Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 89 III 7



89 III 7

2. Entscheid vom 27. Februar 1963 i.S. Schraner. Regeste

    Betreibungsort des Wohnsitzes. Art. 46 Abs. 1 und 53 SchKG.

    Der Schuldner, der zur Zeit der Pfändungsankündigung die durch
konkludente Handlungen und ausdrückliche Erklärungen bezeugte Absicht
hat, sich an einem bestimmten Ort dauernd niederzulassen, hat dort seinen
Wohnsitz, auch wenn er sich in jenem Zeitpunkt krankheitshalber anderswo
aufhält.

Sachverhalt

    A.- Emil Schraner wurde von seiner gerichtlich getrennten Ehefrau
am 27. September 1960 und am 29. September 1961 für rückständige
Unterhaltsbeiträge in Zürich betrieben. Nachdem der Einzelrichter im
summarischen Verfahren des Bezirks Zürich am 2. November 1961 in den
beiden genannten Betreibungen definitive Rechtsöffnung gewährt hatte,
stellte die Gläubigerin am 17. November 1961 beim Betreibungsamt Horgen
das Pfändungsbegehren. Schraner hatte sich nämlich am 25. Oktober 1961 in
Zürich nach Horgen abgemeldet und dort eine Wohnung gemietet. Tatsächlich
hielt er sich jedoch seit Anfang August 1961 aus Gesundheitsgründen zumeist
in Bendel bei Kappel (St. Gallen) auf. Das Betreibungsamt Horgen ersuchte
deshalb das Betreibungsamt Kappel, die Pfändung zu vollziehen, was am 22.
Januar 1962 geschah, jedoch mit negativem Ergebnis, indem der Schuldner
bestritt, über pfändbare Aktiven zu verfügen. Die beiden Pfändungsurkunden
wurden damit für die Gläubigerin zu Verlustscheinen (Art. 115 SchKG).

    Am 20. Februar 1962 reichte Frau Schraner gegen ihren Ehemann
Strafanzeige wegen Pfändungsbetruges ein. Um diesem Vorwurf mit der
Begründung entgegentreten zu können, dass es an der Strafbarkeitsbedingung
des Bestehens eines Verlustscheines gemäss Art. 164 StGB fehle, erhob
Schraner am 24. Oktober 1962 beim Bezirksgericht Horgen als unterer
kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde
mit dem Antrag, die im Auftrag des Betreibungsamtes Horgen in Kappel
vollzogenen Pfändungen und die beiden Verlustscheine seien, weil nichtig,
von Amtes wegen aufzuheben; er habe nie in Horgen Wohnsitz gehabt, so
dass das dortige Betreibungsamt örtlich nicht zuständig gewesen sei.

    B.- Das Bezirksgericht Horgen wies die Beschwerde am 26.  Oktober 1962
ab, worauf Schraner an das Obergericht des Kantons Zürich gelangte,
das am 22. Januar 1963 seinerseits zur Abweisung des Rekurses gelangte.

    C.- Schraner rekurriert gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht.

Auszug aus den Erwägungen:

      Die Schuldbetr.- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 46 Abs. 1 SchKG ist der Schuldner an seinem Wohnsitz
zu betreiben. Verändert er diesen, nachdem ihm die Pfändung angekündigt
worden ist, so wird die Betreibung am bisherigen Orte fortgesetzt
(Art. 53 SchKG). Im vorliegenden Falle war somit das Betreibungsamt
Horgen zum Vollzug der Pfändung zuständig, sofern der Rekurrent im
Zeitpunkt der Pfändungsankündigung, die am 20. November 1961 erfolgte,
seinen Wohnsitz in Horgen hatte, d.h. dort mit der Absicht dauernden
Verbleibens niedergelassen war (Art. 23 Abs. 1 ZGB; BGE 82 III 12).

Erwägung 2

    2.- Nach dem angefochtenen Entscheid steht mit Sicherheit fest,
dass der Rekurrent am 20. November 1961 nicht mehr in Zürich wohnte,
sondern sich dort am 25. Oktober 1961 nach Horgen abgemeldet hatte. Aus
verschiedenen konkludenten Handlungen und ausdrücklichen Erklärungen
Schraners folgerte die Vorinstanz weiter, dass dieser beim Umzug nach
Horgen und auch noch zur Zeit der Pfändungsankündigung die Absicht hatte,
sich dauernd dort niederzulassen. Und in der Tat hatte er in Horgen
eine Wohnung gemietet, seinen Hausrat dorthin verbracht und für die Zeit
seiner Abwesenheit in Bendel eine Person beauftragt, seine Hausgeschäfte
in Horgen zu besorgen und in der Wohnung zum Rechten zu sehen. Auch
hatte er anlässlich des Rückzugs seiner Scheidungsklage erklärt, bei
deren Einleitung Ende Dezember 1961 die Absicht gehabt zu haben, ständig
in Horgen zu bleiben, und sich weiter im Frühjahr 1962, als er in Kappel
betrieben wurde, auf den Standpunkt gestellt, er habe seinen Wohnsitz in
Horgen. Angesichts dessen hat die Vorinstanz mit Recht auf jene Absicht
und nicht auf den Umstand abgestellt, dass sich der Rekurrent zur Zeit
der Pfändungsankündigung nicht tatsächlich in Horgen aufhielt. Seine
Abwesenheit war nicht eine freiwillige in dem Sinne, dass er nicht in
Horgen sein wollte, sondern sie war durch seinen Gesundheitszustand
bedingt. Unter diesen Umständen war es sachlich gerechtfertigt, sie
als vorübergehend, zufällig und nicht massgebend zu erachten, zumal der
Aufenthalt Schraners in Bendel nach dessen eigener Erklärung ein blosser
Kuraufenthalt war, also einem Sonderzweck diente, was die Annahme eines
Wohnsitzes an diesem Orte ohnehin ausschlösse (EGGER, Kommentar, N. 26
zu Art. 23 ZGB; s. auch BGE 20 I 40, 306; 25 I 53).

    Dass Schraner später die Absicht dauernden Verbleibens in Horgen
aufgegeben haben mag, ist für die Entscheidung der Frage nach seinem
Wohnsitz am 20. November 1961 ohne Belang.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.