Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 I 149



88 I 149

26. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1962 i.S. Graber und Mitbeteiligte
gegen den Grossen Rat des Kantons Luzern. Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde, Erschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges. Dass das fakultative Referendum gegen ein Gesetz nicht
ergriffen wurde, schliesst die staatsrechtliche Beschwerde gegen das
Gesetz nicht aus (Erw. 2).

    Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Gesetzes; Zulässigkeit der
Gesetzesdelegation. Art. 45, 59 und 60 luzern. K V. Art. 4 BV.

    Kantonale Verfassungsbestimmung, wonach die Mitglieder des Grossen
Rates für ihre Teilnahme an den Rats- und Kommissionssitzungen ein
Taggeld nebst Reiseentschädigung beziehen und "ein Gesetz das Nähere
bestimmt". Kann dieses Gesetz

    a)  den Grossen Rat ermächtigen, die Höhe des Taggeldes und
der Reiseentschädigung in einem (dem fakultativen Referendum nicht
unterstehenden) Dekret festzusetzen? (Erw. 4).

    b)  dem Rats- und den Kommissionspräsidenten sowie den Mitgliedern
gewisser Kommissionen Zulagen zum ordentlichen Taggeld gewähren? (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- § 60 der luzern. KV bestimmte ursprünglich, dass die Mitglieder
des Grossen Rates ein Taggeld von 4 Franken und ein Reisegeld von 40
Rappen pro Stunde beziehen.

    Im Jahre 1927 schlug der Regierungsrat dem Grossen Rate vor, § 60 KV
zu revidieren und wie folgt zu fassen:

    "1 Die Mitglieder des Grossen Rates beziehen für ihre Teilnahme an
den Rats- und Kommissionssitzungen ein Taggeld nebst Reiseentschädigung.

    2 Das Nähere bestimmt ein Gesetz."

    Diese Revision der KV wurde vom Grossen Rate einstimmig beschlossen und
in der Volksabstimmung vom 2. Dezember 1928 angenommen. Am 26. November
1929 wurde ein Gesetz erlassen, welches das Taggeld für die Rats- und
Kommissionssitzungen auf Fr. 10.- und die Reiseentschädigung für jede
Session auf Fr. -.20 für den Kilometer der Hin- und Rückreise festsetzte.

    Nachdem der Grosse Rat mit Dekreten vom 7. März 1944 und 27. November
1951 Teuerungszulagen zum Taggeld beschlossen hatte, wurde das Gesetz
vom 26. November 1929 am 16. Oktober 1952 dahin abgeändert, dass das
Taggeld Fr. 15.- bis 25.- betrug und in diesem Rahmen nach Massgabe der
Kosten der Lebenshaltung durch Dekret festzusetzen war. Auf Grund dieses
Gesetzes erliess der Grosse Rat am 19. Dezember 1952 und 2. Juli 1957
Dekrete, mit denen das Taggeld zunächst auf Fr. 20.- und dann auf Fr. 25.-
festgesetzt wurde.

    Mit Botschaft vom 16. Oktober 1961 unterbreitete der Regierungsrat dem
Grossen Rate im Hinblick auf die fortschreitende Teuerung den Entwurf eines
neuen Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Grossen Rates. In
dieser Botschaft wurde u.a. ausgeführt, dass die Festsetzung bestimmter
Zahlen nicht zweckmässig sei und selbst ein Rahmen zu eng sein könne,
weshalb der Entwurf keine Zahlen nenne, was "von der Verfassungsbestimmung
aus nicht zu beanstanden ist"; nur so komme man zu einer elastischen
Lösung, die allen Gegebenheiten und Verhältnissen gerecht werde.

    Der Grosse Rat beschloss das Gesetz am 30. Januar 1962. Es
bestimmt, dass die Mitglieder des Grossen Rates für ihre Teilnahme
an den Ratssitzungen und an den nicht während der Dauer einer
Session stattfindenden Komissionssitzungen ein Taggeld und eine
Reiseentschädigung beziehen, die in einem Dekret festgesetzt werden
(§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1), dass der Präsident des Grossen Rates und
die Kommissionspräsidenten ausserdem Anspruch auf eine Zulage haben (§
1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2) und dass eine solche auch den Mitgliedern der
Begnadigungskommission gewährt werden könne (§ 2 Abs. 3).

