Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 224



89 I 224

36. Urteil vom 9. Mai 1963 i.S. Mejia gegen Reglerungsrat des Kantons Bern.
Regeste

    Schweizerbürgerrecht: Status einer gebürtigen Schweizerin, welche
einen Bürger der Dominikanischen Republik geheiratet hat, ohne eine
Erklärung betreffend ihre Staatsangehörigkeit abzugeben.

Sachverhalt

    A.- 1) Das Zivilgesetzbuch (Codigo Civil, CC) der Dominikanischen
Republik bestimmt in Art. 12 (Fassung gemäss Gesetz vom 3. August 1952):

    "La mujer extranjera que contrae matrimonio con un dominicano seguirà
la condicion de su marido, a menos que su ley nacional le permita conservar
su nacionalidad, caso en el cual tendrà la facultad de declarar, en el
acta de matrimonio, que declina la nacionalidad dominicana."

    (Die Ausländerin, die einen Dominikaner heiratet, folgt dem Status
des Ehemannes, es sei denn, das Gesetz ihres Landes gestatte ihr,
die bisherige Staatsangehörigkeit beizubehalten, in welchem Falle sie
die Möglichkeit hat, in der Heiratsurkunde zu erklären, dass sie die
dominikanische Staatsangehörigkeit ablehnt).

    2) Die von der Generalversammlung der Organisation der Vereinigten
Nationen angenommene "Convention sur la nationalité de la femme mariée"
vom 20. Februar 1957 bestimmt in Art. 1:

    "Chaque Etat contractant convient que ni la célébration, ni la
dissolution du mariage entre ressortissants et étrangers, ni le changement
de nationalité du mari pendant le mariage ne peuvent ipso facto avoir
d'effet sur la nationalité de la femme."

    Die Dominikanische Republik hat das Abkommen im Jahre 1957
unterzeichnet und ratifiziert; es ist für sie am 11. August 1958 in
Kraft getreten. Die Schweiz ist dem Abkommen nicht beigetreten.

    B.- Am 9. Januar 1959 hat Gertrud Geiser, von Langenthal, in Caracas
(Venezuela) den dominikanischen Staatsangehörigen Marcio Antonio Mejía
geheiratet. Sie hat bei der Heirat keine Erklärung betreffend ihre
Staatsangehörigkeit abgegeben.

    In der Folge hat sie ein Gesuch um Wiederaufnahme in das
Schweizerbürgerrecht eingereicht, worauf ein Verfahren zur Feststellung
ihrer Staatsangehörigkeit eingeleitet worden ist. Am 28. November
1962 hat der Regierungsrat des Kantons Bern entschieden, dass Frau
Gertrud Mejía durch die Heirat das Schweizerbürgerrecht und damit die
Bürgerrechte des Kantons Bern und der Gemeinde Langenthal verloren
habe. Der Entscheid stützt sich auf eine durch Schreiben des Konsulats
der Dominikanischen Republik in Bern vom 22. Oktober 1962 übermittelte
Auskunft des Aussenministeriums dieses Staates, worin auf Art. 12 des
dominikanischen CC hingewiesen wird.

    C.- Gegen diesen Entscheid erhebt Frau Gertrud Mejía
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass
sie das Schweizerbürgerrecht und die Bürgerrechte des Kantons Bern und
der Gemeinde Langenthal immer noch besitze.

    Sie macht unter Berufung auf eine Bestätigung der dominikanischen
Gesandtschaft in der Schweiz vom 18. Januar 1963 geltend, sie habe bei
der Verheiratung die Wahl gehabt, das Schweizerbürgerrecht beizubehalten
oder die Staatsangehörigkeit des Ehemannes anzunehmen. Sie habe Schweizerin
bleiben wollen. Infolge einer unrichtigen Auskunft der Schweizer Vertretung
in Caracas habe sie unterlassen, bei der Heirat eine dahingehende Erklärung
abzugeben. Indes hätte sie nur dann die dominikanische Staatsangehörigkeit
erhalten können, wenn sie sich darum durch ein Gesuch beworben hätte. Das
habe sie nicht getan. Sie habe das Bürgerrecht des Ehemannes nicht
automatisch durch die Heirat erworben, wie sich aus Art. 1 der "Convention"
ergebe. Diese Bestimmung sei hier massgebend, obwohl die Schweiz der
"Convention" nicht beigetreten sei. Die Dominikanische Republik habe
durch das Gesetz, mit dem sie die "Convention" ratifiziert habe, Art. 12
CC aufgehoben. Dieser Artikel sei nicht vereinbar mit den Grundsätzen,
die in der Präambel der "Convention" festgehalten sind.

    Nachträglich hat die Beschwerdeführerin ein Schreiben der Ständigen
Delegation der Dominikanischen Republik beim Europäischen Sitz der
Vereinigten Nationen in Genf vom 1. Februar 1963 eingereicht, worin
ausgeführt wird, Art. 12 CC sei durch die "Convention" ersetzt worden.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt Abweisung der
Beschwerde.

