Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 II 133



92 II 133

21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. April 1966
i.S. G. gegen P. Regeste

    Revision bundesgerichtlicher Entscheide. Art. 136 ff.  OG.

    Der Revision nach Art. 136 ff. OG unterliegt auch ein Entscheid,
wodurch das Bundesgericht auf eine Berufung nicht eingetreten ist, -
jedoch nur aus einem diesen Entscheid selbst betreffenden Grunde.

    Erfährt der Gesuchsteller, bevor es zu einem Sachurteil im
Berufungsverfahren kommt, von einem Grund zur Revision des kantonalen
Urteils nach kantonalem Recht, so hat er das kantonale Revisionsverfahren
einzuleiten und die Einstellung des Berufungsverfahrens zu verlangen
(Art. 138 in Verbindung mit Art. 57 OG).

    Eheschutzmassnahmen (Art. 169 ff. ZBG) können bei veränderten
Verhältnissen schon nach materiellem Recht abgeändert werden (Art. 172
ZGB). Das kantonale Recht kann sie ausserdem einer Revision unterstellen.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Die Ehefrau legte gegen das Scheidungsurteil des Appellationshofes
des Kantons Bern vom 26. Mai 1959 Berufung ein. Das Bundesgericht trat
jedoch am 2. September 1959 auf die Berufung nicht ein, weil es an einer
Begründung im Sinne des Art. 55 Abs. 1 lit. c OG fehlte.

    Mit Eingabe vom 17. März 1966 rügt die geschiedene Ehefrau verschiedene
Unregelmässigkeiten des dem Scheidungsprozesse vorausgegangenen
Eheschutzverfahrens wie auch des Scheidungsprozesses selbst. Sie erklärt,
die Rechtslage sei ungewiss, weil das Scheidungsdatum und der ihr heute
zukommende Name in amtlichen Schriftstücken widersprüchlich angegeben
seien. Die Eingabe schliesst mit dem Satz: "Solche Fälschungen zwingen
zu einer Revision des ganzen Verfahrens."

    Das Bundesgericht tritt auf das Revisionsbegehren nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die geschiedene Ehefrau verlangt mit ihren Eingaben an das
Bundesgericht die "Revision des ganzen Verfahrens". Grundsätzlich kann
eine Revision des kantonalen Scheidungsurteils vom 26. Mai 1959 nach
kantonalem Prozessrecht oder auch eine Revision des bundesgerichtlichen
Nichteintretensentscheides vom 2. September 1959 nach Art. 136 ff. OG
in Frage gezogen werden. Zwar ist bezweifelt worden, ob ein solcher
Nichteintretensentscheid überhaupt der Revision unterliege (verneinend A.
REICHEL, Kommentar zum OG vom 22. März 1893, N 2 zu Art. 95). Doch
haben sich Lehre und Rechtsprechung überwiegend für die Zulassung dieses
Rechtsmittels gegenüber solchen Entscheiden ausgesprochen (BGE 20 380/81,
24 II 621/22; zustimmend TH. WEISS, Berufung, S. 345; ebenso neuere
Entscheidungen: BGE 42 II 76, 45 II 102; zustimmend W. BIRCHMEIER N II,
2, c zu Art. 136 OG, S. 498/99, und E. GRÜNINGER, Abs. 1 der Bem. zu
Art. 136 OG). Indessen kann die Revision eines auf das Rechtsmittel
der Berufung nicht eintretenden Entscheides nur wegen eines diesem
Entscheide selbst anhaftenden Revisionsgrundes verlangt werden (vgl.
das schon erwähnte Urteil BGE 42 II 75/76 mit Hinweisen; BIRCHMEIER aaO).
Die erfolgreiche Revision führt in einem solchen Fall nur zur Aufhebung
des betreffenden Nichteintretensentscheides und zur Entgegennahme der
Berufung zu materieller Beurteilung (vgl. den Urteilsspruch in BGE 42 II
79). Allfällige das kantonale Sachurteil betreffende Revisionsgründe kann
das Bundesgericht hiebei nicht berücksichtigen. Sind dem Gesuchsteller
solche Gründe bekannt, oder erfährt er davon jedenfalls noch vor dem
bundesgerichtlichen Sachurteil über die Berufung, so hat er sie, soweit
möglich, im kantonalen Verfahren geltend zu machen und die Einstellung
des Berufungsverfahrens nach Art. 57 OG zu veranlassen (Art. 138 OG).

    Vollends unterliegen die im Eheschutzverfahren nach Art. 169 ff. ZGB
ergangenen Entscheidungen nicht der Revision durch das Bundesgericht. Sie
konnten gar nicht Gegenstand einer Berufung an das Bundesgericht bilden
(vgl. BGE 72 II 57, 80 I 308 Erw. 2). Vorbehalten bleiben kantonale
Revisionsverfahren, zu deren Einleitung jedoch gewöhnlich kein Grund
besteht, da die Eheschutzmassnahmen sich schon nach materiellem Recht an
veränderte Verhältnisse anpassen lassen und in diesem Sinne schon an und
für sich revisibel sind (Art. 172 ZGB). Nach rechtskräftiger Scheidung
der Ehe fallen die vor dem Prozess getroffenen Massnahmen solcher Art
auf alle Fälle dahin.