Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 123



88 IV 123

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Oktober 1962
i.S. Schlüchter gegen Schrag und Verlag des Schweiz. Kaufmännischen
Vereins sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Zürlch. Regeste

    Art. 1 Abs. 2, Art. 42 Ziff. 1 lit. a und b URG.

    1.  Das Urheberrecht an einem Lehrbuch ist auch verletzt, wenn das Werk
in seinen charakteristischen Grundzügen, namentlich hinsichtlich Planung,
Auswahl und Erfassen des Stoffes oder Anordnung und Gliederung desselben,
übernommen wird (Erw. 1).

    2.  An Übungen und Anleitungen eines Lehrbuches für Maschinenschreiben
besteht Urheberrecht, wenn sie originelles Ergebnis geistigen Schaffens
sind (Erw. 2).

    3.  Zum Verhältnis von Art. 42 Ziff. 1 lit. a zu 43 Ziff. 2 URG
(Erw. 3).

    4.  Mit Werk im Sinne des Art. 42 Ziff. 1 lit. b URG ist nicht das
wiedergebende, sondern das wiedergegebene gemeint (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Fritz Schrag, Lehrer an der Kantonalen Handelsschule in Zürich,
verfasste ein Lehrbuch für Maschinenschreiben, das 1958 im Verlag des
Schweizerischen Kaufmännischen Vereins in neunter Auflage erschien.

    Das Kaufmännische Lehrinstitut in Zürich erteilte unter der Leitung von
Hans Schlüchter Fernkurse für Maschinenschreiben, wobei den Schülern fünf
Lehrhefte zugestellt wurden. Das letzte Heft, welches die Seiten 55 bis
71 des Lehrganges umfasste, wurde von Heidi Schlüchter zusammengestellt,
vervielfältigt und bis 1. April 1958 an ungefähr zwanzig Schüler versandt.

    Schrag hielt den Lehrgang Schlüchters für ein Plagiat seines Lehrbuches
und stellte Strafantrag wegen Verletzung von Urheberrechten.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte als Berufungsinstanz am
4. Mai 1961 Heidi Schlüchter der Übertretung von Art. 42 Ziff. 1 lit. a und
b URG schuldig und verurteilte sie zu einer bedingt vorzeitig löschbaren
Busse von Fr. 150. -.

    Den Werkcharakter des Lehrbuches von Schrag bejahte es vor allem aus
folgenden Gründen: Entscheidend sei, dass über ein blosses quantitatives
Zusammenstellen eines Stoffes hinaus eine qualitative und einigermassen
originelle wissenschaftliche Bearbeitung stattgefunden habe. Freilich
habe die Gebundenheit an die Tastaturanordnung, an das Zehnfingersystem,
an die Schrift und auch an den Stoff dem individuell-schöpferischen
Schaffen keinen grossen Spielraum gelassen; dennoch sei unverkennbar,
dass Schrag eine eigenständige und unverwechselbare Leistung vollbracht
habe. Bereits das Sammeln von Erfahrungen stelle in derartigen Fällen
eine gewisse geistige Leistung dar; die eigentliche qualitative Leistung
bestehe indes in der Verwertung des Gesammelten, mit dem Ziel, dem Schüler
die sichere Beherrschung des Maschinenschreibens beizubringen. Was die
Auswertung von Erfahrungen anbelange, so zeigten schon die Vorbemerkungen
des Verfassers, dass dieser mit dem Stoff sehr vertraut sei und sich um
dessen Bearbeitung besonders bemüht habe.

