Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 91 III 29



91 III 29

7. Entscheid vom 13. Mai 1965 i.S. Beta Holding

SA Regeste

    1.  Nach Art. 17 SchKG anfechtbare Verfügungen:

    -  eine nachträgliche Ausdehnung des Arrestbeschlages durch das
Betreibungsamt (Erw. 1);

    - die Ablehnung eines Gesuches um Zustellung der "definitiven"
Arresturkunde (Erw. 2).

    2.  In der Arresturkunde ausdrücklich erklärte Ablehnung der
Arrestierung weiterer Gegenstände, die unter die allgemeine Umschreibung
derselben im Arrestbefehl fallen würden:

    -  diese Ablehnung wird nach unbenutztem Ablauf der Beschwerdefrist
rechtskräftig (Erw. 4);

    - sie kann, wenn eindeutig erklärt, auch nicht als "Rechtsverweigerung"
noch später angefochten werden (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Für zwei Forderungen von Fr. 6'000,000.-- (Provision) und
Fr. 60'000,000.-- (Schadenersatz) gegen die Italienischen Staatsbahnen,
Rom, erwirkte die Rekurrentin am 22. Februar 1965 in Basel einen
Arrestbefehl mit folgender Umschreibung der Arrestgegenstände:

    "Sämtliche Guthaben, Beteiligungen, Depositen, Werttitel, Edelmetalle
und überhaupt Valoren irgendwelcher Art der Schuldnerin bei

    a)  der Eurofima A. G. Europäische Gesellschaft für die Finanzierung
von Eisenbahnmaterial, Parkweg 8, Basel;

    b)  der Interfrigo, Société Ferroviaire Internationale de Transports
Frigorifiques, Hardstrasse 52, Basel."

    Das mit dem Vollzug des Arrestes beauftragte Betreibungsamt
Basel-Stadt erliess vor Ausstellung der Arresturkunde Anzeigen an die
Eurofima AG und an die Basler Zweigniederlassung (Generaldirektion)
der Interfrigo (deren Hauptsitz in Brüssel ist) mit folgendem Zusatz:
"Falls die Zahlung nicht umgehend erfolgt, ersuchen wir Sie innert 10
Tagen um schriftlichen Bericht, ob Sie die Forderung anerkennen, eventuell
aus welchen Gründen Sie dieselbe bestreiten." Darauf teilte die Eurofima
AG mit, sie besitze keine Vermögenswerte der angeführten Art, die der
Arrestschuldnerin zustünden, ausser zwei gemäss Art. 709 OR hinterlegten
Pflichtaktien Eurofima. Die Generaldirektion der Interfrigo verneinte
ihrerseits den Besitz irgendwelcher der angeführten Vermögenswerte der
Arrestschuldnerin; sie wies zugleich auf die massgebende Bedeutung ihres
Hauptsitzes Brüssel hin.

    Laut Arresturkunde vom 22./26. Februar 1965 wurden gestützt auf
diese Berichte lediglich die zwei Pflichtaktien Eurofima nebst den aus
dem Aktienbesitz fliessenden Erträgnissen auf die Dauer eines Jahres
arrestiert. Die Arresturkunde hält im übrigen das negative Ergebnis der
Anzeigen an die Eurofima AG und an die Generaldirektion der Interfrigo
fest:

    "Weitere Guthaben, Beteiligungen... besitzt die Eurofima gemäss
Schreiben vom 25. Februar 1965 nicht. - Mit Schreiben vom 23. Februar
1965 erklärt die Generaldirektion der... Interfrigo, zugunsten der
Arrestschuldnerin keine Guthaben, Beteiligungen... zu besitzen und
bestreitet, dass zur Zeit irgendeine Forderung der Italienischen
Staatsbahnen gegenüber der Interfrigo besteht."

