Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 IV 14



90 IV 14

4. Urteil des Kassationshofes vom 17. Januar 1964 i.S. Koch gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 144 StGB.

    1.  Die Vortat muss abgeschlossen sein, bevor die hehlerische Tätigkeit
beginnt (Erw. 1).

    2.  Das Wissen um die strafbare Vortat ist beim Tatbestand der
Verheimlichung nicht schon im Zeitpunkt des allfälligen Erwerbs, sondern
erst beim Verheimlichen der Sache erforderlich (Erw. 3/b).

    3.  Wer die Sache im Sinne der Art. 714/933 ZGB kraft guten Glaubens
zu Eigentum erworben hat, macht sich, wenn er sie verheimlicht, nicht
der Hehlerei schuldig (Erw. 4/1).

Sachverhalt

    A.- Der Autohändler Koch kaufte von Züllig, der ebenfalls im Autohandel
tätig ist, in der Zeit vom 4. bis 8. April 1961 zum Gesamtpreis von
Fr. 52'100.-- neun Personenwagen, die dieser gemietet hatte. Am. 10. April
1961 eröffnete ihm Züllig, dass er die Autos veruntreut habe. Koch traf
darauf sogleich Massnahmen, um die in seiner eigenen Garage und in der
Nähe seiner Wohnung parkierten Fahrzeuge den erwarteten polizeilichen
Nachforschungen oder einer allfälligen Beschlagnahme zu entziehen,
indem er sie auswärts, teils bei Garagisten, teils in zu diesem Zwecke
gemieteten Räumen, einstellte. Als ihn die Polizei am 12. April 1961
und an weiteren drei Tagen über den Autohandel mit Züllig befragte,
gab er wahrheitswidrig an, dass er nicht mehr im Besitze der Wagen sei,
sondern sie umgehend einem Autohändler in Zürich weiterverkauft habe. In
Wirklichkeit setzte er die neun Autos im Zeitraum vom 11. bis 26. April
1961 für insgesamt Fr. 67'030.-- an verschiedene Kaufsinteressenten ab.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Koch am 17. Januar
1963 wegen Hehlerei (Art. 144 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt aufgeschobenen
Strafe von drei Monaten Gefängnis.

    C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das
Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde
abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Hehlerei (Art. 144 StGB) ist nur an einer Sache möglich, die ein
anderer durch eine objektiv strafbare Handlung erlangt hat (BGE 73 IV
98 Erw. 3, 81 IV 91 Erw. 2). Denn strafbar ist der Hehler bloss unter
der Voraussetzung, dass er die strafbare Herkunft der Sache kennt oder
mit dieser Möglichkeit rechnet und durch seine Tätigkeit den durch die
Vortat geschaffenen rechtswidrigen Zustand fortsetzt, insbesondere die
Wiedererlangung der Sache durch den Berechtigten hindert oder erschwert
(BGE 73 IV 99, 83 IV 150). Da Hehlerei nicht Teilnahme an der Vortat,
sondern selbständiges Verbrechen ist, muss die Vortat abgeschlossen sein,
bevor die hehlerische Tätigkeit beginnt.

    Die Vortat besteht hier in einer Veruntreuung. Vollendet war sie,
als Züllig die ihm mietweise überlassenen Autos sich aneignete (Art. 140
Ziff. 1 Abs. 1 StGB). In diesem Zeitpunkt hat er sie dem Vermögen des
Berechtigten entzogen, und dies bedeutet, dass er sie im Sinne des Art. 144
StGB erlangt hat. Wird angenommen, Züllig habe spätestens mit Abschluss
des Kaufvertrages wie ein Eigentümer über die anvertrauten Sachen verfügt,
sie also in diesem Zeitpunkt angeeignet, so wäre die Vortat selbst dann
der Hehlerei vorausgegangen, wenn diese schon im Erwerb der Autos gesehen
würde, denn im Sinne von Art. 144 erworben hat sie Koch erst mit deren
Übergabe, die im allgemeinen dem obligatorischen Rechtsgeschäft zeitlich
nachfolgt. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Der
Beschwerdeführer wird nicht beschuldigt, er habe die Autos durch deren
Erwerb gehehlt, sondern dadurch, dass er sie verheimlichte. Das tat er aber
erst zwei und mehr Tage nach dem Erwerb der Fahrzeuge, somit zweifelsfrei
nach abgeschlossener Vortat.

