Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 I 143



92 I 143

25. Urteil vom 26. März 1966 i.S. Katholisches Jugendsekretariat und
Mitbeteiligte gegen PTT. Regeste

    1.  Formelle und materielle Legitimation zur Erhebung einer
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2).

    2.  Die umstrittene Weisung der Post, mit der die Beförderung
regalfreier Sendungen eingeschränkt wird, verstösst gegen den in
Art. 4 Abs. 1 PVG ausgesprochenen Grundsatz der Rechtsgleichheit. Wäre
die Weisung auch bei rechtsgleicher Behandlung der Postbenützer
gesetzeswidrig? (Erw. 3-5).

Sachverhalt

    A.- Seit 1956 geben zahlreiche römisch-katholische Pfarreien
des Kantons Zürich ein "Katholisches Pfarrblatt für Stadt und Kanton
Zürich" heraus. Das Pfarrblatt erscheint mit Ausnahme der Ferienmonate
Juli und August wöchentlich. Die Gesamtheit der Pfarreien, die dieses
Pfarrblatt verwenden, wird als "Pfarrblatt-Gemeinschaft" bezeichnet. Die
Pfarrblatt-Gemeinschaft hat das Katholische Jugendsekretariat des Kantons
Zürich mit der Herausgabe des Pfarrblattes beauftragt.

    1964 umfasste die Pfarrblatt-Gemeinschaft 53 Pfarreien; das Pfarrblatt
wurde ca. 42 000 Abonnenten zur Taxe für abonnierte Zeitungen und
Zeitschriften von 1 1/4 Rappen bis 50 g zugestellt (Art. 20 Abs. 1 PVG).

    B.- Zu Beginn des Jahres 1965 traten drei weitere Pfarreien,
nämlich Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang mit ca. 2600
Abonnenten der Pfarrblatt-Gemeinschaft bei. Bis dahin hatten die drei
Pfarreien ihr eigenes Pfarrblatt; dieses wurde in Zürich Dreikönigen und
Rümlang in ca. 260 Exemplaren durch die Post zugestellt und in Zürich St.
Theresia durch Schulkinder ausgetragen.

    Am 15. Januar 1965 teilte die Kreispostdirektion Zürich telephonisch
und am 1. Februar schriftlich dem Jugendsekretariat auf Anfrage mit,
wegen des zunehmenden Personalmangels sei es der Post nicht möglich,
"die gänzlich oder im wesentlichen Umfang neu der Post zur Vertragung
übergebenen katholischen Pfarrblätter zu den Taxen und Bedingungen für
abonnierte Zeitungen zu akzeptieren". Gleichzeitig erklärte sich die
Kreispostdirektion aber bereit, die Pfarrblätter der drei Pfarreien -
im Sinne einer Übergangslösung - vorläufig als adressierte PP-Drucksache
zur Taxe von 5 Rappen bis 50 g anzunehmen (Art. 17 Abs. 1 PVG).

    C.- Am 10. April 1964 war folgende dienstliche Mitteilung der
PTT-Betriebe ergangen:

    "Zustellung von bisher durch Private vertragenen Zeitungen Die
missliche Lage auf dem Arbeitsmarkt veranlasst immer häufiger die Verleger
regionaler, bisher von Privaten vertragenen Tageszeitungen, zu versuchen,
diese dauernd durch die Post zustellen zu lassen.

    Ob und in welchem Umfange dies geschehen kann, muss von Fall zu
Fall geprüft werden. Die Poststellen werden deshalb gebeten, allfälligen
Begehren von Zeitungsverlegern auf Vertragung ihrer Zeitungen durch die
Post nicht von sich aus zu entsprechen. Solche Gesuche sind unverzüglich
an die vorgesetzte Kreispostdirektion weiterzuleiten, die, gegebenenfalls
nach Rücksprache mit der Postbetriebsabteilung, entscheidet, ob dem
Wunsche stattgegeben werden kann oder nicht.

    Sofern es sich um kurzfristige Übernahmen handelt (z.B.
wenn Verträger wegen Unfall, Krankheit usw. ausfallen), können die
Poststellen von sich aus, sofern es die Verhältnisse erlauben, derartigen
Anliegen entsprechen. Bei dieser Gelegenheit wird daran erinnert, dass
nur ausnahmsweise der Post zur Vertragung übergebene Zeitungen, der
Drucksachentaxe unterliegen (A 1, Nr. 232)." (in "Dienstliche Mitteilungen
der PTT-Betriebe" Nr. 165/1964).

