Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 92 III 41



92 III 41

7. Entscheid vom 20. Juli 1966 i.S. Konkursmasse Ott. Regeste

    Verfügungen des Sachwalters bei Nachlass-Stundung einer Bank.

    1.  Beschwerde nach Art. 37 Abs. 2 BankG. Beschwerdelegitimation
einer Konkursverwaltung. Die Beschwerde kann nicht gegen die Bank
gerichtet werden. (Erw. 1).

    2.  Auskunftspflicht der Bank gegenüber einem als Gläubiger
auftretenden Kunden; Art. 6 Abs. 1 BNV. Abklärungspflicht des Sachwalters;
Art. 5 Abs. 2 BNV. Neutrale Rechtsstellung des Sachwalters gleich
derjenigen eines Konkursverwalters. Grenzen des Bankgeheimnisses;
vgl. Art. 10 BNV. Die Auskunft über die Abwicklung seiner Rechtsbeziehungen
zur Bank darf einem Kunden derselben vom Sachwalter nicht verweigert
werden, auch wenn die Bank die von jenem erhobene Forderung
bestreitet. (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Aiutana Bank gab in dem vom Konkursamt Zürich-Riesbach
verwalteten Konkurs des Fritz Ott eine durch Pfandrecht an Waren
gesicherte Forderung ein. Mehrere Wochen später widerrief sie diese
Anmeldung, welche irrtümlicherweise auf einer im Jahre 1963 erfolgten
Waren-Pfandverschreibung beruht habe. Seither sei nämlich gemäss
Vereinbarungen vom 9. Januar/1. April 1964 das betreffende Mobiliar
per Saldo ihrer Forderung in ihr Eigentum übergegangen. Auf diesem
Eigentumserwerb beharrte sie auch, als das erwähnte Konkursamt von ihr im
Dezember 1965 eine spezifizierte Abrechnung verlangte und darauf hinwies,
dass die Aiutana Bank seinerzeit selber mit einem - dem Schuldner Ott
zukommenden - Überschuss des Verkaufserlöses gerechnet habe.

    B.- Am 7. Februar 1966 erhielt die Aiutana Bank AG eine
Nachlass-Stundung von sechs Monaten. Als Sachwalterin wurde die Allgemeine
Treuhand AG, Zürich, ernannt. An diese wandte sich nun das Konkursamt
Zürich-Riesbach mit dem Ersuchen um Prüfung, "ob dieses eigenartige
Kreditgeschäft teilweise zu Lasten der Gläubiger Otts abgeschlossen
wurde". Zugleich meldete es vorsorglich eine Forderung unbestimmten
Betrages zur Kollokation in fünfter Klasse an "aus ev. ungerechtfertigter
Bereicherung bzw. wegen allf. paulianischer Anfechtbarkeit der in Frage
stehenden Transaktion". Die Sachwalterin gab jenem Ersuchen die Folge,
dass sie die Nachlass-Schuldnerin anwies, die gewünschte spezifizierte
Abrechnung zu erstatten, was die Aiutana Bank AG jedoch nach wie
vor ablehnte. Auf eine neue Zuschrift des Konkursamtes erklärte die
Sachwalterin, es liege nicht ihr, sondern der Nachlass-Schuldnerin ob,
Auskunft zu erteilen. Und endlich schrieb sie dem Konkursamt am 10. Mai
1966, ihre Abklärungen hätten ergeben, dass die in Frage stehenden
ungarischen Stilmöbel in der Tat ins Eigentum der Nachlass-Schuldnerin
übergegangen seien; unter diesen Umständen erübrige sich die Vorlage
einer Abrechnung.

    C.- Mit einer Beschwerde vom 17. Mai 1966 an das Handelsgericht des
Kantons Zürich als Nachlassbehörde für Banken "wegen Auskunftsverweigerung
der Aiutana Bank AG, bezw. der eben genannten Sachwalterin" stellte das
Konkursamt Zürich-Riesbach als Konkursverwaltung im Konkurse des Fritz
Ott den Antrag,

    "Sie möchten anordnen, dass uns jede Auskunft über die damalige
Transaktion und die seitherigen Veränderungen erteilt und auch Einsicht
in diejenigen Akten gewährt werde, welche diejenigen Kredite betreffen,
zu deren Sicherung die Eigentumsübertragung vorgenommen wurde, ferner,
dass wir über die Liquidation auf dem Laufenden gehalten werden und
schliesslich eine spezifizierte Abrechnung über das ganze Finanzgeschäft
kostenlos erhalten."

