Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 IV 11



88 IV 11

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. März 1962 i.S. Koller
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. Regeste

    Art. 61 Abs. 4 und Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

    1.  Die für den Fall des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter
Waren obligatorisch vorgesehene Urteilspublikation hat stets unter
Namensnennung zu erfolgen (Erw. 3).

    2.  In welchem Organ das Strafurteil zu veröffentlichen ist,
entscheidet sich nach dem mit der Urteilspublikation verfolgten Zwecke
(Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Koller, der seit 1957 in Rotkreuz eine Metzgerei betreibt, färbte
wiederholt Cervelats und Wienerli mit einem Teerfarbstoff. Dies tat er
jeweils dann, wenn ihm fertig geräucherte Würste der genannten Art zur
sofortigen Lieferung an Kunden fehlten.

    B.- Das Strafobergericht des Kantons Zug verurteilte Koller am
31. Oktober 1961 wegen gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter
Waren (Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu einer bedingt aufgeschobenen
Freiheitsstrafe von 30 Tagen Gefängnis und zu Fr. 200.-- Busse.
Im weiteren ordnete das Gericht die einmalige Veröffentlichung des Urteils
im kantonalen Amtsblatt an.

    C.- Koller führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er
beantragt unter anderem, es sei von der Urteilspublikation im kantonalen
Amtsblatt abzusehen, eventuell sei das Urteil ohne Namensnennung und
lediglich in der Schweizerischen Metzgerzeitung zu publizieren.

Auszug aus den Erwägungen:

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 3

    3.- Die Rüge des Beschwerdeführers, das Strafobergericht habe
Art. 61 Abs. 4 StGB verletzt, indem es die Veröffentlichung des Urteils
unter Namensnennung angeordnet habe, ist unbegründet. Die namentliche
Erwähnung des Schuldigen ist keineswegs nur dann gerechtfertigt,
wenn besondere Gründe der Spezialprävention vorliegen. Die Frage
entscheidet sich vielmehr nach dem Zwecke, den die Urteilspublikation im
Einzelfalle verfolgt. Dieser kann verschiedener Art sein, je nachdem die
Veröffentlichung des Strafurteils im Interesse des Verletzten oder des
Antragsberechtigten angeordnet wird oder im öffentlichen Interesse zum
Schutz des Publikums oder zur Abschreckung nicht bloss des Täters, sondern
auch der übrigen Rechtsgenossen geboten ist (BGE 75 I 218). Dort, wo
das Gesetz, wie in Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, die Veröffentlichung des
Urteils zwingend vorschreibt, schafft es eine unwiderlegliche Vermutung des
öffentlichen Interesses (HAFTER, Allgemeiner Teil, S. 426 Ziff. 4; LOGOZ,
Kommentar, N. 3 zu Art. 61; THORMANN/v. OVERBECK, Kommentar, N. 4 zu
Art. 61). Dieses Interesse gilt bei den Warenfälschungsdelikten vorwiegend
der generalprävenierenden Wirkung der Urteilspublikation. Solchem Zweck
aber kann die Veröffentlichung nur genügen, wenn sie unter Namensnennung
erfolgt. Wie die Erfahrung lehrt, wird die allgemeine Abschreckung
nicht bloss durch den Hinweis auf die Strafe, sondern und vor allem
auch dadurch bewirkt, dass zu gleichen Verfehlungen neigenden Dritten
der Nachteil einer allfälligen Blossstellung vor der Öffentlichkeit ins
Bewusstsein gerufen wird (vgl. BGE 78 IV 16 und 18), welche Folge häufig
mehr gefürchtet wird als die Strafe selber. Ohne Namensangabe müsste aber
die Urteilspublikation gerade dieser letzteren Wirkung entbehren.