    B.- Schon vor Empfang der Arresturkunde, am 24. Februar, hatte der
Anwalt der Gläubigerin mit Hinweis auf telephonische Gespräche mit Beamten
des Betreibungsamtes in einem Schreiben an dieses Amt geltend gemacht,
die Beteiligung der Arrestschuldnerin an der Eurofima AG ergebe sich aus
dem Aktienbuch; er behaupte ferner, die Aktien oder Aktienzertifikate der
Arrestschuldnerin befänden sich bei der Eurofima. Unzweifelhaft sei, dass
die Arrestschuldnerin sowohl bei der Eurofima wie auch bei der Interfrigo
einen Dividendenanspruch habe. Die Arresturkunde sei daher sogleich
auszustellen. - Beim Empfang dieser Urkunde am 26. Februar beharrte er
auf den Ausführungen jenes Schreibens und verlangte, dass das Amt in
das Aktienbuch der Eurofima Einsicht nehme und dort eine Sperre anlege.
Und mit einem Schreiben vom 26. Februar an das Amt erklärte er, er
halte daran fest, dass die Arrestschuldnerin nicht nur mit zwei Aktien
am Kapital der Eurofima AG beteiligt sei, und dass das Betreibungsamt
beim Vollzug des Arrestes Einsicht in das Aktienbuch zu nehmen habe,
um die Beteiligung feststellen und dort zu Gunsten der Arrestgläubigerin
sperren zu können. Ebenso habe das Amt in die Buchhaltung der Interfrigo
Einsicht zu nehmen; der offizielle Sitz dieser Genossenschaft in Brüssel
sei nur formeller Art. Er bitte das Betreibungsamt, "innerhalb der
10-tägigen Beschwerdefrist seit Zustellung Ihres Schreibens vom 16. ds. die
notwendigen Schritte ... vorzukehren, damit die Ansprüche meiner Klientin
bestmöglich gemäss Wortlaut des Arrestbefehls ... gesichert sind".

    C.- Das Betreibungsamt übermittelte der Eurofima AG sowie der
Generaldirektion der Interfrigo die Bemerkungen der Arrestgläubigerin. Die
Eurofima AG teilte mit, die Italienischen Staatsbahnen seien mit
1400 Namenaktien an ihrem Kapital beteiligt; doch seien nur jene zwei
Pflichtaktien im Besitz der Eurofima. Die Interfrigo ging nicht von ihrer
früheren Stellungnahme ab.

    D.- Am 9. März 1965 errichtete das Betreibungsamt einen Nachtrag zur
Arresturkunde, des Inhaltes, gemäss Erklärung der Eurofima AG seien alle
Erträgnisse aus dem gesamten Besitz der Italienischen Staatsbahnen an
Eurofima-Aktien arrestiert; ein Widerspruchsverfahren werde allfällig
erst bei Anmeldung von Ansprüchen eingeleitet.

    E.- Mit Eingabe vom 17. März verlangte die Arrestgläubigerin, das
Betreibungsamt habe ihr "nunmehr die definitive Arresturkunde, worin alle
verarrestierten Gegenstände im Detail angeführt sind, zuzusenden".

    Hierauf liess ihr das Betreibungsamt am 24. März den unter D erwähnten
Nachtrag zur Arresturkunde zugehen. Im Begleitschreiben bemerkte es
auf das Ansuchen vom 17. März, "dass Ihnen die definitive Abschrift der
Arresturkunde Nr. 25/65 am 26. Februar 1965 persönlich ausgehändigt wurde".

    F.- Mit Beschwerde vom 31. März, aufgegeben am 2. April 1965, stellte
die Arrestgläubigerin den Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen,
bei der Eurofima, ... Basel, in deren Aktienbuch eine Sperre bezüglich
sämtlicher im Eigentum der Italienischen Staatsbahnen stehenden
Beteiligungen (Aktien) anzulegen, und es sei der Arrest auch bei der
Interfrigo, ... Basel, zu vollziehen.

    G.- Auf diese Beschwerde ist die kantonale Aufsichtsbehörde mit
Entscheid vom 26. April 1965 nicht eingetreten. In der Begründung wird
erklärt, der am 9. März erstellte Nachtrag zur Arresturkunde enthalte
keine neue Verfügung hinsichtlich des Arrestvollzuges. Gegenüber der am
26. Februar versandten Arresturkunde aber sei die Beschwerde verspätet.
Diese Urkunde sei nicht als provisorische bezeichnet worden, und
das Betreibungsamt habe sich nicht den Anschein gegeben, es werde den
Arrestvollzug von sich aus ergänzen. Auf die in der Beschwerde erhobenen
Vorwürfe der Willkür und des Verfahrensmangels sei somit wegen Versäumung
der Beschwerdefrist nicht einzutreten. Sodann könne von Rechtsverweigerung
nicht die Rede sein.

