Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 II 365



90 II 365

43. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. September 1964 i.S. Schmid und
Mitbeteiligte gegen Fides Treuhand-Vereinigung Regeste

    Begriff des Endentscheides. - Was kann Gegenstand eines summarischen
Verfahrens sein? - Pflicht des Willensvollstreckers zur Auskunfterteilung
an die Erben.

    1.  Ein im summarischen Befehlsverfahren der §§ 292 ff. der
zürcherischen ZPO gefällter Entscheid kann den Charakter eines
Endentscheides nach Art. 48 OG auch dann haben, wenn einzelne
Klagevorbringen in diesem Verfahren unberücksichtigt gelassen
wurden mit dem Vorbehalt ihrer Geltendmachung in einem ordentlichen
Verfahren. (Art. 48 OG). Zur Frage der materiellen Rechtskraft und der
Identität von Ansprüchen. (Erw. 1).

    2.  Ob in einem summarischen Verfahren einzelne tatbeständliche
Vorbringen unberücksichtigt bleiben müssen, ist eine Frage des kantonalen
Prozessrechts (Erw. 2).

    3.  Über Tatsachen, die für die Erbteilung von Bedeutung
sind, haben die Erben und der Willensvollstrecker einander
Auskunft zu geben. Insbesondere können die Erben verlangen, dass der
Willensvollstrecker ihnen Einsicht in Akten gebe, die sich auf Zuwendungen
des Erblassers unter Lebenden, sei es an einzelne Erben oder an Dritte,
beziehen, sofern diese Zuwendungen Grund zur Ausgleichung (Art. 626
ff. ZGB) oder Gegenstand einer Herabsetzung (Art. 522 ff. ZGB) bilden
können. Unter welchen Voraussetzungen hat der Willensvollstrecker den Erben
auch in seinem Besitze befindliche Akten Dritter vorzulegen? (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Kläger, ausser einer ebenfalls in dieser Eigenschaft
auftretenden Bank als Zessionarin, sind pflichtteilsberechtigte Erben des
elterlichen Stammes (nach Art. 472 ZGB und Art. 89 des bündnerischen EG
zum ZGB) des am 12. November 1962 in St. Moritz verstorbenen Kaufmannes
Christian Schmid. Dieser hinterliess seine Ehefrau und neben den klagenden
Erben noch andere in gleicher Rechtsstellung. Im Jahre 1936 hatte er die
Crisanus-Familienstiftung in Vaduz errichtet, die ihm und seiner Ehefrau
"den anständigen Lebensunterhalt" gewährleisten soll, und deren gesamtes
Vermögen nach dem Tode beider Begünstigten auf den von ihm im Jahre 1949
zu gemeinnützigen Zwecken errichteten Christian Schmid Fonds in Chur
übertragen werden soll. In Testamenten vom 18. und 19. Mai 1960 hat der
Erblasser die Erben des elterlichen Stammes auf den Pflichtteil gesetzt
und die Ehefrau unter Vorbehalt dieser Pflichtteilsrechte und einer Reihe
von Vermächtnissen als Alleinerbin bezeichnet. Mit seinem Tode ist die
Fides Treuhand-Vereinigung in Zürich einziges Vorstandsmitglied jener
Familienstiftung geworden, auf die der Erblasser nach Ansicht der Kläger
den grössten Teil seines Vermögens übertragen hat. Ferner ist die Fides
in den erwähnten Testamenten als Willensvollstreckerin eingesetzt worden,
und sie hat diesen Auftrag gleichfalls angenommen.

    B.- Am 5. Juni 1963 leiteten die Kläger gegen die Fides beim
Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich ein
Befehlsverfahren nach §§ 292 ff. der zürcherischen Zivilprozessordnung ein,
um Einsicht zu erhalten in "sämtliche Akten des Erblassers", namentlich
"sämtliche Skripturen, Bücher und Belege des Erblassers und der mit ihm
identischen 'Crisanus Familienstiftung'...".

    Mit Verfügung vom 5. Oktober 1963 befahl der Richter der Beklagten,
dem Kläger 1 oder einem von ihm Bevollmächtigten Einsicht zu gewähren:

    a) in alle Akten aus dem Nachlass des Erblassers in ihrem Besitz,
welche über Veränderung seines Vermögens zu seinen Lebzeiten der Höhe
oder der Zusammensetzung nach Aufschluss geben,

    b) in alle die Vermögensverwaltung und Geschäftsführung für den
Nachlass seit dem Tode des Erblassers betreffenden Akten.