    Gestützt auf dieses Gesetz erliess der Grosse Rat ebenfalls
am 30. Januar 1962 ein Dekret, wonach das Taggeld Fr. 40.- und die
Reiseentschädigung je Sitzungstag 30 Rappen für den Kilometer der Hin-
und Rückreise beträgt, der Präsident des Grossen Rates neben dem Taggeld
eine jährliche Zulage von Fr. 800.-- und der Präsident einer grossrätlichen
Kommission neben dem Taggeld eine Zulage von Fr. 10.- erhalten.

    B.- Gegen das Gesetz vom 30. Januar 1962, gegen welches das Referendum
nicht ergriffen wurde, haben Adolf Graber, Hermann Spörri und Othmar
Angerer staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei in
vollem Umfange aufzuheben. Sie erheben folgende Rügen:

    a) Indem das angefochtene Gesetz die Bemessung der Vergütungen an
die Mitglieder des Grossen Rates nicht selber vornehme, sondern sie einem
Dekret überlasse und damit das fakultative Referendum ausschalte, verletze
es § 60 Abs. 2 KV, der den Grossen Rat verpflichte, die Vergütung in einem
(dem Referendum unterliegenden) Gesetz betragsmässig festzusetzen. Ferner
verletze es § 45 KV, wonach der Grosse Rat die gesetzliche Gewalt "innert
der verfassungsmässigen Schranken" ausübt, sowie dem Sinne nach auch §
59 KV, wonach der Grosse Rat die ihm nach der KV zustehenden Befugnisse
und Verrichtungen keiner andern Behörde übertragen darf.

    b) § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 und 3 des angefochtenen Gesetzes
verletzten ebenfalls § 60 Abs. 2 KV, weil sie auch die Zulagen nicht
betragsmässig festsetzten. Überdies verstiessen sie gegen § 60 Abs. 1
KV, der nur "ein Taggeld nebst Reiseentschädigung" vorsehe, während
jene Bestimmungen darüber hinaus noch Zulagen an den Ratspräsidenten,
die Kommissionspräsidenten und die Mitglieder der Begnadigungskommission
gewährten

    C.- Der Grosse Rat des Kantons Luzern beantragt die Abweisung
der Beschwerde. Seine Ausführungen sind, soweit notwendig, aus den
nachstehenden Erwägungen ersichtlich.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Beschwerdelegitimation).

Erwägung 2

    2.- Dass das Referendum gegen das angefochtene Gesetz nicht ergriffen
wurde, steht dem Eintreten auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht
entgegen. Denn zu den kantonalen Rechtsmitteln, von denen vor der Erhebung
einer staatsrechtlichen Beschwerde der vorliegenden Art Gebrauch zu
machen ist (Art. 86 Abs. 1 und 2 OG), gehört das fakultative Referendum
schon deshalb nicht, weil es nicht von jedem einzelnen nach Art. 88 OG
zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimierten Bürger, sondern nur von
einer grösseren Zahl stimmberechtigter Bürger gemeinschaftlich ergriffen
werden kann (nicht veröffentl. Erw. 2 des Urteils vom 15. März 1935
i.S. Grüninger c. Basel-Stadt)...

Erwägung 3

    3.- Ob die von den Beschwerdeführern angerufenen Bestimmungen der KV
verletzt seien, hat das Bundesgericht grundsätzlich frei zu prüfen. Es
pflegt jedoch der Auslegung kantonaler Verfassungsnormen der vorliegenden
Art durch die oberste dazu berufene kantonale Behörde besonderes Gewicht
beizulegen und nicht ohne Not von ihr abzuweichen (BGE 74 I 176 und dort
angeführte frühere Urteile, 77 I 116, 81 I 196, 83 I 116). Es ist deshalb
zu prüfen, ob die Rechtsauffassung, welche dem vom Grossen Rat auf Antrag
des Regierungsrates beschlossenen Gesetz vom 30. Januar 1962 zugrunde
liegt, sich mit vernünftigen Gründen vertreten lässt oder zweifellos
unrichtig ist.

