Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 298



92 I 298

52. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1966 i.S. International
Flavors & Fragrances (Reinach) AG gegen Eidg. Amt für das Handelsregister.
Regeste

    Handelsregister, nationale Bezeichnung in einer Firma; Art. 944 Abs. 2
OR, Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV.

    Art. 46 Abs. 3 HRegV betr. die Zulässigkeit territorialer Bezeichnungen
in substantivischer Form ist auf nationale Bezeichnungen nicht anwendbar
(Erw. 3).

    Tragweite des Begriffs "besondere Umstände" in Art. 45 HRegV (Erw. 4).

    Frage der Zulässigkeit des Zusatzes "(Schweiz)" für die schweizerische
Niederlassung eines ausländischen Konzerns (Erw. 5, 6).

Sachverhalt

    A.- Die International Flavors & Fragrances Inc. in New York beherrscht
in 17 Ländern 29 Tochtergesellschaften. Die meisten haben ihre Firma aus
der Bezeichnung "International Flavors & Fragrances I.F.F." und Hinweisen
auf das Land und den Ort ihres Sitzes sowie auf die Gesellschaftsform
gebildet. Eine dieser Tochtergesellschaften ist in der Schweiz
niedergelassen, nämlich die Firma "International Flavors & Fragrances
I.F.F. (Reinach) AG" mit Sitz in Reinach, Kanton Aargau. Sie stellt Riech-
und Geschmackstoffe her, zum grössten Teil für den Bedarf schweizerischer
Unternehmen, die sich mit der Fabrikation von Lebensmitteln, Getränken,
Genussmitteln, Heilmitteln oder Kosmetik-Artikeln befassen; ein kleinerer
Teil der Produktion ist für die Ausfuhr bestimmt.

    B.- Am 9. Februar 1966 ersuchte die erwähnte Gesellschaft das eidg. Amt
für das Handelsregister um die Bewilligung, in ihrer Firma an Stelle von
"(Reinach)" die Bestandteile "(Schweiz)", "(Suisse)" und "(Switzerland)"
zu führen.

    Das Amt holte gemäss Art. 45 Abs. 2 HRegV die Meinungsäusserung des
Vororts des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins ein. Obschon
dieser bei der Befragung interessierter Fachverbände und der Aargauischen
Handelskammer vorwiegend Antworten erhielt, welche die Bewilligung der
nationalen Bezeichnung befürworteten, sprach er sich gegen die Zulassung
des Gesuches aus.

    C.- Das eidg. Amt für das Handelsregister wies das Gesuch am 28. April
1966 ab, weil kein besonderer Umstand im Sinne von Art. 45 HRegV für
die Bewilligung der nationalen Bezeichnung vorliege.

    D.- Gegen diesen Entscheid führt die Gesuchstellerin
verwaltungsgerichtliche Beschwerde. Sie hält am Antrag auf Gestattung
des Zusatzes "(Schweiz)" in deutscher, französischer und englischer
Sprache fest.

    Das eidg. Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Der Bundesrat hat auf Grund des Art. 944 Abs. 2 OR den
Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften verboten, in ihrer
Firma nationale Bezeichnungen zu verwenden. Das eidgenössische Amt für das
Handelsregister kann jedoch Ausnahmen gestatten, wenn sie durch besondere
Umstände gerechtfertigt sind (Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV). Diese Regelung
gilt auch für territoriale und regionale Zusätze (Art. 46 Abs. 1 HRegV),
wobei es jedoch zur Bezeichnung des Sitzes in substantivischer Form keiner
Bewilligung bedarf (Art. 46 Abs. 3 HRegV).

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, der Zusatz
"(Schweiz)" als Bestandteil ihrer Firma bedürfe keiner Bewilligung, weil
er in substantivischer Form das Land ihres Sitzes bezeichne; Art. 46
Abs. 3 HRegV sei auf diesen Sachverhalt unmittelbar oder mindestens
sinngemäss anwendbar.

    Der Hinweis auf das Land des Sitzes ist eine nationale
Bezeichnung. Hätte der Bundesrat ihn in substantivischer Form ohne
Bewilligung zulassen wollen, so hätte er es in dem die nationalen
Bezeichnungen betreffenden Art. 45 HRegV gesagt, nicht in Art. 46, der
nur die Verwendung territorialer und regionaler Bezeichnungen regelt.
Art. 46 Abs. 3 verwendet den Begriff des Sitzes im üblichen Sinn; er
versteht darunter den als Wohnsitz geltenden Ort. Auf Zusätze über das
Land des Sitzes trifft diese Bestimmung nicht zu.

