Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 I 215



89 I 215

34. Auszug aus dem Urteil vom 31. Mai 1963 i.S. Plozza gegen
Steuerrekurskommission des Kantons Graubünden. Regeste

    Wehrsteuer für Einkommen: Fall eines Puschlaver Weinbauern, welcher
von ihm produzierten und zugekauften Veltliner Wein in der Schweiz absetzt.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Der Beschwerdeführer Pietro Plozza, der in Brusio (Puschlav) wohnt, ist
unbeschränkt haftender Teilhaber der Kommanditgesellschaft Pietro Plozza
& Co., die den Weinhandel betreibt und dort ihren Sitz hat. Ein Teil der
Weine, welche die Gesellschaft verkauft, stammt aus den Weinbergen, die
der Beschwerdeführer im nahen Veltlin besitzt. Er bewirtschaftet diesen
Grundbesitz selbst und produziert eigenen Wein in seinen Kellereien in
Tirano. Er kann seinen Wein im Lesejahr teilweise zollfrei, teilweise zu
ermässigten Zollansätzen in die Schweiz einführen, weil er in der sog.
schweizerischen Wirtschaftszone wohnt und seine Rebberge zum Teil in
der sog. ausländischen Wirtschaftszone liegen (Art. 14 Ziff. 24 und
Art. 28 ZG; Art. 29 VV). Er bezieht ferner Wein von anderen Weinbauern
des Puschlavs, die ebenfalls Rebberge im Veltlin besitzen, und liefert
ihn der Firma Pietro Plozza & Co.

    Bei der Einschätzung des Beschwerdeführers für die Wehrsteuer
der 9. Periode haben die kantonalen Behörden als Einkommen auch
"Zwischengewinne" angerechnet, die er nach ihrer Auffassung im Inland
durch den Verkauf eigener und zugekaufter Veltliner Weine erzielt. In
dieser Beziehung ficht er den Entscheid der kantonalen Rekurskommission
durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.

    Das Bundesgericht weist die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an
die Rekurskommission zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Es ist nicht bestritten, dass die Einkünfte des Beschwerdeführers
aus der auf den eigenen Grundstücken im Veltlin betriebenen
landwirtschaftlichen Produktion (Rebbau) nicht in der Schweiz, sondern in
Italien zu besteuern, also von der Wehrsteuer für Einkommen ausgenommen
sind. In der Tat bestimmt Art. 19 WStB, dass Einkommen aus im Ausland
gelegenen Grundstücken, Betrieben und Betriebsstätten des Steuerpflichtigen
der Wehrsteuer nicht unterliegt. Umstritten ist dagegen, was alles zur
landwirtschaftlichen Produktion gehört.

    Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung rechnen
dazu nur die wirtschaftliche Tätigkeit bis zur Erzeugung des fertigen
Naturproduktes (des schlachtreifen Tiers, der Milch, des Getreides, des
Obstes und Obstsaftes, der Trauben und des Weins), nicht auch die Veredlung
und die Verwertung dieses Produktes. "Im Falle des Beschwerdeführers kann
von landwirtschaftlicher Tätigkeit lediglich bis zu dem Stadium gesprochen
werden, wo die im Veltlin gewachsenen Weintrauben in Wein umgewandelt und
dieser dort eingekellert worden ist. Die spätere Behandlung des Weins,
dessen Transport und seine Verwertung ist bereits als gewerbliche Tätigkeit
anzusprechen." Auf Grund dieser Auffassung wird der Beschwerdeführer
auch insoweit, als der von ihm im Inland verkaufte Wein aus dem eigenen
Rebbaubetrieb im Veltlin stammt, als "Händler in der Schweiz" für einen
"Zwischengewinn" besteuert.

    Er beanstandet diese Art der Besteuerung. Mit Recht. Zur
Urproduktion gehören alle Arbeiten, die der Produzent ausführt, um das
konsumfähige Naturprodukt (hier: den trinkbaren Wein) herzustellen,
und ferner der Verkauf dieses Produkts durch den Produzenten. Die
wirtschaftliche Tätigkeit des Urproduzenten schliesst mit dem Verkauf
(oder Eigenverbrauch) der gewonnenen Erzeugnisse ab; der dabei erzielte
Gewinn ist, jedenfalls in der Regel, Einkommen aus Urproduktion, nicht
aus selbständiger Handelstätigkeit. So verhält es sich hier. Der Gewinn,
den der Beschwerdeführer beim Verkauf des von ihm selbst erzeugten Weins
erzielt, stellt Einkommen aus landwirtschaftlicher Produktion dar. Dieser
Gewinn unterliegt der Wehrsteuer nicht, weil er als Einkommen aus dem
eigenen Grundbesitz und dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb des
Beschwerdeführers im Ausland angesehen werden muss. Das gilt für die ganze
Eigenproduktion des Beschwerdeführers, gleichgültig, ob er sie im Veltlin
verkauft oder ob er sie selber in der Schweiz einführt und erst hier
verkauft. Auch den Gewinn aus den Verkäufen eigenen Weins in der Schweiz
erzielt er nicht als Händler, sondern als Produzent. Eine Aufteilung des
Gewinns in Einkünfte aus Landwirtschaft einerseits und Handel anderseits
und die Besteuerung des auf diesen entfallenden Anteils in der Schweiz käme
nur dann in Frage, wenn der Beschwerdeführer selber neben der Urproduktion
eine eigentliche händlerische Tätigkeit im Inland betriebe (vgl. BGE 49 I
246). Das trifft indes nicht zu; der Beschwerdeführer überlässt vielmehr
diese Tätigkeit der Kommanditgesellschaft Pietro Plozza & Co.

