Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 IV 115



92 IV 115

30. Urteil des Kassationshofes vom 30. September 1966 i.S. A. gegen B.
Regeste

    Art. 28 Abs. 1 und 177 Abs. 1 StGB. Der Ehemann, dem vorgehalten
wird, er habe eine Hure zur Frau, ist Verletzter und daher berechtigt,
gegen den Täter Strafantrag zu stellen.

Sachverhalt

    A.- Der Gastwirt A. machte am 5. September 1964 auf der Muristrasse
in Bern dem Milchhändler B. Vorwürfe, weil dieser den Lieferwagen
vorübergehend auf einer Garagezufahrt abgestellt hatte. Die Vorwürfe
arteten sogleich in Beschimpfungen aus, die der Milchhändler mit
Beschimpfungen erwiderte. Zum Schluss machte A. zu B. die Bemerkung:
"U de Dy Frou, die Huer, die Souhuer".

    Der Milchhändler stellte gegen den Wirt Strafantrag, den er
im Verfahren ausdrücklich auf die seine Frau betreffende Äusserung
beschränkte.

    B.- Der Gerichtspräsident IX von Bern und auf Appellation hin am
21. September 1965 auch das Obergericht des Kantons Bern verurteilten
A. wegen Beschimpfung zu einer Busse von Fr. 100.--.

    C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, dem Verfahren
keine weitere Folge zu geben. Er macht geltend, durch die eingeklagte
Äusserung sei wohl die Frau des Klägers, nicht aber dieser selber in der
Ehre verletzt worden; B. sei daher nicht antragsberechtigt.

    D.- Der Kläger beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann nach Art. 28
Abs. 1 StGB jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des
Täters verlangen. Verletzt im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger
Rechtsprechung nicht jeder, dessen Interessen von der strafbaren Handlung
irgendwie, namentlich bloss mittelbar, betroffen werden, sondern nur,
wer selber Träger des unmittelbar angegriffenen Rechtsgutes ist (BGE 86
IV 82, 87 IV 106, 92 IV 2).

    Gegen wen eine ehrverletzende Behauptung gerichtet sei, beurteilt
sich nicht bloss nach ihrem Inhalt, sondern auch nach den Umständen,
unter denen sie erhoben wird. Darnach kann im vorliegenden Falle aber
nicht zweifelhaft sein, dass die eingeklagte Äusserung einen verdeckten
Angriff auf den Kläger enthielt. Frau B., die der Beschwerdeführer nach
seinen eigenen Aussagen nur vom Sehen her kannte, war nicht anwesend, als
er sich mit deren Ehemann stritt. A. hatte auch sonst keinen ersichtlichen
Grund, die Frau seines Widersachers in ihrer Ehre anzugreifen. Wenn er
es gleichwohl tat, so geschah dies offensichtlich nur mit der Absicht,
den Kläger als Mann einer angeblichen Hure hinzustellen, also ihn selber
verächtlich zu machen. Der Beschwerdeführer schweigt sich denn auch nach
wie vor darüber aus, welchen Anlass er sonst gehabt hätte, die Äusserung
gerade bei der Gelegenheit zu tun, bei der er sie getan hat. Er räumt in
der Beschwerde vielmehr ein, es sei durchaus möglich, dass er damit den
Kläger persönlich habe verletzen wollen.

    Freilich setzt Strafe wegen Ehrverletzung, wie der Beschwerdeführer
richtig einwendet, nach ständiger Rechtsprechung nicht voraus, dass der
Täter die Absicht gehabt habe, den andern zu beleidigen oder ihn in seinem
Ansehen bei den Mitmenschen zu schmälern. Da die tatsächliche Schädigung
des Rufes nicht Tatbestandsmerkmal der Art. 173 ff. StGB ist, braucht
auch der Vorsatz nicht auf eine solche Schädigung gerichtet zu sein. Der
Täter handelt schon dann vorsätzlich und ist strafbar, wenn er weiss, dass
seine Behauptung den Ruf einer bestimmten Person schädigen kann, und er
die Behauptung trotzdem erhebt (BGE 71 IV 232, 79 IV 22, 92 IV 97 Erw. 3).

    Das heisst aber nicht, dass die Beleidigungsabsicht völlig
belanglos sei und der Richter nicht danach zu fragen brauche, wie in
der Beschwerde behauptet wird. Wer mit der Äusserung vorwiegend oder
sogar ausschliesslich die Absicht verfolgt, den andern herunterzumachen,
ist umso strafwürdiger, und wer den Angriff verschleiert, soll deswegen
der Strafe nicht entgehen können. Das gilt auch hier. Die eingeklagte
Äusserung darf nicht losgelöst von dem beurteilt werden, was ihr
vorausgegangen ist. Nach dem angefochtenen Urteil hat A. den B. schon
vorher mit derben Schimpfwörtern bedacht, diese aber in gleicher Münze
zurückerhalten. Alsdann hat er den Kläger mit der Anspielung auf seine
Frau noch auf besondere Weise zu treffen gesucht. Daraus erhellt, dass
der ganze Angriff des A. bloss dem Bedürfnis entsprungen ist, seinem Groll
und Unmut über den Milchhändler Luft zu machen, der Beschwerdeführer also
auch mit dem Hinweis "U de Dy Frou ..." weniger diese als vielmehr den
Kläger selber verunglimpfen wollte. Dadurch unterscheidet der vorliegende
Fall sich denn auch deutlich von dem in BGE 86 IV 81 veröffentlichten, wo
der Angeschuldigte die Frau X. nicht dem Ehemann und nachmaligen Kläger,
sondern einem Dritten gegenüber als Luder bezeichnet hat. Nichts deutete
in jenem Falle darauf hin, dass der Angeschuldigte das Schimpfwort als
Seitenhieb auf den Ehemann, der gar nicht anwesend war, benützt hätte
oder hätte benützen wollen, wie das hier geschehen ist. Die Vorinstanz ist
daher mit Recht davon ausgegangen, B. sei durch die Tat verletzt worden,
folglich antragsberechtigt.

Erwägung 2

    2.- Dem Kläger das Antragsrecht abzusprechen, wäre auch sachlich
nicht gerechtfertigt. Der Ausdruck Hure enthält eine höchst negative
moralische Wertung und gehört deshalb zu den gröbsten Schimpfwörtern,
mit denen eine Frau überhaupt benannt werden kann. Er kennzeichnet nach
dem allgemeinen Sprachgebrauch die Betroffene als Frau, die unbekümmert
um die Gebote der Sittlichkeit sich zur Befriedigung der eigenen Wollust
oder zu Erwerbszwecken Männern wahllos hingibt. Wird einem Manne,
wie hier, vorgehalten, er habe (ja nur) eine Hure zur Frau, so ist
damit der Vorwurf oder doch die Verdächtigung verbunden, er dulde oder
begünstige ihr Gewerbe oder lasse sich gar von ihr unterhalten (vgl. Art.
198-201 StGB). Das braucht sich ein Ehemann nicht gefallen zu lassen. Er
darf daher vom Richter mit Recht erwarten, dass dieser ihn als Verletzter
und damit als Antragsberechtigter im Sinne von Art. 28 StGB anerkenne.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.