    Sie ist auch nicht analog anwendbar. Die Angabe des Sitzes in
substantivischer Form hat stets seine Berechtigung, weil das Publikum
an seiner Bekanntgabe interessiert ist; er wird ja auch immer in das
Handelsregister eingetragen und veröffentlicht. Zudem kann der Hinweis auf
den Sitz der Firma weder irreführen noch reklamehaft wirken. Hinweise auf
das Land des Sitzes in substantivischer Form, also die Zusätze "Schweiz",
"Schweizerische Eidgenossenschaft", "Suisse" usw., haben dagegen in der
Regel keinen vernünftigen Sinn. Sie sagen grundsätzlich nichts Neues,
weil überhaupt nur die in der Schweiz niedergelassenen Geschäftsinhaber
eine Firma ohne Angabe des Sitzes in das schweizerische Handelsregister
eintragen lassen können; denn die Firmen von Zweigniederlassungen
ausländischer Unternehmen müssen sowohl den Ort der Hauptniederlassung
als auch jenen der Zweigniederlassung enthalten (Art. 952 Abs. 2 OR). Mit
den Zusätzen "Schweiz", "Schweizerische Eidgenossenschaft" und dergleichen
verfolgt der Geschäftsinhaber einen andern Zweck als die Sitzangabe. Die
Bewilligungspflicht hat hier einen vernünftigen Sinn. Sie soll Missbräuchen
vorbeugen.

    Die Beschwerdeführerin stellt sich übrigens selber auf den Standpunkt,
beim Erlass des Art. 45 HRegV habe noch kein Bedürfnis bestanden, nationale
Bezeichnungen in substantivischer Form in der Verordnung zu erwähnen. Das
kann nur heissen, der Bundesrat habe sich nicht veranlasst gesehen,
die substantivische Form von der Bewilligungspflicht auszunehmen, weil
niemand an ihr interessiert gewesen sei. Daraus folgt nicht, dass wegen
veränderter Verhältnisse dieses Interesse nun immer bestehe, so dass die
Bewilligungspflicht sinnlos geworden sei. Höchstens kann gesagt werden,
es gebe heute Fälle, in denen sich die Bewilligung rechtfertige.

Erwägung 4

    4.- Indem Art. 45 Abs. 1 HRegV bestimmt, Ausnahmen könnten gestattet
werden, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt seien, räumt er
dem eidg. Amt für das Handelsregister ein Ermessen ein. Das heisst nicht,
das Amt dürfe im einzelnen Falle die Bewilligung nach freiem Belieben
erteilen oder verweigern. Es ist nicht einmal befugt, die Grundsätze,
nach denen es sie erteilen will, beliebig zu bestimmen. Es hat nach
sachlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, was unter "besonderen Umständen"
zu verstehen sei, und wenn solche vorliegen, muss es die Bewilligung
erteilen. Wenn es anders vorgeht, überschreitet es den Rahmen seines
Ermessens und verstösst damit im Sinne des Art. 104 Abs. 1 OG gegen
Bundesrecht (BGE 91 I 216 Erw. 3 und dort erwähnte Entscheide).

Erwägung 5

    5.- Das Amt führt aus, Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne
sei eine nationale Bezeichnung in der Regel bewilligt worden, wenn sie
als Importeure oder Fabrikanten besonders auf den schweizerischen Markt
ausgerichtet waren und wenn ausserdem der Konzern auch in andern Ländern
Tochtergesellschaften mit entsprechender nationaler Kennzeichnung besass
und sein Name im breiten Publikum bekannt war. Es erachtet im vorliegenden
Fall die erste und die zweite Voraussetzung als erfüllt und lehnt die
Ausnahmebewilligung nur wegen Fehlens der dritten Voraussetzung ab,
nämlich weil die Firma der Beschwerdeführerin, namentlich die Abkürzung
I.F.F., beim breiten Publikum sozusagen unbekannt sei.