    Diese Mitteilung wurde am 5. Februar 1965 dahin ergänzt, sie beziehe
sich nun auf alle Veröffentlichungen (illustrierte Wochenzeitungen,
Pfarrblätter und dgl.), die zur Zeit durch Private vertragen würden
("Dienstliche Mitteilungen der PTT-Betriebe" Nr. 119/1965).

    D.- Am 12. März 1965 verlangten das Jugendsekretariat und die
Pfarrblatt-Gemeinschaft von der Generaldirektion der PTT, den Abonnenten
der drei genannten Pfarreien das Pfarrblatt zu den gleichen Bedingungen
wie den übrigen Abonnenten zuzustellen. Ihre Beschwerde wurde vom Direktor
der Postdienste und nach Weiterzug der Sache von der Generaldirektion
der PTT abgewiesen.

    E.- Gegen den Entscheid der Generaldirektion der PTT haben die
Beschwerdeführer die verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
erhoben mit dem Antrag, auch den neuen Abonnenten sei das Pfarrblatt
nach den Vorschriften und Taxen für abonnierte Zeitungen zuzustellen. In
einer besondern Eingabe äussern sich die Beschwerdeführer zu ihrer
Aktivlegitimation.

    Die Generaldirektion der PTT verlangt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde ist wie folgt unterzeichnet: "Katholisches
Jugendsekretariat: Katholisches Pfarrblatt für Stadt und Kanton
Zürich: Dr. F. Demmel, Redaktor." Diese Art Unterzeichnung zeigt mit
genügender Deutlichkeit, dass der Redaktor namens des Jugendsekretariats
und namens der in der Pfarrblatt-Gemeinschaft zusammengeschlossenen
Pfarreien Beschwerde führen wollte. Demnach sind Jugendsekretariat und
Pfarrblatt-Gemeinschaft, insbesondere die ihr angehörenden Kirchgemeinden
von Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang, als Parteien des
vorliegenden verwaltungsrechtlichen Verfahrens zu betrachten mit Redaktor
Dr. F. Demmel als bevollmächtigtem Vertreter.

Erwägung 2

    2.- Da die genannten Beschwerdeführer schon im bisherigen Verfahren als
Parteien beteiligt waren, sind sie formell zur Beschwerde legitimiert; auf
die Beschwerde ist deshalb einzutreten. Neben der formellen Legitimaton ist
jedoch gemäss Art. 103 Abs. 1 OG erforderlich, dass die Beschwerdeführer
durch den angefochtenen Entscheid in ihren rechtlich geschützten Interessen
verletzt worden sind, d.h. die Legitimation zur Sache besitzen (BGE 85
I 124 Erw. 2; 87 I 225, 433; 87 I 476 f. und dort zitierte Entscheide;
vgl. auch BGE 90 I 63; KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim
Bundesgericht, S. 32 f.). Es ist somit zu prüfen, ob das katholische
Jugendsekretariat und die der Pfarrblatt-Gemeinschaft angeschlossenen
Pfarreien in ihren Rechten als Postbenützer verletzt worden sind
(vgl. Art. 99 XI OG; BGE 83 I 50).

    a) Wie aus der Zuschrift des Jugendsekretariats vom 10.  März 1966
hervorgeht, besteht zwischen diesem und der Pfarrblatt-Gemeinschaft nur
insofern eine Beziehung, als der Leiter des Jugendsekretariats, Dr.
Demmel, gleichzeitig Redaktor des Pfarrblatts ist. Der Versand der
Pfarrblätter, der zu den hier umstrittenen Fragen Anlass gegeben hat,
erfolgt ausschliesslich durch die Pfarrämter. Es fehlt daher an der
Sachlegitimation des katholischen Jugendsekretariats, und dessen Beschwerde
ist abzuweisen.

    b) Die Beschwerdelegitimation der Kirchgemeinden Zürich Dreikönigen,
Zürich St. Theresia und Rümlang ist dagegen zu bejahen, da sie das
Bundesgericht zum Schutze subjektiver Rechte anrufen, die ihnen durch
den angedrohten Ausschluss von der Postbeförderung und die Verfügung über
die Posttaxen als verletzt erscheinen.

