Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 II 428



90 II 428

48. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Oktober 1964 i.S. Y gegen X.
Regeste

    Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar; Haftung ausser
Inventar; unverschuldete Nichtanmeldung einer Forderung (Art. 590
Abs. 2 ZGB). Fall eines im Ausland wohnenden Gläubigers, der vom Tod des
Schuldners und vom Rechnungsruf nicht rechtzeitig Kenntnis erhielt. Kann
die Übertretung ausländischer Devisenvorschriften unter dem Gesichtspunkte
von Art. 590 Abs. 2 ZGB ein Verschulden darstellen? Erw. 3. Verjährung.

    1.  Frist, innert welcher die Forderung auf Auszahlung eines für
den Gläubiger eingezogenen (und möglicherweise veruntreuten)Geldbetrages
verjährt (Art. 127, 130 Abs. 1 und 60 Abs. 2 OR). Erw. 4.

    2.  Hinderung und Stillstand der Verjährung

    -  während der Dauer des öffentlichen Inventars (Art. 586 ZGB), Erw. 5;

    - "solange eine Forderung vor einem schweizerischen Gerichte nicht
geltend gemacht werden kann" (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR). Diese
Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn der Gläubiger durch objektive,
von seinen persönlichen Verhältnissen unabhängige Verhältnisse daran
gehindert ist, in der Schweiz zu klagen. Es genügt nicht, dass ein
Gläubiger mit Rücksicht auf die ausländische Gesetzgebung, der er wegen
seines Wohnsitzes im Ausland unterworfen ist, in der Schweiz nicht klagen
kann, ohne sich der Gefahr der Bestrafung und der Konfiskation seiner
Forderung auszusetzen. Erw. 6-10.

    3.  Unterbrechung der Verjährung durch Schuldanerkennung (Art. 135
Ziff. 1 OR)? Erw. 11.

Sachverhalt

    A.- X, der nach dem zweiten Weltkrieg als rumänischer Staatsangehöriger
in Bukarest lebte, war an einer schweizerischen Aktiengesellschaft
beteiligt. Im Jahre 1947 wurde diese aufgelöst. Der Liquidationsanteil des
X in Höhe von Fr. 13'500.-- wurde am 31. Mai 1947 dem bernischen Notar Y
ausbezahlt, dem X im Februar 1947 Generalvollmacht erteilt hatte. Y zahlte
diesen Betrag am gleichen Tage zugunsten von X bei der Kantonalbank von
Bern ein. Die ihm ausgestellte Quittung, die später unter seinen Papieren
gefunden wurde, trägt den von der Kantonalbank angebrachten Randvermerk:
"Zurückbezahlt am 23. Juli 1948 mit Fr. 13'500.--."

    B.- In der Folge starb Notar Y. Über seinen Nachlass wurde ein
öffentliches Inventar errichtet. X meldete keine Forderung an, und der
mit der Errichtung des Inventars betraute Notar fand keinen Anlass, von
Amtes wegen (Art. 583 ZGB) eine Forderung des X ins Inventar aufzunehmen.
Nach Abschluss des Inventars, das ein beträchtliches Reinvermögen zeigte,
nahmen die Erben die Erbschaft unter öffentlichem Inventar an.

    C.- Im Jahre 1959 wanderte X von Rumänien nach Israel aus. Von dort
aus versuchte er sogleich, sich mit Notar Y in Verbindung zu setzen. Dabei
erfuhr er, dass dieser gestorben war und dass Notar Z, der sein Büro
weiterführte, in seinen Akten keinen Hinweis auf ein ihm (X) zustehendes
Guthaben finden konnte. Eine vom Inspektorat des Verbandes bernischer
Notare auf Weisung der Justizdirektion des Kantons Bern durchgeführte
Untersuchung lieferte keinen Aufschluss darüber, was nach der Rückzahlung
vom 23. Juli 1948 mit dem Betrage von Fr. 13'500.-- geschehen war.

    D.- Nach misslungenem Aussöhnungsversuch reichte X im Dezember 1960
beim Appellationshof des Kantons Bern gegen eine Erbin des Y Klage auf
Zahlung von Fr. 13'500.-- nebst Zins ein.

