Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 21



88 IV 21

8. Urteil des Kassationshofes vom 10. April 1962 i.S. Generalprokurator
des Kantons Bern gegen X. Regeste

    1.  Art. 164 Ziff. 1 StGB. Eine der Betreibung auf Pfändung
unterliegende Schuldnerin, die als Untersuchungsgefangene in heimlichen
Briefen an Dritte Vorkehren trifft, um Vermögensstücke verheimlichen oder
beiseiteschaffen zu lassen, und hernach dem Betreibungsbeamten diese
Vermögenswerte verschweigt, macht sich des Pfändungsbetruges schuldig
(Erw. 1).

    2.  Art. 25 StGB. Der Anwalt, der solche Briefe weiterleitet, obschon
er weiss, was damit bezweckt wird, ist wegen Gehilfenschaft strafbar
(Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Frau K. befand sich 1960 wegen Vermögensdelikten im
Bezirksgefängnis Bern in Untersuchungshaft. Tagsüber teilte sie mit Frau
A. die Zelle. Als sie am 22. Juli 1960 von S. für einen grösstenteils
ertrogenen Betrag von Fr. 6100.-- betrieben wurde, bezeichnete sie den
bernischen Fürsprecher Dr. X., der amtlicher Verteidiger von Frau A. war,
als ihren Schuldnervertreter im Sinne von Art. 60 SchKG. Dr. X. gab am
6. August dem Betreibungsamt hievon Kenntnis und übernahm einige Tage
später auch die Strafverteidigung von Frau K.

    Frau A. konnte mit dem amtlichen Verteidiger unkontrolliert
korrespondieren. Frau K., deren Briefverkehr unter Zensur des
Untersuchungsrichters stand, benutzte diesen Umstand, um ihren Eltern
in Rorschach und den Eheleuten Z. in Bern, welche sie als frühere
Nachbarn schon zu Beginn der Untersuchungshaft mit der Räumung ihrer
Wohnung beauftragt hatte, heimlich Briefe zukommen zu lassen. Fürsprecher
X. leitete diese Schreiben, welche er von Frau A. erhielt, jeweils an die
Adressaten weiter. Auf diesem Wege bat Frau K. die Eheleute Z. mit Brief
vom 21. August 1960 um Hilfe, damit sie nicht alles verlieren müsse. Nach
dem Schreiben sollte Frau Z. eine grössere Anzahl von Sachen, wie Kleider,
Wäsche, Teppiche, Staubsauger, Ständerlampe, Bilder, Fauteuil, usw.,
die sich in den Wohnungen der Frau K. in Bern und Oberhofen befanden,
entgegen einer früheren Weisung nicht bei der Firma Kehrli und Oeler
einlagern lassen, sondern teils bei sich aufbewahren, teils nach Rorschach
senden. Vom Schmuck im Werte von Fr. 5500.--, den Frau Z. schon früher
zu sich genommen hatte, sollte sie "ums Himmels willen" nichts verlauten
lassen. Frau K. fügte bei, den Eheleuten Z. die Elna-Nähmaschine,
das Bügelbrett, Pfannen usw. schenken zu wollen, wenn sie ihr helfen
würden. Frau Z. ging darauf indes nicht ein, sondern hielt sich an eine
frühere Abmachung, wonach sie nur einige wenige Sachen, insbesondere den
Schmuck, aufbewahren, alles andere aber, vor allem die Möbel, bei Kehrli
und Oeler einstellen sollte. In ihren heimlichen Briefen an ihre Eltern
gab Frau K. diesen unter anderem Weisungen, was für Angaben sie über ihre
Vermögensverhältnisse gegebenenfalls zu machen hätten.

