Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 190



88 I 190

32. Urteil vom 10. Juli 1962 i.S. Centralschweizerische Kraftwerke AG
und Schweizerische Bundesbahnen gegen Niederöst, Reichlin und Inderbitzin.
Regeste

    Nachträgliche Enteignung.

    Schadenersatzansprüche wegen übermässiger Einwirkungen einer
Hochspannungsleitung auf die Nachbarschaft, wenn den betroffenen
Grundeigentümern weder durch eine öffentliche Planauflage noch durch
persönliche Anzeigen Frist zur Anmeldung solcher Ansprüche angesetzt worden
ist. Zuständigkeit der Schätzungskommission (Erw. 2, 3). Anwendung des Art.
41 EntG und der dort in Abs. 2 vorgesehenen Verwirkungsfrist? (Erw. 4 a).
Beginn der Verwirkungsfrist im Falle von Vergleichsverhandlungen des
Werkunternehmers mit den Geschädigten? (Erw. 4 b).

Sachverhalt

    A.- Franz Niederöst, Martin Reichlin und Lorenz Inderbitzin
(nachfolgend: Kläger) sind Eigentümer dreier aneinandergrenzender
Liegenschaften mit Wohnhäusern in Ingenbohl.

    Um 1950 erstellte die Aare-Tessin AG (Atel) eine Starkstromleitung, die
im Abstand von etwa 15 m an der Häusergruppe der Kläger vorbeiführt. Die
Kläger erhoben weder Einsprachen gegen den Bau der Leitung noch
Entschädigungsansprüche.

    Im Jahre 1959 genehmigte das Eidg. Starkstrominspektorat die Pläne
für den Bau einer gemeinsamen Starkstromleitung der CKW und der SBB
(nachfolgend: Beklagte) von Göschenen nach Mettlen, die in einem Abstand
von 22-27 m den Liegenschaften der Kläger entlang führt. Die Beklagten
konnten die Durchleitungsrechte für den Bau dieser über 70 km langen
Leitung zur Hauptsache freihändig erwerben; nur 9 Grundeigentümer in
den Gemeinden Morschach und Lauerz widersetzten sich. Am 18. August 1959
bewilligte der Präsident der Eidg. Schätzungskommission des Kreises V den
Beklagten die Durchführung des abgekürzten Enteignungsverfahrens gegen
diese 9 Grundeigentümer. Sieben von ihnen erhoben Einsprachen, worauf
die Beklagten den Bundesrat um die Erteilung des Enteignungsrechts
ersuchten. Mit Entscheid vom 29. März 1960 wies der Bundesrat
die Einsprachen ab und erteilte den Beklagten die nachgesuchten
Enteignungsrechte gegen die sieben Einsprecher. In den Erwägungen dieses
Entscheids wird im Hinblick auf die Voraussetzungen der Enteignung (Art. 1
Abs. 1 EntG) u.a. festgestellt, dass die fragliche Leitung eine wichtige
Teilstrecke in der Planung des schweizerischen Höchstspannungsnetzes
bilde und ihre Notwendigkeit unbestreitbar sei.

