Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 IV 46



91 IV 46

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Februar 1965
i.S. Bucher gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich. Regeste

    Milchpreiskontrolle. Art. 14 Abs. 4 BB vom 21. Dezember 1960
über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch
und Milchprodukte; Art. 6 Abs. 1 VO vom 11. April 1961 über die
Preisausgleichskasse für Milch und die Preise für Konsummilch.

    1. Das Verbot, die Preise für Konsummilch ohne Bewilligung zu erhöhen,
umfasst nicht nur den Ladenpreis, sondern auch den Zuschlag für die
Hauszustellung (Erw. 1).

    2. Unzulässige Erhöhung des Konsummilchpreises durch Erhebung einer
Pauschalentschädigung für die Hauszustellung (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Art. 14 Abs. 4 des Bundesbeschlusses vom 21.  Dezember 1960
über Mietzinse für Immobilien und die Preisausgleichskasse für Milch und
Milchprodukte (MPB; AS 1961 284) erklärt in Erneuerung früherer Erlasse
die Erhöhung der Preise und Margen für Konsummilch bewilligungspflichtig.

    Der Bundesbeschluss wurde vom Bundesrat am 11. April 1961 auf den 15.
April 1961 in Kraft gesetzt.

    Als Stichtag für die Bewilligungspflicht von Erhöhungen
bestimmte Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 11. April 1961 über die
Preisausgleichskasse für Milch und die Preise für Konsummilch (MPV; AS 1961
294) demgemäss den 14. April 1961. Nach dieser Bestimmung dürfen die Preise
für Konsummilch vom Milchhandel aller Stufen (wie Käsereien, Molkereien,
Milchdetaillisten, Selbstausmesser) ohne schriftliche Bewilligung weder
unmittelbar noch mittelbar über den am 14. April 1961 zulässigen Stand
erhöht werden.

    Nach Art. 7 Abs. 1 MPV kann die eidgenössische Preiskontrollstelle
(EPK) die Preise für Konsummilch allgemein oder für einzelne Ortschaften
und Regionen neu festsetzen. Gesuche um Erhöhung von Preisen und Margen
sind schriftlich der Preiskontrollstelle einzureichen, die darüber im
Einvernehmen mit der Abteilung für Landwirtschaft entscheidet (Art. 10
Abs. 1 MPV).

    B.- Durch Verfügung vom 30. Oktober 1962 setzte die EPK den Höchstpreis
für offen ausgemessene Konsummilch in der Gemeinde Birmensdorf bei Verkauf
im Laden auf 59 Rp. und bei Hauszustellung auf 61 Rp. je Liter fest.

    Die Landwirtschaftliche Genossenschaft Birmensdorf, deren Verwalter
Bucher ist, hielt sich zunächst an diese Verfügung, fand dann aber,
dass sie damit bei der Hauszustellung zu Verlust komme. Sie hob daher
am 28. Juni 1963 den Zuschlag von 2 Rp./l für die Hauszustellung mit
Wirkung vom 1. Juli an auf und erhob statt dessen von jedem, der Milch
und Milchprodukte im Zustellungsdienst bezog, monatlich eine "Grundgebühr"
von Fr. 3.50. Die Gebühr wurde auf Fr. 2.50 ermässigt, wenn beim gleichen
Halt zwei oder mehrere Kunden bedient werden konnten.

    Die EPK erblickte in dieser Regelung eine rechtswidrige Erhöhung
des Preises für die Konsummilch und forderte die Genossenschaft auf,
den früheren Zustand wieder herzustellen und die inzwischen bezogenen
Grundgebühren den Kunden zurückzuerstatten.

    Die Genossenschaft widersetzte sich der Aufforderung und erhob
Beschwerde an das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement. Dieses wies
die Beschwerde am 24. September 1963 ab.

    Da sich die Genossenschaft dem Entscheid nicht fügte, reichte die
Preiskontrollstelle des Kantons Zürich auf Veranlassung der EPK am 17.
Oktober 1963 Strafanzeige ein.

    C.- Durch Verfügung vom 22. Januar 1964 verfällte das Statthalteramt
des Bezirkes Zürich den Genossenschaftsverwalter Bucher wegen Übertretung
von Art. 14 Abs. 4 MPB und Art. 6 Abs. 1 MPV in eine bei Bewährung nach
einem Jahre löschbare Busse von Fr. 200.--; zudem untersagte es der
Genossenschaft die Erhebung nicht bewilligter Gebühren und verpflichtete
sie, den Kunden die rechtswidrig erhobenen Gebühren, abzüglich 2 Rp. je
Liter, zurückzuerstatten.

    Bucher erhob Einsprache und verlangte gerichtliche Beurteilung.

    Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich bestätigte
am 23. Juni 1964 die Verfügung des Statthalteramtes.

    D.- Bucher führt gegen das. Urteil des Einzelrichters
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.

    Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Bucher gegen das gleiche
Urteil eingereicht hat, ist vom Obergericht des Kantons Zürich am
21. Dezember 1964 abgewiesen worden.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das Verbot der Art. 14
Abs. 4 MPB und 6 Abs. 1 MPV, die Preise für Konsummilch ohne Bewilligung
zu erhöhen, nicht nur den Ladenpreis, sondern auch den Zuschlag für die
Hauszustellung umfasst. Dieser Zuschlag ist in der Tat nichts anderes als
ein Bestandteil des Preises, den der Kunde bei Hauszustellung für die Milch
zu bezahlen hat. Demgemäss wird von der EPK mit dem zulässigen Höchstpreis
für den Ladenverkauf auch derjenige für die Hauszustellung festgesetzt,
wie es im vorliegenden Falle mit der Verfügung vom 30. Oktober 1962
gegenüber der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Birmensdorf geschehen
ist, mit 59 Rp./l für den Verkauf im Laden und 61 Rp./l für den Verkauf
bei Hauszustellung.

    Dagegen gelten die Höchstpreise nach den genannten Bestimmungen nur
für die Konsummilch, nicht auch für Spezialmilcharten (z.B. Pastmilch)
und für Milchprodukte.

Erwägung 2

    2.- Die Genossenschaft hat den Zuschlag für die Hauszustellung nicht
unmittelbar erhöht, indem sie denselben etwa von 2 Rp./l auf 3 oder 5
Rp./l heraufgesetzt hätte. Sie hat vielmehr den besondern Zuschlag je
Liter ins Haus gelieferter Milch überhaupt aufgegeben und statt dessen
für die gesamte Hauszustellung von Konsummilch und freien Produkten eine
sogenannte Grundgebühr eingeführt, die monatlich Fr. 3.50, bei Bedienung
von zwei oder mehreren Kunden im gleichen Halt Fr. 2.50 betrug.

    Bei dieser Pauschalentschädigung hätte ein Kunde, der nur
Konsummilch bezog, nach der zutreffenden Berechnung des Obergerichts
im Monat 175 l, bzw. bei gleichzeitiger Bedienung mehrerer Kunden 1251
beziehen müssen, um auf einen Zuschlag von nicht mehr als 2 Rp./l für die
Hauszustellung zu kommen. Laut dem Beschwerdeentscheid des eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes werden jedoch den einzelnen Bezügern im
Durchschnitt erfahrungsgemäss nicht mehr als 1,51 im Tag oder etwa 451
im Monat ausgemessen, so dass sich für die weitaus meisten Kunden, die
nicht gleichzeitig freie Produkte bezogen, mit der Pauschalentschädigung
statt des zulässigen Zuschlags von 2 Rp./l ein solcher von mindestens
7,7 bzw. 5,5 Rp./l ergab.

    Zwar wurde die sogenannte Grundgebühr für die gesamte Hauszustellung
erhoben, also einschliesslich derjenigen der freien Produkte. Diese
erreichen indes nach dem Beschwerdeentscheid des eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes wertmässig den Anteil an Konsummilch
allgemein nicht, weshalb der zulässige Ansatz von 2 Rp./l im Durchschnitt
immer noch um nahezu 3 bzw. 2 Rp./l überschritten blieb. Jedenfalls
aber gibt es, wie das Obergericht ausführt, in jedem Zustellungsgebiet
Kunden, die sich nur Milch und keine andern Produkte ins Haus liefern
lassen. Dementsprechend stellt der Einzelrichter fest, dass tatsächlich
auch von der Genossenschaft einzelne Kunden nur Konsummilch bezogen. Diese
Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet deshalb den
Kassationshof (Art. 277bis Abs. 1 BStP).

    Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, dass einzelne Kunden
nach der neuen Berechnungsweise mehr als die zulässigen 2 Rp./l für die
Hauszustellung an Konsummilch entrichten mussten. Er wendet lediglich ein,
im Durchschnitt hätten sie nicht mehr bezahlen müssen. Allein abgesehen
davon, dass dies nach den hievor angeführten Berechnungen offenbar nicht
zutrifft, kommt darauf, wieviel durchschnittlich bezahlt worden ist,
nichts an. Gesetz und Verordnung machen die Preiserhöhung schlechthin
und allgemein von der Bewilligung abhängig, nicht nur gegenüber dem
Durchschnitt der Kunden, sondern zugunsten eines jeden von ihnen. Das
ergibt sich auch aus dem Zweck der Milchpreisvorschriften, nach Möglichkeit
zur Tiefhaltung des Milchpreises für die Konsumenten in Mangelgebieten
und Konsumzentren beizutragen (Art. 14 Abs. 1 MPB). Einem Konsumenten,
der mehr als den von der EPK festgesetzten Preis zu bezahlen hätte,
wäre wenig geholfen damit, dass für seinen Nachbar die Milch nicht über
den Höchstpreis zu stehen käme, weil dieser mehr Milch oder mehr freie
Produkte bezieht als er. Dass die Genossenschaft den Konsummilchpreis zwar
nicht unmittelbar, aber mittels der Pauschalentschädigung rechtswidrig
erhöht hat, kann daher nicht zweifelhaft sein.

    Ob die festgestellten Höchstpreise den Verhältnissen genügend Rechnung
tragen, ist hier nicht zu untersuchen; der Richter hat die bestehenden
Vorschriften anzuwenden und kann sich nicht in die Milchwirtschaftspolitik
einschalten.