    Der Appellationshof schützte die Klage mit der Begründung, die Fr.
13'500.-- seien Notar Y seinerzeit zur Aufbewahrung übergeben worden;
der Kläger habe den Nachweis geleistet, dass dieser - am 31. Mai 1947 bei
der Kantonalbank einbezahlte - Betrag am 23. Juli 1948 an Y zurückbezahlt
wurde; Y sei verpflichtet gewesen, ihn dem Kläger auf erstes Verlangen
auszuzahlen; dieser habe die Anmeldung seiner Forderung zur Aufnahme
ins öffentliche Inventar über den Nachlass des Y ohne eigene Schuld
unterlassen; denn er habe in Rumänien von der Anordnung des Inventars keine
Kenntnis erhalten können; wegen der rumänischen Devisengesetzgebung, wonach
Fremdwährungsguthaben von Landesbewohnern ohne volle Entschädigung an die
rumänische Nationalbank abzutreten und Verletzungen dieser Vorschrift mit
schweren Strafen und mit Einziehung der verheimlichten Werte bedroht seien,
sowie wegen der von den rumänischen Behörden ausgeübten Überwachung des
Verkehrs der Landesbewohner mit dem Ausland sei der Kläger überdies gar
nicht in der Lage gewesen, seine Forderung gegen Y irgendwie geltend zu
machen, solange er in Rumänien wohnte; nach Art. 590 Abs. 2 ZGB hafte
ihm also die Beklagte im Umfang ihrer - den Betrag von Fr. 13'500.--
unstreitig erreichenden - Bereicherung aus der Erbschaft des Y; da er
seine Forderung aus den angegebenen Gründen vor seiner Auswanderung aus
Rumänien vor einem schweizerischen Gerichte nicht habe geltend machen
können, habe die Verjährung nach Art. 134 Ziff. 6 OR erst im Jahre 1959
zu laufen begonnen und sei folglich bei Einreichung der vorliegenden
Klage noch nicht eingetreten gewesen.

    E.- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

    Der Kläger beantragt die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Die Rüge der Verletzung von Art. 8 ZGB ist unbegründet.)

Erwägung 2

    2.- Ob Y den Geldbetrag, den er am 31. Mai 1947 für den Kläger
entgegennahm, nach den Weisungen des Klägers bei sich aufzubewahren
oder für ihn bei einer Bank zu hinterlegen hatte, kann dahingestellt
bleiben. Auch wenn man mit der Beklagten letzteres annehmen wollte,
war Y nämlich verpflichtet, dem Kläger den streitigen Betrag auf erstes
Verlangen auszuzahlen, nachdem er ihm am 23. Juli 1948 von der Kantonalbank
zurückerhalten hatte. Spätestens von diesem Tage an bestand also eine
fällige Verpflichtung des Y zur Zahlung des Betrags von Fr. 13'500.--
an den Kläger.

    Wenn die Beklagte behaupten wollte, Y habe diesen Betrag dem Kläger
oder einem Vertreter desselben ausbezahlt und damit seine Schuld getilgt,
so hatte sie das nach Art. 8 ZGB zu beweisen. Dieser Beweis fehlt. Wie
die Vorinstanz festgestellt hat, lässt sich nicht mehr ermitteln, was Y,
der keine vollständige Buchhaltung führte, nach dem 23. Juli 1948 mit
dem Betrage von Fr. 13'500.-- gemacht hat.

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte will nicht gelten lassen, dass der Kläger die
Anmeldung seiner Forderung zur Aufnahme ins Inventar über den Nachlass des
Y im Sinne von Art. 590 Abs. 2 ZGB "ohne eigene Schuld" unterlassen habe
und dass die Erben des Y deshalb für den Betrag von Fr. 13'500.-- haften,
soweit sie aus der Erbschaft bereichert sind. Der erwähnte Ausdruck
ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes weit auszulegen:
einem Gläubiger, der vom Tode des Schuldners und vom Rechnungsruf
nicht rechtzeitig Kenntnis erhielt, gereicht die Nichtanmeldung seiner
Forderung nicht zum Verschulden; dies jedenfalls dann nicht, wenn ihm die
Nachschau in den Blättern, worin der Rechnungsruf veröffentlicht wurde,
nicht zuzumuten oder überhaupt nicht möglich war (vgl. BGE 66 II 95,
72 II 16, 79 II 366 ff.).

