Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 90 III 105



90 III 105

24. Entscheid vom 16. November 1964 i.S. Bulla. Regeste

    Einrede des mangelnden neuen Vermögens (Art. 265 Abs. 2 SchKG):
Sie kann vom Schuldner gegenüber dem Gläubiger, der eine ausländische
Verlustscheinforderung aus Konkurs betreibt, nicht erhoben werden. Die
Einrede setzt voraus, dass sein ganzes, in der Schweiz gelegenes Vermögen
unter eine Generalexekution gefallen ist.

Sachverhalt

    A.- Leopold Bulla wurde in Betreibung Nr. 1837 des Betreibungsamtes
Bülach von der E. A. Aulbach K. G. in Aschaffenburg für Fr. 14'020.75
nebst Zinsen betrieben. Mit dieser Forderung war die E. A. Aulbach
K. G. in einem in der deutschen Bundesrepublik gegen den Schuldner Bulla
durchgeführten Konkursverfahren zu Verlust gekommen. In der Betreibung
Nr. 1837 erhielt die Gläubigerin einen vom 21. Juli 1964 datierten
Verlustschein. Gestützt auf Art. 149 Abs. 3 SchKG verlangte sie am
27. Juli 1964 Fortsetzung der Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl. Das
Betreibungsamt Bülach folgte dem Begehren und kündigte Bulla die
Pfändung an.

    B.- Gegen diese Verfügung erhob der Schuldner Beschwerde beim
Bezirksgericht (untere kantonale Aufsichtsbehörde) und anschliessend beim
Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde.
Von beiden Instanzen wurde er abgewiesen.

    C.- Bulla hat Rekurs an das Bundesgericht ergriffen. Er macht
Verletzung von Art. 265 Abs. 2 SchKG geltend und beantragt "den
angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Betreibungsamt Bülach
anzuweisen, den Gläubiger zu veranlassen, gegen den Rekurrenten eine
neue Betreibung einzuleiten, ohne dass der Rekurrent von der Einrede des
massgebenden neuen Vermögens ausgeschlossen wird".

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Ein Gläubiger, dem von einem schweizerischen Konkursamte für
seine Forderungen gegen einen konkursiten Schuldner ein Verlustschein
ausgestellt worden ist, kann mit dem Verlustschein eine Betreibung nur
dann erheben, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist (Art. 265
Abs. 2 SchKG). Führt eine Betreibung auf Grund des Konkursverlustscheines
zur Ausstellung eines Pfändungsverlustscheines, so gibt dieser kein
Recht, die Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl gemäss Art. 149 Abs. 3
SchKG fortzusetzen, selbst dann nicht wenn der Schuldner im ersten
Betreibungsverfahren die Einrede des mangelnden neuen Vermögens nicht
erhoben hat (BGE 69 III 86, vgl. auch 75 III 51). Auf diese Rechtsprechung
beruft sich der Rekurrent im vorliegenden Fall und verlangt, der E. A.
Aulbach K. G. als Gläubigerin sei die Fortsetzung der Betreibung ohne neuen
Zahlungsbefehl gemäss Art. 149 Abs. 3 SchKG zu versagen, da sich der von
ihr vorgewiesene Pfändungsverlustschein auf eine Forderung beziehe, mit
welcher sie in einem deutschen Konkursverfahren zu Verlust gekommen sei.

Erwägung 2

    2.- Die Einrede des mangelnden neuen Vermögens kann, wie in BGE
36 I 794 (Sep.-Ausg. 13 S. 281 f.) eingehend begründet worden ist, vom
Gemeinschuldner nicht erhoben werden, wenn er für eine Forderung betrieben
wird, mit welcher der Gläubiger in einem im Ausland durchgeführten
Konkurs zu Verlust gekommen ist. An diesem Entscheid, der sich auf ein
vorausgegangenes Urteil der obern Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich
und die dagegen gerichtete Kritik bezieht, ist festzuhalten (s. SJZ 6
[1909-1910], S. 339 f.; C. JAEGER, N. 8 zu Art. 265 SchKG, JAEGER/DAENIKER,
N. 7 zu Art. 265 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 498 Anm. 54; anders
LEEMANN, Der schweizerische Verlustschein, S. 154 und MEILI, Lehrbuch
des internationalen Konkursrechtes, S. 205).

    a) Angenommen der Bestimmung von Art. 265 Abs. 2 SchKG komme
materiell-rechtliche Bedeutung zu (C. JAEGER, N. 8 zu Art. 265
SchKG), so ist sie - wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat -
als schweizerisches Recht nicht anwendbar. Die von der Gläubigerin
betriebene Forderung geht auf einen Verlust in einem deutschen Konkurs
zurück und untersteht damit dem deutschen Recht als demjenigen des
Konkursortes. Gemäss deutschem Recht können aber Gläubiger nach Schluss
des Konkursverfahrens ihre Forderungen unbeschränkt geltend machen und
unterliegen keinem Vollstreckungsverbot (§ 164 deutsche KO).

    b) Geht man dagegen davon aus, der Art. 265 Abs. 2 SchKG sei seiner
juristischen Natur nach eine prozessrechtliche oder betreibungsrechtliche
Bestimmung (s. LEEMANN, Der schweizerische Verlustschein, S. 106;
BLUMENSTEIN; Handbuch, S. 818; BGE 35 II 688; ZBJV 48 [1912], S. 280),
so steht die Einrede und Rechtswohltat des Art. 265 Abs. 2 SchKG nach
"dem System des Gesetzes in engstem Zusammenhang mit den Vorschriften
über die Durchführung des Konkurses und namentlich mit den den
Gläubigern hinsichtlich der Admassierung und der Verwertung eingeräumten
Garantien... und hat demnach notwendigerweise zur Voraussetzung, dass
eine Generalexekution über das Vermögen des Kridaren in der Schweiz
vorausgegangen sei" (BGE 36 I 797).

    Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Mangels
eines entsprechenden Staatsvertrages zwischen der deutschen Bundesrepublik
und der Schweiz macht eine Generalexekution, die in einem der beiden
Länder durchgeführt wird, an der Landesgrenze halt: Allfälliges in
der Schweiz gelegenes Vermögen des Rekurrenten ist seinerzeit nicht
zu seiner deutschen Konkursmasse gezogen worden. Die Durchbrechung des
Universalitätsprinzips im internationalen Verhältnis (vorbehalten bleibt
Art. 6 des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages) schliesst
es aus, in Art. 265 Abs. 2 SchKG eine allgemeine, vom schweizerischen
Konkursverfahren losgelöste Verfahrensvorschrift zu sehen. Der Rekurrent
kommt erst dann in deren Genuss, wenn auch sein ganzes, in der Schweiz
gelegenes Vermögen unter eine Generalexekution gefallen ist.

Erwägung 3

    3.- Ist demnach Art. 265 Abs. 2 SchKG für im deutschen Konkurs
erlittene Verluste nicht anwendbar, so steht der Fortsetzung der Betreibung
gegen den Rekurrenten im Sinne von Art. 149 Abs. 3 SchKG nichts entgegen:
Die Gläubigerin ist nicht gehalten gegen ihn mit einem neuen Zahlungsbefehl
Betreibung einzuleiten.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.