    Dr. X. hatte Kenntnis vom Inhalt des Briefes, den Frau K. am 21. August
1960 an die Eheleute Z. schrieb. Er wusste auch, dass Frau Z. für seine
Klientin Schmuck aufbewahrte und dieser sehr daran gelegen war, ihn den
Gläubigern gegenüber geheim zu halten. Als er im Betreibungsverfahren als
Schuldnervertreter von Frau K. nach pfändbarem Vermögen gefragt wurde,
erklärte er, die Schuldnerin besitze ausser einem Sparheft von Fr. 1500.--,
das ihm vom Untersuchungsrichter übergeben worden war, kein Vermögen in
B., dagegen solle sie auswärts irgendwo eine Wohnungseinrichtung haben,
worüber Frau Z., welche die Räumung der Wohnung besorgt habe, Auskunft
geben könnte. Das Betreibungsamt unterliess es, bei den Eheleuten
Z. nachzuforschen und beschränkte sich darauf, Frau K. selber zur Sache
befragen zu lassen. Diese erklärte dem Betreibungsbeamten, ihre Möbel
befänden sich bei Kehrli und Oeler; weitere pfändbare Sachen besitze sie
nicht. Obschon sie auf die Straffolgen einer Verheimlichung von Vermögen
aufmerksam gemacht wurde, verschwieg sie insbesondere, dass sie noch
Schmuck im Werte von Fr. 5500.-- besass. Die von S. angehobene Betreibung
endete mit einem provisorischen Verlustschein, da nach den Feststellungen
des Betreibungsamtes nicht genug pfändbares Vermögen vorhanden war.

    B.- Das Untersuchungsrichteramt Bern, das Frau K.  hierauf auch wegen
Pfändungsbetruges verfolgte, zog Fürsprecher X. wegen Gehilfenschaft
hiezu in Untersuchung. Es warf ihm vor, im Juli und August 1960 heimliche
Mitteilungen der Frau K. an deren Eltern und Frau Z. weitergeleitet zu
haben, obschon damit bezweckt worden sei, Schmuck und andere Sachen der
Frau K. dem Zugriff des Betreibungsamtes zu entziehen.

    Frau K. wurde vom Strafamtsgericht Bern am 26. April 1961 unter
anderem wegen versuchten und vollendeten Pfändungsbetruges rechtskräftig
verurteilt, wobei bezüglich des verheimlichten Schmuckes, der von der
Pfändung nicht erfasst worden war, vollendete, in bezug auf die Möbel
versuchte Begehung angenommen wurde, da diese Vermögensstücke von Frau
Z. entgegen dem Brief vom 21. August bei Kehrli und Oeler eingelagert
worden waren und dort gepfändet werden konnten. Fürsprecher X. wurde
von der Anschuldigung der Gehilfenschaft zu Pfändungsbetrug freigesprochen.

    Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte diesen Freispruch am 16.
November 1961. Es hielt Dr. X. subjektiv zwar für schuldig, vertrat
indes die Auffassung, dessen Rolle bei der Übermittlung der Briefe sei
dem objektiven Tatbestande nach nicht erfassbar.

    C.- Der Generalprokurator des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die
Sache zur Verurteilung von Dr. X., eventuell zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    D.- Dr. X. beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 164 Ziff. 1 StGB macht sich der der Betreibung auf
Pfändung unterliegende Schuldner unter anderem strafbar, wenn er sein
Vermögen zum Nachteil der Gläubiger scheinbar vermindert, namentlich
Vermögensstücke beiseiteschafft oder verheimlicht.

    Der Beschwerdegegner wendet unter Berufung auf die akzessorische
Natur der Gehilfenschaft vorweg ein, ein Pfändungsbetrug der Frau
K. liege überhaupt nicht vor, insbesondere könne ein solcher nicht schon
darin erblickt werden, dass die Schuldnerin den Betreibungsweibel bei
der Einvernahme vom 17. Oktober 1960 angelogen habe; diese habe sich
dadurch höchstens des Ungehorsams im Betreibungsverfahren im Sinne von
Art. 323 StGB, also einer blossen Übertretung, schuldig gemacht. Art. 164
Ziff. 1 StGB setze ein Handeln voraus, nämlich ein Beiseiteschaffen
oder Verheimlichen; dazu sei aber Frau K. im Gefängnis gar nicht in der
Lage gewesen.