    H.- Mit vorliegendem Rekurs hält die Arrestgläubigerin an der
Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Ansicht der Vorinstanz, der Nachtrag zur Arresturkunde gebe
nur die Hauptpunkte eines Schreibens der Eurofima AG wieder und enthalte
ferner eine blosse Mitteilung über die allfällige Einleitung eines
Widerspruchsverfahrens, er bedeute aber keine neue Verfügung hinsichtlich
des Arrestvollzuges, erweckt Bedenken. Durch diesen Nachtrag wurde der
Kreis der arrestierten Gegenstände erweitert auf die Erträgnisse derjenigen
Eurofima-Aktien der Arrestschuldnerin, die als solche, weil sie sich
nicht wie die zwei Pflichtaktien im Besitz der Eurofima AG befinden, nicht
arrestiert worden sind. Eine solche Erweiterung des Arrestbeschlages gilt
nicht schon ohne weiteres dann, wenn ein Dritter (wie hier die Eurofima AG)
sie gelten lassen will, sondern nur, wenn das Betreibungsamt sie anordnet,
wie denn der Arrestvollzug in seiner Gesamtheit auf der Verfügung des damit
beauftragten Amtes beruht. Kommt somit dem Nachtrag zur Arresturkunde der
Charakter einer amtlichen Verfügung zu, so konnte er an und für sich auch
den Gegenstand einer Beschwerde bilden. Er fällt aber für das vorliegende
Beschwerdeverfahren ausser Betracht, weil er zum Vorteil der Gläubigerin
gereichte und daher von dieser natürlich nicht angefochten wurde.

Erwägung 2

    2.- Als Gegenstand der bei der Vorinstanz eingereichten Beschwerde
erweist sich vielmehr der zweite Teil des Begleitschreibens, mit dem das
Betreibungsamt jenen Nachtrag an die Gläubigerin gelangen liess. Darin
erwiderte das Amt auf das Gesuch der Gläubigerin um Zusendung der
"definitiven Arresturkunde", die definitive Abschrift der Arresturkunde sei
ihrem Anwalte bereits am 26. Februar persönlich ausgehändigt worden. Das
bedeutete eine Ablehnung jenes Gesuches mit der Begründung, schon die
Arresturkunde vom 22./26. Februar habe den Arrestvollzug definitiv
abgeschlossen, weshalb es dabei sein Bewenden haben müsse.

    Die gegen diese Ablehnung des Gesuches vom 17. März 1965 geführte
Beschwerde (die sich denn auch ausdrücklich gegen die in der Sendung
vom 24. März 1965 enthaltene Verfügung richtete; Seite 6 unten der
Beschwerdeschrift) war an und für sich rechtzeitig. Die Vorinstanz hätte
deshalb darauf eintreten sollen.

Erwägung 3

    3.- Das will jedoch nicht heissen, es sei in diesem Beschwerdeverfahren
um die Beurteilung der von der Gläubigerin aufgeworfenen Frage gegangen,
ob im Rahmen der Angaben des Arrestbefehls Nr. 25/65 noch weitere als die
in der Arresturkunde vom 22./26. Februar 1965 aufgeführten Gegenstände
(mit dem die Erträgnisse in grösserem Umfang einbeziehenden Nachtrag) zu
arrestieren seien. Vielmehr war - zunächst - nur der vom Betreibungsamt
ausgesprochene Ablehnungsgrund zu überprüfen, der die Rechtskraft jener
am 26. Februar versandten (und dem Anwalt der Rekurrentin persönlich
ausgehändigten) Arresturkunde zur Geltung brachte. Gerade dies aber hat die
Vorinstanz getan; ihr Nichteintretensentscheid beruht im wesentlichen auf
der Erwägung, in jener Arresturkunde habe das Betreibungsamt den Kreis
der arrestierten Gegenstände auf Grund der Auskünfte der Eurofima AG
und der Generaldirektion der Interfrigo festgelegt. Diesen Arrestvollzug
habe die Gläubigerin nicht binnen gesetzlicher Frist angefochten; er sei
daher rechtskräftig geworden und die erst am 31. März /2. April geführte
Beschwerde nicht geeignet, die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob dem
Arrestbefehl in weiterem Umfang hätte entsprochen werden können und sollen.

    Angesichts dieser Begründung des angefochtenen Entscheides ist
es bedeutungslos, dass er auf Nichteintreten statt auf Abweisung der
Beschwerde lautet. Insofern übrigens, als die Beschwerdebegehren über das
vom Betreibungsamt abgelehnte Gesuch hinausgingen, war das Nichteintreten,
vom Standpunkt der Vorinstanz aus gesehen, gerechtfertigt.

Erwägung 4

    4.- In der Sache selbst ist dem Betreibungsamt und der Vorinstanz
darin beizustimmen, dass die Arresturkunde vom 22./26. Februar 1965
den Arrestbeschlag auf die darin verzeichneten Gegenstände begrenzt
und zudem eine Arrestierung weiteren Vermögens durch den Hinweis auf die
negativen Auskünfte der Eurofima AG und der Generaldirektion der Interfrigo
ausdrücklich abgelehnt hat. Aus dem Briefwechsel zwischen dem Anwalt der
Gläubigerin und dem Betreibungsamt lässt sich schliessen, dass diesem bei
Abfassung der Arresturkunde die Argumente der Gläubigerin bereits bekannt
waren (wie denn ein Schreiben der Gläubigerin vom 24. Februar vorlag und
es auch zu mündlichen Besprechungen gekommen war). Deshalb leitete denn
auch der Anwalt der Gläubigerin seine nochmaligen Darlegungen im Briefe
vom 26. Februar an das Amt mit den Worten ein: "Ich halte (daran)
fest ...". Im übrigen ergibt sich aus dem Schluss desselben Briefes,
dass er sich des rechtlichen Charakters der Arresturkunde und der
drohenden Rechtskraft derselben bewusst war. Sprach er doch die Bitte
aus, das Betreibungsamt möge "innerhalb der 10-tägigen Beschwerdefrist
seit Zustellung Ihres Schreibens vom 26. ds." Schritte zur Sicherung der
Ansprüche der Gläubigerin unternehmen (oben B der Tatsachen, am Ende). Er
spielte damit auf die Befugnis des Betreibungsamtes an, auf eine Verfügung
zurückzukommen, solange sie nicht rechtskräftig ist (vgl. BGE 76 III 87;
FRITZSCHE, SchK I 45/46).

    Die Arresturkunde vom 22./26. Februar 1965 ist dann in der Tat
rechtskräftig geworden. Der Umstand, dass das Betreibungsamt Eingaben der
Gläubigerin zur Stellungnahme an die beiden Gesellschaften weiterleitete,
vermochte daran nichts zu ändern. Und wenn das Amt in einem speziellen
Punkte (hinsichtlich der Erträgnisse des Besitzes der Arrestschuldnerin an
Eurofima-Aktien) dann doch den Arrestbeschlag erweiterte, so folgt daraus
nicht, es sei noch in anderer Beziehung eine Ergänzung der Arresturkunde
ins Auge zu fassen. Dies um so weniger, als das Betreibungsamt die
Zulässigkeit jener erweiterten Ertragsarrestierung nachträglich bezweifelt
hat.

Erwägung 5

    5.- Mit Recht hat endlich die Vorinstanz den Vorwurf einer
Rechtsverweigerung angesichts der Eindeutigkeit der Arresturkunde
abgelehnt (BGE 85 III 8/9). Insbesondere die Frage, ob bei stark
vinkulierten Namenaktien wie denjenigen der Eurofima AG die "Beteiligung"
an einer Aktiengesellschaft getrennt von den Aktientiteln, und zwar
am Gesellschaftssitz, arrestiert werden könne (abweichend von der
Rechtsprechung betreffend die Arrestierung von Inhaberaktien, BGE 88 III
142/43), konnte daher mit dem Gesuch vom 17. März und mit der hernach
eingereichten Beschwerde nicht mehr aufgeworfen werden.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.