    E.- Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellt keinen
bestimmten Antrag.

    Es legt dem Gericht ein Schreiben des dominikanischen
Aussenministeriums an die Schweizer Gesandtschaft vom 9. April 1963 vor,
worin dargelegt wird, dass im Falle der Verheiratung eines Dominikaners
mit der Bürgerin eines Staates, welcher nicht Mitglied der "Convention"
ist, nicht dieses Abkommen, sondern nach wie vor Art. 12 CC anwendbar sei.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid ist im Feststellungsverfahren
nach Art. 49 BG über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom
29. September 1952 (BüG) ergangen. Er unterliegt gemäss Art. 50 Abs. 1
Ziff. 2 lit. c BüG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 9 BüG verliert die Schweizerbürgerin das
Schweizerbürgerrecht (und damit nach Art. 11 das Kantons- und
Gemeindebürgerrecht) durch Heirat mit einem Ausländer, wenn sie die
Staatsangehörigkeit des Ehemannes durch die Heirat erwirbt und sofern
sie nicht während der Verkündung oder bei der Trauung die Erklärung -
im Ausland gegenüber einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter
der Schweiz - abgibt, das Schweizerbürgerrecht beibehalten zu wollen.

    Die Beschwerdeführerin hat diese Erklärung nicht abgegeben. Ob sie es
aus einem entschuldbaren Grunde nicht getan hat, ist für die Beurteilung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unerheblich. Das Bundesgericht hat
sich mit dieser Frage nicht zu befassen. Sie wird gegebenenfalls von der
zuständigen Behörde beim Entscheid über das Gesuch der Beschwerdeführerin
um Wiedereinbürgerung zu prüfen sein (Art. 19 Abs. 1 lit. b BüG).

    Die Beschwerdeführerin hat somit nach Art. 9 BüG das
Schweizerbürgerrecht verloren, wenn sie durch die Verheiratung mit dem
Dominikaner Marcio Antonio Mejía dessen Staatsangehörigkeit erworben
hat. Die Frage, ob diese Voraussetzung zutrifft, ist nach dem Rechte
der Dominikanischen Republik zu beurteilen. Sie ist als Vorfrage vom
Bundesgericht zu prüfen (Art. 96 Abs. 3 OG).

Erwägung 3

    3.- Wenn im Falle der Beschwerdeführerin Art. 12 des dominikanischen CC
anwendbar ist, kann keinem Zweifel unterliegen, dass sie die dominikanische
Staatsangehörigkeit, die ihr Ehemann besitzt, durch die Heirat ebenfalls
erworben hat. Anders wäre es nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur
dann, wenn die Beschwerdeführerin in der Heiratsurkunde erklärt hätte, dass
sie diese Staatsangehörigkeit ablehne. Das hätte sie tun können, da ihr die
Gesetzgebung ihres Landes, auf die Art. 12 CC verweist, gestattet hätte,
die Erklärung abzugeben, dass sie das bisherige Bürgerrecht beibehalten
wolle. Die Beschwerdeführerin hat aber in der Heiratsurkunde nicht
erklärt, dass sie die dominikanische Staatsangehörigkeit ablehne. Wenn
Art. 12 CC anzuwenden ist, hat sie daher, gemäss Art. 9 BüG, durch die
Heirat das Schweizerbürgerrecht verloren.

Erwägung 4

    4.- Es bleibt zu prüfen, ob im vorliegenden Fall an Stelle des Art. 12
des dominikanischen CC Art. 1 der von der Dominikanischen Republik
unterzeichneten und ratifizierten "Convention sur la nationalité de
la femme mariée" anwendbar ist. Nach dieser Bestimmung anerkennen die
vertragschliessenden Staaten, dass die Heirat "entre ressortissants et
étrangers" nicht "ipso facto" Einfluss auf die Staatsangehörigkeit der
Frau haben kann. Durch Aufnahme der Wendung "ipso facto" in den Text
des Abkommens wollte man verhindern, dass die Frau, welche ihren Wunsch,
das angestammte Bürgerrecht beizubehalten, nicht zum Ausdruck bringt, es
durch die Heirat automatisch verliert ("Convention sur la nationalité de la
femme mariée, historique et commentaire", herausgegeben von den Vereinigten
Nationen, 1962, S. 38/39). Art. 1 der "Convention" weicht also von der
Regel des Art. 12 des dominikanischen CC ab, so dass im einzelnen Fall
nicht beide Bestimmungen zugleich angewendet werden können. Wäre hier das
Abkommen massgebend, so hätte die Beschwerdeführerin durch die Heirat mit
einem Dominikaner dessen Staatsangehörigkeit nicht erworben und daher,
nach Art. 9 BüG, das Schweizerbürgerrecht nicht verloren.

