Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 III 60



91 III 60

13. Entscheid vom 28. Juni 1965 i.S. Mandl. Regeste

    Pfändung einer Forderung, die - neben andern, im Ausland befindlichen
Gegenständen - als Pfand für eine Forderung desselben Gläubigers gegen
einen Dritten haftet.

    1.  Bei der Schätzung der pfandbelasteten Forderung fällt nur der für
die pfändenden Gläubiger verfügbare Überschuss in Betracht, und es ist
entsprechend dem Ergebnis die Pfändung auf anderes Vermögen des Schuldners
auszudehnen. Art. 97 und 126 SchKG. (E. 1 und 2 a).

    2.  Die Verwertung wird sich auf die derzeit pfandbelastete Forderung
beschränken lassen, wenn diese inzwischen pfandfrei geworden ist und
einen genügenden Erlös ergibt. (Erw. 2 b).

    3.  Die Einrede des Schuldners, der Gläubiger habe sich für seine
pfandgesicherte Forderung gegen den Dritten in erster Linie an die andern
Pfänder zu halten, hindert den Fortgang der Betreibung nicht. Wie ist
sie allenfalls nach durchgeführter Verwertung zu berücksichtigen? (E. 2 c).

Sachverhalt

    A.- Laut Schiedsgerichtsurteil vom 16. November 1962 schuldet Josef
Mandl, Zürich, der Handelsbank in Zürich Fr. 135'827.-- nebst Zins
und Quartalskommission, und die Firma Rubtex Co. Establishment, Vaduz,
schuldet der nämlichen Bank laut dem erwähnten Schiedspruch Fr. 722'135.15
nebst Zins und Quartalskommission. Für beide Forderungen haften, wie der
Schiedspruch ferner festlegt, folgende Pfänder:

    a) ein in Amsterdam und Rotterdam eingelagerter Posten Textilmaschinen
mit ca. 30'000 Spindeln und allen dazu gehörenden Vorwerkmaschinen und
Bestandteilen;

    b) ein in 800 Kisten verpackter, in Antwerpen eingelagerter Posten
Glaswaren.

    Bloss für die Schuld der Rubtex Co. haften als Pfand ausserdem
sämtliche Ansprüche des Josef Mandl gegen die in Nachlassliquidation
stehende Löw - Schuhfabriken A. G. in Oberaach.

    Josef Mandl und die Rubtex Co. haben ferner der Handelsbank laut
dem Schiedsspruch die Prozesskosten von Fr. 64'050.-- zu ersetzen, mit
solidarischer Verpflichtung.

    B.- Im Januar 1963 leitete die Handelsbank beim Betreibungsamte Zürich
7 gegen Josef Mandl die ordentliche Betreibung Nr. 216 ein, und zwar für
die erwähnte Hauptforderung von Fr. 135'827.-- samt Nebenforderungen wie
auch für die Forderung auf Kostenersatz von Fr. 64'050.--, wozu dann
noch Rechtsöffnungskosten samt Umtriebsentschädigung kamen.

    C.- Die am 4. Juli 1963 vollzogene Pfändung (der sich die Ehefrau des
Schuldners mit einer Forderung gemäss Art. 111 Abs. 1 SchKG anschloss;
Gruppe 955) umfasst 52 Positionen. Das Betreibungsamt betrachtete die
Pfändung als ungenügend und bezeichnete deshalb die Pfändungsurkunde
als provisorischen Verlustschein. Unter Nr. 43 ist eine Forderung des
Schuldners von Fr. 936'591.25 gegen die in Nachlassliquidation stehende
Löw-Schuhfabriken AG gepfändet. Der Schätzungswert wurde bloss auf
Fr. 100.-- bemessen mit Rücksicht auf das der Handelsbank an dieser
Forderung zustehende Pfandrecht für ihre Forderung gegen die Rubtex Co.