    Gegen diese Verfügung rekurrierten die Kläger mit dem Begehren, es
sei ihnen auch Einsicht zu gewähren in die bei der Beklagten liegenden
Akten der Crisanus-Familienstiftung, "welche über die Veränderung des
Vermögensstandes dieser nichtigen Familienstiftung und hierzu gehöriger
'Tochterunternehmungen' Aufschluss geben".

    Auch die Beklagte legte Rekurs ein, zog ihn aber zurück, als der
erstinstanzliche Richter seine Verfügung auf das von ihr gestellte
Erläuterungsbegehren hin in folgender Weise ergänzt hatte:

    "Die weitergehenden Begehren des Klägers 1, es sei der Beklagten
zu befehlen, sämtliche Akten des Erblassers (d.h. auch solche Akten,
die nicht den in Dispositiv Ziff. 2 lit. a und b aufgeführten Akten
zuzuzählen sind), sowie sämtliche Skripturen, Bücher und Belege der
Crisanus-Familienstiftung, Vaduz, des Obera-Etablissement, Vaduz, der Artex
SA, Vaduz, und der S.p.a. Schmid, Mailand, zur Einsichtnahme vorzulegen,
werden abgewiesen."

    C.- Mit Beschluss vom 18. Februar 1964 hat das Obergericht des Kantons
Zürich den Rekurs der Kläger abgewiesen.

    D.- Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Berufung der
Kläger mit dem erneuten Begehren, es sei ihnen Einsicht zu gewähren
"in die zum Vermögen des Nachlasses Christian Schmid-Blaser sel.
gehörenden, bei der Berufungsbeklagten liegenden Akten der CRISANUS
Familienstiftung, welche über die Veränderung des Vermögensstandes dieser
nichtigen Familienstiftung und hierzu gehöriger Tochterunternehmungen
Aufschluss geben".

    Der Antrag der Beklagten geht auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist ein Begehren um
Gewährung von Akteneinsicht gestützt auf Normen des Bundesprivatrechts
(nämlich Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 517/18
ZGB). Über diesen Anspruch, so wie er geltend gemacht wurde, hat die
Vorinstanz zwar im summarischen Verfahren, aber dennoch abschliessend
geurteilt, entsprechend den Normen des Befehlsverfahrens nach § 292
der zürcherischen ZPO. Der angefochtene Beschluss stellt sich daher im
Sinne von Art. 48 OG als letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in
einer materiell vom Bundesrecht beherrschten Zivilrechtsstreitigkeit dar
(vgl. BGE 82 II 555 ff.).

    Ob dem Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht vermögensrechtlicher
Charakter zukomme, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre der für die
Berufung an das Bundesgericht erforderliche Streitwert von Fr. 8000.--
(Art. 46 OG) bezw. (für das Verfahren mit mündlicher Parteiverhandlung
nach Art. 62 OG) Fr. 15'000.-- gegeben, da die in Frage stehenden
Vermögenswerte, wie unbestritten ist, viele Millionen Schweizerfranken
betragen. Bei Annahme einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit wäre
die Berufung nach Art. 44 OG ohne weiteres zulässig.

    Der Charakter eines Endentscheides geht dem angefochtenen
Beschlusse nicht etwa deshalb ab, weil das Obergericht den von den
Klägern eingenommenen Standpunkt, die Crisanus-Familienstiftung sei eine
(auch nach liechtensteinischem Recht) ungültige sog. Unterhaltsstiftung,
unbeurteilt gelassen und einem allfälligen ordentlichen Prozesse gegen
jene Stiftung vorbehalten hat. Es hat eben über den eingeklagten Anspruch
gleichwohl einen Sachentscheid gefällt und dadurch das von den Klägern
eingeleitete Befehlsverfahren materiell abgeschlossen. Freilich betrifft
der angefochtene Beschluss infolge der Ausschaltung jenes speziellen
Klagegrundes bloss die Frage, ob die Kläger den Einblick in die Akten
("Skripturen, Bücher und Belege") der Crisanus-Familienstiftung schon
ohne weiteres, d.h. bei vorläufiger Annahme der Gültigkeit jener
Stiftung, verlangen können. Dies hat das Obergericht endgültig aus
materiellrechtlichen Gründen verneint, in der Meinung, den Klägern
stünden nur die Akten des Erblassers offen, nicht auch die Akten einer
vom Erblasser unter Lebenden errichteten Stiftung.