    Der Einwand geht fehl.

    a) Strafbar gemacht im Sinne des Art. 164 Ziff. 1 StGB hat sich Frau
K. schon mit der Weisung an Frau Z., einen Teil ihrer Habe nicht bei
der Firma Kehrli und Oeler einzulagern, sondern bei sich zu verwahren,
und insbesondere über den Schmuck nichts verlauten zu lassen. Mit
den Anweisungen der Schuldnerin an ihre Eltern, welche Auskunft diese
gegebenenfalls über ihre Eigentumsverhältnisse an Mobiliar und Auto
usw. zu geben hätten, verhält es sich nicht anders. Im einen wie im
andern Fall ging es Frau K. ganz offensichtlich darum, Gegenstände,
die von der Pfändung erfasst werden konnten, dem Blick oder der Kenntnis
des Betreibungsbeamten zu entziehen, also im Sinne von Art. 164 Ziff. 1
StGB beiseitezuschaffen oder zu verheimlichen. Dass sie die Weisungen an
Frau Z. und ihre Eltern vom Gefängnis aus erteilte, steht dieser Annahme
nicht im Wege. Frau K. sah im freien Briefverkehr, den Frau A. mit ihrem
Verteidiger genoss, eine Möglichkeit, die Pfändung des Schmuckes und
anderer Vermögenswerte, die ihr besonders teuer waren, zu vereiteln;
sie hat diese Gelegenheit wahrgenommen und alles getan, was an ihr lag,
um ihren Plan zu verwirklichen. Freilich musste sie sich dabei weitgehend
Dritter als Werkzeuge bedienen; die Untersuchungshaft hinderte sie indes
nicht daran, über Vermögensstücke schriftlich zu verfügen und Vorkehren
zu treffen, die auf eine tatsächliche oder scheinbare Verminderung
ihres Vermögens abzielten. Wie aus heimlichen Schreiben an ihre Eltern
hervorgeht, war sie denn auch trotz des Gefängnisaufenthaltes in der Lage,
Auto und Kühlschrank veräussern zu lassen und über den Verkaufserlös wie
ein Eigentümer zu verfügen.

    Nach ständiger Rechtsprechung (BGE 85 IV 133 Erw. 3 und dort
angeführte Urteile) ist für die Frage, ob Täterschaft oder Anstiftung
vorliege, nicht so sehr auf die Beteiligung an der Ausführungshandlung,
als vielmehr entscheidend auf das Mass des schuldhaften Willens
abzustellen. Frau K. beschränkte sich nicht darauf, Dritten Anweisungen
zu geben, wie die rechtswidrige Vermögensverminderung zum Nachteil
ihrer Gläubiger zu bewerkstelligen sei; sie traf auch die zur Tarnung
ihrer Vermögensverhältnisse notwendigen Verfügungen und Massnahmen.
Diese Bemühungen um die Verwirklichung ihrer Absicht stempeln sie
offensichtlich zur Hauptbeteiligten, die zum Pfändungsbetrug nicht bloss
Dritte anzustiften versuchte, sondern die Tat in erster Linie selber
begangen hat. Das Strafamtsgericht Bern hat Frau K. deshalb zu Recht als
Täterin bestraft.

