Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 471



88 II 471

67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1962
i.S. Fadyco Handels-AG gegen Seybert & Rahier. Regeste

    Internationales Privatrecht; Alleinvertretungsvertrag.

    Die Qualifikation eines streitigen Rechtsverhältnisses hat nach der
lex fori zu erfolgen (Erw. 2).

    Alleinvertretung: Grundsätze für die Ermittlung des Rechts, das beim
Fehlen einer Rechtswahl der Parteien auf den Alleinvertretungsvertrag
anwendbar ist (Erw. 3).

Auszug aus den Erwägungen:

    A.- Die Klägerin, die Fadyco Handelsaktiengesellschaft in Basel, stand
seit 1955 in Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten, der Firma Seybert &
Rahier, die in der Bundesrepublik Deutschland eine Fabrik für Maschinen-
und Apparatebau betreibt. Die Klägerin kaufte im eigenen Namen und auf
eigene Rechnung Erzeugnisse der Beklagten, namentlich Säurepumpen, die
sie an Kunden in der Schweiz weiterverkaufte.

    Infolge von Meinungsverschiedenheiten der Parteien, die ihren
Grund namentlich in der schleppenden Zahlungsweise der Klägerin hatten,
erklärte die Beklagte am 31. Januar 1961 mit schriftlicher Bestätigung
vom 4. Februar, die Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin abzubrechen und
die ihr erteilten Bestellungen nicht mehr auszuführen. Sie betrieb die
Klägerin auf Bezahlung von offenen Rechnungen im Betrage von Fr. 23'148.80
(DM 22'258.47) nebst 5% Zins seit 21. Dezember 1960 und erwirkte
provisorische Rechtsöffnung für den in Betreibung gesetzten Betrag.

    B.- Die Betriebene erhob Aberkennungsklage. Sie erklärte, die
an sich anerkannte Betreibungsforderung mit einer Gegenforderung in
höherem Betrage zu verrechnen. Diese Gegenforderung stützte sie auf die
Behauptung, die Beklagte habe das zwischen den Parteien bestehende
Alleinvertretungsverhältnis ohne hinreichende Gründe fristlos
aufgehoben und sei darum der Klägerin für den daraus erwachsenen
Schaden ersatzpflichtig. Dieser Schaden belaufe sich auf mindestens
Fr. 40'000. -, da die Klägerin wegen der Liefersperre Bestellungen von
gegen Fr. 100'000.-- nicht habe ausführen können.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Aberkennungsklage. Sie bestritt,
dass zwischen den Parteien ein Alleinvertretungsverhältnis bestanden habe;
ferner nahm sie den Standpunkt ein, der Abbruch der Geschäftsbeziehungen
sei nicht grundlos erfolgt, da die Klägerin ihre längst fälligen Schulden
trotz Aufforderung nicht bezahlt habe.

    C.- Das Zivilgericht und das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt wiesen die Aberkennungsklage ab.

    D.- Gegen das Urteil des Appellationsgerichts vom 16.  Oktober 1962
erklärte die Klägerin die vorliegende Berufung mit dem erneuten Antrag
auf Schutz ihrer Aberkennungsklage.

    Das Bundesgericht führt zur Eintretensfrage aus:

Erwägung 1

    1.- Da ein Geschäft des internationalen Handelsverkehrs im Streite
liegt, ist von Amtes wegen die Frage des anwendbaren Rechts zu prüfen; denn
gemäss Art. 43 OG kann mit der Berufung nur die Verletzung schweizerischen
Rechts gerügt werden, und das Bundesgericht ist daher nur zu dessen
Überprüfung befugt.

Erwägung 2

    2.- Die Parteien sind über die Rechtsnatur ihrer vertraglichen
Beziehungen gegensätzlicher Ansicht. Zur Ermittlung des anwendbaren Rechtes
muss daher vorerst das streitige Rechtsverhältnis qualifiziert werden. Das
hat gemäss der Rechtsprechung nach der lex fori zu geschehen, da diese
dem Richter die Anknüpfungsbegriffe darbietet (BGE 88 II 327 Erw. 2,
85 II 453 Erw. 2. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Kommentar zum OR, Allgemeine
Einleitung, N. 100 und dort erwähnte Entscheide).

