Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 IV 61



92 IV 61

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Februar 1966
i.S. Studer gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft. Regeste

    1.  Art. 306 Abs. 2, Art. 309 Abs. 1 und 2 BStP. Die Befugnis, in
Fiskalstrafsachen kantonale Rechtsmittel zu ergreifen, ist ausdrücklich dem
Bundesanwalt vorbehalten. Demgemäss können ihm auch die Rechtsmittelfristen
erst vom Tage an laufen, an dem das Urteil der Bundesanwaltschaft
zugekommen ist.

    2.  Frage offen gelassen, ob der Bundesanwalt sich in Fiskalstrafsachen
an die zehntägige Frist des Art. 267 BStP oder an die jeweilige Frist
des kantonalen Prozessrechtes zu halten hat (Erw. 1).

    3.  Art. 20 Abs. 1 lit. a, 22 Abs. 1 und 3 WUStB. Bei der Entgegennahme
von Waren an Zahlungsstatt ist die Steuer nicht nur auf dem Barpreis der
verkauften Ware zu entrichten, sondern auch auf dem Betrag, der für den
Eintausch auf den Verkaufspreis angerechnet wird (Erw. 4).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Studer war bis 1959 Vertreter einer Traktorenfabrik. Seither handelt
er auf eigene Rechnung, wobei er alte Traktoren und landwirtschaftliche
Maschinen unter Anrechnung auf neue entgegennimmt.

    Anlässlich einer im Jahre 1964 durchgeführten Kontrolle der Eidg.
Steuerverwaltung ergab sich, dass Studer in der Steuerperiode 1959-63 Fr.
16'291.--zu wenig an Umsatzsteuern bezahlt hatte. Fr. 12'206.30 davon
entgingen der Verwaltung, weil er beim Eintausch alter Maschinen nur den
Barpreis für die neuen Maschinen angab.

    Das Amtsgericht Luzern-Land verurteilte Studer am 7. Juli 1965
wegen Hinterziehung von Warenumsatzsteuern im Sinne von Art. 36 WUStB zu
Fr. 300.-- Busse.

    Die Bundesanwaltschaft, die das Urteil am 5. August 1965 zugestellt
erhielt, appellierte und verlangte, dass die Busse auf Fr. 3'000.--
erhöht werde. Studer erklärte daraufhin die Anschlussappellation und
beantragte, auf die Appellation sei wegen Verspätung nicht einzutreten,
eventuell sei er freizusprechen.

    Das Obergericht des Kantons Luzern änderte das Urteil des Amtsgerichtes
am 26. Oktober 1965 dahin ab, dass es die Busse auf Fr. 2'500.--
festsetzte.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde, die Studer gegen diesen Entscheid
einreichte, wurde vom Bundesgericht abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Bundesanwalt kann in Fiskalstrafsachen des Bundes auch
vor den kantonalen Gerichten auftreten (Art. 15 und 282 BStP). Sieht
das kantonale Verfahrensrecht Rechtsmittel vor, so stehen ihm diese
ebenfalls zu (Art. 309 BStP). Das setzt voraus, dass die Strafentscheide
der Bundesanwaltschaft mitgeteilt werden. Art. 306 Abs. 2 BStP bestimmt
denn auch, dass das Urteil mit den wesentlichen Entscheidungsgründen
den Beteiligten, also auch dem Bundesanwalt, schriftlich zu eröffnen
ist. Freilich ist die Eröffnung an die Verwaltung ebenfalls vorgesehen. Das
heisst jedoch nicht, dass diese Eröffnung genüge und dass es Sache
der Verwaltung sei, das Urteil an den Bundesanwalt weiterzuleiten. Die
Mitteilung an die Verwaltung ist bloss deshalb besonders hervorgehoben,
weil sie an der Sache interessiert und Vollzugsbehörde ist. Anfechten
kann sie das Urteil aber nicht; diese Befugnis ist ausdrücklich dem
Bundesanwalt vorbehalten (Art. 309 Abs. 2 und 311 BStP).

    Demgemäss können ihm auch die Rechtsmittelfristen erst vom
Tage an laufen, an dem das Urteil der Bundesanwaltschaft zugekommen
ist. Im gleichen Sinne hat der Kassationshof bereits in BGE 74 IV
217 entschieden, dass die Fristen für die Parteien nicht schon mit der
mündlichen Eröffnung des Urteils, sondern erst mit der in Art. 306 Abs. 2
vorgeschriebenen Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung. zu
laufen beginnen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt
es deshalb für den Beginn der Appellationsfrist nicht darauf an, wann
die Steuerverwaltung, sondern wann die Bundesanwaltschaft das Urteil
zugestellt erhalten hat.

    Eine andere Frage ist, ob der Bundesanwalt sich in Fiskalstrafsachen an
die zehntägige Rechtsmittelfrist des Art. 267 BStP oder an die jeweilige
Frist des kantonalen Prozessrechtes zu halten hat. Der vierte Teil des
BStP (Art. 279-320), der das Verfahren für Übertretungen fiskalischer
Bundesgesetze regelt, enthält keine Verweisung auf Art. 267. Eine analoge
Anwendung dieser Bestimmung läge indes nahe, da nicht recht zu ersehen
ist, warum für den Bundesanwalt in Fiskalstrafsachen eine andere Frist
gelten soll als in den übrigen Bundesstrafsachen, in denen er kantonale
Rechtsmittel ergreifen kann. Dies leuchtet um so weniger ein, als für ihn
die Frist des Art. 267 kraft der Verweisung von Art. 326 BStP in andern
Verwaltungsstrafsachen ebenfalls gilt.

    Die Frage braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht entschieden
zu werden. Mit der am 16. August 1965 zur Post gegebenen Appellation
(der 15. August war ein Sonntag) wurde die Frist auf jeden Fall gewahrt,
gleichgültig, ob Art. 267 BStP oder gemäss Art. 308 BStP das kantonale
Prozessrecht gelte. Denn sowohl nach Art. 267 BStP wie nach § 232 Abs. 1
der StPO des Kantons Luzern beträgt die Frist zehn Tage...

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a WUStB wird die Steuer bei Lieferungen
von der Summe der vereinnahmten Entgelte berechnet. Zum Entgelt gehört
alles, was der Lieferer oder an seiner Stelle ein Dritter als Gegenleistung
für die Ware erhält (Art. 22 Abs. 1 WUStB). Beim Tausch von Waren gilt
der Wert jeder Ware als Entgelt für die andere Ware, bei der Hingabe
an Zahlungsstatt der Betrag, der durch die Warenhingabe ausgeglichen
wird (Art. 22 Abs. 3 WUStB). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich für
den Steuerpflichtigen klar und eindeutig, dass bei der Entgegennahme
von Waren an Zahlungsstatt die Steuer nicht nur auf dem Barpreis der
verkauften Ware zu entrichten ist, sondern auch auf dem Betrag, der für
den Eintausch auf den Verkaufspreis angerechnet wird.