Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 542



89 I 542

76. Auszug aus dem Urteil vom 29. November 1963 i.S. Wolff gegen
Eidg. Oberzolldirektion. Regeste

    Zollzahlungspflicht; solidarische Haftung des Auftraggebers für
die Luxussteuer.

    1.  Transitwaren, die bei der Einfuhr nicht deklariert werden,
unterliegen den Einfuhrabgaben (Erw. 2).

    2.  Wer die Ware heimlich einführen lässt, ist Auftraggeber im Sinne
des Art. 9 ZG und haftet daher solidarisch für die hinterzogenen Abgaben
(Erw. 4).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Josef Wolff liess goldene Uhren schweizerischer Herkunft in die
Schweiz und von da ins Ausland schmuggeln. Die Oberzolldirektion setzte
die Luxussteuer für die Einfuhr auf Fr. 146'028.80 fest und erklärte
gestützt auf Art. 9 und 13 ZG Wolff als Auftraggeber für diesen Betrag
solidarisch haftbar (Einspracheentscheid vom 12. Oktober 1960).

    Hiegegen erhebt Wolff Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er macht unter
anderm geltend, die Luxussteuer auf der Einfuhr sei nicht geschuldet,
wenn die Ware wieder ausgeführt werde. Jedenfalls könne er für die Abgabe
nicht solidarisch haftbar gemacht werden. Er beruft sich auf BGE 62 I 30.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Da die in Frage stehenden Waren (Taschen- und Armbanduhren mit
Gehäusen aus Gold) Luxuswaren im Sinne des Luxussteuerbeschlusses (Anlage
II) sind, unterlag ihre Einfuhr in die Schweiz der Luxussteuer (Art. 1,
32 ff. LStB). Der Beschwerdeführer wendet ein, die Steuer sei nicht
geschuldet, weil die Uhren erwiesenermassen schliesslich wieder ins Ausland
geliefert worden seien. Dieser Einwand ist offensichtlich unbegründet.

    Von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, ist jede
Einfuhr von Luxuswaren der Luxussteuerpflicht unterworfen (Art. 35
LStB). Nach der Zollgesetzgebung, auf die Art. 33 LStB verweist,
müssen alle Waren, die eingeführt werden, der zuständigen Zollstelle
zugeführt, unter Zollkontrolle gestellt und zur Abfertigung angemeldet
werden (Art. 6 ZG). Dies gilt auch für Waren, die durch die Schweiz
durchgeführt werden. Bei ihrer Einfuhr sind die Zölle und anderen
Einfuhrabgaben zu entrichten oder sicherzustellen. Allerdings wird die
Belastung rückgängig gemacht, wenn die Waren unter Zollkontrolle zur
Wiederausfuhr gelangen. Erste Voraussetzung der Rückerstattung ist aber,
dass die Waren bereits bei der Einfuhr zur Zollabfertigung angemeldet
werden, damit sie während ihres Aufenthaltes im schweizerischen Zollgebiet
ständig unter Zollkontrolle gehalten werden können (Art. 12, 41 ZG). Da
diese Voraussetzung hier nicht erfüllt ist, kann der Beschwerdeführer
aus der für Transitwaren geltenden besonderen Ordnung nichts zu seinen
Gunsten ableiten.

    Weil die Waren bei der Einfuhr nicht zur Zollabfertigung angemeldet
worden sind, kommt auch die für Retourwaren schweizerischer Herkunft
vorgesehene Steuerbefreiung (Art. 36 lit. e LStB in Verbindung mit Art. 16
ZG) nicht in Frage; denn ohne solche Anmeldung kann nicht geprüft werden,
ob die weiteren Voraussetzungen einer Abfertigung als schweizerische
Retourwaren gegeben sind.

Erwägung 4

    4.- Die Oberzolldirektion nimmt an, der Beschwerdeführer habe
die widerrechtliche Einfuhr der Uhren in die Schweiz veranlasst, und
betrachtet ihn daher als Auftraggeber im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und
Art. 13 ZG. Wenn es zutrifft, dass er den Einfuhrschmuggel veranlasst hat,
so ist dies allerdings kein gültiger Auftrag im Sinne des Zivilrechts;
denn ein Vertrag, der einen widerrechtlichen Inhalt hat, ist nach
Art. 20 OR nichtig. Die Oberzolldirektion ist jedoch der Auffassung,
das Zollgesetz verstehe unter dem Auftrag nicht bloss ein zivilrechtlich
gültiges Rechtsgeschäft; Auftraggeber im Sinne des Zollgesetzes sei jeder,
der die Ware - ordnungsgemäss oder heimlich - über die Zollgrenze bringen
lässt. Denselben Standpunkt vertritt die Zollrekurskommission in ständiger
Rechtsprechung (ASA Bd. 25 S. 388).