    Der Kläger konnte nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
in Rumänien nicht erfahren, dass über den Nachlass des Y ein öffentliches
Inventar angeordnet worden war. Die Zeitungen, die den Rechnungsruf
enthielten, waren ihm dort nicht zugänglich. Erst nach seiner Auswanderung
im Jahre 1959 erhielt er vom Hinschied des Y Kenntnis. Unter diesen
Umständen ist ihm zuzubilligen, dass er die Anmeldung seiner Forderung
ohne Verschulden unterliess.

    Zu Unrecht wendet die Beklagte ein, der Kläger dürfe sich nicht
auf Art. 590 Abs. 2 ZGB berufen, weil er sein Guthaben in Übertretung
der rumänischen Devisengesetzgebung nicht an die rumänische Nationalbank
abgetreten und durch dieses strafbare Verhalten die rechtzeitige
Geltendmachung seines Guthabens durch die diplomatische Vertretung
Rumäniens in der Schweiz verhindert habe. Es kann dahingestellt bleiben,
ob die rumänische Vorschrift, wonach die Landesbewohner Guthaben in
fremder Währung zu einem für sie wenig günstigen Kurs an die rumänische
Nationalbank abzutreten haben, mit der öffentlichen Ordnung der Schweiz
unvereinbar sei, wie die Vorinstanz angenommen hat. Ihre Übertretung
stellt nämlich auch insoweit, als sie eine Ursache der Nichtanmeldung
des streitigen Guthabens zur Aufnahme ins Inventar über den Nachlass
des Y sein sollte, auf jeden Fall deswegen kein Verschulden im Sinne von
Art. 590 Abs. 2 ZGB dar, weil die übertretene Vorschrift offensichtlich
nicht dazu bestimmt ist, den Bewohnern Rumäniens die Verfolgung ihrer
Rechte im Ausland zu erleichtern oder die Erben ausländischer Schuldner
vor der Belangung für nicht rechtzeitig angemeldete Forderungen zu
bewahren. Diese Devisenvorschrift will vielmehr ausschliesslich den
Interessen der rumänischen Volkswirtschaft dienen. Dem Kläger ist daher
auch nicht etwa vorzuwerfen, er begehe dadurch, dass er sich auf die
möglicherweise durch sein Devisenvergehen verursachte Unkenntnis des
Rechnungsrufs beruft, einen Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2
ZGB, wie dies der Beklagten vorzuschweben scheint.

Erwägung 4

    4.- Für den - eingetretenen - Fall, dass angenommen wird, der
Betrag von Fr. 13'500.-- sei am 23. Juli 1948 an Y zurückbezahlt worden,
verlangt die Beklagte die Anwendung der Vorschriften über die Verjährung
der Ansprüche aus unerlaubten, insbesondere strafbaren Handlungen. Sie
macht geltend, in diesem Falle werfe man Y vor, sich der ungetreuen
Geschäftsführung oder der Veruntreuung, begangen am 23. Juli 1948, schuldig
gemacht zu haben; die Ansprüche hieraus seien gemäss Art. 60 Abs. 2 OR in
Verbindung mit Art. 70 StGB in fünf oder höchstens zehn Jahren von diesem
Tage an verjährt. Grundlage der eingeklagten Forderung ist jedoch ein
Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und Y, nämlich ein Auftrag oder
ein Hinterlegungsvertrag. Der hierauf beruhende Anspruch des Klägers
auf Auszahlung des Betrages von Fr. 13'500.-- ist bestehen geblieben,
auch wenn Y mit dem Rückzug des zunächst bei der Kantonalbank einbezahlten
Geldes oder mit einer nachher darüber getroffenen Verfügung eine strafbare
Handlung begangen haben sollte. Er gehört zu den Forderungen, die nach
Art. 127 OR in zehn Jahren verjähren, und zwar begann diese Frist gemäss
Art. 130 Abs. 1 OR spätestens am 23. Juli 1948 zu laufen, da die Forderung
des Klägers nach Erwägung 2 hievor spätestens an diesem Tage fällig
wurde. Die Verjährungsfrist lief also unter Vorbehalt der Unterbrechung,
der Hinderung oder des Stillstands der Verjährung spätestens mit dem
23. Juli 1958 ab. Wenn für die Verjährung eines mit dem vertraglichen
Anspruch konkurrierenden Anspruchs aus unerlaubter Handlung eine kürzere
Frist gälte, würde dies der Beklagten nichts nützen.

