Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 226



92 I 226

39. Urteil vom 1. April 1966 i.S. Schmid & Co. gegen
Eidg. Volkswirtschaftsdepartement. Regeste

    1.  Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Ein erst in dieser Beschwerde
gestellter Eventualantrag auf teilweise Gutheissung eines daselbst
erneuerten Begehrens ist zu berücksichtigen (Erw. 1).

    2.  Abgabe auf der Einfuhr von Eiern: Erhöhung der Abgabe durch einen
Bundesratsbeschluss, der vor der Veröffentlichung in der Sammlung der
eidgenössischen Gesetze in Kraft gesetzt und überdies mit Rückwirkung
ausgestattet wird. Voraussetzungen der Zulässigkeit der Rückwirkung;
Schutz wohlerworbener Rechte (Erw. 2-5).

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 4 BG über geschützte Warenpreise und die
Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte vom 21. Dezember 1960
(AS 1961, 263) wird zur Finanzierung dieser Kasse auf importierten
Eiern und Eiprodukten eine Abgabe erhoben, deren Höhe der Bundesrat
im Verhältnis zu den Leistungen der Kasse bestimmt. Der letzte Satz
dieses Artikels lautet: "Für die Erhebung der Abgabe wird die Einfuhr
dieser Waren der Bewilligungspflicht unterstellt." Die Bewilligung wird
von der Sektion für Ein- und Ausfuhr der Handelsabteilung des Eidg.
Volkswirtschaftsdepartements (EVD) erteilt, welche dabei auch die Abgabe
erhebt (Art. 2 Verordnung des Bundesrates über die Preisausgleichskasse
für Eier vom 11. April 1961, AS 1961, 272).

    B.- Die Beschwerdeführerin Schmid & Co., in Zürich, stellte am
26. Mai 1964 bei der Sektion für Ein- und Ausfuhr ein Einfuhrgesuch
für 160'000 kg Eier, nachdem sie - nach ihren Angaben - einen grossen
Teil der einzuführenden Ware zu festen Preisen an inländische Firmen
der Teigwarenindustrie verkauft hatte. Die Einfuhrbewilligung wurde
am 27. Mai 1964 erteilt, wobei der Gesuchstellerin die damals nach
Art. 2 der zit. Verordnung vom 11. April 1961 Fr. 15.- je q betragende
Importabgabe in Rechnung gestellt wurde. Auf Grund dieser Bewilligung
liess die Beschwerdeführerin am 29. Mai 1964 74'598 kg und später noch
weitere 74'738 kg Eier einführen und verzollen.

    Mit Beschluss vom 29. Mai 1964 erhöhte der Bundesrat die Abgabe
für Eier auf Fr. 30.- je q (Ziff. I), wobei er bestimmte (Ziff. II und
III): "Die unter Ziff. I festgesetzten Abgaben sind auf allen Waren zu
erheben, die nach Inkrafttreten dieses Beschlusses zur Einfuhrverzollung
angenommen werden. Dieser Beschluss tritt am 29. Mai 1964 in Kraft und
gilt bis zum 31. Dezember 1964." Die beteiligten Firmen wurden durch
Zirkular der Sektion für Ein- und Ausfuhr vom 29. Mai 1964 und durch
Veröffentlichung im Schweiz. Handelsamtsblatt vom 30. Mai 1964 über den
neuen Bundesratsbeschluss orientiert. Er wurde in Nr. 23 der Sammlung
der eidgenössischen Gesetze vom 4. Juni 1964 veröffentlicht (AS 1964, 530).

    Die Sektion für Ein- und Ausfuhr wandte diesen Bundesratsbeschluss
auf die erwähnten Einfuhren der Beschwerdeführerin an und forderte daher
von ihr Abgaben im Betrage von Fr. 22'400.45 (Zuschlag von Fr. 15.-
je q) nach, wovon Fr. 11'189.70 auf die am 29. Mai 1964 verzollten
Eier entfallen. Die Firma Schmid & Co. erhob hiegegen Beschwerde mit
dem Begehren, es seien ihr Fr. 22'400.45, eventuell Fr. 11'189.70
zurückzuerstatten. Die Handelsabteilung des EVD wies die Beschwerde ab. Das
EVD, an welches die Beschwerdeführerin diesen Entscheid weiterzog, trat
auf ihren Eventualantrag nicht ein; ihren Hauptantrag wies es ebenfalls ab
(Entscheid vom 9. September 1965).