    Die Frage, ob sich Frau K. zugleich versuchter Anstiftung schuldig
machte, stellt sich nicht, weil diese nach Art. 24 Abs. 2 StGB nur strafbar
ist, sofern sie auf ein Verbrechen abzielt, was hier nicht der Fall war
(Art. 164 Ziff. 2 StGB).

    b) Im Sinne des Art. 164 Ziff. 1 StGB strafbar gemacht hat sich
die Schuldnerin übrigens auch, indem sie dem Betreibungsbeamten am
17. Oktober 1960 erhebliche Vermögenswerte verschwieg, ihm auf Befragung
sogar erklärte, sie besitze ausser den bei der Firma Kehrli und Oeler
eingelagerten Möbeln keine weiteren pfändbaren Sachen. Darin liegt nicht
mehr blosse, nach Art. 323 StGB zu ahndende Weigerung des Schuldners,
seine Vermögensgegenstände soweit anzugeben, als es zu einer genügenden
Pfändung nötig ist, sondern eine von Frau K. zum Nachteil ihrer Gläubiger
vorgenommene scheinbare Verminderung ihres Vermögens. Verheimlicht im Sinne
von Art. 164 Ziff. 1 StGB werden Vermögensstücke nicht erst dadurch, dass
sie vor dem Betreibungsbeamten versteckt werden, wie der Beschwerdegegner
behauptet, sondern schon, wenn sie dessen Kenntnis durch Schweigen
oder falsche Angaben vorenthalten werden; erforderlich ist nur, dass der
Schuldner in der Absicht handelt, seine Gläubiger zu schädigen. Das trifft
hier zu. Es ging der Schuldnerin noch am 17. Oktober 1960 darum, bestimmte
Vermögensstücke dem Zugriff des Betreibungsamtes zu entziehen. In bezug
auf den Schmuck ist ihr dies auch gelungen, während ihr weitergehender
Versuch einzig am Verhalten von Frau Z. scheiterte; sie ist deshalb zu
Recht wegen vollendeten und versuchten Pfändungsbetruges bestraft worden.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 25 StGB macht sich der Gehilfenschaft schuldig, wer
zu einem Verbrechen oder zu einem Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet,
d.h. wer das Verbrechen oder Vergehen eines andern vorsätzlich fördert
(BGE 78 IV 7).

    Die Weisungen, die Frau K. ihren Eltern und den Eheleuten Z. in
heimlichen Schreiben erteilte, zielten objektiv und subjektiv darauf
ab, Vermögensstücke zum Nachteil der Gläubiger beiseitezuschaffen
oder zu verheimlichen. Indem Dr. X. diese Schreiben jeweils an die
Adressaten weiterleitete, hat er die Tat der Schuldnerin unmittelbar
begünstigt, ihr also in erster Linie physische Beihilfe geleistet. Wie
der Beschwerdeführer mit Recht geltend macht, liegt aber auch psychische
Gehilfenschaft vor. Solche setzt nicht voraus, dass Frau K. bei der
Einvernahme vom 17. Oktober 1960 ohne Hilfe des Beschwerdegegners keine
falschen Angaben gemacht und nichts verschwiegen hätte, mit andern Worten,
dass das Verhalten von Dr. X. Mitursache der Tat gewesen sei; es genügt,
dass seine Hilfe, so wie sich die Ereignisse abspielten, den versuchten
und vollendeten Pfändungsbetrug der Schuldnerin gefördert hat (BGE 78 IV
7, 79 IV 147). Dies trifft zu. Freilich hatte Frau K. keine Gewissheit,
ob die Schreiben die Adressaten tatsächlich erreicht hatten; es ist
indes offensichtlich, dass sie von dieser Annahme ausging, als sie den
Betreibungsbeamten anlog. Anders kann ihr Verhalten vom 17. Oktober 1960
gar nicht erklärt werden.

    Der Beschwerdegegner hat nach seinen eigenen Ausführungen zur
Nichtigkeitsbeschwerde vom Inhalt der fraglichen Schreiben jeweils
zumindest flüchtig Kenntnis genommen. Nach den tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz wusste er insbesondere, dass Frau K. Schmuck besass
und diesen dem Zugriff des Betreibungsamtes entziehen wollte. Er hat
das Verhalten der Schuldnerin mit Wissen und Willen, also vorsätzlich,
gefördert und ist daher als Gehilfe im Sinne des Art. 25 StGB zu bestrafen.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Bern vom 10. November 1961 aufgehoben und die
Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen.