Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 96



91 IV 96

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1965 i.S. Sauter
und Muntwiler gegen Statthalteramt Pfäffikon. Regeste

    Art. 74 VRV. Tiertransporte mit Motorfahrzeugen.

    Die Kantone sind nicht befugt, aus verkehrs- oder seuchenpolizeilichen
Gründen Vorschriften über den Bau und die Ausrüstung der bei
Tiertransporten verwendeten Motorfahrzeuge aufzustellen.

Sachverhalt

    A.- Ernst Muntwiler, Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer
des Transportunternehmens Flubacher und Muntwiler AG, Sirnach, liess
am 15. März 1963 in einem von Willy Sauter geführten Anhängerzug einen
Schweinetransport nach Zürich ausführen. Anlässlich einer Kontrolle in
Tagelswangen ZH stellte die Polizei fest, dass sowohl beim Motorwagen wie
beim Anhänger zwischen den Seitenladen und dem Brückenboden Kot herauslief
und dass die Wagen nicht mit einem Netz überspannt waren.

    B.- Das Statthalteramt Pfäffikon ZH erliess am 27. Juni 1963 gegen
Sauter und Muntwiler eine Strafverfügung wegen Übertretung von Art. 74
Abs. 1, 2 und 4 VRV, weil die Ladeflächen der beiden Wagen nur ungenügend
mit Sägemehl bestreut gewesen seien, und wegen Übertretung von § 31 lit. c
der Verordnung des Kantons Zürich über die Bekämpfung der Tierseuchen
vom 20. Februar 1930, wo vorgeschrieben wird, dass offene Wagen für
Kleinviehtransporte mit einem Netz zu überspannen sind.

    Sauter wurde mit Fr. 15.-, Muntwiler mit Fr. 25.- gebüsst. Der
Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Pfäffikon bestätigte am 10.
Dezember 1964 die Strafverfügungen.

    C.- Gegen dieses Urteil führen die Gebüssten
Nichtigkeitsbeschwerde. Sauter stellt den Antrag, er sei mit Bezug auf
die Übertretung der kantonalen Tierseuchenverordnung, Muntwiler beantragt,
er sei gänzlich freizusprechen.

    Das Statthalteramt Pfäffikon hat keine Gegenbemerkungen eingereicht.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- § 31 der Verordnung des Kantons Zürich über die Bekämpfung der
Tierseuchen vom 20. Februar 1930 lautet:

    "Motorfahrzeuge und Anhänger, die der gewerbsmässigen Beförderung
von Klauenvieh dienen, sind der kantonalen Motorfahrzeugkontrolle jedes
Jahr zur Prüfung vorzuführen. Die Transportbewilligung für Vieh wird nur
unter folgenden Bedingungen erteilt:

    a)  Boden und Wände müssen so dicht abgeschlossen sein, dass
Ausscheidungen der Tiere während der Fahrt nicht ausfliessen können.

    b)  Für den Transport von Grossvieh müssen die Wände mindestens 160
cm, für den Transport von Kleinvieh mindestens 100 cm hoch sein.

    c)  Die Anbindevorrichtungen für Grossvieh sind so anzubringen,
dass die Tiere mit dem Kopf die Wagenwand nicht überragen können.

    Für Kleinviehtransporte sind die Wagen mit Netzen aus Stricken zu
überspannen, sofern der Laderaum nicht dicht anschliessend überdacht ist."

    a) Die Vorschriften von § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung,
die ausschliesslich die gewerbsmässige Beförderung von Klauenvieh
durch Motorfahrzeuge zum Gegenstand haben, wollen offensichtlich nicht
bloss die Verbreitung von Tierseuchen bekämpfen, sondern sie haben auch
verkehrspolizeilichen Charakter. Sie dienen, wenn nicht in erster Linie,
so doch ebenfalls dem Schutz der Strasse und der Strassenbenützer vor
Beschmutzung und sonstigen Störungen. Die Regelung des motorisierten
Strassenverkehrs ist aber nach Art. 37bis BV unter den dort genannten
Vorbehalten Sache des Bundes, der von seiner Befugnis mit dem MFG
bzw. SVG und den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen Gebrauch gemacht
hat. Hierunter fallen auch die Vorschriften über den Bau und die Ausrüstung
der Motorfahrzeuge, sowohl für den Personen- wie für den Warenverkehr. Die
Kantone sind daher zum Erlass strassenpolizeilicher Vorschriften dieser
Art nicht mehr befugt (Art. 106 Abs. 3 SVG).