    c) Fraglich ist aber, ob die übrigen zur Pfarrblatt-Gemeinschaft
gehörenden Kirchgemeinden ebenfalls beschwerdeberechtigt sind. Die
Pfarrblatt-Gemeinschaft ist eine einfache Gesellschaft. Jeder
Gesellschafter hat ein Interesse daran, dass sich viele Pfarreien mit
einer möglichst grossen Zahl Abonnenten der Gemeinschaft anschliessen,
weil damit die Auflage erhöht wird und sich für den Verkauf günstigere
Bedingungen ergeben. Wird ein Teil der Pfarrblätter von der Post nicht
zur Zeitungstaxe oder überhaupt nicht spediert, so sind Verbreitung
und Vertrieb erschwert. Es haben somit alle der Pfarrblatt-Gemeinschaft
angeschlossenen Pfarreien ein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheides, welcher der Entwicklung ihres Unternehmens abträglich ist;
ihr Interesse ist aber ein mittelbares, das dem vom Gesetz geforderten
Rechtsschutzinteresse nicht gleichgestellt werden kann (vgl. BGE 83 I 50,
85 I 124; 87 I 476 und dort zitierte Entscheide; KIRCHHOFER aaO S. 32 f;
GYGI, Die Beschwerdebefugnis im Verwaltungsprozess, ZBl 61 (1960), 473
f.). Die Sachlegitimation der nur mittelbar betroffenen Kirchgemeinden,
die als Dritte vom angeblich gesetzwidrigen Verwaltungsakt bloss
reflexweise berührt werden, besteht nicht: Ihre Begehren sind wie die
des Jugendsekretariats abzuweisen.

Erwägung 3

    3.- Art. 4 Abs. 1 PVG verleiht jedermann ein subjektives öffentliches
Recht, die der Post übergebenen Sendungen nach Massgabe der Bestimmungen
des PVG, der Postordnung und der dazu gehörigen Ausführungsbestimmungen
befördern zu lassen. Die diesem Recht entsprechende Beförderungspflicht
der Postverwaltung erstreckt sich auf regalpflichtige und regalfreie
Sendungen (BGE 59 I 171; TUASON, Das Recht der PTT-Betriebe, 2. Auflage
1959, S. 9 und 47; RUFFY, L'obligation de transporter en droit postal,
ferroviaire et aérien suisse, S. 29).

    In Rücksicht auf den die Postverwaltung empfindlich treffenden
Personalmangel ist die Beförderungspflicht mit Bundesgesetz vom 9. März
1962 eingeschränkt worden (AS 1962 S. 973 f.). Mit dieser Gesetzesänderung
wurden dem Postverkehrsgesetz neu die Art. 15 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2
beigefügt, die von der Beförderung durch die Post unfrankierte Warenmuster
sowie Warenmuster ohne Adresse über 50 g, ferner Drucksachen ohne Adresse
über 100 g ausnehmen (vgl. dazu auch Botschaft des Bundesrates vom 26. März
1961, Bundesblatt 1961 I 1129).

Erwägung 4

    4.- In der hier umstrittenen Weisung, die in Dienstanordnungen
vom 10. April 1964 und 5. Februar 1965 ihren Ausdruck gefunden hat,
ist die Postverwaltung noch einen Schritt weiter gegangen: Sie hat
Einschränkungen getroffen, die dahin gehen, alle zusätzlichen Leistungen
auf dem Sektor der regalfreien Sendungen abzulehnen. Dementsprechend hat
sie die Beförderung der Pfarrblätter der drei zürcherischen Pfarreien
nur vorübergehend und zur Drucksachentaxe übernommen.

    Ob die Post die von ihr behauptete Unmöglichkeit der Leistung
darzutun vermöchte, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre dazu der Nachweis
erforderlich, dass sie trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten und aller
ihr zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr in der Lage ist, in vollem
Umfang den gesetzlich umschriebenen Leistungen nachzukommen. Gegen eine
solche Annahme scheint auf den ersten Blick die Tatsache zu sprechen,
dass in vorliegender Sache die gewünschte Postbeförderung zum Tarif für
Drucksachen gewährt worden ist. Dahingestellt bleibt im weitern, ob die
Post - die Unmöglichkeit der Leistung vorausgesetzt - Inhalt und Umfang der
Beförderungspflicht durch blosse Ausführungsbestimmung oder Verordnung im
Sinne von Art. 4 Abs. 1 PVG einschränken kann. Zweifel an der Zulässigkeit
eines solchen Vorgehens ergeben sich vor allem deshalb, weil, wie die
Postverwaltung in ihren Darlegungen anerkennt, mit der umstrittenen
Dienstanweisung nicht einer momentanen Notlage begegnet werden soll,
sondern weil dieser Weisung die Rolle einer das Gesetz ergänzenden,
auf die Dauer angelegten Regelung zufällt. Endlich ist auch nicht zu
prüfen, ob die Weisung, auf die sich die Post stützt, überhaupt eine
Ausführungsbestimmung gemäss Art. 4 Abs. 1 PVG ist: Die von ihr erlassene
Weisung verstösst nämlich gegen den im Postverkehrsgesetz Art. 4 Abs. 1 und
in der Bundesverfassung aufgenommenen Grundsatz rechtsgleicher Behandlung
und ist schon deshalb unbeachtlich.

