Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 151



89 IV 151

30. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1963 i.S. Hoppler gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    1.  Art. 96 Ziff. 2 SVG. Nach dieser Bestimmung ist nur strafbar, wer
ein Motorfahrzeug führt, für das überhaupt keine Versicherung besteht,
nicht auch, wer bloss ohne Bewilligung gemäss Art. 67 Abs. 4 SVG ein
Ersatzfahrzeug verwendet (Erw. 1).

    2.  Art. 67 Abs. 3 und 4 SVG, Art. 9 und 10 VVV. Zum Begriff des
Ersatzfahrzeuges (Erw. 2).

    3.  Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG. Missbrauch von Kontrollschildern
(Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Hoppler suchte für Hirzels Personenwagen "Mercury", der keine
Kontrollschilder trug und für den kein Fahrzeugausweis bestand, einen
Käufer. Er verwahrte das Fahrzeug zu diesem Zwecke bei der Tankstelle
Badenerstrasse 871 in Zürich-Altstetten, wo er arbeitete.

    Am gleichen Orte befand sich am 28. September 1962 ein "Volkswagen"
mit den Kontrollschildern ZH 46811, dessen Fahrzeugausweis auf Dr. Frank
als Halter lautete. Hoppler behauptet, er habe Dr. Frank versprochen,
dieses Fahrzeug laufend zu unterhalten, wogegen Dr. Frank ihm erlaubt habe,
es in der Zeit, da dieser es nicht selbst benötigte, zu gebrauchen. Am
erwähnten Tage habe Dr. Frank es etwa um 22.30 Uhr wegen eines Mangels
an der Kupplung zur Tankstelle schleppen lassen und Hoppler gebeten,
den Mangel bis am Nachmittag des folgenden Tages zu beheben.

    Am gleichen Abend erschien ein unbekannter Kaufinteressent
für den "Mercury"-Wagen. Um ihm diesen vorzuführen, nahm Hoppler
die Kontrollschilder ZH 46811 vom "Volkswagen" und befestigte sie am
"Mercury". Er fuhr mit diesem Fahrzeug in Begleitung des Unbekannten und
dreier weiterer Personen über Schlieren bis nach Schönenwerd bei Dietikon
und zurück. In Schlieren wurde er um 00.30 Uhr des 29. September von der
Polizei angehalten.

    B.- Hoppler wurde angeklagt, er habe am 29. September 1962 ein
Motorfahrzeug geführt, von dem er wusste, dass die vorgeschriebene
Haftpflichtversicherung nicht bestand (Art. 96 Ziff. 2 SVG), und er habe
Kontrollschilder für ein Fahrzeug missbraucht, für das sie nicht bestimmt
waren (Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG).

    Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin am 2. Mai 1963 auch das
Obergericht des Kantons Zürich sprachen ihn dieser Vergehen schuldig und
verurteilten ihn zu vierzehn Tagen Gefängnis und zu Fr. 500.-- Busse. Das
Obergericht lehnte den bedingten Aufschub der Freiheitsstrafe ab.

    C.- Hoppler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes aufzuheben, die Sache zur Abklärung der Frage, ob
der "Volkswagen" während der Fahrt des "Mercury" gebrauchsunfähig war,
zurückzuweisen und die Vorinstanz zu verhalten, den Beschwerdeführer
nur wegen Nichteinholens einer Bewilligung gemäss Art. 60 Ziff. 1 VVV
zu bestrafen.

    Er macht geltend, er habe über den "Volkswagen" und den "Mercury"
verfügen dürfen, und da jener gemäss angebotenen, aber noch nicht
abgenommenen Beweisen zur Zeit der Tat gebrauchsunfähig gewesen sei,
habe der "Mercury" als Ersatzfahrzeug für ihn zu gelten. Die für
den "Volkswagen" abgeschlossene Haftpflichtversicherung habe daher
gemäss Art. 67 Abs. 3 SVG während der in der Anklageerwähnten Fahrt
ausschliesslich für den "Mercury" gegolten. Dem Beschwerdeführer könne nur
vorgeworfen werden, die Bewilligung für die Verwendung des Ersatzfahrzeuges
nicht eingeholt zu haben.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Kein Motorfahrzeug darf in den öffentlichen Verkehr gebracht
werden, bevor eine Haftpflichtversicherung nach den Bestimmungen der
Art. 63 ff. SVG abgeschlossen ist (Art. 63 Abs. 1 SVG). Die Versicherung
deckt die Haftpflicht für Schäden, die durch ein bestimmtes Fahrzeug
verursacht werden. Art. 67 Abs. 3 SVG weicht von diesem Grundsatz ab durch
die Bestimmung: "Verwendet der Halter an Stelle des versicherten Fahrzeuges
und mit dessen Kontrollschildern ein Ersatzfahrzeug der gleichen Kategorie,
so gilt die Versicherung ausschliesslich für dieses". Anschliessend
daran sagt jedoch Art. 67 Abs. 4 Satz 1, ein Ersatzfahrzeug dürfe nur
mit Bewilligung der zuständigen Behörde verwendet werden.