    b) Die Vorschriften des § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung
sind aber auch insoweit unzulässig, als sie die Verbreitung von Tierseuchen
bei Viehtransporten verhindern wollen. Art. 49 des Bundesgesetzes
betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 13. Juni 1917 behält den
Kantonen die Befugnis zum Erlass eigener Anordnungen nur vor, soweit
das Bundesgesetz zu seiner Ausführung der Ergänzung durch kantonale
Anordnungen bedarf. Diese Voraussetzung trifft nicht zu, wenn der Bund die
zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen selber getroffen
hat. Solche Ausführungsbestimmungen sind hinsichtlich der Bekämpfung
von Tierseuchen bei Viehtransporten durch den Bundesratsbeschluss über
die zum Transport von lebenden Tieren verwendeten Motorfahrzeuge vom
14. Februar 1939 erlassen worden. In diesem auf Grund von Art. 20 und 49
des Tierseuchengesetzes ergangenen Beschluss wurden die Anforderungen, die
an die Motorfahrzeuge und Anhänger mit Bezug auf die Beschaffenheit des
Laderaumes und die Höhe der Seitenwände zu stellen sind, näher geregelt,
und zugleich wurde die gewerbsmässige Beförderung von Klauenvieh
mittels Motorfahrzeugen der Bewilligungspflicht unterstellt. Dieser
Bundesratsbeschluss ist mit dem Inkrafttreten der Verordnung über die
Strassenverkehrsregeln als aufgehoben erklärt worden (Art. 99 Abs. 3
VRV). An dessen Stelle trat Art. 74 VRV, der sich auf Art. 30 Abs. 4
SVG stützt, wo dem Bundesrat aufgetragen wurde, im Rahmen der dem Bund
zustehenden Befugnisse Vorschriften über die Beförderung von Tieren
sowie von gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder ekelerregenden
Stoffen und Gegenständen zu erlassen. Der Bundesrat hat demnach von
der bereits im Beschluss vom 14. Februar 1939 ausgeübten Befugnis, den
Transport von Tieren aus seuchenpolizeilichen Gründen bundesrechtlich zu
regeln, auch nach Aufhebung dieses Beschlusses Gebrauch gemacht, indem
er ihn durch entsprechende Vorschriften in Art. 74 VRV ersetzte. Die
in dieser Bestimmung einlässlicher als bisher gehaltenen Vorschriften
zeigen, dass der Tiertransport mit Motorfahrzeugen abschliessend
geregelt werden wollte. Die in Art. 74 VRV aufgestellte Ordnung kann
daher, auch soweit sie seuchenpolizeilichen Zwecken dient, nicht durch
kantonale Bestimmungen ergänzt werden. Bei der heute allgemein verbreiteten
Verwendung von Motorfahrzeugen wäre es auch unzweckmässig und insbesondere
für gewerbsmässige Transportunternehmer eine unzumutbare Erschwerung,
wenn bei den Tiertransporten, die sich häufig über das Gebiet mehrerer
Kantone erstrecken, von Kanton zu Kanton verschiedene Vorschriften über
den Bau und die Ausrüstung der Fahrzeuge beachtet werden müssten.

    Greift § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung somit in die
bundesrechtliche Rechtsetzungskompetenz ein, so ist das angefochtene
Urteil insoweit bundesrechtswidrig, als es die beiden Beschwerdeführer
bestrafte, weil sie es unterliessen, die Fahrzeuge, wie es § 31 lit. c
der kantonalen Verordnung im Unterschied zu Art. 74 VRV verlangt, mit
Netzen zu überspannen.