Erwägung 5

    5.- Die Post geht zunächst zutreffend davon aus, bei einer
Unmöglichkeit, der gesetzlichen Leistungspflicht nachzukommen,
sei in erster Linie die Beförderung nicht regalpflichtiger Sendungen
einzuschränken. Diese Einschränkung nimmt sie dann aber in unzulässiger
Weise vor.

    a) Die Anordnung, es seien keine Veröffentlichungen neu zur dauernden
Vertragung durch die Post zu übernehmen, begünstigt in sachlich nicht
zu rechtfertigender Weise Verleger, die schon vor Inkrafttreten dieser
Bestimmung zur Postzustellung übergegangen sind, gegenüber solchen, die -
teilweise den Wünschen der Post entsprechend - an der privaten Zustellung
festgehalten haben. Als auf die Dauer angelegte Massnahme liesse sie
sich - unter den erwähnten Vorbehalten (s. Erw. 4) - nur rechtfertigen,
wenn sie in sachlich zu vertretender Weise Postbenützer, die gleiche oder
ähnliche Leistungen verlangen, gesamthaft ausschlösse. Die Verletzung
der Rechtsgleichheit ist deshalb besonders stossend, weil die Vertragung
durch die Post zu einer nicht kostendeckenden, seit langem unveränderten
Taxe erfolgt, während die Verleger, die die Post nicht beanspruchen,
alle Lohnerhöhungen der Verträger selbst tragen müssen.

    b) Dazu kommt, dass nach den streitigen Dienstanweisungen die
Kreispostdirektion "von Fall zu Fall prüfen soll, ob und in welchem
Umfange sie entsprechenden Begehren von Verlegern regionaler Zeitungen
entsprechen könne". Damit wird der Kreis der von der Ausnahmeregelung
betroffenen Postbenützer weiter eingeschränkt, ohne dass feststünde,
wer und unter welchen Bedingungen Anspruch auf Postzustellung besitzt:
Anstelle des in Art. 4 Abs. 1 PVG umschriebenen gesetzlichen Anspruchs
tritt das völlig freie Ermessen der Kreispostdirektionen.

    Diese Gründe führen dazu, dem Begehren der drei Pfarreien entsprechend,
die Post anzuhalten, ohne Rücksicht auf ihre gesetzwidrige Weisung, die
Pfarrblätter nach den heute geltenden gesetzlichen Vorschriften auf die
Dauer und nicht bloss vorübergehend zu befördern.

Erwägung 6

    6.- Nach dem Gesagten ist das Pfarrblatt ohne weiteres als abonnierte
Zeitung im Sinne von Art. 20 PVG zu betrachten. Von den vier in Art. 20
Abs. 2 PVG genannten Ausnahmen ist keine anwendbar. Das Pfarrblatt, das
in drei Pfarreien von einem bestimmten Zeitpunkt an regelmässig durch die
Post zugestellt werden soll, stellt auch keine unregelmässig aufgegebene
Zeitung gemäss Art. 44 Abs. 1 VV I zum PVG dar. Die Pfarrblätter sind
somit zur Zeitungstaxe zu befördern.

Entscheid:

            Demgemäss hat das Bundesgericht erkannt:

    1.- Die Beschwerden der Kirchgemeinden von Zürich Dreikönigen, Zürich
St. Theresia und Rümlang werden gutgeheissen und die Beschwerdebeklagte
verpflichtet, das katholische Pfarrblatt für Stadt und Kanton Zürich in
diesen drei Kirchgemeinden zur Taxe für abonnierte Zeitungen den Abon
nenten zuzustellen.

    2.- Die Beschwerden der andern der zürcherischen
Pfarrblatt-Gemeinschaft angeschlossenen katholischen Kirchgemeinden sowie
die Beschwerde des katholischen Jugendsekretariats werden abgewiesen.