    Inzwischen hatten die Beklagten im September 1959 mit dem Bau der
Leitung begonnen. Noch im gleichen Monat wandten sich die Kläger an die
Beklagten und machten geltend, dass ihre Liegenschaften nunmehr zwischen
zwei unschönen und insbesondere bei Föhn gefährlichen Starkstromleitungen
lägen und deswegen stark entwertet seien. Die Beklagten bestritten
grundsätzlich jede Entschädigungspflicht, erklärten sich jedoch mit
weiteren Verhandlungen, eventuell unter Einholung eines Rechtsgutachtens,
einverstanden und teilten den Klägern schliesslich am 23. Oktober 1959
mit, sie würden die Angelegenheit der Rechtskommission des Verbandes
Schweizerischer Elektrizitätswerke zur Prüfung unterbreiten. Die Kläger
erwiderten, sie betrachteten diese Stelle nicht als neutral, und schlugen
eine Begutachtung durch Professor Nef, Zürich, vor. Am 22. Januar
1960 boten die Beklagten den Klägern vergleichsweise eine Abfindung
von insgesamt Fr. 1500.-- nebst Anwaltskosten an und ersuchten, als die
Kläger ablehnten, um einen Gegenvorschlag. Die Kläger verlangten hierauf
mit Schreiben vom 15. Februar und 31. März 1960 eine Entschädigung von
zusammen Fr. 45'000. - nebst Anwaltskosten, erklärten sich aber eventuell
bereit, die prinzipielle Entschädigungspflicht durch ein Rechtsgutachten
und die Höhe des Schadens durch einen Architekten abklären zu lassen. Die
Beklagten antworteten am 22. April 1960, sie würden zu diesen Vorschlägen
demnächst Stellung nehmen, und schrieben dann am 3. Juni 1960, dass sie
nach wie vor ihre Entschädigungspflicht bestritten, aber bereit seien,
die Angelegenheit nach Fertigstellung der Leitung nochmals in aller
Sachlichkeit zu überprüfen. Die Kläger erwiderten am 10. Juni 1960, sie
hätten sich inzwischen zur Einholung eines Rechtsgutachtens entschlossen
und kämen nach Eingang desselben wieder auf die Sache zurück. Am 3. Mai
1961 luden die Beklagten die Kläger auf den 16. Mai 1961 zu einem
Augenschein ein, wo "Ihre seinerzeit angemeldeten Wünsche... besprochen
werden können". Über die an diesem Augenschein geführten Verhandlungen
liegen handschriftliche Notizen des Vertreters der Kläger vor. Danach haben
die anwesenden Beamten des Eidg. Starkstrominspektorates die Leitung in
Ordnung befunden und hat der Vertreter der Beklagten erklärt, die Kläger
müssten sich die Leitung eben gefallen lassen; ferner ist am Schluss der
Notizen vermerkt: "Man wartet nun unsere Stellungnahme in Verbindung mit
dem Rechtsgutachten ab".

    Weitere Verhandlungen wurden zwischen den Parteien nicht
geführt. Nachdem drei Rechtslehrer die Abgabe eines Gutachtens abgelehnt
hatten, erhielten die Kläger am 23. Oktober 1961 von Prof. Huber, Bern,
eine (allerdings nur vorläufige und summarische) gutachtliche Äusserung.

    B.- Mit Eingabe vom 27. November 1961 stellten die Kläger beim
Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission des V. Kreises das Begehren,
die Beklagten seien zu verpflichten, den drei Klägern eine Entschädigung
von je Fr. 15'000.--, total somit Fr. 45'000. - nebst Verzugszinsen,
eventuell wie viel, zu bezahlen. Zur Begründung machten sie unter Berufung
auf Art. 684 ZGB und Art. 5 EntG geltend, dass die neue Starkstromleitung
eine übermässige Einwirkung auf ihre Grundstücke zur Folge habe und deren
weitere Überbauung verunmögliche.

    Die Beklagten beantragten die Abweisung des Begehrens. Sie
bestritten das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 41 Abs. 1 EntG
für die Geltendmachung nachträglicher Entschädigungsforderungen und
wendeten eventuell ein, solche Forderungen seien gemäss Art. 41 Abs. 2
EntG verwirkt.

    Mit Entscheid vom 8. Januar 1962 wies der Präsident der
Schätzungskommission die Verwirkungseinrede ab und eröffnete das
Enteignungsverfahren. Er nahm an, die von den Klägern behauptete Verletzung
von Nachbarrechten sei gemäss Art. 5 EntG im Enteignungsverfahren zu
behandeln, dessen Eröffnung von den Klägern auf Grund von Art. 41 lit. c
und 66 lit. b EntG verlangt werden könne. Die Ansprüche der Kläger seien
nicht verwirkt; die Frist des Art. 41 Abs. 2 EntG würde nur zu laufen
begonnen haben, wenn die Beklagten die klägerischen Ansprüche eindeutig
abgelehnt hätten, was nach den Akten nie geschehen sei.