    Anderseits erhebt sich - gemäss dem von der eidgenössischen
Steuerverwaltung eventuell vertretenen Standpunkt - die Frage, ob der
Beschwerdeführer dieser Gesellschaft den von ihm selbst produzierten
Wein zu Preisen verkauft hat, die als ungewöhnlich, der wirtschaftlichen
Gegebenheit völlig unangemessen erscheinen und daher der Gesellschaft nicht
im vollen Umfang als Gewinnungskosten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. a
WStB angerechnet werden können (vgl. Urteil vom 7. Juli 1961, ASA Bd. 30
S. 289). Ist dies der Fall, so erhöht sich der anrechenbare Reingewinn
der Gesellschaft und damit anteilsmässig das steuerbare Einkommen des
Komplementärs Pietro Plozza (Art. 18 Abs. 2 WStB).

    Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu untersuchen, ob es den
wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht, dass der Beschwerdeführer in
den Preis, den er der Gesellschaft für den zollfrei bzw. zu ermässigten
Zollansätzen eingeführten eigenen Wein berechnet, den normalen Zollansatz
bezw. die Differenz zwischen diesem und den ermässigten Ansätzen
einkalkuliert - was er nach seinen Angaben offenbar tut. Es erscheint als
zweifelhaft, ob dieses Vorgehen sachgemäss ist; denn normalerweise wird ein
Importeur dem Käufer nur den effektiv bezahlten Zoll in Rechnung stellen.

    Es sind folgende Fragen zu prüfen: Welche Weinquantitäten hat
der Beschwerdeführer in den Jahren 1955 und 1956 zollbegünstigt aus
dem Veltlin eingeführt? (Darüber bestehen zwischen den Parteien noch
Differenzen.) Zu welchen durchschnittlichen Preisen haben andere Puschlaver
Weinbauern ihre aus dem Veltlin eingeführten zollbegünstigten Weine an
die Weinhändler verkauft? Zu welchen Preisen hat der Beschwerdeführer
seine zollbegünstigten Weine aus dem Veltlin der Firma Pietro Plozza &
Co verkauft? Sind diese Preise im Sinne der vorstehenden Ausführungen
offensichtlich übersetzt (ungewöhnlich), wenn ja, in welchem Umfange? Um
welchen Betrag wird gegebenenfalls dadurch der anrechenbare Reingewinn der
Firma Pietro Plozza & Co. erhöht? Welches ist der steuerlich zu erfassende
Anteil des Beschwerdeführers hieran? Entsprechende Fragen stellen sich
in bezug auf denjenigen vom Beschwerdeführer produzierten Wein, der voll
verzollt worden ist.

    Die erforderliche Überprüfung unter diesen Gesichtspunkten ist zunächst
Sache der Vorinstanz, weshalb die Angelegenheit an sie zu neuer Beurteilung
zurückzuweisen ist.

Erwägung 3

    3.- Anders verhält es sich mit dem Wein, den der Beschwerdeführer
zugekauft und der Firma Pietro Plozza & Co. geliefert hat. Das ist
eine Tätigkeit, die mit der Eigenproduktion des Beschwerdeführers im
Veltlin nichts zu tun hat. Sie hat sich in der Schweiz abgewickelt,
wo der Beschwerdeführer wohnt und die Kommanditgesellschaft ihren Sitz
hat. Der daraus vom Beschwerdeführer gezogene Gewinn ist - gleichgültig,
woher der Wein stammt - im Inland erzielt worden und unterliegt im vollen
Umfang der Wehrsteuer. Der Beschwerdeführer will zwar den zugekauften
Wein ohne jeden Gewinn an die Gesellschaft übertragen haben. Die Behörden
bestreiten dies jedoch, unter Hinweis auf die dem Produzenten üblicherweise
bezahlten Preise. Der Beschwerdeführer behauptet indes, es habe sich um
alten Wein hoher Qualität gehandelt. Er hat aber keine Einkaufsfakturen
vorgelegt. Auch diesbezüglich ist der Tatbestand von der Vorinstanz noch
näher abzuklären.