    Die Aufteilung des eigentlichen Lehrganges in "Erarbeitung der
Tastatur" und "Praktische Arbeiten" sei nicht originell, sondern in der
Natur der Sache begründet. Dagegen zeugten die Fingerübungen von einer
eigenen Leistung; jede Übung charakterisiere sich durch einen besondern
Aufbau und hange namentlich in bezug auf die Wahl der Buchstaben- und
Wortfolgen mit den früheren Übungen zusammen. Indem der Verfasser immer
wieder auf Erlerntes zurückgreife und Schwieriges wiederhole, suche er
die gewünschten Bewegungen gewissermassen zu erzwingen. Dieser didaktisch
wohldurchdachte Aufbau sei das Auswertungsergebnis einer reichen Erfahrung,
also die Frucht einer geistigen Tätigkeit. Ob die von Schrag gewählte
Reihenfolge in bezug auf Übungen und Buchstaben besser sei als diejenige
anderer Lehrbücher, sei nicht von Belang; immerhin weise die Tatsache,
dass die Angeklagte gewisse Fingerübungen weitgehend abgeschrieben habe,
darauf hin, dass sie gerade diese didaktisch für besonders wertvoll
betrachtete. Die "Praktischen Arbeiten" enthielten zahlreiche, nach
Schwierigkeitsgrad geordnete Musterbriefe, wobei besonders Gewicht auf
saubere und gefällige Darstellung gelegt werde; zudem erschienen diese
Arbeiten in besonderer Weise auf die Fingerübungen abgestimmt. Der Inhalt
der Briefe trete gegenüber der Form naturgemäss stark zurück, weshalb der
eigenen Leistung ziemlich enge Grenzen gesteckt seien. Wo dem Verfasser
derart wenig Spielraum zur Verfügung stehe, könne kein hoher Grad von
Originalität verlangt werden. Ein Mindestmass von schöpferischer Leistung
sei jedoch auch hier gegeben.

    C.- Heidi Schlüchter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, der Verlag des
Schweizerischen Kaufmännischen Vereins und Schrag beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wissenschaftliche Werke, wie Lehrbücher, Abhandlungen oder Beiträge
wissenschaftlicher Art, fallen unter den Begriff der literarischen
Werke im Sinne des Art. 1 Abs. 2 URG und werden als solche geschützt,
sofern sie nicht bloss literarisches Gemeingut enthalten, sondern als
Ergebnis geistigen Schaffens eigenpersönlicher Prägung zu werten sind
(vgl. BGE 75 II 359 f., 85 II 123 Erw. 3 und dort angeführte Urteile). Am
eindrücklichsten sind diese Schutzvoraussetzungen erfüllt, wenn das
Schriftwerk den Stempel der Persönlichkeit des Verfassers trägt. Da an
das Mass der geistigen Leistung keine hohen Anforderungen gestellt werden,
wird der urheberrechtliche Schutz aber auch schon gewährt, wenn bloss ein
geringer Grad selbständiger Tätigkeit vorliegt (BGE 59 II 405); versagt
werden muss er dagegen dort, wo dem Verfasser des Werkes von vorneherein
kein Spielraum für individuelles Schaffen bleibt.

    Der Schutz des Urheberrechts bezieht sich in jedem Fall bloss auf die
konkrete Darstellung der geistigen Leistung. Gedanken und Lehren werden
mit der Veröffentlichung ihrem Sinngehalte nach frei und sind, selbst
wenn das Schriftwerk neue Erkenntnisse vermittelt, urheberrechtlich nicht
geschützt. Dies will indes nicht heissen, dass bei wissenschaftlichen
Werken der Schutz sich auf die äussere Mitteilungsform zu beschränken
habe; eine Verletzung von Urheberrechten ist vielmehr auch anzunehmen,
wenn ein Werk in seinen charakteristischen Grundzügen, namentlich
hinsichtlich Planung, Auswahl und Erfassen des Stoffes oder Anordnung und
Gliederung desselben, übernommen wird. In diesem Sinne ist entgegen der
anderslautenden Auffassung von TROLLER (Immaterialgüterrecht, Bd. I S. 364
ff.) auch der Inhalt eines Werkes urheberrechtlich nicht schlechthin frei,
Urheberrecht also nicht nur Formschutz (vgl. zur gesamten Frage besonders
ULMER, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 105 ff. insbes. S. 108/9;
ferner BGE 64 II 112).

Erwägung 2

    2.- Nach diesen Grundsätzen kann nicht zweifelhaft sein, dass das
Lehrbuch Schrags als Ganzes aus den vom Obergericht angeführten Gründen
ein literarisches Werk im Sinne des Art. 1 Abs. 2 URG darstellt. Dies zu
bestreiten, steht der Beschwerdeführerin umsoweniger an, als sie für sich
selbst Urheberrechtsschutz beanspruchte, liess sie doch auf dem Umschlag
des Heftes den Vermerk anbringen, dass weder Veräussern, noch Verleihen
oder sonstiges Verbreiten, noch Vervielfältigen des Kurses im Sinne
von Art. 12 ff. URG gestattet seien. Entgegen ihrer Behauptung ist ein
Lehrgang für Maschinenschreiben sehr wohl des Urheberrechtsschutzes fähig,
wenn ihn, wie hier, die konkrete Darstellungsform als Werk auszeichnet
(BGE 70 II 59, 77 II 380 Erw. 2).