    C.- Gegen den Entscheid des Departements führt die Firma Schmid
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher sie die im Verfahren vor der
Verwaltung gestellten Anträge wiederholt.

    Zur Begründung des Hauptantrages macht sie geltend, nach dem
letzten Satz des Art. 4 BG über geschützte Warenpreise und die
Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte werde die Erhebung der
Abgabe an die Einfuhrbewilligung, nicht an die Verzollung geknüpft. Mit
dieser Ordnung sei der angefochtene Entscheid nicht vereinbar. Die im
Bewilligungsverfahren festgesetzte Abgabe dürfe nicht nachträglich,
bei der Verzollung, erhöht werden. Der Grundsatz der Rechtskraft der
Abgabeverfügungen sei missachtet worden. Der BRB vom 29. Mai 1964 sei
bereits vor seiner Veröffentlichung in Kraft gesetzt worden und verstosse
damit gegen das Verbot der Rückwirkung rechtsetzender Erlasse, welches in
Art. 58 Abs. 2 BG über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie
über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse
vom 23. März 1962 (AS 1962, 773) und in Art. 9 BG über die Rechtskraft
der bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen für die Jahre
1848-1947 und über die neue Reihe der Sammlung vom 12. März 1948 (AS 1949,
1523) anerkannt sei. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die
Rückwirkung zugelassen werde, seien nicht erfüllt.

    Zur Begründung des Eventualantrages wird ausgeführt, auf jeden
Fall seien elementare rechtsstaatliche Grundsätze, namentlich das
Rückwirkungsverbot, dadurch verletzt, dass die vom Bundesrat am 29. Mai
1964 beschlossene Erhöhung der Abgabe sogar auf die am gleichen Tage -
vermutlich noch vor der Fassung dieses Beschlusses - verzollten Eier
ausgedehnt werde.

    D.- Das EVD beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das EVD ist auf den Eventualantrag, mit welchem die
Beschwerdeführerin die Rückerstattung der nachgeforderten Abgaben
mindestens für die am 29. Mai 1964 verzollten Eier verlangt, nicht
eingetreten, weil er in der ihm eingereichten Beschwerdeschrift
nicht begründet worden sei. Es geht auch in der Vernehmlassung an das
Bundesgericht auf diesen Antrag nicht ein, da die Beschwerdeführerin gegen
den Nichteintretensentscheid nichts eingewendet habe. Indessen hat die
Beschwerdeführerin schon in der Beschwerde an das EVD (S. 4) erklärt,
der Bundesrat hätte seinen Beschluss vom 29. Mai 1964 nicht auf diesen
Tag in Kraft setzen dürfen, weil darin eine unzulässige Rückwirkung
liege. Abgesehen hievon ist es zulässig, einen Eventualantrag auf
teilweise Gutheissung eines schon der Vorinstanz unterbreiteten und in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuerten Begehrens auch erst im Verfahren
vor dem Bundesgericht zu stellen. Das Gericht könnte zur teilweisen
Gutheissung selbst dann gelangen, wenn sie nicht ausdrücklich beantragt
wäre. Der Eventualantrag der Beschwerdeführerin ist daher zu prüfen.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin behauptet, einen grossen Teil des auf Grund
der Einfuhrbewilligung vom 27. Mai 1964 importierten Eierquantums schon
vor Erhalt dieser Bewilligung zu festen Preisen an inländische Firmen der
Teigwarenindustrie verkauft zu haben. Indessen gibt sie nicht bekannt, wem
und zu welchen Preisen sie die Ware verkauft hat, noch äussert sie sich
dazu, ob sie trotz der festen Preisabmachung die Abnehmer habe bestimmen
können, die ihr auferlegten zusätzlichen Abgaben zu übernehmen. Sie macht
lediglich in abstrakter Weise geltend, dass der Importeur in einem Falle,
wie er hier vorliege, einen Verlust erleide, unabhängig davon, ob er
die nachträglich geforderte Abgabe auf seine Abnehmer überwälzen könne
oder nicht. Das EVD verlangt in seiner Vernehmlassung die Edition der
Verkaufsverträge und bestreitet, dass überhaupt ein Verlust eingetreten
sei. Die Edition der Verträge ist jedoch nicht notwendig: Wird die durch
BRB vom 29. Mai 1964 angeordnete Erhöhung der Abgaben auf Waren, deren
Einfuhr bereits vor dem Inkrafttreten dieses Beschlusses bewilligt,
aber erst nachher durchgeführt worden ist, als rechtmässig befunden,
so ist die Beschwerde abzuweisen; trifft das Gegenteil zu, so ist sie
gutzuheissen. Ob die Beschwerdeführerin einen Schaden erlitten hat oder ob
sie die zusätzliche Abgabe hat überwälzen können, ist für die Beurteilung
der Beschwerde unerheblich.

