Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 92



89 I 92

15. Urteil vom 20. März 1963 i.S. Kind X. gegen X. und Zivilgericht des
Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Persönliche Freiheit. Blutuntersuchung im Ehelichkeitsanfechtungs-
und im Vaterschaftsprozess.

    1.  Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den
Beweisbeschluss, durch den die Blutuntersuchung angeordnet wird (Erw. 1).

    2.  Legitimation des dem Kind im Ehelichkeitsanfechtungsprozess
bestellten Beistands, sich der Blutentnahme beim Kind zu widersetzen
(Erw. 2). Rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Beistands? (Erw.5).

    3.  Die persönliche Freiheit wird durch das ungeschriebene
Verfassungsrecht des Bundes gewährleistet (Erw. 3).

    4.  Die Blutentnahme für eine Untersuchung stellt einen Eingriff in
die durch die persönliche Freiheit geschützte körperliche Unversehrtheit
dar. Die Pflicht zur Hergabe von Blut in einem Zivilprozess darf daher
nur beim Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage, nicht in Ausfüllung einer
Gesetzeslücke angenommen werden (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Ehegatten X, die sich 1949 verheiratet haben, lebten seit dem
Sommer 1957 getrennt, trafen sich aber von Zeit zu Zeit. Am 13. Oktober
1960 gebar die Ehefrau einen Knaben. Kurz vor der Entbindung hatte sie
eine öffentliche Urkunde errichten lassen, in welcher sie erklärte, dass
sie mit dem Ehemann seit März 1959 keinen Geschlechtsverkehr mehr und
solchen in der kritischen Zeit einzig mit Y. gehabt habe und dass daher
nur dieser, nicht der Ehemann der Vater des erwarteten Kindes sein könne.

    Im November 1960 erhob der Ehemann beim Zivilgericht Basel-Stadt
Klage auf Scheidung der Ehe wegen Ehebruchs der Frau. Ferner reichte er im
Dezember 1960 beim gleichen Gericht Klage auf Aberkennung der Ehelichkeit
des Kindes ein. Zur Wahrung der Interessen des Kindes in diesem Prozess
bestellte ihm die Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt gemäss Art. 392 Ziff. 2
ZGB einen Beistand in der Person des Anwalts Dr. S. Dieser beantragte
namens des Kindes die Abweisung der Klage, während die Ehefrau sich zur
Klage nicht vernehmen liess.

    Das Zivilgericht stellte den Ehelichkeitsanfechtungsprozess nach
Schluss des Schriftenwechsels bis zur rechtskräftigen Erledigung
des Scheidungsverfahrens ein. In diesem Prozesse wurde Y. als Zeuge
einvernommen. Er gab zu, mit Frau X während drei Jahren und noch im
Jahre 1960 intime Beziehungen unterhalten zu haben; weiter erklärte er,
dass es wegen des Kindes zu Verhandlungen gekommen sei, bei denen er nichts
bestritten, aber auch nichts zugegeben habe. Durch Urteil vom 10. November
1961 wurde die Ehe gemäss Art. 137 ZGB rechtskräftig geschieden und das
Kind der Mutter zur Pflege und Erziehung zugewiesen.

    Am 1. März 1962 ordnete der Instruktionsrichter
im Ehelichkeitsanfechtungsprozess die Durchführung einer
Blutgruppenuntersuchung zur Abklärung der Frage an, ob der Kläger als
Vater des Kindes ausgeschlossen werden könne. Der Beistand des Kindes
erhob hiegegen gemäss §82a ZPO Einsprache, während die Mutter sich mit
der Durchführung der Untersuchung einverstanden erklärte.