    Der Kläger seinerseits behauptet nicht, die Verjährungsfrist habe
gemäss Art. 60 Abs. 2 OR wegen einer strafbaren Handlung des Y (z.B. wegen
einer erst nach dem Rückzug des streitigen Betrages vom Konto bei der
Kantonalbank begangenen Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB)
über den 23. Juli 1958 hinaus gedauert. Daher kann dahingestellt bleiben,
ob Art. 60 Abs. 2 OR nur gegenüber dem Täter selbst oder auch gegenüber
dessen Erben anwendbar sei (im ersten Sinne OSER/SCHÖNENBERGER N. 15 zu
Art. 60 OR und v. TUHR/SIEGWART § 48 III S. 375; im zweiten Sinne BECKER
N. 4 zu Art. 60 OR und STREBEL N. 16 zu Art. 44 MFG).

Erwägung 5

    5.- Art. 586 ZGB bestimmt, die Betreibung für die Schulden des
Erblassers sei während der Dauer des Inventars ausgeschlossen (Abs. 1);
eine Verjährung laufe nicht (Abs. 2)... (Ausführungen darüber, dass im
vorliegenden Fall vom Beginn des Tages, an welchem die Errichtung des
Inventars verlangt wurde, bis zum Abschluss des Inventars und zur Erklärung
der Erben über die Annahme der Erbschaft 172 Tage vergingen.) Um diese
Zeit verlängert sich die Verjährungsfrist, die normalerweise spätestens
mit dem 23. Juli 1958 zu Ende gegangen wäre. Sie lief also spätestens
mit dem 11. Januar 1959 ab.

Erwägung 6

    6.- Die Vorinstanz ist mit dem Kläger der Auffassung, dieser
habe, bevor er Rumänien verliess, seine Forderung unmöglich vor einem
schweizerischen Gerichte geltend machen können, weil er sonst schwere
Nachteile (die Zwangsabtretung seines Guthabens an den rumänischen Staat
und eine strenge Bestrafung wegen Devisenvergehens) zu befürchten gehabt
hätte; gemäss Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR habe die Verjährung also bis
zu seiner Auswanderung im Jahre 1959 stillgestanden und folglich gemäss
Art. 134 Abs. 2 OR erst in diesem Jahre begonnen.

    Die Auslegung von Art. 134 Ziff. 6 OR ist in der Lehre umstritten. Dass
eine Forderung im Sinne dieser Bestimmung "vor einem schweizerischen
Gerichte nicht geltend gemacht werden kann", trifft nach der einen
Auffassung nur zu, wenn der Schuldner mangels eines Gerichtsstandes in der
Schweiz nicht belangbar ist oder die Forderung infolge eines Stillstandes
der Rechtspflege bei keinem schweizerischen Gericht eingeklagt werden
kann (v. TUHR/SIEGWART § 80 V 6 S. 667; OSER/SCHÖNENBERGER N. 10 und 12
zu Art. 134 OR). Die Gegenansicht betrachtet die erwähnte Voraussetzung
unter dem Einfluss der aus dem römischen Recht abgeleiteten Regel "contra
non valentem agere non currit praescriptio" auch dann als erfüllt, wenn
der Gläubiger infolge höherer Gewalt ausserstande ist, in der Schweiz zu
klagen (FICK, SJZ 1914/15 S. 181 ff.; BECKER, 2. Aufl., N. 9 zu Art. 134
OR; GUHL, Das schweiz. OR, 5. Aufl., S. 250; BLOCH, SJZ 1955 S. 353 ff.;
SPIRO, Basler jurist. Mitteilungen 1959 S. 232). GUHL will sogar den Fall,
dass der Gläubiger sein Forderungsrecht unverschuldeterweise nicht kannte,
unter Art. 134 Ziff. 6 OR ziehen (aaO).