    D.- Der Schuldner führte Beschwerde wegen zu niedriger Schätzung. In
beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, zieht er den Entscheid der obern
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 1. Juni 1965 an das Bundesgericht weiter
mit den Anträgen:

    "1. Alle mit Pfändungsurkunden des Betreibungsamtes Zürich 7 in
den Betreibungen Nrn. 216 und 1973 (Gruppe 955) und Nr. 1227 (Gruppe
956) gepfändeten Forderungen und Sachen, mit Ausnahme der unter Nr. 43
aufgeführten Forderung, seien von der Pfändungsbeschlagnahme zu befreien.

    2. Die in den angeführten Pfändungsurkunden unter Position
Nr. 43 gepfändete Forderung des Rekurrenten gegenüber der Schweiz.
Treuhandgesellschaft AG. in Zürich als Liquidatorin der Löw-Schuhfabriken
AG. in Nachlassliquidation sei auf Fr. 753 949.-- zu schätzen.

    3. Eventualiter sei der Prozess an die Vorinstanz zurückzuweisen, zur
Feststellung des Wertes der der Rekursgegnerin 1 (Handelsbank) verpfändeten
Textilmaschinen und Glaswaren und anschliessendem neuen Entscheid."

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 97 Abs. 2 SchKG soll nicht mehr gepfändet werden, als
nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen
und Kosten zu befriedigen. Somit hat die nach Abs. 1 daselbst vorzunehmende
Schätzung denjenigen Betrag anzugeben, der bei der Verwertung des einzelnen
Gegenstandes vermutlich für die pfändenden Gläubiger verfügbar sein wird.
Bestehen an einem Gegenstand Pfandrechte, die den Rechten der pfändenden
Gläubiger vorgehen, so ist daher vom realen Wert der Betrag der aus
dem Erlös vorweg zu deckenden Pfandforderungen abzuziehen. Denn für die
pfändenden Gläubiger ist nur ein die vorgehenden Ansprüche übersteigender
Betrag verfügbar, und nach dem Deckungsprinzip des Art. 126 SchKG kann
der Gegenstand überhaupt nur bei Erreichung eines solchen Überschusses
dem Meistbietenden zugeschlagen werden.

    Davon ausgehend, erachtet die Vorinstanz die betreibungsamtliche
Schätzung des unter Nr. 43 gepfändeten Guthabens auf den bloss symbolischen
Betrag von Fr. 100.-- als gerechtfertigt und das Begehren des Schuldners
um Beschränkung der Pfändung auf diesen Gegenstand als unbegründet. Zwar
wurde das Guthaben von Fr. 936'591.25 im Kollokationsverfahren anerkannt,
und es entfällt darauf in der Nachlassliquidation, wie die Vorinstanz
feststellt, ein Nettobetreffnis von Fr. 753'949. -. Das Guthaben hat
also an und für sich diesen Wert. Ist aber, was die Vorinstanz aus dem
Deckungsprinzip folgert, jenes als Erlös zu betrachtende Betreffnis
vorweg auf die pfandgesicherte Forderung der Handelsbank gegen die
Rubtex Co. anzuweisen - die sich mit den Nebenforderungen auf etwa
Fr. 1'000,000.-- beläuft -, so ist einstweilen mit einem für die
pfändenden Gläubiger verfügbaren Überschuss gar nicht zu rechnen, was
die Schätzungsweise des Betreibungsamtes als zutreffend und die Pfändung
weiterer Gegenstände als begründet erscheinen lässt.

