Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 179



88 I 179

30. Auszug aus dem Urteil vom 26. September 1962 i.S. K. gegen S. und
Regierungsrat des Kantons Nldwalden. Regeste

    Art. 88 OG. Der Nachbar ist zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die
einem andern Grundeigentümer erteilte Baubewilligung legitimiert, falls
sich aus derselben eine Einschränkung der eigenen Baumöglichkeiten ergibt.

Auszug aus den Erwägungen:

    Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und
Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch
allgemein verbindliche Erlasse oder sie persönlich treffende Entscheide
erlitten haben. Dem Bürger und der Korporation steht dieses Rechtsmittel
demnach lediglich zur Wahrung ihrer eigenen rechtlich erheblichen
Interessen offen; zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen wie auch
zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen ist die staatsrechtliche
Beschwerde hingegen nicht gegeben (BGE 86 I 284 mit Verweisungen).

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Rechtsstellung
des Grundeigentümers nicht beeinträchtigt und er ist demgemäss nicht
zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, wenn der kantonale
Entscheid lediglich feststellt, dass dem Bauvorhaben des Nachbars vom
polizeilichen Standpunkt aus kein Hindernis im Wege steht und es die
zur Anwendung kommenden öffentlichrechtlichen Bauvorschriften nicht
verletzt (BGE 74 I 168 mit Verweisungen). Zwar wirkt sich die Art,
wie diese öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften auf ein Grundstück
angewendet werden, mittelbar auch auf die Nachbargrundstücke aus.
Doch handelt es sich um blosse Reflexwirkungen, die nicht rechtlicher,
sondern tatsächlicher Natur sind und mit Bezug auf welche den Nachbarn
die staatsrechtliche Beschwerde daher nicht zusteht. Die Rechtsprechung
bringt dabei jedoch einen Vorbehalt an für den Fall, dass sich aus
der einem Nachbar erteilten Baubewilligung eine Beschränkung der
eigenen Baumöglichkeiten ergibt (vgl. nicht veröffentlichte Urteile vom
30. November 1928 i.S. Gard, vom 29. Mai 1936 i.S. Fontana, vom 2. Juli
1945 i.S. Perren, vom 27. Januar 1949 i.S. Schären und vom 16. Juli 1952
i.S. Oechsner). Das trifft namentlich zu, wenn öffentlich-rechtliche
Bauvorschriften Gebäudeabstände festlegen und der Grenzabstand, der
einem Gesuchsteller in der Baubewilligung vorgeschrieben wird, auch
darüber entscheidet, wie nahe der Nachbar an die Grenze heranbauen darf
(vgl. Urteil vom 14. März 1962 i.S. Métrailler).

    Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer unter den obwaltenden
Umständen insofern zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, als
er sich über eine Missachtung der Vorschriften über den Gebäudeabstand
beklagt. Ein anderer Rechtsbehelf steht ihm zur Geltendmachung dieses
Mangels nicht zur Verfügung. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung
der Bestimmungen über die zulässige Bauhöhe und die Beanstandung
ungenügender Parkierungs- und Einstellmöglichkeiten ist er dagegen nach
der Rechtsprechung nicht beschwerdeberechtigt. Auf die Kritik, die an
dieser Praxis geübt wird (BURCKHARDT, ZBJV 70 S. 479; CLAUDE BONNARD,
ZSR 78 S. 325 N. 44 und die in A. 72 genannten Autoren; ders., ZSR 81 II
S. 438 ff. N. 77-82; HANS HUBER, SJZ 57 S. 165 ff.; HANS MARTI, ZSR 81 II
S. 83/84), braucht hier nicht eingetreten zu werden, da die Bemängelung
der Bauhöhe sich bei materieller Prüfung ohnehin als unbegründet erwiese,
auf die Rüge der ungenügenden Parkierungs- und Einstellmöglichkeiten
aber schon darum nicht eingetreten werden kann, weil sie neu und daher
unzulässig ist (BGE 87 I 178 Erw. 3 mit Verweisungen).