    Ist ein Werk als Ganzes schutzfähig, so heisst das nicht
notwendig, dass es auch die einzelnen Teile seien, wie die Geschädigten
behaupten. Dies trifft vielmehr nur zu, wenn die fraglichen Teile als
solche den Schutzvoraussetzungen genügen (ULMER, aaO 117; BGE 85 II 123
Erw. 3). Es ist deshalb zu prüfen, ob die Stellen, welche Heidi Schlüchter
dem Lehrbuch Schrags entlehnte, für sich genommen Werkcharakter aufweisen,
und sofern das zu bejahen ist, ob sie die Beschwerdeführerin im Sinne
des Art. 42 Ziff. 1 lit. a URG wiedergegeben hat.

    a) Die Beschwerdeführerin entnahm dem Lehrbuch Schrags fünf Übungen,
die inhaltlich Geschäftsbriefe darstellen, aber vom Datum bis zur
Unterschrift aus einem einzigen Abschnitt bestehen. In bezug auf den
Inhalt änderte sie durchwegs lediglich Namen und Ziffern; dagegen gab
sie die Übungen mit einer Ausnahme in handelsüblichen Briefformen wieder,
mit andern Worten, sie löste die Aufgaben der Vorlage. Ausserdem übernahm
sie ein Briefmuster in den wesentlichen Teilen. Der Inhalt der benutzten
Übungen unterscheidet sich in nichts von demjenigen alltäglicher
Geschäftsbriefe. Dass es sich anders verhielte und ihm insoweit ein
Urheberrecht zustünde, wagt auch Schrag nicht zu behaupten. Wenn sein
Lehrbuch in diesem Teile noch eine gewisse Individualität aufweist, kann
diese lediglich in der Auswahl und Anordnung der Briefe erblickt werden. In
den den Übungen vorangehenden Erläuterungen bemerkt der Verfasser,
dass die Aufgaben nach dem Schwierigkeitsgrad geordnet seien. Am Anfang
handle es sich um leichte Briefe (Zerlegen in Abschnitte, Unterstreichen,
Einrücken oder Einmitten einzelner Satzteile), dann folgten Schritt um
Schritt weitere Darstellungsmöglichkeiten, bis zuletzt auch schwierigere
Aufstellungen vorkämen. Indem Schrag somit an sich alltägliche Briefe
nicht beliebig verwendete, sondern sie zur Unterrichtung des Schülers
nach pädagogischen Gesichtspunkten auswählte und anordnete, gab er seinem
Lehrgang auch in diesem Abschnitt eine persönliche Note, zu der es einer
individuellen geistigen Tätigkeit bedurfte.

    Von einer Verletzung von Urheberrechten durch Heidi Schlüchter kann
indes gleichwohl nicht die Rede sein. Es ist offensichtlich, dass sich die
Beschwerdeführerin um die charakteristischen Grundzüge der Übungen, nämlich
Auswahl und Anordnung der Briefe, in keiner Weise kümmerte. Sie für die
Benutzung von sechs Aufgaben, die sie offenbar willkürlich auswählte,
bestrafen, hiesse demnach den Inhalt alltäglicher Briefe schützen. Das
ist nicht angängig. Heidi Schlüchter ist daher insoweit nicht strafbar.

    b) Schrag wirft der Beschwerdeführerin ferner vor, seinem Lehrbuch
Anleitungen und Erläuterungen entnommen zu haben, die sich auf die
Beherrschung der Ziffernreihe, das Anschlagen einer Akzententaste,
die Verwendung von besondern Zeichen (&-Zeichen, Klammern, Sternchen,
Schrägstrich, Anführungs- und Fortsetzungszeichen), auf das Unterstreichen,
das Papier (Qualität, Farbe, Format, Einspannen) und die Darstellung von
Adresse oder Anrede bezögen.