    Mit Entscheid vom 10. Juli 1962 wies das Zivilgericht die Einsprache
des Beistands ab und bestätigte die Verfügung des Instruktionsrichters
vom 1. März 1962, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der
Instruktionsrichter habe angenommen, dass die Mutter als Inhaberin der
elterlichen Gewalt und nicht der Beistand die Persönlichkeitsrechte
des Kindes zu wahren und die Zustimmung zur Blutentnahme beim Kind
zu erteilen habe. Diese Erwägung sei jedoch nicht entscheidend. Der
Beistand stütze seine Weigerung, dem Kind Blut entnehmen zu lassen,
auf BGE 82 II 508 Erw. 5, wo ausgeführt werde, dass der Widerstand
der Beklagten gegen die Blutuntersuchung durch Zwang nur gebrochen
werden könne, wo das kantonale Zivilprozessrecht hiezu Hand biete. Die
basel-städtische ZPO enthalte keine Norm, die eine Partei ausdrücklich
oder dem Sinne nach zur Duldung der Blutentnahme verpflichte, noch
beständen Anhaltspunkte dafür, dass diese Pflicht absichtlich nicht
vorgesehen worden sei. Die ZPO weise somit in diesem Punkte eine Lücke
auf, die in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 2 ZGB durch den Richter
auszufüllen sei, wobei dieser, da ein Gewohnheitsrecht fehle, nach der
Regel zu entscheiden habe, die er als Gesetzgeber aufstellen würde. Nun
anerkenne selbst das Bundesgericht, dass es höchst unbefriedigend sei,
wenn die Beklagten den Prozess durch Vereitelung der vom Kläger mit Recht
verlangten und möglicherweise schlüssigen Expertise gewännen (BGE 82 II
512). Ein derartiges Ergebnis wäre in der Tat höchst anstössig und könne
nicht dem Sinne der ZPO entsprechen. Die ZPO habe die Verwirklichung des
materiellen Rechts zu ermöglichen. Die bestehende Gesetzeslücke verhindere
jedoch die Durchführung eines zur Ermittlung des wahren Sachverhaltes und
damit der richtigen Urteilsgrundlage notwendigen Beweisverfahrens. Die
Gesetzeslücke könne daher nur so ausgefüllt werden, dass diese Folge
vermieden werde, d.h. dadurch, dass festgestellt werde, die Parteien
seien im Ehelichkeitsanfechtungsprozess zur Mitwirkung bei einer Expertise
verpflichtet und könnten daher zur Hergabe von Blut verhalten werden.

    B.- Gegen diesen Entscheid des Zivilgerichts hat der Beistand
namens des Kindes gleichzeitig beim Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt eine Beschwerde gemäss § 242 ZPO und beim Bundesgericht eine
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
eingereicht.

    Durch Urteil vom 31. Oktober 1961 ist das Appellationsgericht auf die
kantonale Beschwerde nicht eingetreten, weil dieses Rechtsmittel gegen
Zwischenentscheide wie den vorliegenden Beweisbeschluss nicht zulässig sei.

    Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird im wesentlichen geltend
gemacht: Die erzwungene Entnahme von Blut für eine Untersuchung sei ein
Eingriff in die durch das ungeschriebene Verfassungsrecht des Bundes und
des Kantons Basel-Stadt gewährleistete persönliche Freiheit und bedürfe
daher einer gesetzlichen Grundlage. An einer solchen fehle es, wie das
Zivilgericht selber feststelle. Die Ausfüllung von Gesetzeslücken durch
richterliche Rechtsschöpfung aber sei, wo ein Eingriff in die persönliche
Freiheit in Frage stehe, ausgeschlossen (BGE 82 I 236 ff.), weshalb der
angefochtene Entscheid dieses Freiheitsrecht verletze. Er verstosse ferner
gegen das Willkürverbot des Art. 4 BV, da im Rechtsstaat jede staatliche
Zwangsanwendung einer gesetzlichen Begründung bedürfe.

    C.- Der Präsident des Zivilgerichts hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet und sich auf die Bemerkung beschränkt, es sei "schlechterdings
nicht einzusehen, mit welchem Recht das beklagte Kind dem Kläger die
Geltendmachung ... der vom Bundesgericht als Beweismittel zugelassenen
Blutprobe verunmöglichen will, zumal die Mutter als Inhaberin der
elterlichen Gewalt zustimmt".