    Das Bundesgericht hat in BGE 88 II 290 auf diesen Meinungsstreit
hingewiesen, ohne ihn zu entscheiden. Auch früher hat es dies nicht
ausdrücklich getan. Die zu Art. 153 aoR ergangenen Entscheide BGE 28
II 364 und 30 II 88, auf welche GUHL und BLOCH in diesem Zusammenhang
hinweisen, stellen fest, dass das Gesetz die Gründe für die Hemmung
der Verjährung abschliessend aufzählt, befassen sich dagegen nicht mit
der Tragweite des Art. 153 Ziff. 6 aoR, mit welchem Art. 134 Ziff. 6 OR
übereinstimmt. In dem von GUHL ausserdem angeführten Entscheide BGE 75
II 227 ff., der den Einfluss der Einstellung des Forderungsprozesses auf
den Lauf der Verjährungsfrist behandelt, hat das Bundesgericht (S. 236)
Art. 134 Ziff. 6 OR nicht unmittelbar angewendet, sondern nur zur Auslegung
von Art. 138 Abs. 1 OR herangezogen.

    Im vorliegenden Falle muss zu dieser Streitfrage Stellung genommen
werden.

Erwägung 7

    7.- Das Gesetz sagt nicht, die Verjährung sei gehemmt, "solange der
Gläubiger seine Forderung vor einem schweizerischen Gerichte nicht geltend
machen kann", sondern braucht die Wendung: "solange eine Forderung vor
einem schweizerischen Gerichte nicht geltend gemacht werden kann." Diese
Ausdrucksweise spricht eher dafür, Art. 134 Ziff. 6 OR nur anzuwenden, wenn
es aus einem objektiven, von den Verhältnissen des Gläubigers unabhängigen
Grunde nicht möglich war, die Forderung in der Schweiz einzuklagen,
die Anwendung dieser Bestimmung dagegen abzulehnen, wenn der Gläubiger
infolge von Umständen, die ihn betreffen, von einer an sich bestehenden
Klagemöglichkeit nicht Gebrauch machen konnte. Der Gesetzeswortlaut bietet
jedoch für sich allein keine genügende Stütze für eine solche Auslegung.

    Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 134 Ziff. 6 OR lassen sich,
wie FICK (aaO) zutreffend dargelegt hat, keine Schlüsse auf die Bedeutung
dieser Bestimmung ziehen.

    Die Entscheidung muss daher aus Natur und Zweck der im OR vorgesehenen
Verjährung und aus dem System des Gesetzes gewonnen werden.

Erwägung 8

    8.- Das Gesetz sieht die Verjährung in erster Linie um der öffentlichen
Ordnung willen vor: das öffentliche Interesse an der Rechtssicherheit und
am gesellschaftlichen Frieden verlangt, dass gewöhnliche Forderungen,
die nicht geltend gemacht werden, nach einer gewissen Zeit nicht mehr
durchgesetzt werden können. Es schadet der Rechtssicherheit, wenn
Streitigkeiten über Forderungen möglich bleiben, deren Entstehung oder
Erlöschen wegen einer durch Zeitablauf verursachten Beweisschwierigkeit
nicht mehr zuverlässig feststellbar sind. Dem Gläubiger zu gestatten,
mit der Geltendmachung einer gewöhnlichen Forderung beliebig zuzuwarten,
ohne deswegen einen Rechtsnachteil zu erleiden, verbietet sich aber
auch deswegen, weil unbereinigte Rückstände die Beziehungen unter den
Rechtsgenossen belasten und der Schuldner nicht dauernd im Ungewissen
darüber gelassen werden darf, ob eine Forderung, die längere Zeit nicht
geltend gemacht wurde und mit der er daher natürlicherweise immer weniger
rechnet, schliesslich doch noch eingeklagt werde. Zudem muss der Schuldner
aus zwingenden praktischen Gründen davor bewahrt werden, die Belege für
seine Zahlungen während unbeschränkter Zeit aufbewahren zu müssen. Für
den Gläubiger liegt in der Verjährung ein nicht nur in seinem Interesse,
sondern auch im Interesse klarer Rechtsbeziehungen erwünschter Ansporn,
seine Forderungen innert einer vernünftigen Frist geltend zu machen und
den Austrag von Streitigkeiten darüber nicht zu verzögern.

