Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 IV 190



90 IV 190

39. Urteil des Kassationshofes vom 12. Oktober 1964 i.S. Schwank gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    1.  Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Unter "Gut" sind nur vertretbare
Sachen zu verstehen (Erw. 1).

    2.  Art. 23 Abs. 1 StGB. Untauglicher Versuch der Veruntreuung,
begangen an eigener Sache, von der der Täter irrtümlich annahm, es bestehe
ein gültiger Eigentumsvorbehalt. Strafbarkeit des untauglichen Versuchs
(Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Schwank wollte bei der Möbel-Neuhof AG Möbel auf Abzahlung
kaufen. Diese lehnte jedoch wegen ungünstiger Auskünfte über seine
finanziellen Verhältnisse den Kauf ab. Daraufhin erklärte sich Migliaretti,
ein Bekannter von Schwank, gefälligkeitshalber bereit, für ihn die
Möbel zu kaufen und sie ihm weiter zu verkaufen. Am 9. März 1963 schloss
Migliaretti mit der Möbel-Neuhof AG den Kaufvertrag ab, worin er sich
verpflichtete, eine Anzahlung von Fr. 328. - zu leisten und den Restbetrag
von Fr. 1'200.-- bis spätestens 30. Mai 1963 abzuzahlen. Den vereinbarten
Eigentumsvorbehalt liess die Verkäuferin am 19. März 1963 im Register
eintragen, und am 8. April 1963 bezahlte ihr Migliaretti die Restforderung.

    Migliaretti hatte am 14. März 1963 mit Schwank schriftlich vereinbart,
dass dieser ihm die Kaufsumme in 24 Monatsraten zurückzahle und dass
die gekaufte Einzimmer-Ausstattung, die Schwank am folgenden Tag direkt
geliefert wurde, bis zur vollständigen Tilgung der Schuld Eigentum
Migliarettis bleibe. Dieser Eigentumsvorbehalt wurde im Register nicht
eingetragen. Obschon Schwank der Meinung war, dass ein rechtswirksamer
Eigentumsvorbehalt bestehe, verkaufte er wenige Tage nach dem 8. April
1963 den grössern Teil der Möbel im Wert von Fr. 1376.-- an einen
Occasionshändler weiter und verwendete den erzielten Erlös von Fr. 520.--
zur Deckung dringender Bedürfnisse.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte am 10. Januar 1964
Schwank des untauglichen Versuchs der Veruntreuung im Sinne der Art. 140
Ziff. 1 Abs. 2 und 23 StGB schuldig und verurteilte ihn zu vier Monaten
Gefäng.

    nis.

    C.- Schwank führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei
freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wäre der mit Schwank verabredete Eigentumsvorbehalt im Zeitpunkt
der Weiterveräusserung der Kaufsache gültig gewesen, so hätte seine Tat
alle Merkmale der Veruntreuung erfüllt, und zwar jene des Art. 140 Ziff. 1
Abs. 1 StGB. Er hätte über fremde Sachen verfügt, die ihm anvertraut
gewesen wären, da er verpflichtet gewesen wäre, sie im Interesse des
Verkäufers zu verwalten und diesem bei Zahlungsverzug gegebenenfalls
zurückzugeben.

    Ein gültiger Eigentumsvorbehalt bestand jedoch nicht. Mit der Zahlung
der Restforderung vom 8. April 1963 ist der zugunsten der Möbel-Neuhof AG
eingetragene Vorbehalt ohne weiteres dahingefallen und ist Migliaretti
Eigentümer der Möbel geworden, wogegen der zwischen ihm und Schwank
vereinbarte Eigentumsvorbehalt mangels Eintragung im Register unwirksam
geblieben ist (Art. 715 Abs. 1 ZGB, BGE 82 IV 185 Erw. 3). Dieser hat
daher, als er wenige Tage nach dem 8. April 1963 einen Teil der Möbel
weiter verkaufte, über sein Eigentum verfügt, das er vorher gestützt auf
den mit Migliaretti geschlossenen Kaufvertrag und die Besitzübertragung
erworben hatte.