Erwägung 4

    4.- § 1 Abs. 1 des angefochtenen Gesetzes verweist die zahlenmässige
Festsetzung des Taggeldes und der Reiseentschädigung, die den Mitgliedern
des Grossen Rates "für ihre Teilnahme an den Ratssitzungen" auszurichten
sind, auf den Weg des Dekretes. Streng genommen deckt dieser Wortlaut die
im folgenden genannten Entschädigungen für "Kommissionssitzungen" bzw. für
die Mitglieder der Begnadigungskommission (§ 2 Abs. 1 und 3) sowie die
Zulagen an den Rats- und die Kommissionspräsidenten (§ 1 Abs. 2 und §
2 Abs. 2) nicht. Es ist indes unbestritten, dass der Sinn von § 1 Abs. 1
der ist, dass die Höhe aller dieser Vergütungen in einem Dekret festgelegt
werden soll. Streitig ist einzig, ob eine solche Gesetzesdelegation mit
der Kantonsverfassung vereinbar ist.

    a) Nach der in der Rechtslehre herrschenden Auffassung steht es
der gesetzgebenden Gewalt, sofern ihr dies nicht ausdrücklich durch eine
Verfassungsbestimmung untersagt ist, frei, die Befugnis zur Rechtssetzung,
wenn auch nicht allgemein, so doch für eine bestimmte Materie, an ein
anderes Staatsorgan weiterzugeben (zu "delegieren"). Das Bundesgericht
steht von jeher auf dem Boden dieser herrschenden Lehre (BGE 74 I 114
Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Es hat sich erst kürzlich
mit der abweichenden Auffassung von GIACOMETTI auseinandergesetzt und
hat dabei in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt,
der in der Schweiz geltende allgemeine Grundsatz der Gewaltentrennung
schliesse nicht aus, dass der Gesetzgeber seine Gewalt indirekt ausübe,
indem er seine Befugnis an ein anderes Organ des Staates delegiere;
um das zu verhindern, bedürfe es vielmehr eines unzweideutigen Verbotes
(BGE 88 I 33/34).

    b) Dass das luzernische Staatsrecht die Gesetzesdelegation
nicht ausschliesse, hat das Bundesgericht bereits in BGE 32 I 112
festgestellt. Im nicht veröffentlichten Urteil vom 15. März 1961
i.S. Müller und Nägeli hat es die Frage erneut geprüft und erklärt, es
bestehe kein Anlass, auf jenen Entscheid zurückzukommen; die KV weise wohl
in § 51 Abs. 1 den Erlass der "Gesetze" dem Grossen Rate zu, umschreibe
aber nicht, was unter "Gesetz" zu verstehen sei, und erkläre nur von Fall
zu Fall eine Materie als Sache der Gesetzgebung; der Grosse Rat habe denn
auch nie aus § 51 Abs. 1 oder § 59 KV geschlossen, dass alle generellen
abstrakten Normen in Gesetzesform zu kleiden seien, sondern habe diese
Form den auf die Dauer angelegten Rechtssätzen von grosser Wichtigkeit
vorbehalten und die Aufstellung minder wichtiger Normen häufig dem
Regierungsrat überlassen (Erw. 2 b). Verbietet aber § 59 KV, wonach der
Grosse Rat seine ihm nach der KV zustehenden Befugnisse an keine andere
Behörde übertragen darf, die Gesetzesdelegation an den Regierungsrat
nicht, so steht er noch weniger der Gesetzesdelegation an den Grossen
Rat entgegen, da damit keine Befugnisse an eine "andere Behörde" als den
Grossen Rat übertragen werden. Auch aus § 45 KV, wonach der Grosse Rat die
gesetzgebende Gewalt innert den verfassunsgmässigen Schranken ausübt, lässt
sich kein allgemeines Verbot der Gesetzesdelegation ableiten. Eine solche
Delegation ist denn auch, wie RONCA, Die Kompetenzen des Grossen Rates des
Kantons Luzern, S. 43 bestätigt, im luzernischen Staatsrecht gebräuchlich.

    c) Die Beschwerdeführer machen übrigens nicht geltend, dass die KV jede
Gesetzesdelegation verbiete. Dagegen behaupten sie, dass immer dann, wenn
die KV für die Regelung einer Materie den Weg der Gesetzgebung vorschreibe,
der Grosse Rat zum Erlass eines dem fakultativen Referendum unterstehenden
Gesetzes verpflichtet, die Gesetzesdelegation also ausgeschlossen
sei. Dies kann jedoch nicht als allgemeiner Grundsatz gelten. Bei der
Auslegung kantonaler Verfassungsvorschriften, die für die Regelung einer
Materie den Weg der "Gesetzgebung" vorsehen, muss, wie schon in BGE 74 I
114 Erw. 3 ausgeführt ist, das Wort "Gesetz" nicht notwendig im formellen
Sinne verstanden werden, sondern darf - sofern nicht sichere Anhaltspunkte
dafür vorliegen, dass die Vorschrift das Gebiet des Gesetzes von demjenigen
der Verordnung abgrenzen will - im materiellen Sinne genommen werden. Es
fragt sich somit, wie es mit den Anhaltspunkten dafür steht, dass § 60
Abs. 2 KV nicht nur den Erlass eines formellen Gesetzes über die in Abs. 1
genannten Vergütungen fordere, sondern dem Gesetzgeber auch verbiete,
in einem solchen Gesetze dem Grossen Rate die Befugnis zu übertragen,
die Höhe der Vergütungen durch Dekret festzusetzen.