    Der Schuldner will dies wegen der für die Forderung gegen die Rubtex
Co. bestehenden mehrfachen Pfandsicherheit nicht gelten lassen. Er hält es
für unzulässig, nun gerade das eine Pfand, nämlich die in den vorliegenden
Betreibungen gegen ihn gepfändete Forderung gegen die Löw-Schuhfabriken AG,
ganz für jene noch anderweitig pfandgesicherte Forderung in Anspruch zu
nehmen und diesen Gegenstand deshalb als für die in Betreibung stehenden
Forderungen gegen ihn selbst sozusagen wertlos zu betrachten. Vielmehr
wäre die Handelsbank nach seiner Ansicht verpflichtet, in einem (bisher
nicht angehobenen) Pfandverwertungsverfahren in erster Linie auf den
Posten Textilmaschinen (oben A lit. a) zu greifen. Denn einmal lasse
sich aus diesem einzigen Pfandposten (wie die von ihm beantragte, von der
Vorinstanz zu Unrecht abgelehnte Schätzung ergeben werde) jene gegen die
Rubtex Co. gerichtete Forderung vollständig tilgen, während die andern
Pfänder (auch das in den vorliegenden Betreibungen gepfändete Guthaben
gegen die Löw-Schuhfabriken AG) einzeln nicht dazu ausreichen würden. Und
sodann verstosse es gegen Treu und Glauben, "wenn der gleiche Gläubiger für
eine andere Forderung den gleichen Schuldner auspfänden lässt und in dieser
Pfändung alle ihm verpfändeten Vermögenswerte für die Deckung der mehrfach
pfandgesicherten, nicht in Betreibung gesetzten Forderung beansprucht."
Die Rubtex Co. habe übrigens nach der Darstellung der Handelsbank eigenes
Vermögen, so dass es gar nicht sicher zum Griff auf Pfänder zu kommen
brauche. Sollte aber "gegen jede vernünftige Erwartung" der Erlös aus dem
Pfändungsgegenstand Nr. 43 in einem so hohen Masse als Ausfalldeckung für
die Pfandforderung gegen die Rubtex Co. dienen müssen, dass nicht mehr
genug zur völligen Tilgung der hier in Betreibung stehenden Forderungen
übrig bliebe, so bestünde immer noch die Möglichkeit einer Nachpfändung.

Erwägung 2

    2.- Die Einwendungen des Schuldners halten einer nähern Prüfung
nicht stand.

    a) Aus dem Vorhandensein weiterer für die Forderung der Handelsbank
gegen die Rubtex Co. haftender Pfänder - die, weil im Ausland liegend, in
der Schweiz nicht gepfändet werden konnten - lässt sich gegen die von der
Vorinstanz bestätigte Schätzung nichts einwenden. Das Schiedsgerichtsurteil
stellt die drei Pfänder auf gleiche Linie. Somit haftet das in den
vorliegenden Betreibungen für andere (gegen den Rekurrenten gehende)
Forderungen gepfändete Guthaben gegen die Löw-Schuhfabriken AG als
Pfand für jene Forderung gegen die Rubtex AG in vollem Umfange neben
den andern Pfändern, solange die Pfandforderung besteht. Mit Recht
nimmt die Vorinstanz daher an, das auf den Gegenstand Nr. 43 entfallende
Liquidationsbetreffnis habe einstweilen als Pfanddeckung für die Forderung
gegen die Rubtex Co. unangetastet zu bleiben und sei daher für die
pfändenden Gläubiger nur mit einem symbolischen Betrag in Rechnung zu
stellen, was die Pfändung anderer Sachen vollauf rechtfertige.

    b) Es muss dem Schuldner anheim gestellt bleiben, falls er dazu in der
Lage ist, dahin zu wirken, dass es, bevor die vorliegenden Betreibungen in
das Verwertungsstadium treten, zur Tilgung jener pfandgesicherten Forderung
gegen die Rubtex Co. kommt (und zwar ohne Eintritt eines zahlenden Dritten
in die Gläubigerrechte), womit der Pfändungsgegenstand Nr. 43 pfandfrei
würde. Sollte dies geschehen, so könnte dieser Gegenstand zu Gunsten der
pfändenden Gläubiger verwertet, d.h. das vom Betreibungsamt eingezogene
Liquidationsbetreffnis an sie ausgerichtet werden, und es würden sich
weitere Verwertungen wohl erübrigen. Mit der Herbeiführung einer solchen
Lösung hat sich das Betreibungsamt dagegen nicht zu befassen, und es steht
dem Schuldner auch nicht zu, den Gang der vorliegenden Betreibungen zu
hemmen, um allenfalls mit beträchtlichem Zeitaufwande den Gegenstand
Nr. 43 aus der Pfandhaftung zu befreien. Vollends geht es nicht an,
dieses heute noch ganz ungewisse Erlöschen des am Gegenstand Nr. 43
bestehenden Pfandrechts gewissermassen als bereits erfolgt anzusehen
und den realen Wert dieses Gegenstandes, ohne Abzug des Pfandvorganges,
zu Gunsten der betreibenden Gläubiger für die gegen den Rekurrenten
gerichteten Forderungen in Rechnung zu stellen.