    Nach Auffassung der Beschwerdeführerin geht es hier um
Binsenwahrheiten, die in allen Schulen gelehrt würden, oder um Ratschläge,
die in jedem Papierkatalog enthalten seien. Sie hat insofern recht, als die
entlehnten Stellen offenbar keine neuen Erkenntnisse vermitteln. Darauf
kommt indes bei der Prüfung der Frage, ob Urheberrechte verletzt worden
seien, nichts an; massgebend ist vielmehr einzig, ob die konkrete
Darstellung des Gedankens individuelle Züge aufweise, also originell
sei. Dies ist selbst bei einem an sich nichtssagenden Einfall möglich. Bei
Sprachwerken kommt zwar der Auswahl des zu behandelnden Gegenstandes
eine besondere Bedeutung zu. Dem Verfasser eines wissenschaftlichen
Werkes insbesondere sind in der individuellen Sprachgestaltung viel
engere Grenzen gezogen als z.B. einem Dichter oder Romanschriftsteller,
weil er sich an bestimmte Sachverhalte und namentlich an Fachausdrücke zu
halten hat, wenn er ernst genommen und verstanden werden will. Aber selbst
dann dürfte es selten vorkommen, dass ein und derselbe Gedanke nicht auf
verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden könnte, ohne dass die
Sprachgebilde deswegen literarisch gleichwertig zu sein brauchen. Anders
verhält es sich jedenfalls hier nicht.

    Zum Beweise dafür, dass beispielsweise die Ausführungen Schrags
über die Verwendung der Klammern und des Sternchens jeder Originalität
entbehrten, beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Lehrbücher
von Brauchlin, Cochard, Wiesmann-Strehler und Weber. Der Vergleich der
angerufenen Stellen zeigt jedoch eindeutig, dass es sehr wohl möglich ist,
den gleichen Gedanken in unabhängige und unverwechselbare Sprachgebilde zu
kleiden. Die von Schrag gewählte Formgebung zeichnet sich, soweit das die
Behandlung des Gegenstandes erlaubte, durch Selbständigkeit aus, beruht
also auf einer individuellen geistigen Tätigkeit. Sie hebt sich zumindest
in dem Masse von den erläuternden Texten der angeführten Verfasser ab,
als sich die literarische Gestaltung des einen Wörterbuches von derjenigen
des andern unterscheidet. Wörterb üchern aber wird nach der herrschenden
Lehrmeinung durchwegs Werkcharakter zuerkannt (vgl. ULMER, aaO 108;
POUILLET, Traité de la propriété littéraire et artistique, S. 45 Nr. 24;
TROLLER, aaO 419, allerdings mit Vorbehalten).

    Werden dagegen die entsprechenden Ausführungen der Beschwerdeführerin
mit denjenigen Schrags verglichen, so wird offensichtlich, dass es
sich bei den ersteren um Wiedergaben handelt. Darüber vermögen auch
die kleinen Änderungen, die offenbar bloss zur Tarnung des Vorgehens
vorgenommen wurden, nicht hinwegzutäuschen. Das Gleiche gilt von den
übrigen Anleitungen und Erläuterungen, die dem Lehrbuch Schrags entnommen
worden sind. Zwei Ausnahmen sind immerhin gegeben:

    aa) Die Fingerzuteilung in der Ziffernreihe wird von Schrag wie
folgt erläutert: "Linke Hand: a-Finger = 2, s-Finger = 3, d-Finger =
4 ..... rechte Hand: j-Finger = 7 und 8 ...". Es handclt sich hier um
eine in der Schweiz allgemein übliche Erläuterungsform, die individuellem
Schaffen keinen Spielraum mehr lässt. Die Anleitung Schrags kann sowenig
wie diejenige der Beschwerdeführerin, die das Gleichheitszeichen durch das
Zeitwort "schlägt an" ersetzte, als originell bezeichnet werden. Übrigens
ist nicht einzusehen, was Heidi Schlüchter in diesem Punkte noch hätte
tun können, um ihre Ausführungen literarisch von der Vorlage abzuheben.

    bb) Von irgendwelcher Originalität kann auch bei den Ausführungen
Schrags über die Verwendung des &-Zeichens keine Rede sein. Die hiervor
angeführten Verfasser ähnlicher Lehrbücher äussern sich durchwegs in
den gleichen herkömmlichen Formen. Heidi Schlüchter hat deshalb keine
Urheberrechte verletzt, wenn sie sich an die Formulierung Schrags hielt
und das von diesem erwähnte Beispiel teilweise übernahm.