    d) Es ist zuzugeben, dass der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte
von § 60 KV zunächst dafür zu sprechen scheinen, dass der Gesetzgeber
die Höhe der Vergütungen selber festzusetzen habe. Als das über diese
Vergütungen in einem Gesetz zu bestimmende "Nähere" fällt vor allem
ihre Höhe in Betracht, während man beim Ausdruck "Gesetz" in erster
Linie an den Gegensatz zu andern Rechtsquellen wie Dekret und Verordnung
denkt. Der Regierungsrat hat denn auch in der Botschaft, mit der er die
heute geltende Fassung von § 60 KV vorschlug, die Ansicht vertreten,
die nähere Regelung der Taggelder und Reiseentschädigungen habe nicht
durch blosses Dekret, sondern auf dem Wege der Gesetzgebung zu erfolgen,
da dem Volke die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, sich über die Höhe
dieser Entschädigungen gegebenenfalls zu äussern.

    Eine nähere Prüfung ergibt indes, dass auch die dem angefochtenen
Gesetz zugrunde liegende Auffassung, wonach der Gesetzgeber die Befugnis
zur Festsetzung der Höhe der Vergütungen an den Grossen Rat delegieren
dürfe, sich mit beachtlichen Gründen vertreten lässt. In § 60 Abs. 2
KV wird dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich die Festsetzung der Höhe der
Vergütungen, sondern nur die Bestimmung des "Näheren" zugewiesen. Diese
doch etwas unbestimmte Ausdrucksweise kann sehr wohl dahin verstanden
werden, dass die Festsetzung der Taggelder und der Bedingungen ihrer
Auszahlung zwar nicht einfach dem Grossen Rate überlassen sei, sondern
dass der Gesetzgeber sich damit zu befassen habe, diesem aber eine
Delegation seiner Befugnisse an den Grossen Rat nicht verwehrt sei. Auch
die Entstehungsgeschichte spricht nicht eindeutig gegen die Zulässigkeit
solcher Delegation. Wenn der Regierungsrat in der Botschaft die Auffassung
vertrat, dem Volke sollte ein Mitspracherecht bei der Festsetzung der Höhe
der Entschädigungen zukommen, so ist damit, auch wenn hiegegen im Grossen
Rat oder in der Öffentlichkeit kein Widerspruch erhoben wurde, nicht
gesagt, dass der Grosse Rat und der Verfassungsgesetzgeber diese Auffassung
teilten, und noch weniger, dass sie eine Delegation, von der damals
offenbar überhaupt nicht die Rede war, als unzulässig erachteten. Nicht
schlüssig ist auch, dass die Höhe der Taggelder zunächst in einem formellen
Gesetz festgelegt wurde. Dass der Grosse Rat durch Dekrete vom 7. März
1944 und 27. November 1951 sich Teuerungszulagen zu den gesetzlichen
Taggeldern bewilligte und dann im Gesetz vom 16. Oktober 1952 nur noch
einen Rahmen für das Taggeld festsetzte, zeigt, dass er jedenfalls damals
nicht der Auffassung war, die Höhe des Taggelds könne nur durch ein dem
Referendum unterstehendes Gesetz festgelegt werden, während der Umstand,
dass diese Dekrete und das Gesetz von keiner Seite angefochten worden
sind, darauf hinweist, dass die Stimmberechtigten daran keinen Anstoss
nahmen. Selbst wenn übrigens der Wille des Verfassungsgesetzgebers von
1928 dahin gegangen wäre, die Bestimmung der Höhe der Vergütungen dem
Gesetzgeber vorzubehalten, wäre dies nicht unbedingt massgebend, da eine
Norm mit der Zeit infolge veränderter Verhältnisse eine andere Bedeutung
gewinnen kann, als wie sie ihr am Anfang zugeschrieben wurde (vgl. BGE
87 III 94). Nun ist der Geldwert seit 1929 immer unstabiler geworden und
wird in der letzten Zeit die Anpassung von Gehältern und Löhnen an die
steigenden Lebenskosten als immer selbstverständlicher betrachtet. Im
Hinblick hierauf ist es sehr wohl möglich, dass eine Auslegung von §
60 Abs. 2 KV, wonach der Gesetzgeber die Höhe der Vergütungen nicht
mehr selber bestimmen müsse, sondern die Bestimmung an den Grossen
Rate delegieren darf, dem Willen des heutigen Verfassungsgesetzgebers
entspricht, worauf auch der Umstand hindeutet, dass das Referendum gegen
das angefochtene Gesetz nicht ergriffen noch auch nur zu ergreifen versucht
worden ist. Die Delegation ist übrigens insofern nicht unwiderruflich,
als die Stimmberechtigten jederzeit die Möglichkeit haben, auf dem Wege
der Verfassungs- oder Gesetzesinitiative (§§ 35 bis und 41 bis KV) eine
Ordnung herbeizuführen, nach welcher die Höhe der Taggelder in einem
formellen Gesetz festzusetzen und eine Delegation ausgeschlossen ist.