    Die Bewilligungspflicht hat den Sinn, dass die nicht bewilligte
Handlung als rechtswidrig zu gelten hat. Daraus könnte gefolgert werden,
dem Führer eines Motorfahrzeuges, dessen Verwendung als Ersatzfahrzeug
nicht bewilligt wurde, komme Art. 67 Abs. 3 SVG nicht zugute, weshalb er
ohne weiteres Art. 96 Ziff. 2 SVG unterstehe, wonach das Führen eines
Motorfahrzeuges, für das die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung
nicht besteht, mit Gefängnis und Busse bestraft wird. Das trifft jedoch
nicht zu. Art. 67 Abs. 4 Satz 3 SVG bestimmt nämlich, der Versicherer
habe den Rückgriff, wenn die behördliche Bewilligung für die Verwendung
des Ersatzfahrzeuges nicht eingeholt wurde. Daraus ergibt sich, dass
das Fehlen der Bewilligung die Haftung des Versicherers für den durch
das Ersatzfahrzeug verursachten Schaden gegenüber dem Geschädigten
nicht ausschliesst. Dass der zahlende Versicherer ein Rückgriffsrecht
erlangt hat, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 96 Ziff. 2 SVG
nicht erheblich (BGE 87 IV 132). Der deutsche und der italienische
Wortlaut dieser Bestimmung sprechen zwar von der "vorgeschriebenen
Haftpflichtversicherung". Das bedeutet aber nicht, dass schon zu
strafen sei, wenn die Leistungspflicht des Versicherers nicht auf
dem vorgeschriebenen Wege, im Falle des Art. 67 Abs. 3 SVG also nicht
durch ordnungsgemässe Einholung der behördlichen Bewilligung, begründet
wurde. Aus dem französischen Wortlaut ergibt sich, dass nur das Führen
eines Fahrzeuges, für das überhaupt keine Haftpflichtversicherung
bestand ("... n'était pas couvert par une assurance-responsabilité
civile..."), die Strafe von Art. 96 Ziff. 2 SVG nach sich zieht
(BGE 87 IV 133). Hievon geht auch die Verordnung über Haftpflicht und
Versicherungen im Strassenverkehr (VVV) aus, welche die Bewilligungspflicht
für die Übertragung der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug in
Art. 9 erwähnt und in Art. 60 Ziff. 1 bestimmt, wer eine durch diese
Verordnung vorgeschriebene Bewilligung nicht einhole, werde mit Haft oder
mit Busse bestraft. Diese Strafbestimmung würde mit Art. 96 Ziff. 2 SVG
zusammentreffen und vor ihr nicht standhalten, wenn durch das Nichteinholen
der Bewilligung für die Verwendung eines Ersatzfahrzeuges in Verbindung
mit dem Führen desselben notwendigerweise der Tatbestand von Art.
96 Ziff. 2 erfüllt würde. Dass der Halter durch eigenmächtige Übertragung
der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug die Haftung des Versicherers
für die aus dessen Betrieb entstehenden Schäden soll herbeiführen können,
ohne sich der Vergehensstrafe nach Art. 96 Ziff. 2 SVG auszusetzen, fällt
freilich auf. Diese Bestimmung will indessen nicht die Interessen des
Versicherers schützen, sondern die Interessen des Bundes und der Kantone,
die unter den Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 2 bzw. 77 Abs. 1 SVG
Schäden aus dem Betriebe nicht versicherter Motorfahrzeuge zu decken haben.

    Die Strafe, die das Obergericht gemäss Art. 96 Ziff. 2 SVG ausgefällt
hat, hält somit nicht schon deshalb stand, weil der Beschwerdeführer die
Bewilligung, den "Mercury" als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" zu
verwenden, nicht besass. Das Obergericht nimmt das denn auch nicht an,
sondern übergeht die Frage, weil es der Auffassung ist, der "Mercury"
sei nicht als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" verwendet worden.

Erwägung 2

    2.- Der Begriff des Ersatzfahrzeuges ist in Art. 67 Abs. 3 und
4 SVG nicht umschrieben, ergibt sich jedoch aus den Voraussetzungen,
unter denen gemäss Art. 9 und 10 VVV die Bewilligung zur Übertragung der
Kontrollschilder auf ein solches Fahrzeug erwirkt werden kann.

    Die Bewilligung wird erteilt, wenn das Fahrzeug, dem die
Kontrollschilder zugeteilt sind, wegen Beschädigung, Reparatur, Revision,
Umbau und dergleichen nicht gebrauchsfähig und das Ersatzfahrzeug
betriebssicher ist (Art. 9 Abs. 2 VVV). Der Fahrzeugausweis für jenes
muss bei der Behörde hinterlegt werden (Art. 10 Abs. 1 VVV). Das
setzt normalerweise voraus, dass der Halter in die Hinterlegung
einwillige. Von seinem Willen hängt ab, ob an Stelle des Fahrzeuges,
dem die Kontrollschilder zugeteilt sind, ein Ersatzfahrzeug zu verwenden
sei. Art. 67 Abs. 3 SVG spricht denn auch nur vom Fall, wo "der Halter"
an Stelle des versicherten Fahrzeuges und mit dessen Kontrollschildern ein
Ersatzfahrzeug verwendet. Daraus ergibt sich, dass nicht irgend jemand ohne
Wissen und Willen des Halters von einem gebrauchsunfähigen Fahrzeug die
Kontrollschilder auf ein anderes soll übertragen können, mit der Wirkung,
dass das andere dadurch "Ersatzfahrzeug" werde. Es liegt zudem schon im
Begriff des "Ersatzes", dass der Entschluss zur Substitution des einen
Fahrzeuges durch das andere vom Halter ausgehen oder von ihm genehmigt
werden muss. Der Halter ist es denn auch, der daran wegen der Haftpflicht
interessiert ist. Es kann ihm normalerweise nicht gleichgültig sein,
ob die Versicherung auf ein anderes Fahrzeug übergehe.

    Daher kann schon im Hinblick auf die Person, die im vorliegenden Falle
die Kontrollschilder des "Volkswagens" auf den "Mercury" übertrug, nicht
davon die Rede sein, dass dieser dadurch zum "Ersatzfahrzeug" geworden sei.

    Es braucht jedoch zu dieser Frage nicht abschliessend Stellung
genommen zu werden. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer vom Halter
Dr. Frank stillschweigend ermächtigt worden sein sollte, so zu handeln,
wäre der "Mercury" nicht Ersatzfahrzeug geworden. Er wurde nicht wegen
der angeblichen Beschädigung des "Volkswagens" verwendet, wie Art. 9
Abs. 2 VVV voraussetzt, sondern er diente einem Zwecke, der überhaupt nur
mit dem "Mercury" erreicht werden konnte: der Vorführung im Hinblick auf
den beabsichtigten Verkauf dieses Fahrzeuges. Für diesen Zweck hätte die
Behörde die Verwendung des "Mercury" als "Ersatzfahrzeug" nicht bewilligen
können. Höchstens wäre die Abgabe eines Wechselschilderpaars in Frage
gekommen, was jedoch zwei gesonderte und besonders gekennzeichnete
Versicherungsausweise erfordert hätte (Art. 13-15 VVV). Würde anders
entschieden, so wäre missbräuchlicher Übertragung von Kontrollschildern
auf Fahrzeuge, für die sie nicht bestimmt sind, der Weg geebnet.

    Der Hinweis des Beschwerdeführers auf je ein Urteil des Obergerichts
des Kantons Zürich (BIZüR 60 Nr. 28) und des Strafgerichtes des Kantons
Basel-Land (SJZ 59 24 Nr. 2 = RStrS 1963 Nr. 50) ist müssig, denn diese
Entscheide betrafen andere Sachverhalte.

Erwägung 3

    3.- Da die Verwendung der Kontrollschilder ZH 46811 für den
"Mercury"-Wagen nicht zulässig war, ist auch der Tatbestand des Art. 97
Ziff. 1 Abs. 1 SVG erfüllt. Der Beschwerdeführer bringt gegen die
Anwendung dieser Bestimmung nichts Besonderes vor.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.