    Der Einrichtung der Verjährung liegt auch der Gedanke zugrunde, dass
eine länger dauernde Untätigkeit des Gläubigers die Unbegründetheit oder
die Tilgung der Forderung wahrscheinlich macht oder sogar als Verzicht auf
die Forderung gedeutet werden kann. Dies gilt namentlich für streitige
und ungewisse Forderungen. Das erwähnte öffentliche Interesse bleibt
jedoch der Hauptgrund dafür, dass das Gesetz die Durchsetzung gewöhnlicher
Forderungen nur während einer beschränkten Zeit ermöglicht. So verhält es
sich namentlich im schweizerischen Recht, das die Verjährung in zahlreichen
Fällen wesentlich rascher eintreten lässt als die Rechte anderer Staaten.

Erwägung 9

    9.- Der Rechtssicherheit und dem gesellschaftlichen Frieden vermöchte
die Verjährung nur sehr mangelhaft zu dienen, wenn die Regel "contra non
valentem..." uneingeschränkt gälte, d.h. wenn die Verjährung stets gehemmt
wäre, solange es dem Gläubiger aus irgendeinem Grunde nicht oder nur schwer
möglich ist, seine Forderung geltend zu machen. Soll die Verjährung ihren
Zweck nicht verfehlen, so darf sie nur in bestimmten Sonderfällen, deren
Vorhandensein der Schuldner leicht erkennen und denen er daher Rechnung
tragen kann, gehemmt werden.

    Diese Auffassung liegt dem Art. 134 OR zugrunde. Die Gründe für die
Hinderung und den Stillstand der Verjährung werden hier unter Vorbehalt
der besonderen Vorschriften des SchKG (Abs. 3) und - wie beizufügen
ist - anderer Sondervorschriften (vgl. Art. 586 ZGB, Art. 28 LEG und
Art. 31 EGG) in sechs Ziffern aufgezählt. Damit wird die Hemmung der
Verjährung auf die gesetzlich vorgesehenen Fälle beschränkt (vgl. die
in Erw. 6 hievor angeführten Entscheide BGE 28 II 264 und 30 II 88, die
sich auf den in Abs. 1 und 2 mit Art. 134 OR inhaltlich übereinstimmenden
Art. 153 aoR beziehen, und OSER/SCHÖNENBERGER N. 5 zu Art. 134 OR). Die
Ziffern 1 bis 5 nennen fünf - für den Schuldner zutreffendenfalls ohne
weiteres als gegeben erkennbare - Fälle, in denen die Geltendmachung der
Forderung tatsächlich oder rechtlich unmöglich oder durch die persönlichen
Beziehungen zwischen den Parteien stark erschwert und deshalb unzumutbar
ist. Sie lassen also die Regel "contra non valentem..." für bestimmte
Sondertatbestände gelten. Ziffer 6 enthält nichts, was darauf schliessen
liesse, dass diese Bestimmung nicht auf der gleichen Linie stehe wie die
Ziffern 1 bis 5, sondern dass das Gesetz hier einen Grundsatz aussprechen
wolle, der die Frage der Hinderung und des Stillstandes der Verjährung
umfassend regeln würde und im Verhältnis zu dem die vorausgehenden Ziffern
nur die Bedeutung von Anwendungsbeispielen hätten. Vielmehr begnügt sich
die Ziffer 6 nach ihrem Wortlaut und nach dem ganzen Aufbau von Art. 134
OR damit, den vorher genannten, je für einen bestimmten Sondertatbestand
geltenden Hemmungsgründen einen weitern Grund dieser Art anzureihen. Ihr
Sinn ist also nicht, die Regel "contra non valentem..." als allgemein
massgebend zu erklären. Die vorausgehenden Ziffern wären sonst überflüssig.

