Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 I 435



91 I 435

68. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1965 i.S. Uhrenfabrik Tschudin &
Waldmann AG gegen Eidg. Steuerverwaltung. Regeste

    Warenumsatzsteuer: Inlandlieferungen zwecks Ausfuhr können von
der Abgabe nicht befreit werden, wenn die Ausfuhr unter Umgehung der
Zollkontrolle vorgenommen wird.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Die Beschwerdeführerin, welche Roskopfuhren herstellt, ist im
Register der warenumsatzsteuerpflichtigen Grossisten eingetragen. Sie
lieferte an Nichtgrossisten, namentlich an Ausländer, in der Schweiz
Uhren, welche von den Abnehmern ins Ausland geschmuggelt wurden. Für
solche Lieferungen fordert die eidgenössische Steuerverwaltung
(EStV) von ihr Warenumsatzsteuern nach. Gegen den die Forderung
bestätigenden Einspracheentscheid der Verwaltung richtet sich die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin hat die in Frage stehenden Uhren im
Inland geliefert, was sie nicht bestreitet. Diese Umsätze unterliegen
nach Art. 13 Abs. 1 lit. a WUStB der Warenumsatzsteuer, es wäre denn,
dass die Voraussetzungen erfüllt wären, unter denen die Verfügung Nr. 8
c des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements vom 17. Juni 1954
(AS 1954 S. 649) Inlandlieferungen zwecks unmittelbarer Ausfuhr durch
den Abnehmer von der Steuerpflicht ausnimmt. Art. 1 Abs. 1 lit. a
der Verfügung verlangt, dass der liefernde Grossist die unmittelbare
Ausfuhr nachweist. Art. 2 bestimmt in Satz 1, dass der Nachweis mit dem
von der Versandstation abgestempelten Doppel des Frachtbriefes nach dem
Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr, mit dem
Postempfangsschein oder mit der zollamtlich abgestempelten Kopie der
Deklaration für die Ausfuhr zu erbringen ist, und in Satz 2, dass die
EStV in besonderen Fällen andere Beweismittel zulassen oder zusätzlich
verlangen kann.

    Die Beschwerdeführerin ist nicht in der Lage, den Nachweis der
unmittelbaren Ausfuhr mittels der in Art. 2 Satz 1 der Verfügung genannten
Dokumente zu leisten. Sie macht jedoch geltend, sie befinde sich in einem
"besonderen Fall" im Sinne des zweiten Satzes dieses Artikels und müsse
daher zum Beweis mit anderen Mitteln zugelassen werden; denn sie sei
wie alle schweizerischen Hersteller billiger Uhren ("montres anonymes")
wegen der ausländischen Konkurrenz und der Höhe der Zölle vieler Länder
gezwungen, ihre Produkte unter Umgehung der Zollkontrolle auszuführen,
und könne deshalb jene Dokumente nicht beibringen.

    Die EStV nimmt dagegen, wie sie im Merkblatt Nr. 38 klargestellt hat,
einen "besonderen Fall" nur dann an, "wenn aus einem nicht voraussehbaren
Grunde der Nachweis mit einem der in der Verfügung genannten Dokumente
nicht möglich ist, obwohl der Grossist, bzw. sein Abnehmer, alles
Erforderliche vorgekehrt hat, um ein solches Dokument zu erwirken",
z.B. dann, wenn aus den Belegen des Grossisten hervorgeht, dass er die
Ausfuhrdeklaration erhalten hatte, sie ihm aber nachträglich abhanden
gekommen ist. Demgemäss lässt sie im Falle der Ausfuhr unter Umgehung
der Zollkontrolle, in welchem jene Dokumente von vornherein fehlen,
andere Beweismittel nicht zu und schliesst damit die Steuerbefreiung aus.

    Dieser Auslegung ist zuzustimmen. Würde die EStV die illegale Ausfuhr
billiger ("anonymer") Uhren als "besonderen Fall" gelten lassen, so
würde sie diesen Missbrauch gewissermassen anerkennen und fördern. Eine
solche Haltung wäre nicht nur geeignet, die Beziehungen der Schweiz zu
den Nachbarstaaten zu belasten, sondern stände auch in Widerspruch zu der
schweizerischen Rechtsordnung. Sie wäre nicht vereinbar mit dem Zollgesetz,
welches grundsätzlich jede Warenausfuhr der Zollmeldepflicht unterwirft
(Art. 6) und Widerhandlungen gegen diese Vorschrift unter Strafe stellt
(Art. 104 f.). Ferner liefe sie dem Uhrenstatut zuwider. Sie würde der
Umgehung der Bewilligungspflicht, welcher nach Art. 7 des Uhrenstatuts
und den Vorschriften der Vollziehungsverordnung II die Ausfuhr von Uhren
unterliegt und deren Einhaltung die Zollorgane zu überwachen haben,
und auch der Umgehung der in Art. 2-6 des Uhrenstatuts und in der
Vollziehungsverordnung I vorgesehenen technischen Kontrolle, die mehr
und mehr in den Zollämtern vorgenommen wird, Vorschub leisten.

    Würde die illegale Ausfuhr "anonymer" Uhren als "besonderer Fall"
behandelt, so wären noch weitere Unzukömmlichkeiten zu gewärtigen. Es
müsste damit gerechnet werden, dass Hersteller von Markenuhren wie auch
Exporteure von Produkten anderer Branchen sich ebenfalls auf Art. 2 Satz
2 der Verfügung Nr. 8 c berufen würden, so dass es schwierig würde, den
Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift abzugrenzen. Die Anwendung
der Bestimmung auch auf Fälle illegaler Ausfuhr lässt sich umsoweniger
begründen, als die im vorhergehenden ersten Satz genannten Dokumente
ohnehin zu dem geforderten Nachweis weit besser geeignet sind als andere
Beweismittel wie Geschäftsbücher, Korrespondenzen oder Zeugenaussagen
(vgl. Urteil vom 10. Dezember 1948, ASA Bd. 17 S. 284 f.). Würde die
illegale Ausfuhr billiger Uhren als "besonderer Fall" anerkannt, so
müsste die EStV viel häufiger als sonst den Beweiswert solcher anderer
Beweismittel einlässlich prüfen. Die grosse Mehrarbeit, die sie dann zu
bewältigen hätte, wäre sachlich nicht gerechtfertigt.

    Wenn die EStV die heimliche Ausfuhr "anonymer" Uhren nicht als
"besonderen Fall" gelten lässt, verhindert sie übrigens diese Machenschaft
nicht, sondern belastet sie nur mit der Warenumsatzsteuer. Diese Abgabe
ist wesentlich niedriger als der vom ausländischen Staat erhobene Zoll,
der durch den Schmuggel umgangen werden soll.