Erwägung 2

    2.- Unter Verheimlichen im Sinne des Art. 144 StGB ist jedes
Tätigwerden zu verstehen, durch das dem Berechtigten oder der Behörde
das Auffinden der Sache erschwert oder verunmöglicht wird (BGE 76 IV
190 Erw. 2, 85 IV 145, 86 IV 219). Solche Handlungen liegen darin, dass
Koch die veruntreuten Fahrzeuge, um sie polizeilichen Nachforschungen
zu entziehen, zunächst an verschiedenen Orten versteckte, der Polizei
gegenüber den Besitz der Wagen wahrheitswidrig in Abrede stellte und
hierauf deren Entdeckung durch Weiterverkauf erschwerte.

Erwägung 3

    3.- Der subjektive Tatbestand der Hehlerei setzt voraus, dass der
Täter die hehlerische Handlung vorsätzlich begeht und weiss, dass die Sache
durch eine strafbare Handlung erlangt worden ist oder möglicherweise auf
strafbarem Vorerwerb beruht (BGE 69 IV 68).

    a) Nach den Feststellungen des Obergerichts hat der Beschwerdeführer
die Autos im Bewusstsein, dass sie dem Berechtigten durch eine strafbare
Handlung entzogen worden waren, mit Wissen und Willen verheimlicht. Damit
steht der nach Art. 144 StGB erforderliche Vorsatz verbindlich fest,
ebenso, was der Beschwerdeführer zu Unrecht bestreitet, dass er den durch
den Vortäter geschaffenen rechtswidrigen Zustand fortsetzen wollte. Denn
wer bewusst und gewollt Massnahmen trifft, um die Entdeckung einer Sache,
die dem Berechtigten durch strafbare Handlung entzogen worden ist, zu
verhindern, will auch, dass dieser rechtswidrige Zustand zum mindesten
vorübergehend andaure. Eine besondere Absicht, z.B. jemanden zu begünstigen
oder sich einen Vorteil zu verschaffen, ist dabei nicht nötig (WAIBLINGER,
ZStR 1946, 273).

    b) Zu wissen, dass die Sache (möglicherweise) durch strafbare
Handlung erlangt worden ist, braucht derHehler gemäss Art. 144 StGB im
Augenblick, in dem er die hehlerische Tätigkeit entfaltet. Weshalb es
beim selbständigen Tatbestand des Verheimlichens anders sein sollte als
bei den übrigen Formen der Hehlerei, wäre nicht zu ersehen. Verheimlichen
kann daher auch, wer gutgläubig Besitzer der Sache geworden ist und erst
nachher erfährt, dass sie z.B. durch Diebstahl erlangt worden war. Würde
das Verheimlichen nur in den Fällen bestraft, in denen der Täter die Sache
bereits bösgläubig erwarb oder ausnahmsweise keine Verfügungsgewalt über
sie erlangt hatte, so bliebe dieser Tatbestand nahezu bedeutungslos, zumal
Art. 144 schon den bösgläubigen Erwerb unter Strafe stellt. Die Auffassung,
dass der Grundsatz "mala fides superveniens non nocet" keine Geltung hat,
wenn der nachträglich bösgläubig gewordene Erwerber die Sache verheimlicht,
wird denn auch in Lehre und Rechtsprechung vertreten (HAFTER, Bes. Teil I
S. 325 Anm. 5; Leipziger Kommentar II S. 430, SCHÖNKE/SCHRÖDER, 11. Aufl.,
S. 1066 Anm. 48, Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen 33
S. 122, 47 S. 242, 57 S. 160). Die Annahme des Obergerichts, es sei
nicht nachgewiesen, dass Koch schon im Zeitpunkt des Erwerbs gewusst habe
oder habe annehmen müssen, die Autos seien durch eine strafbare Handlung
erlangt worden, steht somit der Anwendung des Art. 144 StGB nicht im Wege.

Erwägung 4

    4.- a) Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, er habe die Autos,
die dem Verkäufer Züllig anvertraut worden waren, gutgläubig erworben
und er sei daher gemäss Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB deren Eigentümer
geworden. Trifft dies zu, so kann er nicht wegen Hehlerei bestraft werden.

    Art. 144 StGB will verhindern, dass die Wiederherstellung des durch den
Vortäter gestörten rechtmässigen Zustandes, namentlich die Wiedererlangung
der Sache durch den Berechtigten, erschwert oder vereitelt werde. Die
Bestimmung setzt demnach voraus, dass der Berechtigte im Zeitpunkt der
hehlerischen Tätigkeit ein Recht an der entzogenen Sache hat. Diese
Voraussetzung fehlt, wenn die dem Veräusserer anvertraute Sache im Sinne
der Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB einem gutgläubigen Erwerber zu Eigentum
übertragen wird. Damit erlischt das Recht des bisher Berechtigten
(vgl. LEEMANN, N. 51 zu Art. 714 ZGB), so dass der Erwerber frei und
unanfechtbar über die Sache verfügen kann. Er handelt also rechtmässig,
wenn er sie verheimlicht oder veräussert, und macht sich dadurch keiner
Hehlerei schuldig.