Erwägung 3

    3.- Der Bundesrat hat den am 29. Mai 1964 gefassten Beschluss,
die Abgabe für Eier zu erhöhen, sofort in Kraft gesetzt, ohne
die Veröffentlichung in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze
abzuwarten. Ausserdem hat er dem Beschluss Rückwirkung verliehen. Die
Rückwirkung besteht darin, dass Ziff. II des Beschlusses, wonach die
erhöhte Abgabe auf allen nach seinem Inkrafttreten zur Einfuhrverzollung
angenommenen Waren zu erheben ist, auch Fälle erfasst, in denen
die Einfuhrbewilligung schon vor seinem Inkrafttreten erteilt worden
ist. Wohl wird die Abgabe nach Art. 4 BG über geschützte Warenpreise und
die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte vom 21. Dezember 1960 auf
"importierten" Eiern und Eiprodukten erhoben, was bedeutet, dass sie eine
Einfuhrabgabe darstellt, also nur geschuldet ist, wenn die Ware eingeführt
wird. Indessen bestimmt derselbe Artikel im letzten Satz, dass für die
Erhebung der Abgabe die Einfuhr der Bewilligungspflicht unterstellt wird.
Demnach wird die Abgabe nicht erst bei der Verzollung und dementsprechend
nicht von der Zollbehörde erhoben, sondern schon bei der Erteilung der
Einfuhrbewilligung, und zwar von der Sektion für Ein- und Ausfuhr der
Handelsabteilung des EVD, in deren Geschäftskreis die Ausstellung solcher
Bewilligungen fällt (Art. 2 Verordnung über die Preisausgleichskasse für
Eier vom 11. April 1961). Die Veranlagung ist freilich resolutiv bedingt
in dem Sinne, dass die Abgabepflicht dahinfällt und die erhobene Abgabe
zurückzuerstatten ist, wenn und soweit die bewilligte Einfuhr unterbleibt.
Dies ändert aber nichts daran, dass die Abgabe bereits bei der Erteilung
der Einfuhrbewilligung festgesetzt, veranlagt wird. In der Anordnung des
Bundesrates, die erhöhte Abgabe auch für Einfuhren zu erheben, die im
Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Erlasses bereits bewilligt, aber
noch nicht durchgeführt sind, liegt also tatsächlich eine rückwirkende
Erhöhung bereits veranlagter Abgaben, ein Widerruf von Verwaltungsakten.

    Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Bundesrat hätte seinen
Beschluss vom 29. Mai 1964, die Abgabe zu erhöhen, weder sofort in Kraft
setzen noch mit Rückwirkung ausstatten dürfen. Auf diese Einwendungen ist
einzutreten, da sie Fragen betreffen, welche vom Bundesgericht zu prüfen
sind, wo es sich, wie hier, um die Rechtmässigkeit einer Verordnung
des Bundesrates handelt (Art. 113 Abs. 3 und Art. 114 bis Abs. 3 BV
e contrario).

Erwägung 4

    4.- Art. 9 BG über die Rechtskraft der bereinigten Sammlung der
Bundesgesetze und Verordnungen für die Jahre 1848-1947 und über die neue
Reihe der Sammlung (Rechtskraftgesetz) bestimmt, dass die nach diesem
Gesetz in die neue Gesetzessammlung aufzunehmenden Erlasse für den
Bürger nur verbindlich sind, wenn sie in dieser Sammlung veröffentlicht
sind. Art. 58 Abs. 2 BG über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung
sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse
(Geschäftsverkehrsgesetz) schreibt zudem (wie Art. 36 Abs. 2 des früheren
Geschäftsverkehrsgesetzes vom 9. Oktober 1902) vor, dass der Zeitpunkt
des Inkrafttretens eines Erlasses der Bundesversammlung in der Regel
nicht früher als fünf Tage nach der Veröffentlichung angesetzt werden
soll. Derselbe Grundsatz gilt für die Erlasse des Bundesrates und seiner
Departemente (Art. 4 Verordnung über die Veröffentlichung der Gesetze
und anderer Erlasse des Bundes vom 8. November 1949, AS 1949, 1527).