    Im weiteren ist nicht zu übersehen, dass Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2
(wie übrigens auch Art. 153 Abs. 2) StGB die Veröffentlichung des
Strafurteils ausser aus Gründen der Generalprävention auch zum Schutze
des Publikums vor dem Täter vorsieht (vgl. insbesondere für das Gebiet der
Lebensmittelpolizei BGE 23 I 98 f.; HAFTER, aaO S. 424/5). Eine wirksame
Warnung der Öffentlichkeit ist jedoch nur denkbar bei namentlicher
Erwähnung des Schuldigen in der Veröffentlichung.

    Schliesslich gebieten in Fällen wie dem vorliegenden auch private
Drittinteressen eine Publikation des Namens. Ohne diese liefen nämlich
Gewerbegenossen des Verurteilten am gleichen Geschäftsort Gefahr, vom
Publikum mangels sicherer Kenntnis des Täters grundlos der bekanntgegebenen
Straftaten verdächtigt zu werden.

    Wenn daher die Vorinstanz annahm, es sei bei der obligatorischen
Veröffentlichung des Strafurteils nach Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der
Name des Schuldigen immer zu publizieren, so hat sie damit in keiner
Weise gegen Art. 61 Abs. 4 StGB verstossen, wonach der Richter Art
und Umfang der Veröffentlichung bestimmt. Ob dem Richter hiemit, wie
der Beschwerdeführer behauptet, die Befugnis eingeräumt werden wollte,
unter Umständen auf eine Namensnennung zu verzichten, kann dahingestellt
bleiben. Selbst wenn die Frage zu bejahen wäre, hätte das Obergericht hier
aus den angeführten Gründen keinesfalls von einer Namensangabe absehen
dürfen. Demgegenüber kommt nicht auf, dass der Beschwerdeführer einen
guten Ruf besitzt, noch nie wegen Warenfälschung bestraft werden musste
und zur Färbung der Würste keine gesundheitsschädlichen Stoffe verwendet
hat. Das Gesetz knüpft die Folge der Urteilspublikation mit Namensnennung
im Falle des Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB einzig an die Gewerbsmässigkeit
der Tatbegehung, unbekümmert darum, ob der Täter sonst gut beleumdet ist
und die in Verkehr gebrachten Waren mit gesundheitsschädlichen Stoffen
behandelt wurden oder nicht. Hätte Koller solche Substanzen verwendet,
um die Würste zu färben, so hätte er sich übrigens zusätzlich auch
der Widerhandlung gegen Art. 38 LMG schuldig gemacht (BGE 81 IV 161
f.). Dass aber die Veröffentlichung des Urteils mit Namensangabe für den
Betroffenen einen tiefen Eingriff in seine gesellschaftliche Geltung und
in seine Persönlichkeitssphäre bedeuten kann, liegt in der Doppelnatur
der Urteilspublikation als Massnahme und Strafe begründet (BGE 75 I 219).

Erwägung 4

    4.- Dem weiteren Eventualantrag des Beschwerdeführers, es sei
das Urteil nicht im Amtsblatt des Kantons Zug, sondern bloss in der
Schweizerischen Metzgerzeitung zu veröffentlichen, kann ebenfalls nicht
stattgegeben werden. Indem die Vorinstanz die einmalige Publikation
des Urteils im kantonalen Amtsblatt anordnete, hat sie das ihr nach
Art. 61 Abs. 4 StGB zustehende Ermessen nicht überschritten. Da
die Veröffentlichung des Urteils nach Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2
StGB, wie ausgeführt, auch dem Schutze des Publikums dient, hat das
Strafobergericht sie vielmehr zutreffend in dem "allgemein gelesenen"
Amtsblatt vorgesehen und nicht auf das Organ der Berufsgattung beschränkt,
der der Beschwerdeführer angehört. Dass das Amtsblatt des Kantons Zug,
angeblich anders als in den übrigen Kantonen, nicht nur einen amtlichen
Teil, sondern auch einen zur Hauptsache privaten Inseratenteil enthält, der
von einem viel grösseren Leserkreis beachtet wird, als das bei einem nur
amtliche Mitteilungen enthaltenden Blatt der Fall ist, führt zu keinem
andern Schluss, sondern bestätigt die Richtigkeit des angefochtenen
Entscheides.