    Dagegen hat das Bundesgericht im Urteil vom 19. März 1936 i.S. Ischy
(BGE 62 I 30) in bezug auf Art. 100 ZG (solidarische Haftung des
Auftraggebers, des Geschäftsherrn und des Familienhauptes für die von
Untergebenen verwirkten Bussen) anders entschieden. Es hat ausgeführt,
die in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe des Auftraggebers, des
Geschäftsherrn und des Familienhauptes seien im Sinne des Zivilrechts
zu verstehen, dem sie entnommen seien. Daher entfalle die in Art. 100 ZG
vorgesehene Haftung des Auftraggebers, wenn ein zivilrechtlich gültiges
Mandatsverhältnis nicht bestehe. Liege keine der in Art. 100 ZG erwähnten
zivilrechtlichen Beziehungen vor, so könne der Anstifter oder Mittäter
nur strafrechtlich verfolgt werden. Übrigens sehe Art. 99 ZG vor,
dass mehrere an einem Zollvergehen beteiligte Personen gemeinsam zu
einer Busse verurteilt werden können und dann solidarisch haften. Diese
Solidarität genüge; es bestehe kein Grund, ausserdem noch die in Art. 100
ZG vorgesehene Solidarhaftung eintreten zu lassen, wenn keines der in
dieser Bestimmung genannten zivilrechtlichen Verhältnisse vorliege.

    Diese Auslegung des Art. 100 ZG braucht hier nicht überprüft zu werden.
Auf jeden Fall muss angenommen werden, dass in Art. 9 Abs. 1 und Art. 13 ZG
der Begriff des Auftraggebers in dem weiten Sinne verstanden ist, den ihm
die Oberzolldirektion und die Zollrekurskommission beilegen. Allerdings
scheint es, dass Art. 9 ZG - wie Art. 100 - mit gewissen Ausdrücken an
Begriffe des Zivilrechts anknüpft; namentlich mag dies für das Wort
"Auftraggeber" zutreffen. Daraus zu folgern, dass dieser Ausdruck in
Art. 9 ZG genau denselben Sinn habe wie im Zivilgesetz, wäre jedoch
verfehlt. Das Gesetz zieht den Kreis der Zollzahlungspflichten weit. Es
gehören dazu der Warenführer, der Auftraggeber, der Dienstherr und das
Familienhaupt (diese beiden unter näher bestimmten Voraussetzungen) sowie
derjenige, für dessen Rechnung die Ware eingeführt oder ausgeführt wird
(Art. 9 und 13 ZG). Zweck dieser Ordnung ist, die Einbringlichkeit der
Abgabeforderung zu sichern; der Fiskus soll den Anspruch gegenüber einer
möglichst grossen Zahl von Personen geltend machen können. Warenführer im
Sinne des Art. 9 Abs. 1 ZG ist jeder, der die Ware über die Zollgrenze
bringt; auch der Schmuggler fällt unter die Bestimmung. Die Haftung des
Warenführers für die Abgabe ist unabhängig davon, ob die Ware bei der
Einfuhr zur Zollkontrolle angemeldet wird oder nicht; es genügt, dass die
Ware tatsächlich über die Grenze gebracht wird. Gleich verhält es sich mit
demjenigen, für dessen Rechnung dies geschieht (Art. 13 Abs. 1 ZG). Er
haftet für die Abgabe auch dann, wenn die Ware eingeschmuggelt worden
ist. Im gleichen Sinne muss aber auch der in Art. 9 Abs. 1 ZG verwendete
Begriff des Auftraggebers aufgefasst werden. Diese Bestimmung nennt den
Auftraggeber unmittelbar im Anschluss an denjenigen, der die Ware über
die Grenze bringt. Dieser Zusammenhang lässt deutlich werden, dass mit dem
Auftraggeber einfach die Person gemeint ist, welche den Transport über die
Grenze tatsächlich veranlasst hat. Die Annahme, dass für die Abgabe als
Auftraggeber nur hafte, wer eine ordnungsgemässe Einfuhr veranlasst hat,
würde zu einer stossenden Ungleichheit führen. Es kann nicht der Sinn des
Gesetzes sein, dass derjenige, der die Ware heimlich einführen lässt, von
der Haftung des Auftraggebers für die Abgabe ausgenommen ist (vgl. BGE 70
I 254, betreffend die Besteuerung unrechtmässigen Gewinns). Mit der weiten
Umschreibung des Kreises der Zollzahlungspflichtigen soll die Zahlung der
Abgaben vor allem gerade für den Fall des Schmuggels gesichert werden,
in dem ein Bedürfnis danach in besonderem Masse besteht. Diese Auslegung
drängt sich umsomehr auf, als der im Urteil Ischy zitierte Art. 99 ZG
(solidarische Haftung mehrerer Angeschuldigter) nur die Busse betrifft
und hinsichtlich der Abgabe eine entsprechende Bestimmung fehlt.