    C.- Die Beklagten ziehen diesen Entscheid an das Bundesgericht
weiter mit dem Antrag, ihn und das mit ihm eröffnete Enteignungsverfahren
aufzuheben. Zur Begründung bringen sie vor:

    a) Die Voraussetzungen von Art. 41 lit. c EntG für die Geltendmachung
nachträglicher Entschädigungsansprüche seien vorliegend nicht erfüllt. Die
Kläger hätten die von ihnen behauptete Schädigung schon beim Baubeginn
(September 1959) voraussehen und anmelden können. Auch das Ausmass des
Schadens hätten sie längst gekannt, da sie ja den heute verlangten Betrag
von Fr. 45'000. - schon am 15. Februar 1960 genannt hätten.

    b) Sollten ihre Begehren dennoch als nachträgliche
Entschädigungsforderungen im Sinne von Art. 41 lit. c EntG zu betrachten
sein, so wären sie verwirkt. Die Verwirkungsfrist beginne mit der Kenntnis
von der Schädigung an zu laufen ungeachtet allfälliger Verhandlungen
des Enteigners mit dem Enteigneten. Einen Zweifel über die Ablehnung
ihrer Ansprüche von Seiten der Beklagten hätten die Kläger übrigens nie
hegen können, jedenfalls nicht mehr nach dem eindeutigen Schreiben der
Beklagten vom 3. Juni 1960 und vollends nicht mehr nach dem Augenschein
vom 16. Mai 1961, wo die Beklagten erneut jede Entschädigungsforderung
abgelehnt hätten.

    D.- Die Kläger beantragen die Abweisung des Weiterzugsbegehrens. Sie
berufen sich auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids und machen
weiter geltend, dass eine Planauflage mit Ansetzung einer Eingabefrist
nie erfolgt sei und daher eine Verwirkungsfrist nach Art. 41 Abs. 2 EntG
nie zu laufen begonnen habe.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Weiterzugsverfahren ist einzig die Rechtsfrage zu
beurteilen, ob das Enteignungsverfahren gegen die Beklagten zu eröffnen
oder diese Eröffnung wegen Verwirkung der klägerischen Ansprüche abzulehnen
sei. Es ist daher von einem Urteilsentwurf des Instruktionsrichters nach
Art. 84 EntG abzusehen und die Sache unmittelbar durch das Bundesgericht
zu entscheiden (BGE 82 I 56 Erw. 2). Eine mündliche Verhandlung ist von
den Parteien nicht verlangt worden (Art. 85 Abs. 2 EntG). Eine solche
von Amtes wegen anzuordnen, besteht kein Anlass.

Erwägung 2

    2.- Die Starkstromleitung Göschenen-Mettlen ist ein Werk von
öffentlichem Interesse im Sinne von Art. 1 EntG, für welches den Beklagten,
die sie gemeinsam erstellt haben, das Enteignungsrecht nach Bundesrecht
zusteht. Das ist inbezug auf die CKW im Entscheid des Bundesrates vom
29. März 1960 (Erw. B/1) festgestellt worden, während es sich für die
SBB, wie ebenfalls in diesem Entscheid (Erw. A/1) ausgeführt ist, aus
Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 ergibt.

    Der Umstand, dass die Beklagten für den Bau und Betrieb der Leitung
Träger des (eidgenössischen) Enteignungsrechts sind, hat zur Folge,
dass nachteilige Einwirkungen, die der bestimmungsgemässe Betrieb
der Anlage für die Nachbarschaft hat und die sich nicht oder nicht
leicht vermeiden lassen, durch das Enteignungsrecht gedeckt sind. Die
betroffenen Nachbarn müssen sich diese Einwirkungen gefallen lassen und
können sich gegen sie nicht mit Unterlassungs- und Schadenersatzklagen
auf Grund des Nachbarrechts des ZGB zur Wehr setzen. An die Stelle dieser
zivilrechtlichen Klagen tritt der Anspruch auf öffentlich-rechtliche
Entschädigung, der sich nach den Grundsätzen des Enteignungsrechtes
bestimmt und vor den Enteignungsbehörden geltend zu machen ist (BGE
62 I 11 und 269, 64 I 231/2 und 381, 66 I 141 Erw. 3, 79 I 203;
Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden [VE] 1940 Nr. 46).