    Darin liegt trotz dem Vorbehalt, die Stiftung auf Feststellung
ihrer Ungültigkeit zu belangen, kein blosser Vorentscheid. Die Frage,
ob auch bei Annahme der Gültigkeit derselben ein Anspruch auf Einblick
in deren Akten, soweit sie den Vermögensstand und dessen Veränderungen
betreffen, gegeben sei, kann sehr wohl für sich allein Gegenstand eines
Prozesses bilden. Sollte es bei der Abweisung der auf dieser Grundlage
vom Obergericht beurteilten Klage bleiben, dann aber in einem neuen
Prozesse zur Nichtigerklärung der Crisanus-Familienstiftung kommen und
hierauf nochmals Einblick in die betreffenden Akten verlangt werden,
so wäre dieser Anspruch mit dem vorliegenden, wie ihn das Obergericht
beurteilt hat, nicht identisch. Er würde sich (auch bei allenfalls
gleich lautendem Rechtsbegehren) auf einen neuen Sachverhalt, eben die
gerichtliche Nichtigerklärung der erwähnten Stiftung, stützen (vgl. zum
Begriff des Haupturteils nach Art. 58 des frühern OG: BGE 67 III 181,
und zum teilweise abweichenden Begriff des Endentscheides nach Art. 48
des geltenden OG; BGE 84 II 398 und dort angeführte frühere Urteile,
ferner BGE 86 II 123, 88 II 59; S. GIOVANOLI, Probleme der Berufung an
das Bundesgericht, in der ZbJV 90 S. 53 ff.).

Erwägung 2

    2.- Die Kläger beharren auch vor Bundesgericht darauf, Nichtigkeit
der Crisanus-Familienstiftung geltend zu machen, um deren Akten den
Nachlassakten zurechnen zu können. Indessen verstösst es nicht gegen
Bundesrecht, dass das Obergericht diesen Streitpunkt aus dem summarischen
Befehlsverfahren ausgeschaltet hat. Allerdings sind die Behörden nach
allgemeiner prozessrechtlicher Anschauung befugt, als Grundlage ihrer
Entscheidung auch Rechtsfragen zu beurteilen, die dem Erkenntnisgebiet
einer andern Behörde angehören (vgl. BGE 82 IV 19, 85 II 53 Erw. 2, 85 IV
70, 88 I 10, 89 IV 79 Erw. 1). Dies, ohne dem Entscheid der eigentlich
zuständigen Behörde vorzugreifen, also ohne dass die der Vorfrage
zuteil gewordene Lösung an der Rechtskraft des Urteils teilzunehmen
hätte (vgl. BGE 72 I 411 Erw. 1, 74 II 189, 75 I 286 unten; LEUCH, N
11, b zu Art. 192 der bernischen ZPO). Ein bundesrechtliches Gebot,
sich vorfrageweise über die Gültigkeit der Crisanus-Familienstiftung
auszusprechen, bestand jedoch im vorliegenden Falle nicht. Ob dieser
besondere Streitpunkt sich ohne unerwünschte Weitläufigkeit einigermassen
zuverlässig in diesem summarischen Befehlsverfahren beurteilen lasse,
war eine Frage des kantonalen Prozessrechts, dessen Anwendung das
Bundesgericht nicht nachzuprüfen hat. Auch aus Art. 8 ZGB lässt sich
nichts Gegenteiliges ableiten. Das Recht, erhebliche Tatsachen zur
Begründung eines Anspruches aus Bundesprivatrecht vorzubringen und die
dafür angetragenen tauglichen Beweismittel zur Geltung zu bringen, braucht
sich nicht notwendigerweise in einem summarischen Verfahren auszuwirken. Es
genügt in dieser Hinsicht, dass den Klägern ein ordentliches Verfahren
betreffend Ungültigkeit der Stiftung vorbehalten bleibt, und dass sie
bei günstigem Ausgang desselben, eben auf neuer Grundlage, nochmals
Akteneinsicht werden verlangen können, sofern die vorliegende Klage
erfolglos bleibt. Gegen die Beschränkung des Prozesstoffes in einem
Befehlsverfahren, an dem die Crisanus-Familienstiftung nicht als Partei
teilnahm, lässt sich vom Standpunkt des materiellen Rechtes aus um so
weniger etwas einwenden, als damit zu rechnen ist, dass eine Klage gegen
die Stiftung unter Umständen unterbleibt oder eine Ungültigerklärung
sich durch eine Konversion vermeiden lässt (vgl. BGE 75 II 91 Erw. 4,
89 II 440 Erw. 1 und 2).