    Bei dieser Qualifikation ist davon auszugehen, dass die vertraglichen
Beziehungen der Parteien sich nicht auf eine Anzahl aufeinanderfolgender,
rechtlich voneinander völlig unabhängiger Kaufgeschäfte beschränkten. Es
bestanden zwischen ihnen vielmehr nähere, dauerhaftere Bindungen,
durch welche ihr Verhältnis als sog. Alleinvertretungsvertrag
charakterisiert wird. Nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanzen hatte nämlich bis zum Jahre 1955 Charles Haussmann in Zürich
die Alleinvertretung der Fabrikate der Beklagten für die Schweiz. Dieser
trat dann als Prokurist in den Dienst der Klägerin, und bei diesem Anlass
wurde seine Geschäftsverbindung mit der Beklagten auf die Klägerin
übertragen. Ein schriftlicher Alleinvertretungsvertrag mit Festlegung
eines Vertretungsgebietes einerseits und einer Mindestabnahmepflicht des
Vertreters anderseits, wie dies sonst üblich ist, wurde allerdings nicht
abgeschlossen. Schriftlichkeit ist jedoch kein Gültigkeitserfordernis
des Alleinvertretungsvertrages, und auch die Festsetzung einer
Mindestabnahmepflicht bildet kein begriffsnotwendiges Merkmal eines
solchen. Eine schriftliche Festlegung wurde im vorliegenden Fall offenbar
deshalb als nicht notwendig erachtet, weil die blosse Übertragung
eines bereits bestehenden Vertretungsverhältnisses stattfand. Die
Übertragung der Geschäftsverbindung mit Haussmann auf die Klägerin
sollte an deren Rechtsnatur nichts ändern. Das geht daraus hervor,
dass die Beklagte nach der Aussage ihres von der ersten Instanz als
Auskunftsperson einvernommenen Teilhabers Seybert bei der Begründung der
Geschäftsbeziehung mit der Klägerin dieser die Zusicherung gab, sie sei der
einzige Importeur der Fabrikate der Beklagten. Nach der gleichen Richtung
weist sodann auch die Tatsache, dass die Klägerin sich in einem an ihre
Kundschaft gerichteten Mitteilungsblatt, das sie mit Einwilligung der
Beklagten herausgab, als Inhaberin der Alleinvertretung für die Schweiz
bezeichnete. Schliesslich wäre auch die im Schreiben der Beklagten vom
4. Februar 1961 gebrauchte Wendung von der "fristlosen Kündigung unserer
bisherigen Geschäftsbeziehung" unverständlich, wenn zwischen den Parteien
nicht ein Alleinvertretungsverhältnis bestanden hätte.

    Angesichts all dieser Umstände ist daher der Auffassung der Vorinstanz
beizupflichten, dass die zwischen den Parteien begründete geschäftliche
Beziehung einen Alleinvertretungsvertrag darstellt.

Erwägung 3

    3.- Als Schuldvertrag untersteht der Alleinvertretungsvertrag der
allenfalls von den Parteien vereinbarten Rechtsordnung. Fehlt es, wie
im vorliegenden Falle, an einer Rechtswahl der Parteien, so ist gemäss
ständiger Rechtsprechung das Recht massgebend, mit dem der Vertrag den
engsten räumlichen Zusammenhang aufweist (BGE 88 II 286 Erw. 1 und dort
erwähnte Entscheide).

    Die Vorinstanzen haben unter Hinweis auf diesen Grundsatz ausgeführt,
beim Alleinvertretungsvertrag falle, wie bei dem ihm ähnlichen
Agenturvertrag, das Hauptgewicht auf das Gebiet der Vertretung, da hier
die für das Verhältnis der Parteien wichtigste Tätigkeit zu entfalten
sei, und sie haben mit Rücksicht hierauf das schweizerische Recht als
anwendbar betrachtet.

    Das Bundesgericht hat in BGE 78 II 81 f. zwar anerkannt,
dass der Alleinvertretungsvertrag wirtschaftlich gesehen zu den
Vermittlungsverträgen gehöre und daher dem Agenturvertrag verwandt sei, für
den Art. 418 b Abs. 2 OR auf das Recht des Landes verweise, in welchem der
Agent seine Tätigkeit ausübe. Für den Alleinvertretungsvertrag wurde dann
aber gleichwohl das Recht am Wohnsitz des Lieferanten als grundsätzlich
massgebend erklärt, weil das Schwergewicht auf den Verkäuferpflichten des
Fabrikanten liege. Dabei wurden jedoch ausdrücklich Sonderfälle vorbehalten

    "où les rapports entre fournisseur et "représentant" sont de nature
plus étroite; où par exemple le contrat d'exclusivité est conclu pour
une longue durée ou a effectivement été en vigueur de longues années,
où le concessionnaire n'est pas obligé de faire des commandes d'un
minimum déterminé, où il est tenu de consacrer toute son activité à son
fournisseur; dans ce cas, il se peut que sa position, quant au droit
applicable, doive être assimilée à celle d'un agent."

    Mit einem Sonderfall dieser Art hat man es hier zu tun. Eine
Mindestbezugspflicht der Klägerin wurde nicht vereinbart; das
Alleinvertretungsverhältnis hat 6 Jahre gedauert, und es ist überdies
in Betracht zu ziehen, dass es an die Stelle eines schon vorher während
mehrerer Jahre bestehenden Alleinvertretungsverhältnisses zwischen der
Beklagten und Haussmann trat. Unter diesen Umständen ist es sachlich
richtiger, den Vertrag der Parteien dem schweizerischen Recht zu
unterstellen. Ob sich die in BGE 78 II 81 grundsätzlich vertretene
Auffassung überhaupt aufrecht erhalten lasse, kann heute offen bleiben.

    Da der streitige Vertrag vom schweizerischen Recht beherrscht wird,
ist die Berufung somit zulässig.