    Im vorliegenden Fall ist nicht streitig, dass die
behaupteten nachteiligen Einwirkungen, wegen welcher die Kläger
Entschädigungsforderungen geltend machen, eine notwendige Folge des
bestimmungsgemässen Betriebs der Leitungsanlage sind. Damit erscheinen
die Entschädigungsforderungen als enteignungsrechtlich und es scheidet,
entgegen der von den Beklagten in ihrer nachträglichen Eingabe vom 13. Juni
1962 geäusserten Auffassung, die Zuständigkeit des Zivilrichters unter
dem einzigen Vorbehalt von Art. 69 EntG aus.

Erwägung 3

    3.- Wenn der Bau und Betrieb eines Werkes, für welches das
Enteignungsrecht beansprucht werden kann, nachteilige Einwirkungen auf
die Nachbarschaft hat, versagen die Rechtsbehelfe des Privatrechts auch
dann, wenn das Unternehmen das für die Errichtung des Werks erforderliche
Grundeigentum freihändig erworben hat, keine Nachbarrechte zu verletzen
glaubte und deshalb das Enteignungsverfahren nicht eingeleitet
hat (vgl. BGE 79 I 203 und HESS N. 5 zu Art. 5 EntG). Doch können
die betroffenen Nachbarn in diesem Falle ihre öffentlichrechtlichen
Entschädigungsansprüche nicht ohne weiteres gestützt auf Art. 41 lit. c und
66 lit. b EntG durch nachträgliche Eingaben an die Schätzungskommission
geltend machen, da solche Eingaben ein vom Enteigneten durch Planauflage
oder persönliche Anzeigen eingeleitetes Enteignungsverfahren voraussetzen
und die Schätzungskommission nicht befugt ist, das Werkunternehmen zur
Einleitung dieses Verfahrens anzuhalten; diese Befugnis steht nur dem
Bundesrat zu (BGE 67 I 172 unten, VE 1948/50 Nr. 180).

    Die Beklagten haben das Recht zur Überspannung der Grundstücke
in Ingenbohl, welche an die Liegenschaften der Kläger grenzen,
seinerzeit freihändig erworben. Dagegen waren sie genötigt, gegenüber
9 Grundeigentümern in zwei andern Gemeinden des Kantons Schwyz das
Enteignungsverfahren einzuleiten, wobei ihnen das abgekürzte Verfahren
nach Art. 33 ff. EntG bewilligt wurde. Ferner mussten sie den Bundesrat um
die Gewährung des Enteignungsrechts ersuchen. Wenn ihnen der Bundesrat im
Dispositiv seines Entscheids das Enteignungsrecht nur soweit erteilt hat,
als es nach dem Begehren der Beklagten gegenüber den damaligen Einsprechern
erforderlich war, hat er mit der bereits erwähnten Feststellung in
Erwägung B/1 doch ohne jeden Zweifel die ganze Leitungsanlage zum Werk
von öffentlichem Interesse erklärt. Etwas anderes wäre auch gar nicht
denkbar, da es sich bei der Starkstromleitung Göschenen-Mettlen um ein
einheitliches, von den SBB und den CKW gemeinsam unternommenes Werk
handelt. Ist aber ein wenn auch nur beschränktes Enteignungsverfahren
durchgeführt und in diesem festgestellt worden, dass den Beklagten das
Enteignungsrecht zusteht, so besteht kein Grund, sie durch Anrufung des
Bundesrates zur (nochmaligen) Einleitung eines Enteignungsverfahrens
zu veranlassen, zumal da die Leitung bereits erstellt ist und die
Erhebung einer auf Verschiebung des Trasses gerichteten, vom Bundesrat zu
beurteilenden Einsprache heute nicht mehr in Frage kommt (Art. 39 Abs. 1
EntG). Die Kläger sind vielmehr berechtigt, ihre Entschädigungsansprüche
ohne weiteres bei der Schätzungskommission anzumelden, sofern dies nicht,
wie die Beklagten behaupten, nach Art. 41 EntG ausgeschlossen ist.