Erwägung 3

    3.- Ist somit einstweilen von der rechtlichen Existenz der
Crisanus-Familienstiftung auszugehen, so ist deren Vermögen nicht als
Bestandteil des Nachlasses des Stifters zu betrachten und gelten ihre
Akten nicht als Nachlassakten. Gleichwohl hat die Beklagte, entgegen der
Ansicht des Obergerichts, den Klägern Einblick in diese Akten zu gewähren,
soweit sie über die Veränderung des Vermögensstandes der Stiftung und
ihrer Tochterunternehmungen Aufschluss geben.

    a) Die Erben, gesetzliche wie eingesetzte, befinden sich grundsätzlich
(abgesehen von der Höhe der Erbanteile) in der gleichen rechtlichen
Stellung (Art. 607 ff. ZGB). Sie haben daher in gleicher Weise zur
Herbeiführung einer richtigen Erbteilung beizutragen. Das Gesetz
verpflichtet sie insbesondere, bei der Teilung genauen Aufschluss zu
geben über ihren allfälligen Besitz von Erbschaftssachen und über ihre
allfälligen Schulden gegenüber dem Erblasser (Art. 607 Abs. 3). Darüber
hinaus haben sie einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles
mitzuteilen, was für die gleichmässige (den Erbanteilen entsprechende)
Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt (Art. 610 Abs. 2). Ihrem
Zweck entsprechend bezieht sich diese Auskunftspflicht nicht bloss
auf den Nachlass. Sie erstreckt sich auf Zuwendungen unter Lebenden,
die möglicherweise zur Ausgleichung nach Art. 626 ff. zu bringen sind
oder der Herabsetzung nach Art. 527 unterliegen und daher gleichfalls
die Teilung beeinflussen (vgl. Art. 475; TUOR, N 5, und ESCHER, N 10 zu
Art. 610 ZGB). In gleichem Masse besteht eine Pflicht zur Gewährung von
Akteneinsicht, wo dies zur richtigen Orientierung angezeigt ist; denn
die Vorlegung von Aktenstücken ist nichts anderes als eine besondere Art
der Auskunfterteilung.

    b) Wie gegenüber den Miterben, so besteht die Auskunftspflicht auch
gegenüber andern Personen, die bei der Abwicklung des Erbganges mitzuwirken
haben, also namentlich gegenüber einem Willensvollstrecker (vgl. ESCHER,
N 9 zu Art. 607 und N 4 zu Art. 610 ZGB). Dieser muss, um die Erbteilung
richtig ausführen zu können, sich auch über Ausgleichungsansprüche
erkundigen und ist ferner an die der Verfügungsfreiheit des Erblassers
gezogenen gesetzlichen Schranken gebunden (vgl. BGE 43 II 3, 51 II 49,
75 II 195; TUOR, N 2, und ESCHER, N 2 zu Art. 518). Dementsprechend hat
er aber auch seinerseits die Erben über die für die Bestimmung ihrer
Erbansprüche wesentlichen Tatsachen, soweit er dazu in der Lage ist,
aufzuklären und sie auf die ihnen gegebenen Klagemöglichkeiten hinzuweisen
(vgl. ESCHER, N 15 zu Art. 518; ferner betreffend Akteneditionspflicht
eines Willensvollstreckers BlZR 55 Nr. 12). Das gilt namentlich für
die Geltendmachung von Herabsetzungsansprüchen nach Art. 522 ff. ZGB,
da in dieser Hinsicht dem Willensvollstrecker selbst keine Klagebefugnis
zusteht (BGE 85 II 600; 86 II 342). Das Bundesgericht hat denn auch einer
Entscheidung des zürcherischen Kassationsgerichtes zugestimmt, wonach der
gewesene Vermögensverwalter des Erblassers und zugleich Willensvollstrecker
verpflichtet war, der Witwe des Erblassers "im Hinblick auf die ihr
zustehenden Herabsetzungs- und Ausgleichungsansprüche (Art. 527, 626
ZGB)" Einsicht in Buchungen und Belege zu geben, "die über die Gründe
und nähern Umstände der Vermögensverschiebungen Aufschluss geben" (BGE
82 II 560 oben und 567).