Erwägung 5

    5.- Indes ist die Schweiz der "Convention" nicht beigetreten. In
der Note des dominikanischen Aussenministeriums an die schweizerische
Gesandtschaft vom 9. April 1963 wird dargelegt, dass im Falle der
Verheiratung eines Dominikaners mit der Bürgerin eines Staates, welcher
nicht Mitglied der "Convention" ist, nicht dieses Abkommen, sondern nach
wie vor Art. 12 CC anwendbar ist. Es darf angenommen werden, dass diese
Auskunft der in der Dominikanischen Republik geltenden Ordnung entspricht.

    Sie steht im Einklang mit der früheren, im Schreiben des
dominikanischen Konsulats in Bern vom 22. Oktober 1962 wiedergegebenen
Auskunft des Aussenministeriums, wonach im vorliegenden Fall Art. 12 CC
massgebend ist. Sie widerspricht auch dem Schreiben der dominikanischen
Gesandtschaft in der Schweiz vom 18. Januar 1963 nicht, welches (ohne
gesetzliche Bestimmungen zu zitieren) erklärt, dass die Beschwerdeführerin
ein Optionsrecht gehabt habe. Allerdings hat die Ständige Delegation der
Dominikanischen Republik beim Europäischen Sitz der Vereinigten Nationen
dem Ehemann der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. Februar 1963
mitgeteilt, dass Art. 12 CC durch die "Convention" ersetzt worden sei. Sie
hat jedoch (vielleicht deshalb, weil sie nicht darüber befragt worden
war) nicht präzisiert, ob dies auch für den Fall der Verheiratung eines
Dominikaners mit der Bürgerin eines dem Abkommen nicht angeschlossenen
Staates gelte. Durch ihre unvollständige Auskunft ist die Antwort nicht
widerlegt, welche das dominikanische Aussenministerium in der Note vom 9.
April 1963 auf diese Frage gibt.

    Es kann auch nicht gesagt werden, dass diese Antwort mit dem Text
des Abkommens nicht vereinbar sei. Das Abkommen enthält keine Bestimmung,
welche zum Schluss zwingen würde, dass die vertragschliessenden Staaten -
entgegen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts - vereinbart haben,
die von ihnen getroffene Ordnung nicht nur unter sich, sondern auch
gegenüber anderen Staaten, welche kein Gegenrecht halten, zur Anwendung
zu bringen. Insbesondere drängt die in Art. 1 der "Convention" gebrauchte
Wendung "entre ressortissants et étrangers" diese Auslegung nicht auf. Im
Gegenteil lässt der Werdegang der Bestimmung darauf schliessen, dass sie
nur das Verhältnis zwischen den vertragschliessenden Staaten betrifft:
Bei der Beratung in der sog. Dritten Kommission schlug der Vertreter Perus
vor, die genannte Wendung zu ersetzen durch die Worte "ressortissants
de deux Etats". Der Vorschlag wurde abgelehnt, nachdem die Vertreterin
des Vereinigten Königreichs zur Begründung ihres Votums u.a. ausgeführt
hatte: "L'amendement risquerait d'imposer des obligations aux Etats
contractants alors même que ni la femme ni le mari ne compteraient parmi
leurs ressortissants" ("Historique et commentaire", S. 39).

    Gewiss hat die Dominikanische Republik den in der Präambel der
"Convention" erwähnten Grundsätzen zugestimmt, dass "nul ne peut
être arbitrairement privé de sa nationalité" (Art. 15 der von
der Generalversammlung der Organisation der Vereinigten Nationen
angenommenen "Déclaration universelle des droits de l'homme") und dass die
Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten "pour tous sans distinction
de sexe" zu beachten sind. Aber daraus kann nicht gefolgert werden, dass
Art. 12 des dominikanischen CC auch dann nicht mehr gilt, wenn die Frau,
die einen Dominikaner heiratet, nicht aus einem vertragschliessenden Staat
stammt und daher - nach Auskunft des dominikanischen Aussenministeriums -
die "Convention" nicht anwendbar ist. Vielmehr muss - auf Grund derselben
Auskunft - angenommen werden, dass in solchen Fällen nach wie vor Art. 12
CC massgebend ist. Diese Ordnung ist von der schweizerischen Behörde
ohne weiteres hinzunehmen, weil Art. 9 BüG auf die Wirkungen abstellt,
welche die Heirat nach dem Heimatrecht des Ehemannes hat (vgl. BGE 74 I
349; 86 I 171 Erw. 4).

    Ist mithin im vorliegenden Fall Art. 12 CC anwendbar, so hat die
Beschwerdeführerin durch die Heirat die dominikanische Staatsangehörigkeit
erworben. Infolgedessen hat sie das Schweizerbürgerrecht (und die
Bürgerrechte des Kantons Bern und der Gemeinde Langenthal) verloren.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.