    Der Beschwerdegegner X beantragt die Abweisung der Beschwerde. Da
das Kind ein höchst persönliches Interesse daran habe, zu wissen, wer
wirklich der Vater sei, stelle der Widerstand des Beistands gegen die
Durchführung der Blutuntersuchung einen Rechtsmissbrauch dar.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- In dem vom Beschwerdegegner beim Zivilgericht Basel-Stadt
angehobenen Ehelichkeitsanfechtungsprozess hat der Instruktionsrichter mit
Verfügung vom 1. März 1962 die Durchführung einer Blutgruppenuntersuchung
(bei den Parteien) angeordnet und die Mutter des heutigen Beschwerdeführers
aufgefordert, der Einladung des Experten, den Beschwerdeführer zur
Blutentnahme zu bringen, Folge zu leisten. Der angefochtene Entscheid, mit
dem das Zivilgericht diese Beweisverfügung bestätigt hat, ist ein blosser
Zwischenentscheid. Das steht jedoch dem Eintreten auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht entgegen. Die Anfechtung von Zwischenentscheiden ist nur
beschränkt, soweit eine Verletzung des Art. 4 BV, nicht aber soweit eine
solche anderer verfassungsmässiger Rechte gerügt wird (Art. 87 OG; BGE 87
I 368 mit Verweisungen), weshalb der vorliegende Zwischenentscheid wegen
Verletzung der verfassungsmässig gewährleisteten persönlichen Freiheit
angefochten werden kann. Die Rüge der Verletzung von Art. 4 BV aber
ist zulässig, weil der Zwischenentscheid für den Beschwerdeführer einen
nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 OG zur Folge hat
(BGE 84 I 219 Erw. 1 mit Verweisungen).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdegegner teilt die im angefochtenen Entscheid
dargelegte Auffassung des Zivilgerichtspräsidenten, dass die Mutter als
Inhaberin der elterlichen Gewalt über den Beschwerdeführer und nicht dessen
Beistand die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers zu wahren und
die Zustimmung zur Blutentnahme bei ihm zu erteilen habe. Sollte damit
bestritten werden, dass der Beistand befugt sei, gegen die durch den
angefochtenen Entscheid geschützte Anordnung der Blutuntersuchung namens
des Beschwerdeführers staatsrechtliche Beschwerde zu führen, so wäre dieser
Einwand unbegründet. Inbezug auf die Aberkennung seiner Ehelichkeit hat
das Kind eigene Interessen, die mit denjenigen der Mutter und des Vaters
nicht übereinzustimmen brauchen. Das Kind ist daher befugt, allein gegen
das die Anfechtungsklage gutheissende Urteil Berufung einzulegen (BGE 82
II 2, 87 II 284 Erw. 1), und hat nach der neueren Rechtsprechung unter
gewissen Voraussetzungen sogar das Recht, selber seine Ehelichkeit durch
Klage gegen Vater und Mutter anzufechten (BGE 88 II 479 ff.). Da die
Interessen des Kindes auch denjenigen der Mutter widersprechen können,
ist ihm nicht nur dann, wenn die elterliche Gewalt auch dem Vater zusteht,
gemäss Art. 392 Ziff. 2 ZGB ein Beistand zur Wahrung seiner Interessen
im Ehelichkeitsanfechtungsprozess zu bestellen, sondern auch dann,
wenn wie hier die Mutter alleinige Inhaberin der elterlichen Gewalt
ist. Der im Falle der Interessenkollision nach Art. 392 Ziff. 2 ZGB zu
ernennende Beistand hat in der betreffenden Angelegenheit den gesetzlichen
Vertreter zu ersetzen und an dessen Stelle alle Interessen und Rechte
des Verbeiständeten zu wahren (EGGER N. 23 und 25 zu Art. 392 ZGB). Der
Beistand des Kindes für den Ehelichkeitsanfechtungsprozess ist daher
befugt, sich in diesem Prozess auch gegen den Willen der Mutter der
Anordnung der Blutuntersuchung und der dazu erforderlichen Blutentnahme
beim Kind zu widersetzen und in dessen Namen staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung der persönlichen Freiheit zu erheben.