    c) Eine Stiftung - und ebenso die Zuwendung an eine bereits bestehende
Stiftung - kann nach Art. 82 ZGB gleich einer Schenkung angefochten
werden. Sie untersteht daher namentlich auch der Herabsetzung nach
Art. 527 Ziff. 3 ZGB (vgl. HAFTER, N 11 zu Art. 82 ZGB, der hervorhebt,
"dass den an ihrem Pflichtteil verkürzten Erben die Herabsetzungsklage
gegeben ist gegenüber jedem Stiftungsbetrag, den der Erblasser während
der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat"). Auch eine
Herabsetzung nach Art. 527 Ziff. 4 kann in Frage kommen (vgl. HAFTER,
N 9 daselbst). Sie erfasst beliebig weit zurückliegende Zuwendungen,
ist jedoch an besondere Voraussetzungen gebunden, die der sich auf
diese Norm berufende Pflichtteilsberechtigte im Herabsetzungsprozesse zu
beweisen hat. Indessen genügt die (hier zweifellos gegebene) ernstliche
Möglichkeit eines solchen Sachverhaltes zur Begründung des Begehrens um
Gewährung von Akteneinsicht. In BGE 59 II 129 wurde ausgesprochen, die
Witwe des Erblassers könne sich der Auskunfterteilung an die Miterben über
Zuwendungen des Erblassers an sie nicht entschlagen mit der Behauptung, sie
berühren die Erbschaft nicht, da es sich um die Auszahlung von Sondergut
gehandelt habe. Sie hatte über Höhe und Grund der Zuwendungen Auskunft
zu geben, da deren Charakter bestritten war.

    d) Nichts Gegenteiliges folgt daraus, dass die vom Erblasser durch
Verfügung unter Lebenden errichtete Crisanus-Familienstiftung nicht selber
am Erbgange teilnimmt und daher nicht unmittelbar nach den erwähnten
erbrechtlichen Bestimmungen zur Auskunfterteilung und zur Aktenvorlegung an
die Erben verpflichtet werden könnte. Die Beklagte ist eben nicht bloss
Stiftungsorgan, sondern zugleich Willensvollstreckerin und in dieser
Eigenschaft, wie dargetan, zur Auskunfterteilung und zur Gewährung von
Akteneinsicht gegenüber den Erben verpflichtet. Die Doppelstellung, in der
sie sich befindet, bringt zwar eine gewisse Interessenkollision mit sich.
Daraus ergibt sich aber nicht durchwegs ein Konflikt der Pflichten. Dem
legitimen Interesse der Kläger, im Hinblick auf Herabsetzungsansprüche
über die Zuwendungen des Erblassers an jene Stiftung orientiert zu werden,
steht kein legitimes Interesse der Stiftung oder der an ihr beteiligten
Dritten an der Geheimhaltung dieser Vermögensvorgänge gegenüber. Vielmehr
wäre gerade auch die Witwe des Erblassers verpflichtet, den Klägern über
diese Vorgänge bei der zu ihren Gunsten errichteten Familienstiftung
Auskunft zu geben. Schriftstücke persönlichen Charakters, die geheim zu
halten wären (vgl. BGE 82 II 567), stehen hier nicht in Frage, ebensowenig
Geschäftsgeheimnisse, was die Beklagte mindestens hätte glaubhaft machen
müssen (vgl. das Urteil i.S. Luder, staatsrechtliche Beschwerde, vom
15. März 1962, S. 41, betreffend die Auskunftspflicht eines an einem
gewerblichen Unternehmen beteiligten Ehemannes bei der güterrechtlichen
Auseinandersetzung).

Erwägung 4

    4.- Zu Unrecht beruft sich die Beklagte endlich auf die dem
Erblasser geschuldete Treue. Dieser hat die klagenden Erben auf den
Pflichtteil gesetzt, was besagt, sie sollen nicht mehr, aber auch nicht
weniger erhalten. Es liegt im wohlverstandenen Sinn dieser Anordnung,
den pflichtteilsberechtigten Erben die zur Ermittlung ihrer Erbansprüche
dienenden Unterlagen zu beschaffen und keineswegs vorzuenthalten. Wäre
die Stiftung durch letztwillige Verfügung errichtet worden, so wäre
der Willensvollstrecker denn auch verpflichtet, der Stiftung die ihr
zugedachten Geldmittel aus der Erbschaft nur insoweit zu überweisen,
als dadurch nicht allfällige pflichtteilsberechtigte Erben in ihren
Rechten verletzt würden (vgl. A. BERLA, Das Verfügungsrecht des
Willensvollstreckers, Diss. 1951, S. 38). Infolge der ihr vom Erblasser
aufgetragenen Doppelstellung ist die Beklagte in besonderem Masse geeignet,
in der von den Klägern verlangten Weise zur Bereinigung der Erbansprüche
beizutragen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 18. Februar 1964, soweit es den Rekurs
der Kläger abweist, aufgehoben und die Berufungsbeklagte angewiesen,
den Berufungsklägern Einsicht in diejenigen Akten der Crisanus-Stiftung
zu gewähren, welche über die Veränderung des Vermögensstandes dieser
Stiftung und hierzu gehöriger Tochterunternehmungen Aufschluss geben.