Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 51



91 IV 51

15. Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1965 i.S. Jesumann gegen
Trümpy. Regeste

    Art. 351, 346 StGB, 268 BStP. Gegen Entscheidungen in innerkantonalen
Streitigkeiten über den Gerichtsstand des Begehungsortes ist die
Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig.

Sachverhalt

    A.- Maria Jesumann schrieb am 15. Mai 1964 an ihrem Wohnort Maur
(Bezirk Uster) einen an den Obmann der Jagdgesellschaft Wassberg
gerichteten Brief, worin sie Hermann Trümpy, Mitglied dieser
Jagdgesellschaft, beschuldigte, sich als Mensch und Jäger verwerflich
verhalten zu haben. Am 18. Mai 1964 übergab die Verfasserin den Brief in
Zürich der Post zum Versand. Hermann Trümpy, der vom Inhalt des Briefes
Kenntnis erhielt, reichte darauf gegen Maria Jesumann beim Bezirksgericht
Uster Strafklage wegen Ehrverletzung ein.

    B.- Das Bezirksgericht Uster beschloss am 30. September 1964, die
Klage mangels örtlicher Zuständigkeit des Gerichtes nicht zuzulassen. Es
ging davon aus, die eingeklagte Verleumdung oder üble Nachrede sei erst
mit der Übergabe des ehrverletzenden Briefes an die Post, also in Zürich
begangen worden.

    Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Kläger rekurrierte,
vertrat dagegen die Auffassung, dass die behauptete Ehrverletzung teils
am Ort, wo der Brief niedergeschrieben, teils am Ort, wo er der Post
aufgegeben wurde, im Sinne des Art. 346 Abs. 1 StGB ausgeführt worden
sei. Es hob am 12. November 1964 den angefochtenen Beschluss auf und
erklärte in Anwendung von Art. 346 Abs. 2 StGB das Bezirksgericht Uster, wo
der Ehrverletzungsprozess zuerst anhängig gemacht wurde, örtlich zuständig.

    C.- Maria Jesumann führt gegen den Entscheid des Obergerichts
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, diesen aufzuheben und den Beschluss
des Bezirksgerichts Uster auf Nichtzulassung der Klage wegen örtlicher
Unzuständigkeit des angerufenen Richters zu bestätigen.

    D.- Hermann Trümpy beantragt, die Beschwerde sei in Bestätigung des
angefochtenen Entscheides abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Ist der Gerichtsstand unter den Behörden mehrerer Kantone streitig, so
bezeichnet das Bundesgericht den Kanton, der zur Verfolgung und Beurteilung
berechtigt und verpflichtet ist (Art. 351 StGB). Nach dem klaren
Wortlaut dieser Bestimmung kann das Bundesgericht nur angerufen werden,
wenn die örtliche Zuständigkeit unter den Behörden verschiedener Kantone
streitig ist. Die ausdrückliche Beschränkung auf interkantonale Konflikte
hat offensichtlich den Sinn, dass Gerichtsstandsstreitigkeiten, an denen
bloss Behörden ein und desselben Kantons beteiligt sind, dem Bundesgericht
nicht zum Entscheid unterbreitet werden können. Die Entstehungsgeschichte
des Art. 351 StGB bestätigt diese Auslegung. In der 2. Expertenkommission
führten Zürcher und Gautier übereinstimmend aus, dass nurinterkantonale
Gerichtsstandsstreitigkeitenvom Bundesgericht, innerkantonale dagegen
von der nach kantonalem Recht zuständigen oberen kantonalen Instanz zu
entscheiden seien (Prot., Bd. VIII, S. 78). Ebenso äusserten sich Seiler
und Baumann als Berichterstatter in den eidgenössischen Räten (StenBull. NR
1930, S. 577; StR 1931, S. 243). Die gleiche Auffassung wird allgemein
auch in der Literatur vertreten (HAFTER, Allg. Teil, 2. Aufl., S. 89;
THORMANN/OVERBECK, Note 1 zu Art. 351 StGB; CAVIN in ZSR 1946, S. 26 a
f.; COUCHEPIN in ZStR 1948, S. 101; PANCHAUD in Schweiz. Jur. Kartothek
Nr. 899, D I/2 lit. b).

    Die Vorschrift des Art. 351 StGB bezieht sich auf das Bundesgericht als
Ganzes, nicht bloss auf die Anklagekammer, die schon auf Grund des Art. 264
BStP einzig in interkantonalen Gerichtsstandsstreitigkeiten zu entscheiden
hat. Daraus ist zu schliessen, dass der Strafgesetzgeber ein ordentliches
eidgenössisches Rechtsmittel gegen kantonale Gerichtsstandsentscheidungen,
die innerkantonale Konflikte betreffen, ausschliessen wollte. Es ist daher
nach Art. 351 StGB, der als Sondernorm dem Art 268 BStP vorgeht, in solchen
Fällen auch die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung der Art. 346-350
StGB nicht gegeben. Dieses Ergebnis mag als nicht folgerichtig erscheinen,
erklärt sich aber daraus, dass der eidgenössische Gesetzgeber mit den
einheitlichen Gerichtsstandsvorschriften in erster Linie Konflikte unter
den Kantonen ausschalten und sodann interkantonal wie innerkantonal
die Durchführung und Anwendung der materiellen Bestimmungen des StGB
sichern wollte, dass er im übrigen jedoch unnötige Eingriffe in die
kantonale Organisation und Prozessgesetzgebung zu vermeiden trachtete
(vgl. Botschaft des Bundesrates vom 23. Juli 1918, BBl 1918 IV 81). Der
Ausschluss eines ordentlichen eidgenössischen Rechtsmittels ist übrigens
auch auf dem Gebiet des Bundeszivilrechts anzutreffen, dessen Verletzung
in vielen Fällen ebenfalls nur mit staatsrechtlicher Beschwerde beim
Bundesgericht gerügt werden kann.

    Es kann im vorliegenden Falle, wo Art. 346 StGB in Frage steht,
offen bleiben, ob bei andern Gerichtsstandsbestimmungen, z.B. Art. 347
oder 349 StGB, welche die Einheit der Strafverfolgung gewährleisten
wollen, die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht zuzulassen
wäre. Beim Gerichtsstand des Begehungsortes ist bundesrechtlich ohne
Bedeutung, wie die Kantone auf ihrem Gebiet den Zuständigkeitsbereich der
Strafverfolgungsbehörden territorial abgrenzen und in welchem von mehreren
Bezirken der Tatort liegt. Materiellrechtlich will mit Art. 346 StGB
nur erreicht werden, dass die Tat in dem Kanton verfolgt und beurteilt
werde, in dem sie ausgeführt wurde. Es muss daher beim Entscheid des
Obergerichts, der das Bezirksgericht Uster zur Verfolgung und Beurteilung
der Ehrverletzungsklage örtlich zuständig erklärt, sein Bewenden haben.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.