    Diese Ordnung wird in der Rechtswissenschaft verschieden ausgelegt
(vgl. insbesondere W. GEIGER und H. BRÜHWILER, Veröffentlichung
und Inkrafttreten bundesrechtlicher Erlasse, SJZ 1952 S. 56 ff., 268
ff.). GEIGER ist der Ansicht, dass das Inkrafttreten eines Erlasses zwar
ausnahmsweise früher als fünf Tage nach der Veröffentlichung angesetzt,
niemals aber vor die Veröffentlichung verlegt werden dürfe. Dagegen hält
BRÜHWILER dafür, dass ein Erlass schon auf einen vor der Veröffentlichung
liegenden Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden könne, wenn triftige Gründe es
notwendig machen. In der Praxis nimmt der Bundesrat das Recht hiezu immer
wieder in Anspruch, vgl. BRB betreffend Preisaufschläge auf Futtermitteln
vom 28. Juni 1963, in Kraft getreten am 1. Juli 1963, veröffentlicht
am 5. Juli 1963 (AS 1963, 607); BRB betreffend Preiszuschläge auf
Futtermitteln vom 5. Oktober 1964, rückwirkend in Kraft gesetzt auf den
1. Oktober 1964, veröffentlicht am 8. Oktober 1964 (AS 1964, 875); BRB
betreffend Preiszuschläge auf Futtermitteln vom 1. Oktober 1965, in Kraft
getreten am 1. Oktober 1965, veröffentlicht am 7. Oktober 1965 (AS 1965,
874); BRB betreffend vorläufige Erhebung eines erhöhten Zollzuschlages
auf Treibstoffen zur Finanzierung der Nationalstrassen vom 30. April
1965, in Kraft getreten am 3. Mai 1965, veröffentlicht am 6. Mai 1965
(AS 1965, 415); BRB betreffend Verkaufspreise der Alkoholverwaltung und
BRB über die Entrichtung von Alkoholmonopolgebühren vom 10. August 1965,
in Kraft gesetzt auf den 11. August 1965, veröffentlicht am 12. August 1965
(AS 1965, 633, 634).

    Die sofortige oder gar rückwirkende Inkraftsetzung eines Erlasses
stösst auf das Bedenken, dass die Rechtslage für den Bürger grundsätzlich
voraussehbar sein soll. So sollte z.B. der Importeur wissen können,
mit welchen Einfuhrabgaben er rechnen muss. Diese Voraussehbarkeit wird
beeinträchtigt, wenn eine sofortige oder gar rückwirkende Inkraftsetzung
neuen Rechts gewärtigt werden muss. Zwar ist die Voraussehbarkeit vielfach
ohnehin beschränkt. Der Importeur wird das Risiko einer raschen Änderung
der Rechtsordnung oft auch dann tragen müssen, wenn das Inkrafttreten
nicht früher als fünf Tage nach der Veröffentlichung angesetzt wird. Er
wird dieses Risiko meistens nicht auf den Abnehmer überwälzen können,
sofern er beim Weiterverkauf nicht einen entsprechenden Vorbehalt
gemacht hat. Indessen wird das Risiko noch wesentlich gesteigert, wenn
mit einer sofortigen oder gar rückwirkenden Inkraftsetzung neuen Rechts
gerechnet werden muss. Dem Interesse des Bürgers an der Voraussehbarkeit
der Rechtsordnung können jedoch erhebliche öffentliche Interessen an der
sofortigen oder gar rückwirkenden Inkraftsetzung entgegenstehen. Diese
Interessen können vorgehen, insbesondere wenn nicht fiskalische, sondern
wirtschaftspolitische Zwecke im Vordergrund stehen. Wo es sich so verhält,
muss ein Erlass unter Umständen sofort, ja sogar rückwirkend in Kraft
gesetzt werden können.

