser". Schon die blosse Schaffung
einer Gefahr der Verunreinigung ist verboten. Das ergibt sich aus Art. 4
Abs. 2 GSchG, welcher das "Ablagern von Stoffen ausserhalb der Gewässer"
untersagt, sobald diese Vorkehr "geeignet" ist, "eine Verunreinigung der
Gewässer zu verursachen" (BGE 86 I 196 ff.; 90 I 198). Dass eine solche
Gefahr, wenn nicht erst geschaffen, so doch erheblich verstärkt würde,
wenn die Abwässer aus dem projektierten Hause des Beschwerdeführers in
der vorgesehenen Art für die Landwirtschaft verwendet würden, steht
ausser Zweifel. Weil es hier um die Sicherstellung gesunden Trink-
und Brauchwassers geht, ist die daraus entstehende wirtschaftliche und
finanzielle Belastung nicht zu beachten (Art. 2 Abs. 3 GSchG, BGE 86
I 198).

    Dass die Gemeinde Hausen keine Schutzzone errichtet hat, ist
ohne Belang. Um durchsetzbar zu sein, bedarf Art. 2 GSchG keiner
Ausführungsbestimmungen des kantonalen oder Gemeinderechts (BGE 84 I 156).

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer hat für den Fall, dass die geplante
landwirtschaftliche Verwertung seiner Abwässer nicht zulässig
sein sollte, in der Beschwerdeschrift die "verbindliche Erklärung"
abgegeben, "dass er in der Lage ist, die Grube periodisch durch ein
Spezialunternehmen leeren zu lassen, welches die Abwässer direkt der
Kläranlage in Adliswil zuführt". Er hat jedoch diese Darstellung in
einem Schreiben vom 12. Oktober 1966 durch die Mitteilung berichtigt,
"dass der Zweckverband Zentrale Kläranlage Sihltal während der Dauer des
vorliegenden Beschwerdeverfahrens abgelehnt hat, das Abwasser aus dem
Ferienhaus des Beschwerdeführers aufzunehmen".

    Andere Möglichkeiten der Abwasserbeseitigung (z.B. Anschluss an eine
bestehende oder zu erstellende Kanalisation) werden vom Beschwerdeführer
nicht erwähnt und sind auch nicht ersichtlich. Damit erweist sich die
Rüge, das angefochtene Bauverbot verstosse gegen den Grundsatz der
Verhältnismässigkeit, als unbegründet. Es muss angenommen werden, dass
unter den gegebenen Umständen der Gefahr der Verunreinigung von Trink-
und Brauchwasserquellen nicht durch eine weniger weitgehende Massnahme
begegnet werden kann.

Erwägung 6

    6.- (Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung ist unbegründet.)

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.