    Mögen diese Überlegungen auch die vom Grossen Rat als oberster
kantonaler Behörde vertretene und dem angefochtenen Gesetz zugrunde
liegende Auslegung von § 60 Abs. 2 KV nicht als unanfechtbar erscheinen
lassen, so zeigen sie doch, dass sich gewichtige Gründe für diese Auslegung
anführen lassen, sodass sie jedenfalls nicht als unzweifelhaft unrichtig
zu bezeichnen ist.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführer rügen weiter, dass die in § 1 Abs. 2 und
§ 2 Abs. 2 und 3 des angefochtenen Gesetzes genannten Zulagen an den
Ratspräsidenten, an die Präsidenten der grossrätlichen Kommissionen
und gegebenenfalls an die Mitglieder der Begnadigungskommission über §
60 Abs. 1 KV hinausgehen, daher verfassungswidrig seien und ausserdem
eine rechtsungleiche Behandlung bedeuten, womit dem Sinne nach auch
eine Verletzung des Art. 4 BV geltend gemacht wird. Auch diese Rügen
sind unbegründet. Wenn § 60 Abs. 1 KV von "Taggeld" spricht, will er
zum Ausdruck bringen, dass die Ratsmitglieder mit einem festen Betrag
für diejenigen Tage entschädigt werden sollen, während welcher sie durch
Rats- oder Kommissionssitzungen in Anspruch genommen werden. Im Taggeld
ist grundsätzlich auch die Entschädigung für die Vorbereitung auf die
Sitzungen (Aktenstudium usw.) inbegriffen. Wortlaut und Sinn von § 60
KV schliessen es indes keineswegs aus, dass die Höhe des Taggelds nach
Massgabe des verschieden grossen Arbeits- und Zeitaufwands abgestuft
und die Vergütung für den Rats- und die Kommissionspräsidenten sowie
die Mitglieder bestimmter Kommissionen, deren Arbeits- und Zeitaufwand
grösser als derjenige der übrigen Ratsmitglieder ist, entsprechend höher
bemessen wird. Da es schwierig und umständlich wäre, die unterschiedliche
Beanspruchung jeweils genau zu erfassen, ist es üblich, ihr durch die
Gewährung pauschaler Zulagen zum Taggeld Rechnung zu tragen. So ist auch
das Gesetz vom 30. Januar 1962 vorgegangen. Dieses ist jedenfalls mit
dem Sinne von § 60 Abs. 1 KV vereinbar und verletzt diese Bestimmung
nicht. Ebensowenig kann von einer rechtsungleichen Behandlung die Rede
sein. Nach Art. 4 BV ist Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich,
Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Den
rechtsetzenden Behörden steht es somit zu, eine von der allgemeinen
Ordnung abweichende Sonderregelung zu treffen, wenn die Verschiedenheit
der zu erfassenden Verhältnisse es erfordert (BGE 86 I 279 Erw. 3 a mit
Verweisungen). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Gesetzgeber darf
der verschieden grossen Inanspruchnahme der Mitglieder des Parlaments
durch die Gewährung entsprechender Zulagen zum ordentlichen Taggeld an
wesentlich stärker belastete Mitglieder Rechnung tragen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.