    Der Eigentumserwerb bleibt nach Art. 933 ZGB auch dann gültig, wenn der
Erwerber nachträglich bösgläubig wird (OSTERTAG, N. 36 zu Art. 933 ZGB).
Diese Ordnung muss entgegen der Auffassung des Obergerichts auch vom
Strafrecht berücksichtigt werden (ebenso Leipziger Kommentar II S. 426,
430; SCHÖNKE/SCHRÖDER, 11. Aufl., S. 1059 Anm. 15, 1066 Anm. 48). Es
mag zwar stossend sein, dass der Eigentümer, der bösgläubig die Sache
im Sinne des Art. 144 StGB verheimlicht und dadurch die Rechtsstellung
des Verletzten gegenüber dem schadenersatzpflichtigen Veräusserer
verschlechtert, straflos bleibt. In einem solchen Falle Hehlerei
anzunehmen, liefe indessen darauf hinaus, vom objektiven Erfordernis, dass
dem Verletzten ein Recht an der Sache zustehen muss, abzusehen und den
Eigentümer, der möglicherweise im irrigen Glauben an eine Rückgabepflicht
die Sache verheimlicht, bloss wegen seines verbrecherischen Willens
zu bestrafen. Ob aber das Strafgesetzbuch auf dem Boden einer so
weit gehenden subjektiven Auffassung vom Verbrechen stehe, müsste zum
mindesten in Zweifel gezogen werden. Davon abgesehen darf das Strafrecht,
das keinen eigenen Eigentumsbegriff kennt (BGE 85 IV 230), jedenfalls
dann nicht über die zivilrechtliche Regelung hinausgehen, wenn dadurch
Rechtssicherheit und Einheit der Rechtsordnung gefährdet würden. Das
wäre der Fall, wenn der Eigentümer für Verfügungen bestraft würde, die
das Zivilrecht schützt. Was das Gesetz, auch das ZGB (BGE 85 IV 5 f.),
für erlaubt erklärt, kann auch nach Art. 32 StGB nicht strafbar sein.

    b) Das Obergericht hat der unzutreffenden Auffassung, wonach
der Erwerb der Sache zu Eigentum strafrechtlich unbeachtlich sei,
noch Erwägungen beigefügt, in denen es zum Schlusse kam, dass der
Beschwerdeführer beim Eigentumserwerb nicht guten Glaubens habe sein
können. Diese Eventualbegründung ist indessen vom Kassationsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. November 1963 gemäss § 430
Ziff. 4 zürch. StPO gestrichen worden, ohne dass es die nichtig erklärten
Feststellungen durch andere ersetzt hätte. Der gute Glaube im Sinne der
Art. 714/933 ZGB ergibt sich anderseits aber nicht schon daraus, dass der
Beschwerdeführer, wie das Obergericht annahm, im Zeitpunkt des Erwerbes
nicht bösgläubig im Sinne des Art. 144 StGB gewesen ist. Nach dieser
Bestimmung ist erforderlich, dass der Täter die Verdachtslage gekannt hat,
während zivilrechtlich schon bösgläubig ist, wer bei Anwendung der nach
den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit den Mangel des Verfügungsrechts
hätte erkennen müssen (Art. 3 Abs. 2 ZGB, BGE 69 II 116, 70 II 106,
79 II 62). Ob der Beschwerdeführer kraft guten Glaubens Eigentümer
geworden sei, steht somit offen. Da davon die Anwendung des Art. 144
StGB abhängt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das
Obergericht zurückzuweisen, damit es sich, die prozessuale Zulässigkeit
vorausgesetzt, mit der Frage des guten Glaubens (Art. 714 ZGB) erneut
auseinandersetze. Wird der gute Glaube bejaht, so ist der Beschwerdeführer,
wie dargelegt, von der Anklage der Hehlerei freizusprechen. Im Falle der
Bösgläubigkeit dagegen ist er gemäss Art. 933 ZGB in seinem Erwerb nicht
geschützt, und er muss daher wegen Hehlerei bestraft werden.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil
des Obergerichts - I. Strafkammer - des Kantons Zürich vom 17. Januar 1963
aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen wird.