    Die Aiutana Bank AG beantragte, die Beschwerde sei "als verspätet und
unbegründet abzuweisen". Die Allgemeine Treuhand AG enthielt sich eines
formellen Antrages.

    D.- Mit Entscheid vom 28. Juni 1966 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne, abgewiesen,
im wesentlichen aus folgenden Gründen: Wohl verpflichtet Art. 5 Abs. 2
BNV, auf welchen sich das beschwerdeführende Amt stützt, den Sachwalter,
über die Höhe von Forderungen, wenn nötig, von sich a us Abklärung zu
schaffen. Auf diesem Wege soll eine zuverlässige Grundlage für die Bilanz
geschaffen werden, die der Sachwalter nach Art. 8 derselben Verordnung
aufzustellen hat. Die Ansprüche, die das beschwerdeführende Konkursamt
gegenüber der Nachlass-Schuldnerin erhebt, sind nun aber "nicht Forderungen
im Sinne der genannten Bestimmung". sondern es handelt sich um Ansprüche,
welche die Nachlass-Schuldnerin bestreitet. Der Sachwalter hat nicht die
materielle Begründetheit der angemeldeten Forderungen zu prüfen, und noch
weniger kann es seine Aufgabe sein, "dem angeblichen Gläubiger Unterlagen
für die Durchsetzung seines bestrittenen Anspruches zu verschaffen". Eine
solche Pflicht ist auch nicht in der Aufschlusspflicht der Bank selbst
nach Art. 6 Abs. 1 BNV eingeschlossen. Die Nachlass-Schuldnerin hat
ihren Standpunkt, wonach dem Konkursiten Ott keine Forderung gegen sie
zusteht, dargelegt; mit dieser Auskunft muss sich das Konkursamt begnügen.
Auch im Nachlassverfahren ist das Verhältnis der Bank gegenüber ihrem
konkursiten Kunden "kein anderes als dasjenige irgend eines Dritten, der
eine behauptete Schuld gegenüber dem Gemeinschuldner bestreitet". Daher
war die Sachwalterin ebenfalls "nicht gehalten, für die Erteilung der
verlangten Auskunft über die Abwicklung des angeblich anfechtbaren
Geschäfts besorgt zu sein". Die Beschwerde gegen die Sachwalterin ist
daher abzuweisen. Die Nachlass-Schuldnerin aber untersteht gar nicht
der Aufsicht der Nachlassbehörde, weshalb auf die gegen sie erhobene
Beschwerde nicht einzutreten ist.

    E.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält das Konkursamt
Zürich-Riesbach an der Beschwerde gegen die Sachwalterin und die
Nachlass-Schuldnerin fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gegen die Verfügungen des Sachwalters kann nach Art. 37
Abs. 2 BankG innert zehn Tagen nach Kenntnisnahme derselben bei der
Nachlassbehörde als einziger kantonaler Instanz Beschwerde geführt
werden. Eine solche Beschwerde ist dagegen nicht zulässig gegen die
Nachlass-Schuldnerin selbst. Diese untersteht in gewisser Beziehung der
Aufsicht des Sachwalters (vgl. Art. 295 Abs. 2 und Art. 298 SchKG),
jedoch nicht unmittelbar wie dieser (Art. 37 Abs. 1 und 2 BankG)
oder der Kommissär bei der Bankenstundung (Art. 30 Abs. 1 bis 3 BankG)
einer behördlichen Aufsicht. Mit Recht ist daher die Vorinstanz auf die
Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nachlass-Schuldnerin richtete,
nicht eingetreten.

    Die Beschwerde gegen den Sachwalter aber war rechtzeitig. da
die Allgemeine Treuhand AG sich zuvor um eine Auskunfterteilung der
Nachlass-Schuldnerin bemüht und dann erst am 10. Mai 1966 das Begehren
um Vorlage einer spezifizierten Abrechnung als unbegründet bezeichnet
hatte. Das den Konkurs des Bankkunden Ott verwaltende Konkursamt war
zur Beschwerdeführung legitimiert; denn es verfocht auf diesem Wege
Interessen der Konkursmasse, also der Gesamtheit der Konkursgläubiger
(BGE 86 III 127 Erw. 2).