Erwägung 3

    3.- Während die meisten Kantonsverfassungen diese Freiheit
umfassend gewährleisten und anschliessend besondere Vorschriften
vorwiegend prozessualer Art aufstellen, nennt die Kantonsverfassung
von Basel-Stadt die persönliche Freiheit als solche nicht, sondern
bestimmt in § 3 lediglich, dass Verhaftungen und Hausdurchsuchungen nur
in den durch das Gesetz zugelassenen Fällen und in den durch dasselbe
vorgeschriebenen Formen erfolgen dürfen. Das bedeutet jedoch nicht,
dass die persönliche Freiheit im Kanton Basel-Stadt nur in diesem
beschränkten Umfange gewährleistet ist. Die persönliche Freiheit im
Sinne der physischen Freiheit, d.h. der Freiheit über den eigenen Körper
(BGE 82 I 238 mit Zitaten), ist die Voraussetzung für die Ausübung
aller andern Freiheitsrechte und bildet damit einen unentbehrlichen
Bestandteil der rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes. Nach der heute
herrschenden Auffassung gehört die Garantie der persönlichen Freiheit
daher wie die Eigentumsgarantie dem ungeschriebenen Verfassungsrecht des
Bundes an (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone S. 170, GIACOMETTI-FLEINER,
Bundesstaatsrecht S. 241/42, SPOENDLIN, Die verfassungsmässige Garantie der
persönlichen Freiheit S. 52 ff., HANS HUBER, Probleme des ungeschriebenen
Verfassungsrechts, ZBJV Bd. 91 bis S. 103/5; vgl. auch MARTI, Probleme der
staatsrechtlichen Beschwerde, ZSR 1962 II S. 20/22). Dieser Auffassung
zu folgen bestehen umso weniger Bedenken, als das Bundesgericht sie
inbezug auf die Eigentumsgarantie schon längst zur eigenen gemacht und
daran festgehalten hat (BGE 35 I 571 sowie das Urteil vom 11. Mai 1960
i.S. Keller, abgedruckt in ZBl 62 S. 69 ff. Erw. 2 mit Zitaten). Gehört
aber die persönliche Freiheit dem ungeschriebenen Verfassungsrecht
des Bundes an, so braucht nicht geprüft zu werden, ob sie, wie der
Beschwerdeführer weiter geltend macht, auch durch die baselstädtische
Kantonsverfassung stillschweigend gewährleistet wird.

Erwägung 4

    4.- In BGE 82 I 236 ff. hat das Bundesgericht mit eingehender
Begründung entschieden, dass die Garantie der persönlichen Freiheit Schutz
gegen jeden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bietet, dass ein
solcher Eingriff auch in der Entnahme von Blut für eine Blutuntersuchung
liege und dass der Zivilrichter diese Entnahme nur beim Vorliegen einer
gesetzlichen Grundlage, nicht in Ausfüllung einer Gesetzeslücke erzwingen
dürfe. Das muss, wie nach den grundsätzlich gefassten Erwägungen des
Urteils keinem Zweifel unterliegen kann, nicht nur für die dort streitige
Blutentnahme beim Zeugen im Vaterschaftsprozess, sondern auch für diejenige
bei den Parteien in diesem oder einem andern familienrechtlichen Prozesse
gelten. Trotzdem hält sich das Zivilgericht Basel-Stadt im angefochtenen
Entscheid für befugt, die Parteien im Ehelichkeitsanfechtungsprozess
in Ausfüllung einer Lücke der basel-städtischen ZPO zur Hergabe von
Blut für eine Blutuntersuchung zu verhalten. Obwohl das Gericht sich
dabei mit den Erwägungen des erwähnten Urteils des Bundesgerichts nicht
auseinandersetzt, ja dieses Urteil nicht einmal erwähnt, erscheint eine
nochmalige Überprüfung der darin entschiedenen Fragen als angezeigt. Sie
führt jedoch zu keinem andern Ergebnis.

    Dass die Entnahme von Blut für eine Untersuchung, obwohl
verhältnismässig harmlos und wenig schmerzhaft, einen Eingriff in die
körperliche Unversehrtheit darstellt, ist nicht zu bestreiten. Dieser
Eingriff bedarf daher, wie jeder andere Eingriff in die durch die
persönliche Freiheit geschützten Rechtsgüter, einer gesetzlichen
Grundlage. Die basel-städtische ZPO enthält indes keine Bestimmung, aus
der sich ableiten liesse, dass eine Partei zur Hergabe von Blut für eine
Untersuchung verpflichtet sei. Das Zivilgericht gibt zu, dass die ZPO in
dieser Beziehung eine Lücke aufweist. Es glaubt aber, diese Lücke könne
vom Richter in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 2 ZGB in dem Sinne
ausgefüllt werden, dass eine solche Pflicht der Parteien bestehe.

