Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 278



89 I 278

42. Urteil vom 18. September 1963 i.S. Doninelli gegen Einwohnergemeinde
Staufen und Regierungsrat des Kantons Aargau. Regeste

    Art. 88 OG: Dem in einem Submissionsverfahren nicht berücksichtigten
Bewerber fehlt die Legitimation zur Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Im Submissionsverfahren für die Erstellung eines Schulhauses
und einer Mehrzweckturnhalle in der Gemeinde Staufen bewarb sich die
Beschwerdeführerin um die Arbeiten. Die Bewerbung der AG Bertschinger
war verspätet. Im Hinblick auf diese erhielt die Beschwerdeführerin
Gelegenheit, eine bereinigte (niedrigere) Offerte einzureichen, worauf
sie an der Angemessenheit ihrer Offerte festhielt. Darauf wiederholte
der Gemeinderat die Ausschreibung und teilte die Arbeiten nach Prüfung
der Eingaben der Firma AG Bertschinger zu. Eine Beschwerde dagegen hat
der Regierungsrat des Kantons Aargau mit Beschluss vom 20. Juni 1963
abgewiesen.

    Die AG Plinio Doninelli erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV. Der Gemeinderat von Staufen und der Regierungsrat
des Kantons Aargau beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Erwägung 2

    2.- Das Recht zur staatsrechtlichen Beschwerde steht nach Art. 88 OG
Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen
zu, die sie durch allgemeinverbindliche oder sie persönlich betreffende
Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Legitimiert ist zur Beschwerde
danach, wer die Verletzung eines ihm zustehenden Rechtes, eines rechtlich
erheblichen Interesses auf einem Gebiete behauptet, welches die von
ihm angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt. Zur Rüge der Verletzung
öffentlicher Interessen oder von Rechtssätzen, die dem Beschwerdeführer
kein eigenes Recht einräumen (von organisatorischen Vorschriften
usw.), ist der Bürger nicht befugt. Er wird auch nicht zugelassen zur
Anfechtung von Erlassen oder Verfügungen, die angeblich einen Dritten
widerrechtlich begünstigen, soweit die Aufhebung einem allgemeinen, etwa
staatsbürgerlichen Interesse dienen soll (BGE 79 I 49, 158, 85 I 53,
86 I 284).

    Darauf, dass die Behörde im Submissionsverfahren die Arbeiten einem
bestimmten Bewerber, nicht einem Dritten zuschlage, besteht regelmässig
kein Rechtsanspruch des Bewerbers. Die aargauische Verordnung über
die Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen vom 16. Juli 1940
bestimmt ausdrücklich, dass auf die Vergebung kein Anspruch bestehe (§ 2
Abs. 2). Auch im Fall öffentlicher Ausschreibung oder eines beschränkten
Wettbewerbes kann der Zuschlag unterbleiben, wobei die Gründe nicht
abschliessend, sondern nur beispielsweise aufgezählt werden. Besteht
aber kein Rechtsanspruch des Bewerbers auf den Zuschlag, so kann durch
dessen Unterbleiben bzw. den Zuschlag der Arbeiten an einen Dritten kein
Recht des Bewerbers verletzt werden, dem die Arbeiten nicht zugeschlagen
werden. Er kann folgerichtig auch nicht befugt sein, mit der Beschwerde
geltend zu machen, die Behörde habe die Ausschreibung der Arbeiten trotz
Ablaufs der zunächst angesetzten Anmeldefrist wiederholt. Gestattet ihr
doch die Verordnung, die Arbeit direkt zu übertragen, auch dann, wenn
eine Ausschreibung stattgefunden hat (§ 12 Ziff. 4 Vo). Fehlt übrigens
dem Beschwerdeführer die Legitimation in der Sache selbst, so ist er
auch nicht befugt, Verfahrensmängel zu rügen, die sich vor dem Entscheid
ergeben haben könnten (BGE 74 I 168).

    Hat somit die Beschwerdeführerin weder einen Rechtsanspruch auf
Zuteilung der Arbeiten, noch darauf, dass die bereits einmal durchgeführte
Ausschreibung nicht wiederholt wird, so fehlt es an der Voraussetzung
von Art. 88 OG und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

    Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob die
Beschwerde auch deshalb nicht zulässig wäre, weil der Zuschlag von Arbeiten
im Submissionsverfahren bzw. die Verweigerung des Zuschlages keinen
hoheitlichen Charakter hat (was die Rechtsprechung bisher angenommen hat,
von der Rechtslehre aber abgelehnt wird, weil, wenn auch der Vertrag
über die Arbeitsvergebung privatrechtlicher Art sei, ihr doch eine
Entscheidung der Behörde über den Zuschlag und damit eine hoheitliche
Verfügung vorangehe; BGE 60 I 369; MARTI, Probleme der staatsrechtlichen
Beschwerde, ZSR 1962, 43; ferner BURCKHARDT, ZbJV 71, 644).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.