    Art. 58 Abs. 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes (welchem Art. 4 der
Verordnung über die Veröffentlichung der Gesetze und anderer Erlasse
des Bundes vom 8. November 1949 entspricht) lässt hiefür Raum; denn er
schreibt nur vor, dass das Inkrafttreten eines Erlasses "in der Regel"
nicht früher als fünf Tage nach der Veröffentlichung angesetzt werden soll,
gestattet also Abweichungen von der Regel. Im gleichen Sinne ist Art. 9 des
Rechtskraftgesetzes zu verstehen. Er bestimmt nicht etwa, dass die in die
Gesetzessammlung aufzunehmenden Erlasse für den Bürger erst verbindlich
werden, nachdem sie dort veröffentlicht worden sind, sondern lediglich,
dass sie für den Bürger "nur verbindlich sind, wenn sie in dieser Sammlung
veröffentlich sind". Er knüpft also die Verbindlichkeit für den Bürger an
die Bedingung, dass der Erlass (überhaupt) veröffentlicht wird, d.h. er
besagt, dass die Norm gegenüber dem Bürger nicht durchgesetzt werden kann,
bevor sie veröffentlicht ist.

Erwägung 5

    5.- In der schweizerischen Rechtsprechung und Lehre ist jedoch
anerkannt, dass im Gebiete des Verwaltungsrechts die Rückwirkung von
Erlassen, welche den Bürger belasten, nur zulässig ist, wenn und soweit
sie mit gewissen aus der Verfassung abgeleiteten Grundsätzen vereinbar
ist. Die Rückwirkung wird zugelassen, wenn sie

    a) ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar
gewollt ist,

    b) in zeitlicher Beziehung mässig ist,

    c) zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt,

    d) sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen lässt und

    e) nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (BGE 44 II 427, 47 I
15 Erw. 2, 50 I 37 Erw. 4, 61 I 92, 67 I 188, 70 I 20 Erw. 3, 74 I
470, 77 I 144 und 189; CH. OTT, Der Grundsatz der Nichtrückwirkung von
Verwaltungsrechtsnormen, Zürcher Diss. 1952; M. IMBODEN, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl., S. 157 f.; s. auch Z. GIACOMETTI,
Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, Bd. I,
S. 186 ff.).

    Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so
ergibt sich:

    a) Aus dem BRB vom 29. Mai 1964 geht klar hervor, dass eine Rückwirkung
auf die schon vor dem Inkrafttreten dieses Beschlusses bewilligten und
erst nachher verzollten Importe gewollt ist.

    b) Diese Rückwirkung ist zeitlich mässig; denn die Einfuhrbewilligungen
werden höchstens einige Wochen vor der Verzollung eingeholt.

    c) Die Rückwirkung des genannten BRB führt auch nicht zu stossenden
Rechtsungleichheiten. In der Tat werden alle im Zeitpunkt seines
Inkrafttretens noch nicht verzollten Waren gleich behandelt.

    d) Die Belastung der Einfuhr von Eiern und Eiprodukten mit Abgaben
zugunsten der Preisausgleichskasse ist eine wirtschaftspolitische
Lenkungsmassnahme. Es werden damit Beiträge an die Kosten des Vertriebs
von Inlandeiern finanziert, wodurch deren Absatz erleichtert wird. Dieses
Umlageverfahren ermöglicht zugleich eine liberale Handhabung des Importes,
ohne mengenmässige Beschränkung und Kontingentierung (BBl 1955 II
S. 984, 1960 II S. 612 und 615). Es liegt im Wesen wirtschaftslenkender
Abgaben, dass sie veränderten Verhältnissen rasch müssen angepasst werden
können. Deshalb hat der Gesetzgeber die Festsetzung der Höhe der Abgaben
auf importierten Eiern und Eiprodukten dem Bundesrat delegiert (Art. 4
BG über geschützte Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier
und Eiprodukte).

    Nach den Darlegungen des EVD hatten die der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft angeschlossenen Staaten mit Wirkung vom 25. Mai
1964 an den "zusätzlichen Abschöpfungsbetrag auf Eiern aus Drittländern"
von 50 auf 80 DM je q erhöht. Man befürchtete deshalb, die Drittländer
würden vermehrt versuchen, ihre Eier in den kommenden Tagen und Wochen
in der Schweiz abzusetzen. Weil die Preise für Importeier franko
Schweizergrenze (mit Einschluss der Importabgaben) auf einen Tiefstand
gesunken waren und die Einfuhr dieser Ware mengenmässig nicht beschränkt
war, musste damit gerechnet werden, dass der Absatz der teureren Inlandeier
durch massenhafte Importe erheblich beeinträchtigt werden könnte.