Erwägung 2

    2.- Dass eine Bank jedem Kunden über den Stand seiner Guthaben und
Verpflichtungen sowie über den Bestand der ihr in Verwaltung gegebenen
Wertpapiere Auskunft zu geben hat, versteht sich von selbst als Ausfluss
des zwischen ihr und dem Kunden bestehenden Vertragsverhältnisses. Art. 6
Abs. 1 BNV verpflichtet die Bank noch speziell, "einem Gläubiger über
den Bestand seiner Forderungen nach ihren Büchern rechtzeitig vor
Ablauf der Eingabefrist Aufschluss zu erteilen". Anderseits kann der
Sachwalter nach Abs. 2 daselbst, soweit nötig, von einzelnen Gläubigern
die Vorweisung der Forderungsurkunden verlangen. Nichts hindert zudem
einen Gläubiger. sich seinerseits beim Sachwalter über den Verlauf der
zwischen ihm und der Bank bestehenden Rechtsbeziehungen zu erkundigen,
wenn er (etwa als Geschäftsnachfolger oder Erbe), darüber nicht in
jeder Beziehung Bescheid weiss und die Bank ihm nicht gehörig Auskunft
gibt. Denn es gehört zu den Aufgaben des Sachwalters, sich auch selber
genau Rechenschaft über die Verbindlichkeiten der Bank zu geben und
"über die Höhe von Forderungen, deren wirklicher Betrag sich nicht
aus den Büchern der Bank ergibt, z.B. aus Indossamenten, Garantie-
und Kautionsverträgen, Bürgschaften und dergleichen, von sich aus
Erhebungen anzustellen" (Art. 5 Abs. 2 BNV). Er kann daher nicht nur
die Bücher der Bank samt zugehörigen Briefen, Belegen usw. nachsehen,
sondern auch die Bankorgane befragen und Dritten Auskunft erteilen,
um die Sache mit ihnen soweit wie möglich zu bereinigen. Der Sachwalter
ist öffentliches Organ des Staates zur Leitung des Nachlassverfahrens;
er hat die Interessen des Schuldners und der Gläubiger gleichermassen
zu wahren; seine Stellung entspricht derjenigen des Konkursamtes oder
einer ausseramtlichen Konkursverwaltung (vgl. JAEGER, N. 4 zu Art. 295
SchKG; entsprechende Note bei JAEGER/DAENIKER, SchK-Praxis, wo von einer
"unparteiischen Treuhändertätigkeit im Interesse aller Beteiligten"
gesprochen wird). Wie bereits entschieden wurde, erschöpft sich die Pflicht
einer Konkursverwaltung bei Erwahrung der Konkurseingaben nicht in der
Einladung zum Vorlegen von Beweismitteln. In manchen Fällen sind nähere
Erkundigungen einzuziehen, beim Ansprecher selbst und gegebenenfalls auch
anderwärts. Auf diesem Weg erhält die Konkursverwaltung oftmals leicht
diejenigen Aufschlüsse, die ihr sonst erst im Prozess zur Kenntnis kommen
und sie dann zur Anerkennung der einfach "mangels Ausweises" abgewiesenen
Ansprache veranlassen, mit entsprechender Kostenbelastung (so wörtlich BGE
68 III 140). Entsprechendes gilt für das Verfahren der Nachlass-Stundung,
namentlich auch mit Rücksicht auf einen allenfalls den Gläubigern
vorzuschlagenden Liquidationsvergleich. Die Ansicht der Vorinstanz,
die in Frage stehenden Ansprüche des Bankkunden Ott, wie sie das
beschwerdeführende Konkursamt ins Auge fasst, seien nicht Forderungen im
Sinne des Art. 5 Abs. 2 BNV, weil die Nachlass-Schuldnerin sie bestreitet,
geht fehl. Auch Forderungen, welche die in Nachlass-Stundung befindliche
Bank nicht anerkennen will, sind so gut wie möglich abzuklären. Und die
weitere Erwägung, es könne nicht Aufgabe des Sachwalters sein, einem
angeblichen Gläubiger Unterlagen für die Durchsetzung seines von der
Bank bestrittenen Anspruches zu verschaffen, verkennt die Stellung des
Sachwalters, der nicht Beauftragter des Schuldners ist und nicht einseitig
dessen Interessen zu vertreten hat. Eine vollständige Auskunft über die