    c) Der Schuldner hält freilich dafür, die uneingeschränkte Anwendung
des Deckungsprinzips führe im vorliegenden Falle zu einer übermässigen,
der Handelsbank nicht zustehenden, ja gegen Treu und Glauben verstossenden
Inanspruchnahme des am Pfändungsgegenstand Nr. 43 bestehenden Pfandrechts
für die noch anderweitig pfandgesicherte Forderung gegen die Rubtex Co. Dem
ist jedoch nicht beizustimmen. Die betreibenden Gläubiger haben Anspruch
darauf, die in das Fortsetzungsstadium getretene Betreibung Nr. 216 ihren
gesetzlichen Fortgang nehmen zu lassen. Der Schuldner hat diese ordentliche
Betreibung nicht im Sinne des Art. 41 SchKG angefochten, um die Handelsbank
auf die Verwertung der Pfänder (nämlich der auch für die Forderung gegen
die Rubtex Co. haftenden Textilmaschinen und Glaswaren) zu verweisen. Das
hätte durch Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl geschehen müssen (vgl. BGE
73 III 14, 77 III 2; für die Entscheidung wäre das Recht der Ortslage der
Pfänder, also ausländisches Recht, anwendbar gewesen; vgl. BGE 65 III
92 ff.). Wenn die Handelsbank nun die Betreibung fortsetzt, so ist sie
dabei lediglich an die Vorschriften des SchKG gebunden. Es geht nicht an,
den nach Art. 97 SchKG gerechtfertigten Umfang der Pfändung zu beschränken
aus dem Gesichtspunkt, dass jene Bank die Möglichkeit und allenfalls die
zivilrechtliche Pflicht habe, unverzüglich gegen die Rubtex Co. vorzugehen
und dabei in erster Linie die im Auslande liegenden Pfänder in Anspruch
zu nehmen. Sollte der Schuldner im Verwertungsstadium darauf beharren,
dass die Handelsbank nach Zivilrecht (insbesondere nach Treu und Glauben)
nicht berechtigt sei, sich aus dem unter Nr. 43 gepfändeten Guthaben für
ihre Forderung gegen die Rubtex Co. zu befriedigen, bevor sie versucht
hat, sich aus den im Ausland liegenden Pfändern Deckung zu verschaffen,
so könnte dies nur einen Grund bilden, ihr bis zur Austragung dieser
Streitfrage die Auszahlung des auf den Gegenstand Nr. 43 entfallenden
Verwertungs- bezw. Liquidationsbetreffnisses vorzuenthalten. Das
Betreffnis wäre aber gleichwohl zur allfälligen Deckung der durch es
pfandgesicherten Forderung einstweilen aufzubehalten und nicht etwa auf
Rechnung der in Betreibung stehenden gegen den Rekurrenten auszuzahlen. Es
darf dem Zweck, als Pfanddeckung für die Forderung der Handelsbank gegen
die Rubtex Co. zu dienen, nicht entfremdet werden, solange das Pfandrecht
an diesem Gegenstande nicht erloschen ist.

    d) Die blosse Möglichkeit, dass das Pfandrecht an dem unter Nr. 43
gepfändeten Guthaben wegfallen wird, bevor es zur Verwertung anderer
Pfändungsgegenstände kommen muss, rechtfertigt es, wie in lit. b) hievor
ausgeführt, nicht, von vornherein von der Pfändung weiterer Gegenstände
abzusehen. Die betreibenden Gläubiger dürfen bei der gegebenen Sachlage -
da der Gegenstand Nr. 43 jedenfalls bis auf weiteres gänzlich als Deckung
für die Pfandforderung gegen die Rubtex Co. zu dienen hat - nicht auf
eine allenfalls später vorzunehmende Nachpfändung verwiesen werden,
sondern haben Anspruch auf eine den heutigen Verhältnissen entsprechende,
genügende Pfändung.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.