    Die Ausfüllung von Gesetzeslücken durch richterliche Rechtsschöpfung
ist zwar im Zivilprozessrecht nicht schlechthin ausgeschlossen (BGE 74
I 108/9). Sie ist aber, wie in BGE 82 I 239 Erw. 4 dargelegt wurde,
jedenfalls dann unzulässig, wenn ein Eingriff in die persönliche Freiheit
in Frage steht. Hier gilt für den Richter so gut wie für die Verwaltung
(vgl. BGE 83 I 113 Erw. 1) der Grundsatz der Gesetzmässigkeit. Auch der
Richter darf zivilprozessuale Massnahmen, welche in die persönliche
Freiheit eingreifen, nur anordnen und vollstrecken lassen, wenn und soweit
das Gesetz sie vorsieht. Mit der richterlichen Feststellung, dass die
Beklagten im Ehelichkeitsanfechtungsprozess zur Hergabe von Blut für
eine Untersuchung verpflichtet seien, ist es übrigens nicht getan, da
im Falle der Weigerung der Beklagten, die Blutentnahme zu dulden, nicht
einfach angenommen werden darf, die Untersuchung hätte, wenn durchgeführt,
die Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen (BGE 82 II 511 Erw. 6; zur
Rechtslage im Vaterschaftsprozess vgl. BGE 86 II 312). Die Anordnung
der Blutuntersuchung macht, was das Zivilgericht zu übersehen scheint,
zu ihrer Wirksamkeit die Androhung und allfällige Anwendung mittelbaren
oder unmittelbaren Zwangs gegen die widerspenstige Partei notwendig. Die
dafür in Betracht kommenden Massnahmen (Ungehorsamsstrafen, zwangsweise
Durchführung der Blutentnahme) bedürfen aber als Strafen und Eingriffe
in die persönliche Freiheit wiederum der gesetzlichen Grundlage.

    Ob, wie in BGE 82 I 239 Erw. 4 angenommen wurde, schon die analoge
Anwendung zivilprozessualer Bestimmungen unzulässig ist, wenn ein
Eingriff in die persönliche Freiheit in Frage steht, mag zweifelhaft
sein, nachdem es in BGE 87 III 87 ff. als zulässig erachtet wurde, den
für das Konkursverfahren aufgestellten Art. 229 Abs. 1 SchKG, was die
polizeiliche Vorführung des Schuldners betrifft, im Pfändungsverfahren
analog anzuwenden. Die Frage kann offen bleiben, da die basel-städtische
ZPO keine Bestimmung enthält, aus deren analoger Anwendung sich ergeben
würde, dass die Parteien im Ehelichkeitsanfechtungsprozess zur Hergabe
von Blut für eine Untersuchung verpflichtet seien. Die ZPO weist in
dieser Beziehung eine Lücke auf, deren Ausfüllung durch richterliche
Rechtsschöpfung nach dem Gesagten unzulässig ist.

    Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Durchführung der
Blutuntersuchung im Vaterschafts- und Ehelichkeitsanfechtungsprozess
im öffentlichen Interesse der Wahrheitserforschung liegt. Ob dieses
Interesse oder das keineswegs nur private (vgl. BGE 88 I 267) Interesse
am Schutz der persönlichen Freiheit den Vorzug verdient, hat nicht der
Richter, sondern der Gesetzgeber abzuwägen. Ihm liegt es ob, zu bestimmen,
welche Personen und unter welchen Voraussetzungen sie verpflichtet und
mit welchen Mitteln sie gezwungen werden können, in einem Zivilprozess
die Entnahme von Blut zum Zwecke der Untersuchung zu dulden.