    Aus diesen Gründen darf die in Art. 134 Ziff. 6 OR genannte
Voraussetzung, dass "eine Forderung vor einem schweizerischen Gerichte
nicht geltend gemacht werden kann", entsprechend dem schon sprachlich
am nächsten liegenden Sinne dieser Bestimmung (vgl. Erw. 7 hievor) nur
dann als erfüllt betrachtet werden, wenn der Gläubiger durch objektive,
von seinen persönlichen Verhältnissen unabhängige Umstände daran gehindert
ist, in der Schweiz zu klagen, namentlich also dann, wenn ein Gerichtsstand
in der Schweiz fehlt. Art. 134 Ziff. 6 OR auch auf Fälle anzuwenden, wo -
für den Schuldner oft nicht erkennbare - subjektive Umstände der Erhebung
einer an sich möglichen Klage in der Schweiz entgegenstehen, liefe auf
die volle Anerkennung der Regel "contra non valentem..." hinaus, die
sich nach dem Gesagten verbietet. Art. 134 OR sagt in den Ziffern 1 bis 4
(die von bestimmten Forderungen der Kinder unter elterlicher Gewalt, der
Mündel, der Ehegatten und der Dienstboten handeln) abschliessend, wieweit
persönliche Verhältnisse des Gläubigers die Verjährung zu hemmen vermögen.

    Diese Auslegung des Art. 134 OR steht im Einklang mit der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Verjährung von
Forderungen aus ungehöriger Vertragserfüllung mit ihrer Fälligkeit,
d.h. mit der Vertragsverletzung beginnt und die von diesem Zeitpunkt an
zu berechnende Verjährungsfrist des Art. 127 OR unabhängig davon läuft,
ob der Gläubiger seine Forderung kennt (BGE 53 II 342 f., 87 II 155
ff.). Im zuletzt genannten Falle wurde in Anwendung dieser Grundsätze
entschieden, die Verjährung sei mit dem Ablauf von zehn Jahren seit der
Vertragsverletzung eingetreten, obwohl der Gläubiger von dieser und von
dem daraus entstandenen Schaden erst später Kenntnis erhalten hatte. Damit
hat es das Bundesgericht stillschweigend abgelehnt, Art. 134 Ziff. 6 OR
auf Fälle anzuwenden, wo der Gläubiger aus subjektiven Gründen - sei es
auch ohne jedes Verschulden - daran gehindert ist, rechtzeitig zu klagen.

    Der Sachverhalt, aus dem der Kläger ableiten möchte, dass die
Verjährung erst nach seiner Auswanderung aus Rumänien begonnen habe, steht
in engem Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen, nämlich mit
seinem Wohnsitz in Rumänien, der ihn der dortigen Gesetzgebung unterwarf,
und mit seiner rumänischen Staatsangehörigkeit, derentwegen er Rumänien
nicht früher verlassen und sich nicht an die schweizerische Vertretung
in diesem Lande wenden konnte. Jener Sachverhalt vermag daher nach dem
Gesagten die Anwendung von Art. 134 Ziff. 6 OR nicht zu rechtfertigen.

Erwägung 10

    10.- Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf Art. 4 Abs. 2 des
Bundesbeschlusses vom 20. Dezember 1962 über die in der Schweiz
befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter
Ausländer oder Staatenloser (AS 1963 S. 427), der bestimmt, "Hinderung oder
Stillstand der Verjährung einer Forderung" sei "auch dann eingetreten,
wenn der Gläubiger diese wegen höherer Gewalt, insbesondere wegen
rassischer, politischer oder religiöser Verfolgung, nicht rechtzeitig
geltend machen konnte." Der Kläger gehört nicht zu den Personen, für deren
Vermögenswerte in der Schweiz dieser Bundesbeschluss nach seinem Art. 1
gilt (ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose, von denen seit
dem 9. Mai 1945 zuverlässige Nachrichten fehlen und von denen man weiss
oder vermutet, dass sie Opfer rassischer, religiöser oder politischer
Verfolgung wurden), und Art. 4 Abs. 2 dieses Beschlusses will damit,
dass er die Verhinderung der Geltendmachung einer Forderung durch höhere
Gewalt als Grund für die Hemmung der Verjährung bezeichnet, nicht einen
allgemeinen Grundsatz aufstellen. Diese Bestimmung wurde vielmehr als
Sondervorschrift für die Forderungen der erwähnten Personen erlassen, weil
dem Gesetzgeber als ungewiss erschien, ob Art. 134 Ziff. 6 OR in derartigen
Fällen anwendbar sei oder nicht (Sten. Bull. 1962, Nationalrat, S. 562 f.).