    Unter diesen Umständen hatte der Bundesrat einen triftigen Grund,
sofort eine Erhöhung der Importabgabe zu beschliessen und diesen Beschluss
unverzüglich in Kraft zu setzen; denn ein längeres Zuwarten hätte den
erstrebten Schutz des Absatzes der Inlandeier in Frage gestellt, weil noch
beträchtliche Mengen von Eiern zum alten Ansatz hätten eingeführt werden
können. Es bestand aber auch ein vertretbarer Grund, dem Beschluss des
Bundesrates Rückwirkung auf die Fälle zu verleihen, in denen am Tage der
Beschlussfassung eine Einfuhrbewilligung bereits vorlag, die Einfuhr jedoch
noch nicht durchgeführt war. In der Tat war diese Massnahme geeignet,
den Schutz der Inlandproduktion noch zu verstärken.

    e) Diese Rückwirkung erfasst auch die Importe, welche
die Beschwerdeführerin auf Grund der am 27. Mai 1964 erhaltenen
Einfuhrbewilligung nach dem Inkrafttreten des BRB vom 29. Mai 1964 hat
verzollen lassen. Dies gilt nicht nur für die nach diesem Tage verzollten
74'738 kg, sondern auch für die am 29. Mai 1964 selbst verzollten 74'598
kg; denn der genannte BRB ist an diesem Tage um 0 Uhr in Kraft getreten,
wie mangels anderer Anordnung angenommen werden muss (vgl. Art. 4 Abs. 1
Verordnung über die Veröffentlichung der Gesetze und anderer Erlasse
des Bundes vom 8. November 1949). Die noch zu prüfende Frage, ob die
Rückwirkung des BRB in wohlerworbene Rechte der Beschwerdeführerin
eingreift, stellt sich daher für beide erwähnten Einfuhrmengen.

    Der Beschwerdeführerin war der BRB vom 29. Mai 1964 im Zeitpunkte der
Verzollung des ersten Quantums, der 74'598 kg, noch nicht bekannt. Sie
hat am 29. Mai 1964 von der am 27. Mai 1964 erhaltenen Einfuhrbewilligung
im Vertrauen darauf Gebrauch gemacht, dass es bei der auf Fr. 15.- je
q festgesetzten Abgabe bleibe. Als sie nachträglich vom BRB vom 29. Mai
1964 Kenntnis erhielt, war es ihr nicht mehr möglich, auf die Einfuhr der
74'598 kg im Hinblick auf die Erhöhung der Importabgabe zu verzichten. Die
Einfuhr war bereits vollzogen. Hat der Private unter solchen Umständen
von einer ihm durch eine Verwaltungsverfügung eingeräumten Befugnis -
hier dem Recht zur Einfuhr - bereits Gebrauch gemacht, so ist es nach
der Rechtsprechung nicht zulässig, dass die Verwaltungsbehörde diese
Verfügung - ohne Ermächtigung durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung
- nachträglich abändert; denn in Fällen dieser Art hat das Postulat der
Rechtssicherheit den Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an
der Änderung der Rechtslage (BGE 88 I 227, 89 I 434). Unter den gleichen
Voraussetzungen geht es auch nicht an, dass der Verwaltungsakt auf Grund
einer rückwirkenden Verordnung abgeändert wird. Soweit die Rückwirkung des
BRB vom 29. Mai 1964 den an diesem Tage durchgeführten Import von 74'598 kg
erfasst, verletzt sie somit ein wohlerworbenes Recht der Beschwerdeführerin
und ist daher unzulässig. In diesem Punkte ist die Beschwerde gutzuheissen.

    Anders verhält es sich mit dem erst nach dem 29. Mai 1964
verzollten Quantum von 74'738 kg. Hier hat die Beschwerdeführerin von
der Einfuhrbewilligung erst Gebrauch gemacht, als sie bereits Kenntnis
vom BRB vom 29. Mai 1964 hatte. Sie hätte darauf verzichten können,
die 74'738 kg mit der erhöhten Abgabenbelastung einzuführen. In dieser
Beziehung liegt ein Eingriff in ein wohlerworbenes Recht nicht vor und
ist daher die Beschwerde abzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der angefochtene
Entscheid insoweit aufgehoben, als er Eierimporte betrifft, die am
29. Mai 1964 verzollt und in der Folge mit der zusätzlichen Abgabe an die
Preisausgleichskasse für Eier belastet wurden. Die zuviel erhobenen Abgaben
im Betrage von Fr. 11'189.70 sind der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten
oder gutzuschreiben.

    Das weitergehende Beschwerdebegehren wird abgewiesen.