Erwägung 4

    4.- Die Beklagten wenden ein, dass die Voraussetzungen von Art. 41
lit. c EntG für die Geltendmachung nachträglicher Entschädigungsforderungen
vorliegend nicht erfüllt, allfällige derartige Forderungen aber jedenfalls
nach Art. 41 Abs. 2 EntG verwirkt seien.

    a) Art. 41 EntG bezieht sich auf die Versäumung der mit der
öffentlichen Planauflage oder im abgekürzten Verfahren mit der
persönlichen Anzeige angesetzten Eingabefrist und bestimmt, unter
welchen Voraussetzungen Entschädigungsforderungen auch nach Ablauf
dieser Frist noch geltend gemacht werden können, wobei er, wie im nicht
veröffentlichten Urteil vom 9. Dezember 1938 i.S. Kalt c. Aarewerke AG
(S. 7) festgestellt worden ist, die Fälle, in denen die Möglichkeit einer
nachträglichen Forderungseingabe besteht, abschliessend aufzählt. Art. 41
EntG und die in Abs. 2 vorgesehene Verwirkungsfrist ist daher nicht
anwendbar, wenn ein Entschädigungsanspruch innert der Eingabefrist
angemeldet, seine Beurteilung aber auf später verschoben worden ist,
da in diesem Falle die Eingabefrist nicht versäumt worden ist (BGE 71 I
300 Erw. 5). Von einer Versäumung der Eingabefrist kann aber auch dann
nicht gesprochen werden, wenn dem Geschädigten eine solche Frist weder
durch öffentliche Planauflage noch durch persönliche Anzeige angesetzt
worden ist. Art. 41 EntG ist daher jedenfalls nach seinem Wortlaut auf
die Entschädigungsansprüche der Kläger nicht anwendbar (wie die Beklagten
in ihrer Eingabe an die Schätzungskommission S. 3 Mitte selber bemerkt
haben). Eine entsprechende Anwendung von Art. 41 EntG auf Fälle, in
denen keine Eingabefrist angesetzt wurde, kommt nur in Frage, wenn man
annimmt, diese Bestimmung stelle den allgemeinen Grundsatz auf, dass
enteignungsrechtliche Entschädigungsansprüche ohne Ausnahme unverzüglich
bei der Schätzungskommission geltend zu machen sind, sobald die Schädigung
für den Betroffenen erkennbar ist. Die den Abs. 2 einleitenden Worte
"im übrigen", aus denen dies abgeleitet werden könnte, dürften indessen
auf einem Redaktionsversehen beruhen und damit zu erklären sein, dass
Abs. 2 im Entwurf des Bundesrates dem (heutigen) Art. 38 angefügt war und
dann ohne Änderung dem Art. 41 angehängt wurde (ZIMMERLIN, Nachträgliche
Entschädigungsforderungen im Enteignungsverfahren, SJZ 1939/40 S. 122 Anm.
32). Der Bundesrat hat in einem Falle, wo kein Enteignungsverfahren
durchgeführt worden war, die analoge Anwendung von Art. 41 Abs. 2 EntG
abgelehnt und erklärt, die streitigen, nach Fertigstellung des Werkes
erhobenen Entschädigungsansprüche wegen nachbarrechtlich unzulässiger
Einwirkungen seien nicht verspätet und verwirkt, da eine Frist weder
im Gesetz vorgesehen noch vom Werkunternehmen angesetzt worden sei (VE
1948/50 Nr. 180; vgl. auch BGE 79 I 199 ff., wo die Frage der Verwirkung
nach Art. 41 Abs. 2 EntG von keiner Seite aufgeworfen worden ist). Ob das
gleiche anzunehmen ist, wenn, wie hier, ein Enteignungsverfahren zwar
durchgeführt, dabei aber denjenigen, die nun Entschädigungsansprüche
erheben, keine Eingabefrist angesetzt worden ist, kann dahingestellt
bleiben, da die Ansprüche der Kläger, wie der angefochtene Entscheid mit
Recht annimmt, auch dann nicht verwirkt sind, wenn man Art. 41 Abs. 2
EntG als analog anwendbar betrachtet.

