Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 IV 129



89 IV 129

26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juli 1963
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft. Regeste

    Art. 203 StGB. Nacktes Baden und Sonnen an Spaziergängern zugänglichen
Orten gilt als öffentliche unzüchtige Handlung.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft verurteilte X. wegen
wiederholten öffentlichen unzüchtigen Handlungen und wiederholten
unzüchtigen Handlungen vor Kindern zu 10 Tagen Gefängnis, bedingt
vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. X., der zu den Anhängern
der Nacktkörperkultur gehört, legte sich mehrmals im März 1959 entblösst
ans Birsufer. Er wählte hierzu einen bewaldeten Landstreifen zwischen der
Birs und dem Kanal nahe der Siedlung Weidhof bei den dicht bevölkerten
Räumen Münchenstein und Arlesheim. Die Gegend zwischen Birs und Kanal
ist öffentlicher Grund und jedermann zugänglich. Bei seinem Treiben wurde
X. von etwa zehnjährigen Knaben beobachtet.

    Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte dieses
Urteil. Der Kassationshof wies die von X. gegen das obergerichtliche Urteil
eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit damit die Freisprechung
von der Anklage der wiederholten öffentlichen unzüchtigen Handlungen
verlangt wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 203 StGB ist strafbar, wer öffentlich eine unzüchtige
Handlung begeht.

    a) Der Kassationshof hat am 4. November 1955 i.S. B. das Nacktgehen
an Orten, die den Blicken des Publikums ausgesetzt sind, als unzüchtig
gewürdigt. In gleichem Sinn hat sich CLERC (Cours élémentaire sur le
Code pénal suisse, Tome II, S. 24) ausgesprochen, der als Beispiel einer
unzüchtigen Handlung nach Art. 203 StGB das öffentliche Nacktgehen wegen
der Sommerhitze anführt. Dagegen hat der Kassationshof das unbekleidete
Auftreten in umschlossenem Gebiet unter Gleichgesinnten (Urteil vom
17. Mai 1946 i.S. M.) und im eigenen Haus vor daran gewöhnten Angehörigen
(Urteil vom 4. November 1955 i.S. B.) als nicht unzüchtig bezeichnet.

    Dadurch, dass sich der Beschwerdeführer mit entblösstem Geschlechtsteil
am Ufer der Birs aufrecht wusch und in einer leicht einzusehenden
Mulde sonnte, handelte er im Sinne des Art. 203 StGB unzüchtig. Ohne
Zweifel verletzte sein Verhalten das durchschnittliche Empfinden über
die Zurückhaltung, die sich ein Badender in geschlechtlichen Dingen
aufzuerlegen hat.

    b) Art. 203 StGB schützt die öffentliche Sittlichkeit.  Öffentlich ist
die Handlung schon dann begangen, wenn es nach den Umständen, insbesondere
nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen bloss möglich war, dass
zufällig hinzukommende Dritte sie wahrnehmen. Dabei genügt nicht jede
entfernte Möglichkeit. Die Gefahr muss konkret sein, d.h. die Möglichkeit
des Erfolges nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nahe liegen (BGE 78
IV 165).

    Im vorliegenden Fall ist objektiv das Merkmal der Öffentlichkeit
gegeben. Der Beschwerdeführer hat die unzüchtigen Handlungen in der Nähe
eines jedermann offenstehenden Fussweges begangen. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz war angesichts der Verhältnisse (Frühling,
schönes Wetter, gegenüberliegender, erhöhter Fussweg, Spielgelände für
Kinder, Nähe von Arlesheim, Reinach und Münchenstein) jederzeit mit dem
Auftauchen von Spaziergängern zu rechnen, die den Beschwerdeführer bei
seinem Tun trotz seiner Vorsichtsmassnahmen hätten beobachten können. Die
in der Beschwerdeschrift vorgebrachte Behauptung, X. habe sich in einer
Mulde, die nicht eingesehen werden konnte, abseits vom Verkehr aufgehalten,
steht im Widerspruch zu den Feststellungen der Vorinstanz und ist daher
nicht zu hören (Art. 277 bis BStP).

    c) Auch in subjektiver Hinsicht hat der Beschwerdeführer die Tat
öffentlich begangen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
war sich X. - spätestens nachdem er von umherstreifenden Knaben aufgespürt
worden war - bewusst, dass irgend ein Spaziergänger auftreten und ihn
erblicken konnte. Weiter als der objektive Tatbestand brauchte sein
Vorsatz nicht zu reichen. Es ist nicht nötig, dass er den Willen hatte,
die Tat unter den Augen eines beliebigen Dritten zu begehen (BGE 78 IV 165,
MKGE 6 Nr. 30).

    Der Beschwerdeführer behauptet, er sei sich nicht bewusst gewesen,
etwas Unzüchtiges zu tun. Dieser Darstellung kann nicht gefolgt werden:
Nach der Feststellung der Vorinstanz, die den Kassationshof bindet
(Art. 277 bis BStP), wusste X., dass sein Verhalten Ärgernis erwecken
konnte.