Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 18



88 IV 18

7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1962
i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Michel. Regeste

    Art. 153 Abs. 2 und Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

    1.  Der Vorwurf gewerbsmässiger Tatbegehung trifft nicht nur, wer
um eigenen, sondern auch, wer um fremden Erwerbes willen gehandelt hat
(Erw. 1).

    2.  Gewerbsmässigkeit setzt keine soziale Entfremdung des Täters voraus
(Erw. 2.).

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,
vergeht sich gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen
zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln,
die Tat wiederholt (BGE 86 IV 207 und dort angeführte Entscheidungen).

    Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass der Beschwerdegegner
während anderthalb Jahren fortlaufend mit solcher Bereitschaft Waren
gefälscht und diese dann in Verkehr gebracht hat. Es frägt sich daher
bloss noch, ob er dabei auch mit der genannten Erwerbsabsicht gehandelt
habe. Die Vorinstanz erachtet als erwiesen, dass Michel die unerlaubte
Kalkbeimischung vornahm, um angesichts der gestiegenen Löhne und Unkosten
einen besseren Preis für das Futtermehl zu erzielen. Sie hält diese
Tatsache aber zur Annahme gewerbsmässiger Tatbegehung für ungenügend,
weil der unrechtmässige Mehrgewinn nicht ihm, sondern der von ihm
geleiteten Unternehmung zugekommen war. Damit verkennt sie den Begriff
der Gewerbsmässigkeit.

    Der Täter, der in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu
gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln,
die Tat wiederholt, wird gegenüber dem nichtgewerbsmässigen Delinquenten
nicht wegen der zumeist egoistischen Beweggründe, sondern wegen seiner
besonderen sozialen Gefährlichkeit mit schärferer Strafe bedroht (BGE
86 IV 11 und dort angeführte Entscheidungen). Diese Gefährlichkeit aber
besteht ohne Unterschied, ob der Täter das Gewerbe für sich oder für einen
Dritten betreibt. Seiner Einstellung, strafbare Handlungen als Mittel
zur Erzielung von Einnahmen zu betrachten und davon bei jeder passenden
Gelegenheit Gebrauch zu machen, ist denn auch das Publikum in beiden
Fällen gleicherweise ausgesetzt. Dem Beschwerdegegner hilft daher nicht,
dass der mit der unzulässigen Kalkbeimischung erzielte Gewinn nicht ihm
persönlich, sondern der von ihm geleiteten Firma zukam. Vielmehr trifft
ihn der Vorwurf, gewerbsmässig gehandelt zu haben, ebenso, wie wenn er um
eigenen Erwerbes willen gehandelt hätte (vgl. BGE 70 IV 135, 76 IV 240 und
das nichtveröffentlichte Urteil i.S. Wismer vom 19. Dezember 1958). Der
Umstand, dass er es nicht auf die Erzielung eines persönlichen Gewinnes
abgesehen hatte, ist lediglich im Rahmen des Art. 63 StGB von Belang.

Erwägung 2

    2.- Der Vorinstanz kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie
annimmt, Gewerbsmässigkeit sei nur gegeben, wenn neben der Erwerbsabsicht
dem Täter gleichzeitig eine soziale Entfremdung nachgewiesen werden
könne. Das Bundesgericht hat diese Auffassung schon wiederholt als
unzutreffend verworfen und an seiner Praxis auch gegenüber dem von
der Vorinstanz angerufenen Schrifttum festgehalten (BGE 79 IV 12 und
dort angeführte Entscheidungen). Von dieser Rechtsprechung abzugehen,
besteht auch im vorliegenden Falle kein Grund. Denn mit dem Begriff
der Gewerbsmässigkeit wollten nicht bloss besonders krasse Fälle
erfasst werden, etwa nur solche, die von einer sozialen Entfremdung,
einer niedrigen Gesinnung oder von einem schimpflichen Motiv des
Täters zeugen. Solche Umstände kennzeichnen übrigens die Tat nicht
notwendigerweise als gewerbsmässige, kann doch der Täter das Verbrechen
oder Vergehen auch aus andern Gründen, z.B. aus Not, zum Gewerbe machen
(vgl. BGE 74 IV 142). Der Begriff der Gewerbsmässigkeit ist für das
gesamte gemeine Strafrecht ein einheitlicher (BGE 87 IV 53 oben), und
massgebend dafür, was als gewerbsmässige Tatbegehung zu gelten habe, kann
nur der Begriff des erlaubten Gewerbes sein. Es ist daher gegeben, mit der
bisherigen Rechtsprechung das Merkmal darin zu erblicken, dass der Täter in
der dem Gewerbebetrieb eigenen Bereitschaft, um des Erwerbes willen gegen
unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt, wo immer sich passende
Gelegenheit bietet (BGE 71 IV 85, 115; 78 IV 154; 79 IV 13; 86 IV 10, 207).