    Eine Veruntreuung an eigener Sache aber hätte zur Voraussetzung,
dass die Möbel anvertrautes Gut im Sinne des Abs. 2 von Art. 140 Ziff. 1
StGB gewesen wären, was nicht zutraf. Diese Bestimmung wurde erlassen,
um als Veruntreuung namentlich auch die unrechtmässige Verwendung von Geld
erfassen zu können, das dem Täter anvertraut wurde, durch Vermischung aber
in sein Eigentum übergegangen ist (BGE 70 IV 71 ff., 81 IV 233). Absatz 2
ist nach seinem Zweck Ausnahmebestimmung, die Absatz 1 bloss ergänzt. Schon
deswegen kann unter "Gut" nicht jede dem Täter gehörende Sache verstanden
werden. Andernfalls verlöre Abs. 1 seinen Sinn, der verlangt, dass
die veruntreute Sache eine fremde ist, und es wäre nicht zu ersehen,
zu welchem Zweck das Gesetz zwischen den Tatbeständen des Abs. 1 und 2
unterscheidet. Unter den Ausdruck "Gut" können nur Sachen fallen, die im
Verkehr nicht nach individuellen Merkmalen, sondern nach Zahl, Mass oder
Gewicht bestimmt zu werden pflegen, d.h. vertretbar sind, und als solche
bereits durch den tatsächlichen Vorgang der Vermischung oder Vermengung mit
Stücken des Empfängers in dessen Eigentum übergehen (Art. 727 ZGB). Dieser
Sinn ergibt sich vor allem aus Abs. 2, der durch die Beifügung "namentlich
Geld" den wichtigsten Fall dieses Tatbestandes selber nennt und damit zum
Ausdruck bringt, dass alle andern Sachen, die ihrer Natur nach nicht dem
Geld gleichzustellen sind, nicht zu den von der Bestimmung betroffenen
Gütern zählen. Das gleiche folgt aus der Entstehungsgeschichte des
Abs. 2, und der französische und italienische Text bestätigen es, die
anstelle des deutschen Wortes "Gut" ausdrücklich von "chose fongible"
bzw. "cosa fungibile" sprechen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts
findet sich denn auch kein Fall, in welchem die Anwendung von Abs. 2
auf andere als vertretbare Sachen in Betracht gezogen worden wäre (BGE
70 IV 71, 71 IV 124, 73 IV 170, 74 IV 27, 75 IV 11, 77 IV 10, 80 IV 53,
81 IV 25, 86 IV 167). Diese Beschränkung fallen zu lassen, so dass jede
bewegliche Sache, die im Eigentum des Täters steht, wirtschaftlich aber
zum Vermögen eines andern gehört, veruntreut werden könnte, wäre - von
den grundsätzlichen Bedenken abgesehen - auch wegen der Folgen kaum zu
rechtfertigen, wenn man berücksichtigt, dass dann der Anwendungsbereich
des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 in einem nicht übersehbaren Umfange erweitert
würde und die Strafbarkeit der Tat zudem entscheidend vom Begriff des
wirtschaftlich fremden Gutes abhinge, der wegen seiner Unbestimmtheit zu
verschiedenen Auslegungen Anlass gäbe und daher Unsicherheit hervorriefe
(vgl. dazu das heute ergangene Urteil des Kassationshofes i.S. Zahnd,
wo die erwähnte Frage zu entscheiden war, BGE 90 IV 180).

Erwägung 2

    2.- Waren die Möbel, über die Schwank verfügte, weder fremde Sachen
noch anvertrautes Gut im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB, so
taugten sie als Gegenstand der Veruntreuung nicht. Der Beschwerdeführer
war sich indessen nicht bewusst, dass er den objektiven Tatbestand der
Veruntreuung nicht erfüllen konnte, sondern er glaubte, es bestehe ein
gültiger Eigentumsvorbehalt, die Möbel gehörten dem Verkäufer, und er
dürfe über sie nicht verfügen. Er stellte sich also irrtümlich vor, eine
Veruntreuung in ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zu begehen, als
er die Möbel weiter verkaufte. Indem er diesen deliktischen Erfolg wollte,
d.h. den nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatz hatte,
und in Bereicherungsabsicht handelte, hat er den Straftatbestand der
Veruntreuung subjektiv erfüllt. Seine Schuld ist nicht geringer, als wenn
der zum vollendeten Vergehen notwendige Erfolg hätte eintreten können,
es aber beim Versuch geblieben wäre. Die Untauglichkeit des Objekts,
an dem er die Tat ausführen wollte, hat nur zur Folge, dass er im Sinne
des Art. 23 Abs. 1 StGB nach freiem Ermessen des Richters zu bestrafen ist.

    Dass Art. 23 StGB auf seine Tat an sich zutrifft, bestreitet auch der
Beschwerdeführer nicht. Er ist jedoch der Auffassung, seine Bestrafung sei
nur "in extremster Befolgung der subjektivistischen Strafrechtstheorie"
möglich und sie habe lediglich "einen falschen Gedanken" zum Gegenstand,
was dem Rechtsempfinden zuwiderlaufe. Davon kann aber nicht die Rede
sein. Der vorliegende Fall kann nicht mit Fällen verglichen werden,
wo der untaugliche Versuch überhaupt keine Verletzung, nicht einmal
eine Gefährdung des in Frage stehenden Rechtsgutes nach sich zieht,
wie z.B. dann, wenn jemand mit Tötungsvorsatz statt auf einen lebenden
Menschen nur auf eine Wachsfigur schiesst. Der Beschwerdeführer verkennt,
dass er nicht bloss zur Begehung einer Veruntreuung entschlossen war,
sondern durch Betätigung seines deliktischen Willens auch tatsächlich
fremde Vermögensinteressen verletzt hat. Er hat das Vertrauen, das ihm
Migliaretti dadurch entgegenbrachte, dass er sich auf die Einhaltung des
vertraglich vereinbarten Eigentumsvorbehaltes verliess, grob missbraucht.
Darüber hinaus hat er durch Missachtung seiner vertraglichen Pflicht
verunmöglicht, dass Migliaretti durch eine spätere Eintragung
des Vorbehaltes die Sicherung seiner Kaufpreisforderung nachholen
konnte. Insoweit dieser der dinglichen Sicherung verlustig ging und auf
die Geltendmachung seiner obligatorischen Ansprüche angewiesen blieb,
befand er sich in der gleichen Lage, wie wenn der Beschwerdeführer die
Möbel erst nach erfolgter Eintragung des Eigentumsvorbehaltes einem
gutgläubigen Dritterwerber zu Eigentum übertragen hätte (Art. 714 Abs. 2
ZGB). Seine Tat kommt somit, jedenfalls in ihren Folgen, auch objektiv dem
vollendeten Delikt so nahe, dass selbst dann, wenn der subjektiven Lehre
nicht bis zum äussersten gefolgt wird, es nicht zu rechtfertigen wäre,
den Täter straflos zu lassen.

Erwägung 3

    3.- Für die Strafzumessung ist unerheblich, dass das Obergericht neben
Art. 23 den Abs. 2 statt Abs. 1 des Art. 140 Ziff. 1 StGB angewendet hat,
da diese Bestimmung beide Tatbestände mit gleicher Strafe bedroht. Bloss
zur Berichtigung des Urteilsspruches ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht
gegeben (BGE 87 IV 21 Nr. 5).

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.