Abwicklung der Rechtsbeziehungen der Bank zum anfragenden Dritten (zumal,
wie hier, eines Bankkunden) bedeutet nicht Parteinahme für ihn gegenüber
der Nachlass-Schuldnerin. Dieser Pflicht zur Offenbarung wesentlicher
Tatsachen, auf deren Kenntnisgabe der Kunde Anspruch hat, steht auch
nicht etwa das Bankgeheimnis entgegen. Art. 10 BNV trägt der Pflicht
der Bank zur Verschwiegenheit Rechnung, indem er die Aktenauflage in
bestimmter Weise einschränkt und eine weitergehende Einsichtnahme an den
Nachweis eines berechtigten Interesses knüpft. Es ist aber keineswegs
zulässig, einem Gläubiger oder seiner Konkursmasse die Auskunft über
die Abwicklung des ihn selber betreffenden Rechtsverhältnisses zu
verweigern. Müsste sich der anfragende Gläubiger mit der Erklärung
der Bank, es bestehe keine Forderung, begnügen, so könnte die Bank,
wie die Rekurrentin mit Recht geltend macht, durch Bestreitung aller ihr
missliebigen Forderungen sich jeder Auskunftspflicht entziehen. Dass sich
die Ermittlungspflicht des Sachwalters und die Auskunftspflicht der Bank
(und allenfalls eben auch des Sachwalters) bereits auf die Zeit beziehen,
während welcher die Eingabefrist läuft, ergibt sich aus der Stellung der
Artikel 5 und 6 BNV im Abschnitt I und noch besonders aus dem Wortlaut
des Art. 6 Abs. 1. Im nachfolgenden Bestätigungsverfahren hat alsdann der
Sachwalter die Erklärungen der zuständigen Bankorgane über die Anerkennung
oder Bestreitung der angemeldeten Forderungen einzuholen. Es stand der
Nachlass-Schuldnerin nicht zu, durch voreilige Bestreitung der von der
Konkursmasse ihres Kunden Ott angemeldeten Ansprüche die gehörige Abklärung
der Anspruchsgrundlagen zu verhindern. Vielmehr hatte sie den Sachwalter
in seiner Aufgabe zu unterstützen, unnötige Prozesse, insbesondere
beim Liquidationsvergleich Kollokationsprozesse, zu vermeiden. Bei einer
überschuldeten und illiquiden Bank ist die Auskunftspflicht von besonderer
Bedeutung, weshalb der Sachwalter für deren Erfüllung zu sorgen und wenn
nötig selber an Stelle der Bank zu handeln hat. Die Allgemeine Treuhand
AG betrachtete übrigens, wie erwähnt, das Begehren der Konkursmasse des
Bankkunden Ott als begründet und wies die Bank zur Auskunfterteilung
an. Wenn sie nachher die Überzeugung gewann, Ott habe der Bank das ihr
seinerzeit verpfändete Mobiliar (gültig, wie sie annimmt) zu Eigentum
übertragen, so war dies kein zureichender Grund, die von der Konkursmasse
Ott angemeldeten Ansprüche als völlig haltlos zu betrachten. Es konnte
sich um eine Sicherungsübereignung handeln und dem betreffenden Kunden
ein Anspruch auf einen Überschuss beim Verkauf des Mobiliars gewahrt
bleiben. Die Aiutana selbst hatte am Anfang mit einem Überschuss des
Liquidationserlöses über die zu deckende Forderung gerechnet, wie sich
aus ihrem Schreiben vom 22. Oktober 1964 an das beschwerdeführende
Konkursamt ergibt. Auch ein allfälliger Anfechtungsanspruch nach
Art. 285 ff. SchKG lässt sich nicht von vornherein ausschliessen. Sollte
aber die nähere Prüfung des Tatsachenablaufes eine Verneinung solcher
Ansprüche rechtfertigen, so liegt ebenfalls ein genügender Grund vor,
dem beschwerdeführenden Konkursamte die verlangte Auskunft zu erteilen,
um wenn möglich einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorzubeugen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid,
soweit er die Beschwerde gegen die Sachwalterin betrifft, aufgehoben
und die Sachwalterin im Sinne der Rekursbegehren als auskunftspflichtig
erklärt wird.