    Damit verstösst das Amt gegen das Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 4
BV), denn es lässt sich keine sachliche Begründung für die unterschiedliche
Behandlung von Konzerngesellschaften mit bekannter und solchen mit nicht
bekannter Firma finden. Der Zusatz "(Schweiz)" dient allgemein dazu,
die Gesellschaft von den im Ausland niedergelassenen andern Gliedern
des Konzerns zu unterscheiden. Es verhält sich ähnlich wie mit dem
Zusatz "(Europe)", z.B. in der Firma "General Atomics (Europe)" (BGE
86 I 249). Der Zusatz "(Schweiz)" hat die erwähnte Bedeutung dank den
zahlreichen Gesellschaften, die ihn mit Bewilligung des Amtes führen,
auch beim geschäftskundigen Publikum erlangt. Die Einklammerung gibt
dem Worte "Schweiz" einen nebensächlichen, bloss erläuternden Sinn. Der
Leser schliesst aus ihr, dass weitere Gesellschaften mit ähnlicher Firma,
aber mit Sitz im Ausland bestehen. Er zieht diesen Schluss selbst dann,
wenn die Zugehörigkeit der Gesellschaft zu einem Konzern nicht allgemein
bekannt ist. Kein normal überlegender Geschäftsmann wird meinen, der Zusatz
wolle z.B. sagen, die Aktien der Gesellschaft gehörten der Schweizerischen
Eidgenossenschaft oder das Unternehmen sei sonstwie von ausländischen
Einflüssen frei. Es besteht somit keine Täuschungsgefahr. Der Zusatz wirkt
gegenteils aufklärend. Er darf nicht wegen dieser Wirkung als reklamehaft
untersagt werden. Eine nicht über die Wahrheit hinausgehende, nicht
marktschreierisch wirkende nationale Bezeichnung in einer Firma ist nicht
deshalb unerlaubt, weil sie Reklame macht, sonst dürfte niemandem mehr
z.B. der Firmenbestandteil "schweizerisch" gestattet werden. Auch unter dem
Gesichtspunkt der Schonung des nationalen Empfindens, dem das Amt Bedeutung
beizulegen scheint, lässt sich der Zusatz "(Schweiz)" nicht beanstanden,
wenn er im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einem internationalen Konzern
verwendet wird. Gewiss braucht sich der Staat nicht ohne weiteres gefallen
zu lassen, dass sein Name privaten Interessen dienstbar gemacht werde
(BGE 67 I 261). Da er sich das aber gefallen lässt, wenn die Gesellschaft
einem bekannten Konzern angehört, muss er es auch hinnehmen, wenn sie
ein Glied eines nicht allgemein bekannten Konzerns ist. Übrigens ist
nicht zu ersehen, inwiefern ein Hinweis, dank dem eine Gesellschaft im
Geschäftsverkehr von ihrer ausländischen Muttergesellschaft und ihren
ausländischen Schwestergesellschaften besser unterschieden werden kann,
die nationale Würde der Schweiz verletzen könnte. Der Zusatz "(Reinach)",
den die Beschwerdeführerin gegenwärtig verwendet, genügt allerdings, um
Verwechslungen mit ausländischen Konzerngesellschaften zu verhüten. Die
Beschwerdeführerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, ihn durch
einen Ausdruck zu ersetzen, der dem ausländischen Leser ohne weiteres
auch sagt, in welchem Lande sie niedergelassen ist. Da entsprechende
Interessen bei Firmen bekannter internationaler Konzerne berücksichtigt
wurden, dürfen sie nicht wegen der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin
zu einem angeblich nicht bekannten Konzern übergangen werden.

    Dass die Beschwerdeführerin nicht die erste Angehörige eines
internationalen Konzerns ist, der das Amt den Zusatz "(Schweiz)" verweigert
haben will, ist kein Grund zur Abweisung der Beschwerde. Das Erfordernis
rechtsgleicher Behandlung verlangt nicht, dass an einer unsachlichen, aus
dem Rahmen des zulässigen Ermessens fallenden Praxis festgehalten werde.

Erwägung 6

    6.- Da sich die Unterscheidung zwischen bekannten und nicht bekannten
Konzernen nicht rechtfertigen lässt, stellt sich die Frage nicht, ob die
Kenntnis beim breiten Publikum oder vielmehr die Kenntnis der Abnehmer
der Erzeugnisse massgebend wäre. Deshalb kommt nichts darauf an, dass die
Beschwerdeführerin ihre Erzeugnisse nicht an das breite Publikum verkauft,
sondern ausschliesslich an Unternehmen, die sie weiterverarbeiten. Diesem
Umstand wäre übrigens entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin keine
Bedeutung beizumessen; denn soweit das Verbot nationaler Bezeichnungen
Täuschungen vorbeugen will, gilt es nicht nur mit Rücksicht auf die
Käufer der Erzeugnisse, sondern auch zum Schutz aller andern Personen,
die mit dem Unternehmen verkehren, z.B. der Arbeitnehmer, der Lieferanten
und der Kreditgeber.

    Unerheblich ist auch, ob das Amt sein Ermessen dadurch überschritten
habe, dass es der Beschwerdeführerin den Zusatz "(Schweiz)" verweigerte,
ihn dagegen gewissen Aktiengesellschaften gestattete, von denen die
Beschwerdeführerin behauptet, ihre Zugehörigkeit zu einem internationalen
Konzern sei dem breiten Publikum nicht bekannt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des eidg. Amtes für das
Handelsregister vom 28. April 1966 aufgehoben und der Beschwerdeführerin
gestattet, den Bestandteil "(Reinach)" ihrer Firma durch die Zusätze
"(Schweiz)", "(Suisse)" und "(Switzerland)" zu ersetzen.