    Eine Sondervorschrift, die auf einer ähnlichen Erwägung beruht,
ist auch der von SPIRO in BJM 1959 S. 229 ff. behandelte Art. 23 des
Bundesratsbeschlusses über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz
vom 6. März 1953 (AS 1953 S. 137).

    Diese Sondervorschriften auf einen davon nicht erfassten Fall
entsprechend anzuwenden, ginge nicht an, selbst wenn das Ergebnis
billig wäre. Der Richter darf von einer Regelung, die das OR aus
Gründen der öffentlichen Ordnung getroffen hat, nicht abweichen, um in
einem aussergewöhnlichen Einzelfall zu einer als billig erscheinenden
Lösung zu gelangen. Im vorliegenden Falle dürfte es im übrigen letztlich
billiger sein, dass die starke Verzögerung der Klage nicht zum Nachteil
der Beklagten ausschlägt, deren Beweisführung durch den Zeitablauf und
insbesondere dadurch, dass die Kantonalbank nach zehn Jahren alle Belege
vernichtet (Art. 962 OR), stark erschwert wurde, sondern zum Nachteil
des Klägers, mit dessen Verhältnissen jene Verzögerung zusammenhängt.

    Es bleibt somit dabei, dass die Verjährungsfrist im vorliegenden
Falle spätestens mit dem 11. Januar 1959 ablief (Erw. 5 hievor).

Erwägung 11

    11.- Der Kläger macht geltend, die Verjährung sei unterbrochen
worden, als Y dem damals in Israel befindlichen Schwager des Klägers auf
einer Postkarte vom 4. Januar 1950 im Anschluss an die Erwiderung von
Neujahrswünschen schrieb: "Herr X hat sich nie gemeldet. Seine Gegenstände
sind solange bei mir aufgehoben. Ich wandere ja nicht aus." Er sieht in
dieser Mitteilung eine Anerkennung der Forderung (Art. 135 Ziff. 1 OR).

    Es ist möglich, dass hierin eine Anspielung auf das von Y für
den Kläger aufbewahrte Geld lag. Eine Schuldanerkennung im Sinne der
erwähnten Bestimmung kann jedoch nur in einer Erklärung liegen, die
sich an den Gläubiger richtet (OSER/SCHÖNENBERGER und BECKER, je N. 3
zu Art. 135 OR; v. TUHR/SIEGWART § 81 I 1 S. 668 f.). Dies trifft für
die streitige Erklärung nicht zu. Der Kläger hat nicht dargetan, ja
nicht einmal behauptet, sein Schwager sei in dieser Angelegenheit sein
Vertreter gewesen...

    Die Verjährung wurde also durch die Äusserung auf der Postkarte vom 4.
Januar 1950 nicht unterbrochen und ist somit eingetreten.

Erwägung 12

    12.- Ist die eingeklagte Forderung verjährt, so braucht nicht geprüft
zu werden, welche Folgen sich im gegenteiligen Falle daraus ergäben, dass
die solidarische Haftung der Erben des Y für dessen Schulden (die durch
das öffentliche Inventar nicht aufgehoben, sondern nur beschränkt wurde)
gemäss Art. 639 Abs. 2 ZGB fünf Jahre nach der Erbteilung, die mit der
Unterzeichnung des Teilungsvertrags verbindlich wurde, erloschen ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben
und die Klage abgewiesen.