    c) Die dem Lehrbuch Schrags entnommenen Fingerübungen bestehen
aus ausgewählten Verbindungen von Buchstaben und Ziffern, die sich im
Laufe der Übung nach einem bestimmten Plan wandeln und wiederholen. Die
verschiedenen Spielarten sind zweifelos sowohl in ihrer Konzeption wie in
ihrer planmässigen Anordnung und Abwandlung das Ergebnis einer geistigen
Tätigkeit. Gewiss werden einige davon auch in andern Lehrbüchern enthalten
sein. So ist die Verbindung k9k auch in den Lehrgängen von Weiss und Mantel
anzutreffen; bei letzterem sind auch die Gruppen f6f und j7j zu finden. Es
handelt sich jedoch hiebei um Einzelfälle, welche die Originalität der
Übungen Schrags nicht zu beeinträchtigen vermögen. Hieran ändert auch
nichts, dass die Übungen keinen Gedanken ausdrücken. Es genügt, dass sie
nicht einer Schablonenarbeit, sondern individuellem Schaffen entspringen
und in ihrer Zusammenstellung originell sind. Das trifft zu. Ihr didaktisch
wohldurchdachter Aufbau beruht nach den verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz auf intensiver Beobachtung und der Auswertung von reichen
Erfahrungen, ist also, wie das Obergericht zutreffend folgert, die Frucht
einer schöpferischen Tätigkeit. Die benutzten Fingerübungen geniessen
daher auch als blosse Teile des Werkes den Schutz des Urheberrechts. Zu
Bedenken besteht umsoweniger Anlass, als sich Heidi Schlüchter nicht
damit begnügte, bloss vereinzelte Verbindungen zu übernehmen, sondern
ganze Zeilen sklavisch abschrieb.

Erwägung 3

    3.- Dass der Lehrgang Schlüchters ein Schulbuch im Sinne des
Art. 27 Abs. 1 URG sei, behauptet die Beschwerdeführerin nicht und kann
dahingestellt bleiben; denn bei den benutzten Stellen handelt es sich
jedenfalls nicht um Zitate, welche das Gesetz unter der Voraussetzung,
dass die Quelle deutlich angegeben wird, im Interesse des Schulunterrichts
zulässt. Heidi Schlüchter hat ihr Vorgehen bewusst verschleiert, indem
sie Übungen der Vorlage miteinander vermengte, übernommene Texte leicht
abänderte und auf das ganze Heft verteilte. Demnach aber liegt keine
blosse Unterlassung der Quellenangabe (Art. 43 Ziff. 2 URG), sondern eine
Verletzung von Urheberrechten durch unzulässige Wiedergabe im Sinne des
Art. 42 Ziff. 1 lit. a URG vor. Die Beschwerdeführerin, die nicht mehr
bestreitet, vorsätzlich gehandelt zu haben, ist daher zu Recht nach dieser
Bestimmung bestraft worden.

Erwägung 4

    4.- Die kantonalen Instanzen halten auch lit. b von Art. 42 Ziff. 1
URG für anwendbar. Nach dieser Vorschrift ist strafbar, wer Exemplare eines
Werkes verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt. Mit Werk kann hier
jedoch nicht das wiedergebende, sondern nur das wiedergegebene gemeint
sein. Die Bestimmungen der lit. a bis d von Art. 42 Ziff. 1 entsprechen
genau denjenigen von Art. 12, wo die dem Urheber vorbehaltene Werknutzung
umschrieben wird. Hiezu gehört unter anderem das ausschliessliche Recht,
Exemplare des Werkes zu verkaufen, feilzubieten oder sonst in Verkehr
zu bringen (Art. 12 Ziff. 2). Tut dies ein Dritter ohne Einwilligung
des Urhebers, so ist er wegen Verletzung des Urheberrechtes im Sinne
von Art. 42 Ziff. 1 lit. b URG strafbar. Denn untersagt ist nicht nur,
das Werk eines andern nachzuahmen und nachzumachen, sondern schon,
es eigenmächtig wiederzugeben und feilzubieten (vgl. Urteil der I.
Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 4. April 1950 i.S. Mollard & Duboin
gegen Noël Dentelles S.à r.l.).

    Die Beschwerdeführerin hat nicht das Lehrbuch Schrags, sondern nur das
fünfte Heft des Lehrgangs Schlüchters in Verkehr gebracht. Strafrechtlich
irrelevant ist indes auch das nicht. Die Anwendung des Art. 42 Ziff. 1
lit. a URG setzt voraus, dass die Wiedergabe des Werkes zum Vertrieb
bestimmt ist. Hätte Heidi Schlüchter das fragliche Heft lediglich für den
eigenen privaten Gebrauch zusammengestellt, so könnte sie sich auf Art. 22
URG berufen, wäre also nicht strafbar. Indem die Beschwerdeführerin das
Heft aber für Schüler des Kaufmännischen Lehrinstitutes verfasste und
es solchen zustellte, machte sie sich strafbar, jedoch nur nach Art. 42
Ziff. 1 lit. a URG.