    b) Die Kläger haben die ihnen drohenden Einwirkungen der Leitung
schon beim Baubeginn im Herbst 1959 erkannt und die Höhe des Schadens
bereits am 15. Februar 1960 mit Fr. 45'000. - beziffert. Wären die
strengen Regeln anwendbar, die nach der Praxis des Bundesgerichts für
zivilrechtliche Verwirkungsfristen gelten, so wäre die Frist von Art. 41
Abs. 2 EntG am 17. November 1961, als die Kläger ihre Ansprüche bei
der Schätzungskommission anmeldeten, längst abgelaufen gewesen. Das
wiederholte Zögern und Ausweichen der Beklagten könnte in diesem Falle
keinen zureichenden Grund für das Zuwarten der Kläger bilden, sondern hätte
sie erst recht zur sofortigen Anrufung der Schätzungskommission veranlassen
sollen. Diese Grundsätze lassen sich indessen nicht ohne weiteres auf
die Verwirkung nach Art. 41 Abs. 2 EntG übertragen. Das Bundesgericht hat
bereits im erwähnten Urteil i.S. Kalt c. Aarewerke (S. 10) ausgeführt,
Vergleichsverhandlungen des Werkunternehmers mit dem Geschädigten
berechtigten diesen zur Annahme, dass die Verwirkungsfrist noch nicht
laufe, sondern erst mit dem allfälligen Abbruch dieser Verhandlungen,
mit der endgültigen Stellungnahme des Werkunternehmers zu den Ansprüchen
der Geschädigten zu laufen beginnen würde. Geht man hievon aus, so sind
die Entschädigungsansprüche der Kläger nicht verwirkt.

    Nachdem die Kläger schon beim Baubeginn im Oktober 1959 sich an die
Beklagten gewandt hatten, wurden Vergleichsverhandlungen mündlich und
schriftlich während längerer Zeit geführt. Die Beklagten haben dabei
zwar die Ansprüche der Kläger grundsätzlich bestritten, jedoch nie
endgültig dazu Stellung genommen und die Verhandlungen nie abgebrochen,
auch nicht im Schreiben vom 3. Juni 1960, auf das sie sich hiefür
berufen; vielmehr haben sie sich in diesem Schreiben ausdrücklich
bereit erklärt, die Angelegenheit nach Fertigstellung der Leitung
mit den Klägern an Ort und Stelle nochmals in aller Sachlichkeit zu
überprüfen. Sie haben denn auch die Kläger auf den 15. Mai 1961 zu einem
Augenschein geladen, damit ihre seinerzeit angemeldeten Wünsche in ihrer
Gegenwart besprochen werden könnten. Nach den Notizen des Vertreters der
Kläger über die Augenscheinsverhandlung haben die Beklagten dort eine
erneute Stellungnahme nach Prüfung des von den Klägern angekündigten
Rechtsgutachtens vorbehalten. Im vorinstanzlichen Verfahren haben sie die
Richtigkeit dieser Protokollierung nicht bestritten. Ihr nachträglicher
Einwand, sie hätten dazu keine Veranlassung gehabt, weil jene Notizen
"nicht zum integrierenden Bestandteil des Entschädigungsbegehrens" erklärt
worden seien, ist unbehelflich, da die Kläger auf diese Notizen genau
so wie auf die übrigen Verhandlungsbelege verwiesen und die Beklagten
alle Beilagen der Kläger zur Einsicht zugestellt erhalten haben. Aber
auch bei Nichtberücksichtigung dieser Notizen bleibt die Tatsache,
dass jedenfalls an dem von den Beklagten veranlassten Augenschein noch
verhandelt wurde. Wollten die Beklagten am Augenschein oder später die
Verhandlungen abbrechen und eine Entschädigung endgültig ablehnen, so
war es ihre Sache, dies den Klägern eindeutig zu sagen. Dafür, dass dies
geschehen wäre, fehlt ein Beweis.

Erwägung 5

    5.- Der Präsident der Schätzungskommission hat demnach zu
Recht die Verwirkungseinrede der Beklagten zurückgewiesen und das
Entschädigungsbegehren der Kläger als zulässig betrachtet. Ob es begründet
sei, wird bei der nun vorzunehmenden materiellen Behandlung zu entscheiden
sein.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Das Weiterzugsbegehren wird abgewiesen.