    Die im Anschluss an BGE 82 I 236 ff. erhobene Kritik richtet sich
im Grunde nicht gegen dieses Urteil und widerlegt es nicht. STREBEL
(Zur exceptio plurium, SJZ 1959 S. 65 ff.) befasst sich zur Hauptsache
mit der Haltung und Würdigung des Zeugen im Vaterschaftsprozess, der
Geschlechtsverkehr mit der Mutter zugibt, es jedoch ablehnt, sich einer
Blutuntersuchung zu unterziehen, die seine Vaterschaft ausschliessen
könnte; dagegen wird das Ergebnis, zu dem BGE 82 I 236 ff. gelangte,
nämlich dass die Verpflichtung des Zeugen zur Hergabe von Blut einer
gesetzlichen Grundlage bedürfe, von Strebel nicht bestritten. GROSSEN, der
das Urteil zunächst in einer Besprechung (JdT 1957 I 290 ff.) begrüsst
und als unanfechtbar bezeichnet hat, machte später in seinem dem
Juristentag 1960 erstatteten Referat über den privatrechtlichen Schutz
der Persönlichkeit (ZSR 1960 S. 65/67a) gewisse Vorbehalte; er schlägt
dort für den Fall der Weigerung der Hergabe von Blut soweit möglich
zivilrechtliche Sanktionen (Verlust des Prozesses, Schadenersatzpflicht)
vor, stimmt aber, was das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage für
mittelbaren Zwang betrifft, dem Bundesgericht weiterhin zu und erachtet
unmittelbaren Zwang unter allen Umständen als unzulässig.

    Es wurde bereits in BGE 82 I 241 wie auch in 82 II 512 und 86 II
316 zum Ausdruck gebracht, dass es höchst unbefriedigend ist, wenn das
kantonale Recht keine Handhabe bietet, um Parteien oder Zeugen zur Hergabe
von Blut zu verhalten für eine Untersuchung, auf deren Durchführung
eine Prozesspartei einen bundesrechtlichen Anspruch hat. Einige Kantone
(Schaffhausen, Neuenburg, Luzern und Wallis) haben denn auch bereits ihre
Zivilprozessordnungen revidiert durch Aufnahme von Bestimmungen über das
Beweismittel der Blutprobe (vgl. hiezu WEBER SJZ 1958 S. 305 ff. und BRAND
SJZ 1960 S. 288 ff.). Es ist zu wünschen, dass die übrigen Kantone diesem
Beispiel folgen und die gesetzliche Grundlage für die Anwendung eines so
schlüssigen Beweismittels wie die Blutuntersuchung schaffen.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdegegner macht schliesslich noch geltend, dass das
Vorgehen des Beistands des Beschwerdeführers deshalb missbräuchlich und
die Beschwerde abzuweisen sei, weil das Interesse des Beschwerdeführers
auf Feststellung seines wirklichen Vaters gehe. Der Einwand ist
unbehelflich. Das nicht vom Ehemann der Mutter gezeugte Kind kann zwar
in gewissen Fällen ein Interesse daran haben, die wahre Abstammung
zur Geltung zu bringen, ist aber in der Regel daran interessiert,
den ehelichen Stand beizubehalten (BGE 88 II 484). Hier widersetzt
sich der Beistand, wie er vor Zivilgericht ausführte, der Klage, weil
der angebliche Erzeuger verheiratet ist, mehrere Kinder hat, nicht
zu scheiden beabsichtigt und den Beschwerdeführer nicht legitimieren
kann. Ob diese Haltung des Beistands im wohlverstandenen Interesse des
Beschwerdeführers liegt, ist hier nicht zu prüfen, da er jedenfalls in
Ausübung des ihm übertragenen Amtes und im Rahmen seiner Vollmacht handelt
und von offenbarem Rechtsmissbrauch nicht die Rede sein kann. Sollte der
Beistand die Interessen des Beschwerdeführers nicht richtig wahren, so wäre
es Sache der Vormundschaftsbehörde, von sich aus oder auf Beschwerde einer
andern Prozesspartei oder des Gerichts einzuschreiten und dem Beistand
entsprechende Weisungen zu erteilen (vgl. BGE 82 II 510 unten und WEBER
SJZ 1958 S. 309 Ziff. 6).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Zivilgerichts
Basel-Stadt vom 10. Juli 1962 aufgehoben.